Nr. 69 BEILAGE
Neuer Vorwärts
7. Oktober 1934
Hitler- Vallender des deutschen Geistes
in Verlagsanzeigen und Professorenvorreden
Sinn der deutschen Geschichte war es, wußt der neue, dre wiedergeborene germa- sche Verlag als nächste Bände der ,, Ta-| Vorteil" weit sinnfälliger und vor allem Hitler hervorzubringen, Sinn und Zweck nische Mensch in Erscheinung. Heute scheint schenausgabe" E. M. Arndts ,, Volk und sauberer zu scheiden wußte als die Gedes deutschen Geisteslebens, in Hitler zu es wie ein Dämmern durch das deutsche Volk Staat", Heinrich von Treitschkes meindewohlpropheten von heute. Aber wie gipfeln. Zu dieser Ueberzeugung muß man zu gehen, das anzeigt, als sei es reif gewor- ,, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert", kommt Immanuel Kant dazu, daß kommen, wenn man die Tätigkeit der den für den Apostel der Deutschen , den eine ,, Deutsche Geschichte seit 1918 in eine Auswahl aus den ,, Drei Kritiken" besten deutschen Verleger an Hand ihrer heiligen und seeligen Meister'. Die Ueber- Dokumenten" und eine ,, Deutsche Geschich- durch Prof. Dr. Raymond Schmidt Waschzettel, Prospekte und der Vorreden tragung Hermann Büttners gehört als erste te seit Bismarck " an, und wie die aussehen, in die Sätze ausklingt: ihrer Herausgeber verfolgt- usurpiert Schrift in jedes deutsche Haus. Alfred bezw. eingeleitet sein werden, läßt die ,, Wo aber ist die philosophische Persöndoch gleich der eine Verlag Alfred Krö- Rosenberg im Mythos des zwanzigsten folgende zwanzigsten folgende Verlagsnotiz ner in Leipzig , dessen klassische ,, Ta- Jahrhunderts". ,, Staat " ahnen: schenausgaben" einen solchen Sündenfall Doch seien zur Richtigstellung des Bil- ,, Die geforderte Vereinigung von setzt? Die die Menschen zur inneren Freiam wenigsten verdient hätten, ein gutes des und zur Ehre Meister Eckharts, dieses Geist und Macht in der gleichen Hand, heit erzieht durch Erziehung zur Einsicht in Dutzend Denker für die Vorgeschichte des
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Da lesen wir gelegentlich einer Ausaus Leibnizens Hauptwerken, sie dürfe ,,, bei der Selbstentdeckung des deutschen Geistes, in der wir stehen, größter Beachtung gewiß sein. Die großen Gedanken seiner Hauptwerke, die uns heute aufs höchste bewegen, sind noch nicht halb ausgeschöpft". Der Herausgeber Professor Dietrich Mahnke aber exzerpiert Leibniz so, daß uns Hitler förmlich als späte Erfüllung der kühnsten Wunschträume des Philosophen erscheinen muß. Man höre:
,, Das theoretische Erkennen und Glauben vollenden sich erst im practice denken, das ist tun, als wenn's wahr wäre', und im practice wollen, das ist alles tun, was in unseren Kräften ist, um wahr und wirklich zu machen', was wir als das Beste erkennen und glauben. Die gottähnlichsten Menschen sind also nicht die groBen Philosophen und nicht die frommen Priester, sondern die weltwirksamen, Politiker( oder) Leiter der öffentlichen Angelegenheiten, als welche sie sich bemühen, nicht allein den Glanz göttlicher Herrlichkeit in der Natur zu finden, sondern auch durch Imitation nachzuahmen'. Solche politische Menschheitsführer ,, welchen Gott zugleich Verstand und Macht in hohem Grade gegeben, sind die Helden, so Gott zu Ausführung seines Willens als prinzipaleste Instrumente geschaffen'; sie sind es, die das wahre Wesen des Weltschöpfers am vollkommensten, Sozusagen als seine irdischen Statt
halter, repräsentieren."
