Nr. 62 BEILAGE

Neuer Vorwärts

Sein letztes Plebiszit

Hitlers französisches Vorbild

Ja! Victor Hugo .

-

-

19. August 1934

Von Karl Max.

einem

Der plebiszitäre Despotismus, die Allein- kommene, radikale Bekräftigung der ein-| vative und durchweg analphabetische Ge-| Bordeaux, Toulouse , Metz schütteten über­herrschaft eines Einzelnen, die anscheinend zigen Regierungsform hervorgehen, die un- sellschaftsschicht ließ sich leicht einreden, wiegend Nein- Stimmen auf den Tisch, durch eine Volksbefragung bestätigt wird, seren wohlbegründeten Bestrebungen ge- daß ,, mit Ja stimmen für den Frieden stim- selbst Armee und Marine, die doch unter ist ein französisches Gewächs, besser, eine recht zu werden vermag, der demokrati- men" heiße, zumal der angerufene Klerus besonderem Druck abstimmten, brachten bonapartistische Erfindung. Der erste N a- schen und sozialen Republik ." Von dem im sich seiner Pflicht, für das Regime zu ar- 46.000 Nein, fast ein Siebtel aller mili­poleon ließ sich vom ,, Volkswillen" zum Exil hausenden großen Dichter druckten beiten, nicht entzog. Wie es die General- tärischen Stimmen, auf; bis in die Cent­Konsul auf Lebenszeit machen und zum die Zeitungen einen Brief ab, der schnei- vikare von Valence sagten, sagten es fast Gardes, die Schloß- Leibwache des Cäsars, Kaiserthron emportragen, und geschickter dend schloß: alle Soutanenträger. ,, Ja das ist die gab es mit Nein Votierende. Aber das noch praktizierte sein kleiner Neffe, Na- Will der Urheber des Staatsstreiches Ordnung und aller Segen, auf den sie hof- flache Land trog nicht die Hoffnungen poleon III. geheißen, das Plebiszit, das durchaus eine Frage an das Volk richten, fen läßt, Nein das ist die Anarchie mit derer, die auf seine mangelnde politische ihm dazu dienen mußte, den üblen Staats­7.3 Millionen erkennen wir ihm nur zu folgender das allen ihren Folgen", und der Generalvikar Aufklärung gebaut hatten. streich vom 2. Dezember 1851 zu ,, lega- Recht: ,, Soll ich die Tuilerien verlassen und von Bouges betete sogar das Sprüchlein Ja- Stimmen gegen 1.5 Millionen Nein­lisieren". nach Vincennes gehen, um mich den Ge- her von ,, dem Mann, den die Vorsehung Stimmen machten den 8. Mai zu Da er nach fast achtzehn Jahren unum- richten zur Verfügung zu stellen?" Na- Frankreich geschenkt hat, alle Uebel zu Triumphtag des Regimes, das fester ge­schränkter Herrschaft den Boden unter poleon. heilen". Je näher der Abstimmungstermin gründet schien denn je; bei feierlicher seinen Füßen wanken fühlte, suchte er der rückte, desto handfester wurden die Metho- Uebergabe des Plebiszit- Ergebnisses durfte täglich mehr erstarkenden Opposition den den des Regimes. Einen Italiener, der der Präsident des gesetzgebenden Körpers, Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er Aehnlich der Ton der Versammlungen. 100.000 Francs für das für das antiplebiszitäre Schneider, dem Kaiser sagen: Frank­Aus- reich steht hinter Ihnen! aus einem Mann der Ordnung" ein Mann War vor kurzem erst ein feuriger Anti- Komitee gestiftet hatte, ereilte die der ,, Freiheit" wurde. Er berief im Januar bonapartist mit der milden Strafe von weisung, Zeitungskonfiskationen folgten Einundzwanzig Kanonenschüsse dröhn­1870 das ,, liberale" Ministerium Olliver einem Monat Gefängnis davongekommen, auf Zeitungskonfiskationen, und die Auf- ten zu Beginn und am Schlusse der Feier, und heckte eine Verfassungsänderung aus, weil er bei einer Truppenschau dem Kaiser deckung eines Komplottes gegen Na po- aber ihr Pulverrauch die den Despotismus konstitutionell ver- zugerufen hatte: A Cayenne!, also: Ins leon, bei dem Polizeispitzel mindestens schneller als die festigende Wirkung der brämte, in Wahrheit aber fest begründete, Zuchthaus!, so verlas in einer Versamm- so mitgewirkt hatten, wie ein paar engstir- Volksabstimmung. Das Regime erlebte denn fortan konnte die Verfassung nur lung der Folies- Bergères der Citoyen Ler- nige Fanatiker, erlaubte nicht nur die nach seinem glorreichen 8. Mai noch einen durch Volksabstimmung auf Antrag des mina ein langes Urteil, das Napoleon Massenverhaftung Miẞliebiger, sondern 8. Juni, einen 8. Juli und einen 8. August, Kaisers geändert werden; Napoleon III. als Bandenführer, Räuber, Dieb und auch die Einschüchterung des ängstlichen aber dann war's aus. Anfang September hatte es also jederzeit in der Hand, unter Falschmünzer" zu lebenslänglicher Zwangs- Spießbürgers durch den ,, Roten Schrek- brachte Sedan, die Gefangennahme Napo­Ausschaltung von Senat und Kammer zum arbeit verdonnerte; diese Versammlung ken". ,, Bei einem Plebiszit", spottete Fried- leons, die Flucht der kaiserlichen Fa­plebiszitären Staatsstreich auszuholen. Er allerdings wurde aufgelöst und der Redner rich Engels ,,, muß dem Volk eine Dosis milie aus Paris und die Ausrufung der Re­dachte auch sofort die Probe aufs Exem- auf zwei Jahre ins Gefängnis geschickt. Attentat eingegeben werden, wie ein plubik trotz 7.3 Millionen Ja- Stimmen

