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Neuer Vorwärts

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Sozialdemokratisches Wochenblatt

Verlag: Karlsbad , Haus Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite

Totschlagen wie einen Hund-

Nr. 76

SONNTAG, 25. Nov. 1934

Aus dem Inhalt:

Jeder darf sterben!

Kampf gegen Hitler in Amerika Der Herr von Shylock

Die Gefahr für den Frieden

und dann dieselbe Politik machen?

Als Stresemann aus Locarno zurück-| aller dieser Vorkämpfer einer deutsch -| einen Albdruck los, die seelischen Span -| was sie sagten. Aber wenn Hitler ein kam, schrieb Hitler im» Völkischen Be- französischen Verständigung über den nungen würden sofort schwinden und paar» vernegerten Franzosen<< pathe­obachter<<, man solle ihn» t otschla-» Führer« gekommen wäre, als er mit die wirtschaftlichen Beziehungen zwi- tisch versichert, daß er keinen Krieg den beiden Franzosen sprach. schen allen europäischen Völkern wür- wolle, dann meint er das genau so wie

gen wie einen Hund«.

Putsch

Das war nicht nur so leichthin ge- Also sprach Hitler :» Nicht einen den sich bessern. Die Kriegsteilnehmer damals im November 1922, als er feier­sagt. Versprechungen dieser Art pflegt einzigen Grenzstein wollen wir von einst müssen imstande sein, die lich vor den bayrischen Innenminister Hitler zu halten. Wenn sich damals verrücken!« Elsaß- Lothringen muß Welt zum Frieden zu zwin- Schweyer trat, die Hand auf das Herz kein gefälliger SA- Mann fand, der das darum alle 20 oder 30 Jahre Krieg gen. legte und sprach:» Herr Minister, ich Wort des Führers wahr machte, und darum geführt werden? Sie sind eine So sprach Hitler ! Hört es Pazifisten, gebe Ihnen mein Ehrenwort, ich werde wenn es demzufolge in Deutschland Quelle der Schwierigkeiten für Frank- Sozialisten, in den Gefängnissen von nie in meinem Leben einen keine Stresemann- Mörder gibt, die man reich, wenn sie französisch, für Moabit und Tegel , in den Konzentra- machen.<< ebenso ehren könnte, wie die Mörder Deutschland , wenn sie deutsch sind! tionslagern von Lichtenburg und Pa- Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht Erzbergers und Rathenaus, so liegt das Das Deutschland der Gegenwart denkt penburg, in den Bunkern von Dachau dasselbe. Und wenn zwei dasselbe re­einzig und allein an der Verbesserung, ganz anders als das Deutschland der und in den Kellern des Columbia hauses den, ist es erst recht nicht dasselbe. die das Polizeiwesen seit Rathenaus Vergangenheit. Es wünscht nicht so sprach Hitler !

Tode erfahren hatte. Und wenn Stre­semann nicht später nach Hitlers Machtergreifung das Schicksal Schlei­chers erlitt, so gewiß nur deshalb, weil er ohnehin schon tot war.

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Machtkämpfe im System

Wenn Stresemann von Verständigung sprach, war das klarer Landesverrat. Wenn Hitler von Verständigung spricht, ist es» nordische List«. Versteht doch! Und ob sie es verstehen! Der» Füh­rer« spricht von Frieden, Deutschland spricht von nichts anderem als vom Krieg. Die einen mit fiebernder Lust, die anderen mit stumpfem Fatalismus, die dritten mit leiser Hoffnung auf Be­freiung aus den Qualen ihrer Knecht­schaft- alle sprechen von Krieg. Was es bedeutet, wenn der» Führer< und das ist das Pein­Systems und mächtigen Militärkrel- vom Frieden spricht, wissen sie alle. sen eingetreten. General Fritsch auf der Nur freilich die anderen wis­I einen Seite Hitler und Blomberg auf der liche an der Sache. anderen Seite. Es sind die alten Fragen: die sen es auch. Franzosen , Engländer, Fragen des Oberbefehls, der Organisation der Italiener, Russen, Tschechen, Belgier, militärischen Macht, des Verhältnisses zwi- Holländer, alle, alle wissen es. Sie hö­schen Militär und nationalsozialistischer ren wohl die Worte aus seinem Munde, aber sie schauen auf seine Hände.

