Die französische und diesmal auffallenderweise in noch stärkerem Maße die englische Oeffentlichkeit war von vornherein fest entschlossen, dem Abstimmungsergebnis vom 19. August keinerlei Bedeutung beizumessen. Schon daran läßt sich der schwere Rückschlag ermessen, den das Ansehen Hit lers und seines Dritten Reiches in den letzten > Kirchmann, Mann der Kirche, erMonaten in den westeuropäischen Kulturläninnert die deutschen Bischöfe an das Beidern erlitten hat. Im November gab es in Paris und noch mehr in London ernsthafte spiel des heiligen Ambrosius, der dem Stimmen, die die amtlichen Ziffern des ersten grausamen Kaiser Theodosius mutig entgegentrat. Aber sie? Der Mann der Kirche
Pllebiszites für durchaus beachtenswert erklärten. Nur die entschiedenen Linksblätter betonten schon damals, daß all das nur - Schwindel und Terror, während andere Zeitungen zwar auch nicht völlig überzeugt, aber I dennoch stark beeindruckt waren.
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Größtes Aufsehen erregt in katholi- freiwillig zurückgezogen worden ist, um den aus der Studentenschaft ausgeschlossen schen Kreisen der Schweiz eine im» Liga- Stand der Verhandlungen nicht zu gefährden, und mußte sein Studium aufVerlag Luzern erschienene Schrift:» St. oder ob er zurückgezogen worden ist, nach- geben. Von dem Führer seines VerbanAmbrosius und die deutschen Bischöfe von dem die Polizei ihn auf einem Ordinariat des, Träger eines in der Geschichte des Stefan Kirchmann<. >> gefunden<< und seine Publikation von hoher deutschen Katholizismus berühmten NaStelle aus als ein Konfliktsfall bezeichnet mens, erhielt er auf seine Beschwerde einen worden war. ausweichenden Bescheid! Der 30. Juni ein religiöses Ereignis. Gegen all diese Schwäche und Nachgiebigkeit wendet sich Kirchmann. Er verlangt von den deutschen Bischöfen, daß sie dem Beispiel des heiligen Ambrosius folgen mögen:
Die Knebelung der katholischen Presse. Ueber die Knebelung der katholischen Presse erzählt Kirchmann geradezu Ungeheuerliches: ,, Das Schweigen der Bischöfe Wie schamlos der Gewissensdruck und die
schreibt:
die
ist vielleicht noch furchtbarer bewußte Irreführung des Volkes durch als alles andere, was am 30. Juni ge- Presse geworden ist dafür nur ein Beischehen ist. Denn das Schweigen zerstört die spiel: Der Redakteur einer ehemals katholiletzte moralische Autorität in Deutschland , schen, dann zwangsweise nationalsozialisti
1. Sie schreiben selber nichts mehr. 2. Sie drucken alles unverändert, was wir Ihnen zustellen.
ein
Die Krise vom 30. Juni ist nicht nur politischer Zwischenfall, sondern ein moralisches und damit auch religiöses Ereignis.
nicht sein Ahnen und Wissen aussprechen.
Sehnsüchtig wartet es auf eine Stimme, die ruhig und fest die einfache Wahrheit schonungslos, aber unpolitisch sagt.
Eine Stimme, die sagt, daß Mord Mord bleibt und daß der Staat nicht alles darf, was er kann.
Seit dem 30. Juni und seit dem Jull- Er- es trägt eine Unsicherheit in die Reihen der schen Zeitung, der es versuchte, noch hin und Das Volk ahnt es und weiß es. Aber es kann eignissen in Wien hält man dagegen Hitler Gläubigen, es droht zu einer Entfremdung wieder einen christlichen Gedanken einzuund Konsorten jeder Gewalttat für fähig. Die- zwischen Bischöfen und dem Volk zu führen, flechten, wurde vor folgende geheime Fordeser Umschwung ist offenbar noch stärker in dem dieses Schweigen nicht mehr begreiflich rung der Parteileiter gestellt: England in Erscheinung getreten als anders- ist. Daher ist gerade der gläubige Katholik wo, well dort eben die Illusionen über den verpflichtet, die Bischöfe in aller Ehrfurcht wahren Charakter des Nazi- Regimes in den vor ihrem Amt und ihrer geweihten Person führenden bürgerlichen und aristokratischen zu bitten:>> Sprecht, gerade well das deutsche 3. Gewisse Ihnen bezeichnete Artikel, die Schichten am stärksten verbreitet waren. So Volk und die deutschen Katholiken einer Ihnen von uns zugestellt werden, haben Sie ist es zu erklären, daß die britische Presse festen Führung und einer unzweideutigen unter Ihrem eigenen Namen zu veröffentnoch deutlicher vielleicht als die französische Erinnerung an die unzerstörbaren Grundlagen lichen. im voraus betonte, daß das Plebiszit vom aller gesellschaftlichen und völkischen Ord19. August überhaupt nichts beweisen würde. Darüber bestand schließlich in den letzten Tagen vor dem 19. August eine Uebereinstimmung, die sich insbesondere in den witzigsten
Karikaturen offenbarte.