Wer sieht bei diesen Worten nicht den Herrn Professor Mahnke, wie er dem groBen Adolf mit idealistisch- geistiger Zunge die Stiefel leckt? Aber er begnügt sich beileibe nicht, bloß den einen Leibniz in Hitlertribut zu nehmen, sondern fährt nach einem kräftigen philosophisch- metaphysischen Atemholen folgendermaßen fort: ,, Die gleiche doppelseitige Synthese", derselbe ,, tiefe, echt deutsche Tatglaube, in dem die theoretisch idealisierende Weltanschauung mit der praktisch realisierenden Kulturpolitik" zusammenklingen und ,, die zu allen Zeiten für das wahrhaft deutsche Leben bezeichnend gewesen" sind, äußern sich ,, in Meister Eckharts aktiver Mystik mit ihrem, Ausbrechen der Gottinnigkeit in die Wirksamkeit wie in Kants Höchstwertung der
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Ihre Amnestie
entworfene
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Gesamtschau
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das Wesen der Pflicht? Die den Menschen den Glauben wiedergibt an eine politische und gesellschaftliche Zukunft ,, wie sie sein sollte'?"
Wo? Natürlich in der Reichskanzlei zu Berlin , beziehungsweise auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden , denn Schmidt fährt promt fort:
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, Wenigstens glauben wir, daß der Grundsatz, zu dem das neue Deutschland sich bekennt, Gemeinnutz geht vor Eigennutz' daß der Geist der Pflichterfüllung und der opfervollen Hingabe, den der Führer unseres Volkes von uns fordert, aus denselben moralischen Instinkten stammen, die Kant einst veranlaßten, den, kategorischen Imperativ der Pflicht zu formulieren und das Wissen zu zerstören, um für den Glauben und für das rechte Handeln Platz zu machen."
So reichen einander( man verzeihe das schiefe Bild der schiefen Sache zuliebe) Leibniz und Kant, Prof. Mahnke und Prof. Schmidt unter den Fittichen des KrönerVerlages gerührt die Hand, um dem Reichsführer und Reichskanzler den gebührenden Platz in der deutschen Geistesgeschichte anzuweisen. Aber wie werden die Herren Professoren und Verleger ihr horizontales Gewerbe- ,, Gemeinnutz geht vor Eigennutz" umstellen, bis einmal das neue Tausendjährige Reich erledigt und die Hitlerkonjunktur in der Philosophie und auf dem Büchermarkt vorbei sein wird?
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In einem Orte in der Nähe einer sächsischen Großstadt sprach letzthin der sächsische Landesbischof Koch. Das ist jener Koch, der als nationalsozialistischer Kanzelagitator schon zu Brünings Zeiten von Gott eine gute Hanfernte erflehte, damit, wenn Hitler an die Macht komme, genügend Stricke für seine Gegner da sein möchten. Dieser würdige Agent christlicher Nächstenliebe streitet heute als echter Hitlerchrist für die unbedingte Gleichschaltung der protestantischen Kirche, gegen die sich bekanntlich viele protestantische Geistliche heftig wehren.