Napo­

-

verwehte kaum

der Reaktion

pel zu machen, indem er alles Blut und Ueberhaupt blieb die Regierung keines- Quacksalber jede große Kur mit einem kurz zuvor! allen Schmutz von seinem alt und morsch wegs müßig. Der ganze ungeheure Beam- starken Abführmittel anfängt". Aber so gewordenen Regime im Jungbrunnen einer tenapparat, vom Minister bis zum Feld- sehr es sich hier um häßliche und hassens- Die Phalanx Volksabstimmung abspülte. Am 8. Mai hüter, wurde in Bewegung gesetzt, um am werte Bräuche eines ausgesprochenen Poli­hatte die Nation mit Ja oder Nein über 8. Mai ein günstiges Votum zu erzielen. zeistaates handelte, es waren doch nicht folgenden Text abzustimmen: Wie Napoleon selber um die Ja- Stim- die Gepflogenheiten einer zügellosen Ver- ,, Alle Klassen und Parteien hatten sich ,, Das französische Volk billigt die libera- men der Nation bettelte, weil es gelte,. ,, die brecherbande, die zur Erreichung ihrer während der Junitage( 1848) zur Partei der len Reformen, die vom Kaiser unter Mitwir- Drohungen der Revolution zu beschwören", Ziele auch vor dem unmenschlichen Terror Ordnung vereint gegenüber der proletarischen kung der großen Staatskörperschaften seit so wurden Präfekten und Landräte, Frie- nicht zurückschreckt. Klasse, als der Partei der Anarchie, des So­1860 in der Verfassung vollzogen sind, und densrichter und Bürgermeister aufgeboten, Es reichte auch so. Zwar verwarf die zialismus, des Kommunismus. Sie hatten die genehmigt den Senatsbeschluß vom 20. April die Bauern, die die Hauptmasse der Ab- Hauptstadt mit 184.345 Nein gegen 138.406 Gesellschaft gerettet" gegen die ,, Feinde der stimmungsberechtigten darstellten, zu be- Ja den Dezembermann, und auch die ande- Gesellschaft". Sie hatten die Stichworte der schwatzen und einzuseifen. Diese konser- ren großen Städte wie Lyon , Marseille . alten Gesellschaft, Eigentum"," Familie",

1870".

Der Wortlaut war außerordentlich schlau abgefaßt, denn der Abstimmung wurden scheinbar nur die liberalen Refor­men unterbreitet, aber wer mit Ja ant­wortete, stimmte mittelbar doch für den gesamten napoleonischen Cäsarismus.