de Aber siehe dabel Bekanntwerden der diesmaligen Ziffern hat die französische und die englische Presse durchaus nicht nach ihrem ursprünglichen Vorsatz gehandelt.
nung bedürfen!<
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Eine Stimme, die daran erinnert, daß das Bekenntnis zum positiven Christentum, wenn es ernst gemeint ist, nicht nur propagandistischen Zielen und der Rechtfertigung der bestehenden Ordnung dienen darf, sondern Verpflichtungen und Bindungen auferlegt.
Längst haben es alle gemerkt, daß der Presse jede Freiheit genommen ist. Im deut Es gibt Lagen, in denen das Schweigen schen Volk gibt heute niemand mehr etwas gegen den Willen der Schweigenden als Zu- auf die Tagespresse nicht auf die nationalstimmung gedeutet und Eine Stimme, die es wagt, den Mann, der mißbraucht wird. sozialistische, weil sie lügt nicht auf die kühn genug ist, sich als den höchsten GeDie Taten des 30. Juni sind nicht nur be- gleichgeschaltete, ehemals katholische, weil richtshof der Nation zu bezeichnen, genau so gangen, sondern auch als Ausdruck höchster sie teils schweigen, teils lügen muß. Auch für das vergossene Blut zur Rechenschaft Gerechtigkeit und des deutschen Rechts- die vermeintlich österreichische kath. Wochenzu ziehen, empfindens gefeiert worden. schrift>> Schönere Zukunft<< wird in Deutsch - wie der heilige Ambrosius Theodosius den land gedruckt und steht unter polizeilicher Großen. ist alle Vorzensur, so daß sie seit langem die kathoOeffent- lischen Belange nicht mehr vertreten kann. Bisher freuten sich die Katholiken über
Das Volk kann nicht sprechen. Es darf sich nicht versammeln, und ihm Die Verdoppelung der amtlich zugeOeffentlichkeit verschlossen. Die gebenen Oppositionsstimmen hat in lichkeit bestimmen die Täter des 30. Juni. Westeuropa einen ungeheuren Eindruck gemacht. Daher weiß das Volk nicht, was alles ge- ihre unpolitischen Kirchenblätter, die ab und nur unbe- zu zu einzelnen Zwischenfällen sich mit erViele Leute vermuten, daß nur ein Teil der schehen ist. Es flüstert sich Wahrheit zugegeben wird, man betont, daß stimmte Nachrichten zu; es ahnt nur, welche frischender Deutlichkeit und offen trotz aller Wirklichkeit sich hinter Beschlagnahmen der farblosen gelegentlichen jede Kontrolle bei den Zählungen in den unäußerten. Wird das nun anders werden? Auf Grund tersten und in den obersten Instanzen gefehlt Todesanzeige Klauseners birgt; habe, sodaß alle Mutmaßungen gestattet seien; Bischof Bares von Berlin hat allerdings eines Gesetzes aus der Kulturkampfzeit Bisder direkte und indirekte Terror der sich bis vor den Aschenresten des Ermordeten ge- marcks nötigenfalls geht man also auch sind zum Eingang des Lokals auf Schritt und standen. Zwar konnte man in ausländischen juristisch gesichert vor Tritt bemerkbar machte, wird noch einmal Blättern ausführlich geschildert.
Aber umso größer ist das Erstaunen und vor allem die offene Bewunderung für die mehr als fünf Milionen Deutschen , die es unter solchen Umständen gewagt haben, dem neuen Gott das Opfer zu verweigern.
Zum ersten Male nach anderthalb Jahren beginnt die Welt wieder Achtung vor Deutschland zu haben, indem sie den Heroismus der Todfeinde Hitlers hervorhebt und bewundert. Das Wachsen der offenen Opposition wird als die Ueberraschung und das einzige entscheidende Merkmal dieses Plebiszits kommentiert. durch seinen Herold.
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Hitler hatte Göbbels unvorsichtigerweise verkünden lassen, daß er dieses Plebiszit in erster Linie aus außenpolitischen Gründen veranstalte. Offenbar hoffte er, Eindruck zu schinden und danach auch Kredite zu erhalten:„ Seht! das ganze Deutschland steht hinter ihm Ihr müßt euch endlich damit abfinden und die Konsequenzen ziehen!"