Gleichzeitig sind wieder erhebliche Span­der zivilen Spitze des nungen zwischen

Hitler aber wollte im Oktober 1925 Stresemann totschlagen wie Das System ringt mit inneren und äußer- talistischen Basis des Regimes gefährdet. Es einen Hund, weil er in Locarno mit lichen Schwierigkeiten. Starke kapitalistische wird eine Probe auf die Festigkeit der Dikta­England, Frankreich , Belgien und Ita- Gruppen rebellieren gegen die Aufopferung tur sein, ob ihre Machtpolitik vor kapitali­lien einen Sicherheitsvertrag geschlos- ihrer Interessen zugunsten der totalen Kriegs- stischen Gruppeninteressen zurückschreckt. sen hatte. Stresemann verzichtete noch vorbereitungspolitik. Das System Schacht einmal auf das schon abgetretene hat den Punkt erreicht, wo innere Auseinan­Elsaß, um das besetzte Gebiet gegen dersetzungen und Entscheidungen nötig wer­Annexierungsgelüste der französischen den, während zugleich die verhängnisvollen Militaristen zu sichern. Nach Abschluß Wirkungen im Ausland hervortreten. Hinter des Vertrags von Locarno begann die den inneren Auseinandersetzungen steht die Räumung, die im Jahre 1930 unter Her- Frage: ist der Militarismus für den Kapita­mann Müllers Regierung vollendet lismus da, oder der Kapitalismus für den wurde.

Militarismus.

Die Stellung Schachts als Wirt­schaftsdiktator gilt heute für er­

Dafür aber wollte Hitler Stresemann wie einen Hund totschlagen. Denn das vernegerte, durch die libera- schüttert. Er hat die Einheit der kapi­

Partei.

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Wer ersetzt wen

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wer verhaftet wen?

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So weit hat es Deutschland gebracht! Sein Herr, sein Ueberkaiser, sein Halb­listischen Ideen der großen Revolution gott spricht. Und es gibt keinen Men­verpestete Frankreich war der Erb­schen auf der ganzen Welt, der ihm feind, mit dem zu paktieren Landesver- neues Gebiet zu erobern, es Totschlagen wie einen auch nur ein einziges Wort glaubt. rat war. Nicht mit ihm paktieren, ver- will nur das Leben der eigenen Bevöl- H und? Totschlagen wie Die nordische List ist etwas plump. nichten, aus rotten, Stresemanns Sprache klingt von diesen zer- kerung sichern. Die Leute, die gegen einen Hund? Schmettern mußte man es. Wie? den Frieden sind, sind nicht diejenigen, Aber halt, nein! Er meint das doch Lippen fremd. Wollt Ihr aber den Ach, das war so einfach, daß man die im Kriege erschossen werden, son- gar nicht so! Ja gewiß, er sprach echten Hitler, dann hört ihn mit hei­schon ein marxistischer Erzschurke dern die im Kriege Profit machen.- wie Stresemann, er sprach wie Ra- serer Stimme bellen: sein mußte, um es nicht begreifen zu men Frankreich und Deutschland zu thenau. Nur wenn Stresemann und> Totschlagen, wie einen wollen! Man brauchte doch nur mit einer Verständigung, so wäre die Welt Rathenau sprachen, meinten sie auch Hund!< England und Italien ein Bündnis schlie­ Ben und dann drauf los, daß die Fetzen flogen!

Alles nähere darüber kann man in der Germanenbibel» Mein Kampf « nachlesen. Wir zitieren nur, um das Suchen zu erleichtern, das Personen­und Sachverzeichnis des zweiten Ban­

des:

699

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Ziel 696, 699, 765

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Wer regiert in Deutschland ?