Das Zweite Kaiserreich war ein Land der Unterdrückung und Knechtschaft, und nur mit einem Augurenlächeln konnte O 1- livier verheißen, daß in der Periode vor dem Plebiszit vollkommene Preß- und Ver­sammlungsfreiheit herrschen werde. Aber so tief gesunken war selbst dieses würdelose Regime nicht, daß es jedem Bürger einen Knebel in den Mund gestoßen, das Land in Friedhofsstille gesenkt und politisch An­dersdenkende durch Konzentrationslager und Mord ausgerottet hätte. Vielmehr be­gann sofort nach Ankündigung des Plebis­zits ein scharfer Oppositionswind zu wehen. In der Kammer entspann sich eine lebhafte Erörterung über Wert oder Unwert dieser Volksabstimmung. Eine stattliche Reihe unabhängiger und vielgelesener Blätter, wie ,, Rappel" ,,, Marseillaise" ,,, National" ,,, Ga­ zette de France" ,,, Siècle", Avenir Na­tional" ,,, Citoyen" ,,, Réveil" ,,, Cloche" ,,, Gi­

ronde" ,,, Emancipation" und ,, Progrès" for­

derten mit aller Schärfe die Massen auf, mit Nein zu antworten. Aus Abgeordneten und Redakteuren der Linken bildete sich ein Ausschuß, der für die Propaganda ge­gen das Plebiszit durch öffentliche Samm­lung beträchtliche Geldmittel aufbrachte. Von diesen Gegnern des Systems empfah­len die einen das Nein, die anderen traten| für Enthaltung ein, um dem Regime unter die Nase zu reiben, daß es zu einem Appell an das Volk gar kein Recht habe. Aber die einen wie die anderen nahmen in der Agi-| tation kein Blatt vor den Mund. Der 2. Dezember", begann das Manifest der Lin­ken ,,, hat Frankreich unter die Gewalt eines Eizelnen gebeugt. Heute ist das per­sönliche Regiment durch seine Früchte ge­richtet; die Erfahrung verdammt es, die Nation verwirft es", und der Aufruf der Pariser Sektionen der Internationalen Ar­beiter- Assoziation erklärte rund heraus:| ,, Es genügt nicht, auf das Plebsizit, das man uns aufzwingt, mit einem nur ver­neinenden Votum zu antworten. Aus der Urne muß die unbedingteste Verurteilung des monarchischen Regimes und die voll­

B

55

$ 97$ 9

S

555

5

e

S

S

575 5 5 V

5655

27

S

S

S

22545

เรือง

S

Es ist erreicht!

,, Religion" ,,, Ordnung" als Parole unter ihr Heer ausgeteilt und der konterrevolutionären Kreuzfahrt zugerufen: ,, Unter diesem Zeichen wirst du siegen!"... Jede Forderung der ein­fachsten bürgerlichen Finanzreform, des ordi­närsten Liberalismus, des formalsten Re­publikanertums, der plattesten Demokratie wird gleichzeitig als Attentat auf die Ge­sellschaft" bestraft und als ,, Sozialis­mus" gebrandmarkt. Und schließlich werden die Hohenpriester der ,, Religion und Ordnung" selbst mit Fußtritten von ihren Pythiastühlen verjagt, bei Nacht und Nebel aus ihren Betten geholt, in Zellenwagen gesteckt, in Kerker geworfen oder ins Exil geschickt, ihr Tempel wird der Erde gleichgemacht, ihr Hund wird versiegelt, ihre Feder zerbrochen, ihr Gesetz zerrissen im Namen der Religion, des Eigentums, der Familie, der Ordnung. Ordnungsfanatische Bourgeois auf ihren Bal­konen werden von besoffenen Soldatenhaufen zusammengeschossen, ihr Familienheiligtum wird entweiht, ihre Häuser werden zum Zeit­vertreib bombardiert im Namen des

-

Eigentums, der Familie, der Religion und der Ordnung. Der Auswurf der bürgerlichen Ge­sellschaft bildet schließlich die heilige Pha­lanx

der Ordnung, und Held Crapulinsky ( Bonaparte) zieht in die Tuilerien ein Retter der Gesellschaft."

als Karl

Marx: ,, Der achtzehnte Bru­ maire des Louis Bonaparte."( 1852.)

Die Präsidentenwahl von 1848. ,, Komm, Napoleon, und nimm Besitz von Deinem Bedientenvolk! Sie sagen, Du seist ein Trottel, ein Abenteurer, ein Verrückter, aber Du bist der Mann, den wir brauchen! Die Abtrünnigen aller Regie­rungen erwarten Dich! Komm und beende unsere Zwietracht, indem Du unsere Freiheit nimmst! Komm und vollende die Schmach des französischen Volkes! Komm, das Weib Frankreich ist voll und bedarf eines Mannes!" Pierre Proudhon( Oktober 1848). ,, Das französische Volk hatte an seine Spitze einen Mann ge­stellt, von dem es sehr wenig wußte und dieses Wenige war kei­neswegs besonders günstig. Aber er war der Erbe seines Oheims und der Erbe des Nationalruhmes, und Völker, schrieb ein