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bezeichnenderweise nicht in Deutschland ! lesen, daß die Regierung sich bei ihm wegen des» Mißverständnisses< ent
schuldigt habe; aber schließlich ist die Exekution eines Mannes ohne Anklage auf einen
summarischen Befehl hin mehr als ein» Mißverständnis<<, das
durch Entschuldigungen unter Ausschluß der Oeffentlichkeit beseitigt werden kann. Es schreit nach einer öffentlichen Buße, nach einer öffentlichen Erklärung, die es vor aller Welt beim Namen nennt.<
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alle Kirchenblätter unter polizeilicher Vorzensur gestellt worden. Vorläufig weiß das Volk nichts von dieser Abmachung, die selbstverständlich sein Vertrauen in
die Kirchenblätter erschüttern würde, aber die Polizei wird schon auf die Dauer nicht diskret sein, denn sie hat ja kein Interesse daran, das Ansehen der Kirchenblätter zu wahren.
Es gibt eine Zeit, in der die noch so kluge Taktik zur Katastrophe und die scheinbar noch so weise Vorsicht zur Selbstvernichtung wird. Der 30. Juni bedeutet die öffentliche Anmeldung des Anspruches darauf, daß alle Moral die tatsächliche Macht zu rechtfertigen hat.
Wer die Möglichkeit hat, einen ErschieBungsbefehl durchführen zu lassen, hat Recht! Wenn eine Autorität, die kraft ihrer Sendung und Geschichte noch sprechen kann, zu den Vorgängen vom 30. Juni schweigt, so darf sie sich nicht wundern, daß ihr äußeres Schicksal vom 30. Juni trotz aller taktischen innern
Proteste mitbestimmt werden wird. Eine geistliche Autorität hat zwar keine Exekutionskommandos mit Panzerwagen und Maschinengewehren. Aber sie hat ihr unzerstörbares Recht in der Unbedingtheit ihrer Begründung.
der
Stellvertreter Jesu
Tolle Einzelfälle. Ueber die Behandlung der Katholiken Der Papst ist in Deutschland erzählt Kirchmann einige Christi. Die Bischöfe sind die Nachfolger der Wir erfahren von Kirchmann, daß der tolle Einzelfälle. Apostel. Die Grundlage ihres Amtes ist nicht frühere» Germania <-Redakteur HageAnfang Juli fand eine Frauenwall- ein irdisches Machtstreben.» Mein Reich ist mann in einem vertraulichen Rundschrei- fahrt nach einem bekannten Wallfahrts - nicht von dieser Welt<<. Gerade dieses Wort die Schriftleiter früher katho- ort statt. Der Zug wurde vor der Kirche Jesu Christi zwingt sie, Stellung zu nehmen, lischer Zeitungen erklärt hat: Die Bischöfe durch Hitlerjugend gestört, die mit lautem wenn die Welt vergißt, daß nicht sie das Klausener um» eine politische An- licher stellte den Führer ruhig zur Rede, gibt, der es wagen darf, alle Entscheidung seien der Ansicht, daß es sich im Falle Gesang mitten durchstürmte. Ein Geist- Reich Gottes ist und daß es keinen Menschen gelegenheit handelt und daß sie sich als Antwort schlug ihm dieser die über Recht und Unrecht, über Leben und Tod daher» heraushalten< würden. In dem- Faust ins Gesicht. selben Brief Hagemanns wird die Ermordung des Mitarbeiters Papens, von Bose, leichtthin als>> ein unprogramm äßi
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ger Zwischenfalls bezeichnet. Soll das so weitergehen, fragt Kirchmann und er antwortet:
Man endet wie der unglückselige Vize
auf die angebliche Absolutheit seiner poliEin Student, der in ein Wehrlager tischen Sendung zu gründen. eingezogen ist, besuchte dienstpflichtschließt Stefan Kirchmann, ein widrig die Sonntagsmesse. Er wurde dafür Mann der Kirche und ein Christ!
Untersuchung
Diesen Erfolg hätte er wahrscheinlich auch dann nicht erzielt, wenn er die Ziffern I vom 12. November gehalten oder gar übertroffen hätte. Jetzt aber spricht man kanzler von Papen, der die Erschießung sel- Soziologische In der Welt weit mehr von den ner Mitarbeiter Jung und von Bose nicht mit fünf Millionen, die Hitler nicht seinem Rücktritt beantworten darf haben wollen, als von den 38 M1111- zu beantworten wagt. Denn er würde ja da- Alfred Ingomar Bernt war einer von den onen, die ihm angeblich folgen. durch zeigen, daß seine bisherige Taktik ein ,, 5 Millionen müssen zugegeben werden Und die meisten Menschen fügen noch hinzu: Fehlgriff war, er bleibt und braucht dafür
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ter werden?