Augsburger

Die Geschichte eines Betriebskampfes unter Naziführung

am

Es

Unterm 23. September brachten wir in beruhigend auf die Belegschaft ein. Der Er-| losigkeit der deutschen Arbeiter wirft. Frankreich : Deutschlands Todfeind Nr. 67 unseres Blattes eine Notiz ,, Rebel- folg dieser Aktion stärkte das Selbstbewußt- zeigt sich hier die Verlogenheit der Kapita­Kriegs- lion der Sklaven", die über einen ein- sein der Arbeiterschaft und gab besonders den listenknechte von Hitler über Ley bis Frey ziel 763 Französische Herrschaft tägigen Betriebsstreik in der gro- Nationalsozialisten im Betrieb Gelegenheit, vor aller Welt. Wir entnehmen dem Berichte: das Kriegsergebnis 696- Ueberein- Ben Textilfabrik auf die arbeiterfreundliche Politik der regie- Nach der Verhaftung des Direktors Graf stimmung franz. und jüdischer Inter - Buntweberei Riedinger" 21. renden Stellen und auf den Ernst des soziali- nahmen die Arbeiter unter den alten essen 704- Endgültige Auseinan- August dieses Jahres berichtet. Damals legte stischen Bekenntnisses der NSDAP hinzuwei- Bedingungen die Arbeit wieder auf. Graf dersetzung mit F. 766 Militärgeo- die nach Tausenden zählende Belegschaft aus sen. Auch die öffentliche Meinung, soweit es war verschwunden. Man konnte nie erfahren, graphische Lage Frs. 695 Fr. und Protest gegen den angekündigten Lohnabbau eine solche geben darf, war für die Selbst- in welches Konzentrationslager Graf verbracht England 699 Afrikanischer Staat und die in Aussicht genommenen Verschlech- hilfe der Arbeiter eingenommen. Die Presse wurde, oder in welcher Gefängniszelle er für auf europäischem Boden. terungen der Arbeitsbedingungen spontan die gab einen kurzen Kommentar zu den Vorgän- den ,, Raubbau an der Arbeitskraft seiner Ge­Aus diesem afrikanischen Staat auf Arbeit nieder und forderte die Abberu- gen, in dem es u. a. hieß: folgschaft" büßte. Es schien tatsächlich, als europäischem Boden waren nun neulich fung des Direktors Alfred Graf. ,, Graf hatte allen Warnungen der ört- ob der nationalsozialistische Staat in diesem die Herren Goy und Monnier, ein Halb- Besonders die Arbeiter der nationalsozialisti- lichen Dienststellen der Arbeitsfront zum Fall einmal allen böswilligen Behauptungen faschist vom Frontkämpferbund, und schen Betriebszelle beteiligten sich führend Trotz Entlassungen in größerer Zahl der Marxisten zum Trotz seinen Sozialismus vorgenommen, ohne diese dem Treuhänder bewiesen hätte. ein reaktionärer Pariser Stadtrat, bei an der Protestaktion. Nationalsozialistische anzuzeigen, oder dessen notwendige Ge­Hitler zu Besuch. Zwei Stunden lang. Arbeiter rissen dem Graf, der Mitglied der nehmigung einzuholen. Auch hatte er Sie sprachen wenig, der Führer sprach NSDAP war, das Hohheitsabzeichen rücksichtslos Lohnabbau durch­viel, und was er sprach, stand am letz- Rockkragen. Der Zwischenfall" endete da­geführt und Betriebsumstellungen technischer Art in einem Umfang ten Sonntag im Pariser»> Matin<. vorgenommen, die als Raubbau der Ein Raunen und Flüstern ging durch die Be­Areitskraft seiner Gefolgschaft ange- legschaft. Ueberall sah man erstaunte Ge­sehen werden mußten."

vom

mit, daß der Ausbeuter Graf von der Polizei

Es war, wahrhaftig der reine Stre- abgeführt und in Schutzhaft genom­

semann!

men wurde. Die Arbeitsfront und der

be­

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Da, am 31. Oktober marschierte froh und munter der Arbeitsfrontkamerad und Ausbeuter Eduard Graf wieder in sein nob­les Direktorenzimmer.

sichter, besonders aber bei den National­sozialisten. Die Aufklärung sollte schon noch kommen. Am Abend wurde eine Betriebs­

Und nicht nur Stresemann. Was die- Treuhänder der Arbeit für Bayern Kurt Soweit konnten wir damals den Fall ser sagte, haben andere vor ihm noch Frey stellten sich auf die Seite der Arbeiter- richten. besser gesagt, z. B. Ludwig Börne , schaft. In einer Betriebsversammlung begrün- Nun geht uns ein neuer Bericht zu, versammlung einberufen, zu der 1600 Ferdinand Lassalle oder Walter dete Frey zur großen Genugtuung der Arbei- der die weitere Entwicklung der Geschehnisse Mann Belegschaft erschienen. Es sprach der Rathenau . Es war, als ob der Geist ter seine Stellungnahme und wirkte dadurch darstellt und ein grelles Licht auf die Recht- Treuhänder der Arbeit Kurt Frey höchst