In dem betreffenden Dorfe wollte Koch eigentlich in der Kirche sprechen. Da aber der Ortsgeistliche, der dem Pfarrernotbunde angehört, die Hergabe der Kirche für diesen Zweck verweigerte, mußte die Koch- Versammlung im Gasthofe abgehalten werden. Die gesamte Einwohnerschaft des Dorfes wurde mit entsprechendem Druck in diese Versammlung befohlen. Koch donnerte mächtig gegen die geistliche Opposition. Ein Bauer aber hatte den Sinn der zornigen Epistel praktischen Vernunft' oder in Fichtes echten, Gewalt und Ueberhebung verab-| die Rangordnung von ganz und gar nicht verstanden. Er hatte nur Idealismus der Tat", und sie werden ,, dich- scheuenden Christen, folgende schöne Führern und Geführten und der Er- kapiert, daß der Herr Bischof auf die proteterisch am schönsten von Goethe in der Kernsätze seiner Lehre angeführt:„, Gott ziehungsplan für den neuen Adel, die neue stantischen Pfarrer schlecht zu sprechen war. Gestalt Fausts verklärt". Ja, offenbar sah ist ebenso wahrhaftig die Liebe, als er die Führerschicht verleihen dem Buche über seine Und daß es auch in der evangelischen Kirche Goethe, als er seine berühmten Verse Wahrheit ist; und ebenso, als er die Güte zeitlose Geltung hinaus höchsten Gegenwarts- Bischöfe gibt, war ihm anscheinend auch Auf neuer Bahn den Aether zu durch- ist, ist Gott wahrhaftig die Liebe. Liebe wert." nicht geläufig. Kopfschüttelnd verließ er den dringen, kann überhaupt nirgends bestehen, als Wenn es Platon recht sein muß, mit der Saal. Nachher aber wandte er sich an einen Zu neuen Sphären reiner Tätigkeit wo Gleichheit und Einheit ist. Zwischen ,, Vereinigung von Geist und Macht" Hit- Nachbarn, dem er vertraute, obwohl oder gar dichtete, genial vorausschauenden Auges dem Knecht und dem Herrn ist die Liebe ler, Göring und Göbbels , mit dem„ Er- weil der Mann heute noch heimlicher Sozialbereits den herrlichen Mann aus Braunau niemals gleich, und alle ungleichen Dinge ziehungsplan für den neuen Adel" die demokrat ist. Ihn fragte der Bauer:" Was vor sich, der sich erst unlängst in Ham- fliehen sich und hassen sich untereinan- Dolchmesser und Handgranaten- Gelände- wollte denn eigentlich dieser katholische Bi burg fünfzehn Jahre unermüdlicher ,, Tä- der." tigkeit" selber attestiert hat. Oder: ,, Wir können wohl irdisches spiele der Hitlerjugend gemeint zu haben, schof hier? Der hat doch nur auf die ProteGut geben; aber die Ehre, die wir einem so ist es für Paul de Lagarde nur stanten geschimpft! Und warum mußten Um die von Mahnke bloß im groben Menschen nehmen, vermögen wir nicht mehr als billig, daß der Band 110 der denn wir alle in die Versammlung? angedeutete Zeugenschaft des deut- wiederzuerstatten, sie wird uns allzu Sammlung sein ,, Bild unter dem Gesichts- haben doch bloẞ drei Katholiken im Dorfe..." schen Geistes für Hitler ganz anschaulich schwer. Darum mußt du, lieber Mensch, punkt" zeigen soll ,,, unter dem wir heute werden zu lassen, bringen gleich zwei Ver- auf deine Worte sehen." Und schließlich: den zu neuem Leben erweckten Künder Dieses Dorf hat nun seit dem Umsturz lage, der Inselverlag zu Leipzig und„ Das Edelste, was im Menschen ist, ist das echten Deutschtums sehen. Als Buch einer den dritten Bürgermeister. Der erste stammte der schon vor dem großen Aufbruch" Blut, wenn es zum Guten treibt; aber das Gesinnung, die das Wohl des Ganzen über noch aus der Zeit der„ Judenrepublik", in der gleichgeschaltete Eugen Diederichs Aergste, was in Jena ,,, ungekürzte Volksausgaben" der Blut, wenn es Böses will." im Menschen ist, ist das den privaten Vorteil stellt, zählt es zu den er sich vom kleinen Gemeindeschreiber hochführenden Schriften des neuen Deutsch - gearbeitet hatte. Sieben Jahre lang hatte er ,, Schriften" Meister Eckharts herVon dem unheiligen und jedenfalls land." seiner Gemeinde als Bürgermeister vorgestanaus und Diederichs schämt sich nicht, auf höchst Eckhart- fernen Geist getrieben, die Der nationalistische Heißsporn Lagarde den. Er war kein Sozialdemokrat, der Bauchbinde der seinen zu bemerken: besten Deutschen für Adolf Hitlers Größe mag es nicht besser verdienen, obwohl er mußte gehen, weil braune Leute an die Krip,, In Meister Eckhart tritt zuerst und be- zeugen zu lassen, kündigt der Kröner- ,, das Wohl des Ganzen" und den„, privaten pen wollten. An seine Stelle trat ein Speise
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