Fehlgriffe
am 30, Juni
>> Was liegt schon daran?« fragt Frick.
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oder
vielen Redakteuren des WTB, bis die Gleichschaltung seinen Wert erkannte und ihn zum
aus der drahtlosen Wiedergabe dieser Untersuchung nicht. Logischerweise können diese
fünf Millionen Opponenten, wenn Ingomar mit damaligen Nichtwählern und von den inzwi
seiner Berechnung recht hat, nur von den
sein.
schen abstimmungsberechtigt gewordenen, heißt von den Jung wählern gekommen Dienstleiter des Deutschen Nachrichtenman Zu diesem Ergebnis wird dem bureaus machte. Solchermaßen prominent geworden, ergriff auch er das Wort, um die gelehrten Soziologen hiermit wohl herzlich Volksabstimmung vom 19. August als einen gratulieren dürfen. beispiellosen Sieg der Naziregierung auszu
münzen. Zur Instruktion der Journalisten Hindenburg flaggt
hat man in Berlin außer der täglichen Pressekonferenz jetzt auch noch ein allwöchentlich
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nicht im Reichstag zu erscheinen, darf sogar wie viel waren es in Wahrheit? Wie viel der Beerdigung eines seiner Mitarbeiter unter werden es bei wirklich freien Wahlen gewesen Ausschluß der Oeffentlichkeit beiwohnen! sein? Wie viel werden es im nächsten WinSoll das wahrlich nicht beneidenswerte Schicksal des Vizekanzlers mit der hingerichteten Umgebung repräsentativ werden? Wo bleibt der Hirtenbrief von Fulda ? Unmittelbar vor dem 30. Juni wurde erscheinendes Befehlsheft> Das Thema der > Was will es dann schon bedeuten, wenn berichtet, daß die Konkordatsver- Woche<. Dort hat Ingomar wie der Rund- wurde aus dem Hause Ecke Dorotheenstraße eine Handvoll Verräter in berechtigter Staats- handlungen gut ständen. Der mit funk am Montag berichtete, das Abstim- und Zahnstraße in Hindenburg die schwarznotwehr niedergeschlagen werden mußte, wo Spannung erwartete Hirtenbrief der Ful- mungsergebnis» soziologisch untersucht. Der rot- goldene< Fahne gehiẞt. Diese unerwartete es galt, durch blitzschnelles Handeln das Leben daer Bischofskonferenz wurde nicht ver- gelehrte Mann kommt zu dem Schluß, Hitler Beflaggung in den alten republikanischen sen zu retten? Dann spielt sogar die bedauervon Zehntausenden unschuldiger Volksgenos- lesen, die Gläubiger erfuhren nicht, war- habe mehr Stimmen erhalten als er und Hin- Farben rief eine große Menge Menschen zuliche Tatsache um. Dazu bemerkt Kirchmann: denburg zusammen bei der Reichspräsidenten- sammen, wobei es gegen die Hitlerei an spötkeine entscheidende Rolle, Wir wollen an dieser Stelle unerörtert wahl im April 1932, also hätten nicht nur tischen Bemerkungen nicht fehlte und man wenn bei einer solchen Aktion hier und da lassen, welche Ursachen zu der seltsamen Er- sämtiche damaligen Hindenburgwähler für konnte manches frohe Gesicht über den geFehlgriffe vorgekommen sein sollten.<< scheinung eines Hirtenbriefes deutscher Bi- Hitler gestimmt, sondern sogar der wesent- lungenen Streich bemerken. Die Nazis selbst So sprach laut Bericht des partelamtlichen schöfe geführt haben, der zwar im Auslande liche Teil der kommunistischen Wähler habe aber verloren den Mut und verdrückten sich. > Westdeutschen Beobachters< Reichsinnen- bekannt geworden ist, aber die einfachen sich nun vertrauensvoll dem Führer ange- Sie alarmierten dann die Polizei, die das minister Frick am 13. August in frühere Reichssymbol entfernte. Die Nazis gute Zeiten. Menschenleben bestimmt war, nicht erreicht hat. Wir wollen Woher dann aber die fünf Millionen Ge- wagten nicht, vor der spottenden Menge die also nicht untersuchen, ob dieser Hirtenbrief genstimmen gekommen sind, das erfuhr man Fahne selbst zu entfernen.
Mörder
haben
sind billig wie noch nie.