Nr. 76 BEILAGE

Heuer Vorwärts

Der Herr von Shylock

25. November 1934

Katastrophales Forschungsergebnis bei der Suche nach der reinrassigen Großmutter: Fast der gesamte deutsche   Adel verjudet!

Bis zum 1. Januar 1935 muß der ge- ten des letzten Großherzogs von Hessen  , Tochter eines verarmten Adeligen de Croy. samte deutsche Adel, einer Verfügung des und den Grafen von Salm. Die säch- Die bayerischen Freiherren von Adelsmarschalls, Fürsten   von Bentheim, sische Freiherrenfamilie von Kaskel Perfall haben, ebenfalls durch Heirat, zufolge, die Ahnentafeln vorlegen, durch stammt von dem russischen Eisenbahn  - sehr viel jüdisches Blut in sich aufgenom­die der Nachweis der Blutreinheit bis zum unternehmer Samuel Fränkel ab. Die men. Ganz besonders fürchterlich ist die 1. Januar 1800 erbracht werden soll. Freiherren   von Gersonn, in Sachsen  - Entdeckung, daß der Erzieher des jetzi­Oberstleutnant von Bogen, Administrator Koburg>> erbeingesessen<<, stammen von gen Königs von Italien  , der spätere italieni­der Deutschen   Adelsgenossenschaft, hat dem württembergischen Juden Josua sche Kriegsminister Graf Otto­kürzlich erklärt, daß die eingeleitete Säu- Gerson. Sie sind verwandt mit dem berung des deutschen   Adels so durchgrei- bayerischen Freiherrn Taut phoeus, der einst am bayerischen Kö­nigshofe eine große Rolle spielte. Der Karlsruher   Bankier Samuel Haber hat

fend sein werde,

Pfui Schiller!

Ueberwunden- wesenlos

abstrakt verblasen!

Die Großmutter ist schuld. Die deutschen   Sender dröhnen von Schil­lers Lobe wieder, die deutschen Schulen legen

lenghi, garantiert einwandfrei deutsch  - Feststunden ein, die deutschen Theater über­jüdischer Herkunft war; einer der Ahnen bieten einander in Klassik, man begeht die zog noch hausierend durch die Gegend von selbst ein Horst Wessel   sich einer solchen

Ettlingen  .

noch von Linsberg, die Herwarts von holfen und viele von ihnen waren natür­

Adler treu und Grafen von eiserne Besen der deutschen   Adelsreiniger Schönfeld. wird sie nun auf den Nichtarier- Kehricht­

Gedenkwochen mit so feierlichem Prunk, daß

noch kein Staatsfeind zu sein selbst nach­

-

ist geradezu erquickend, wenn in dem allge­meinen Gedenkrausch einmal eine ehrliche Stimme laut wird, die den verdächtigen

Gar nicht auszudenken, daß, zum Bei- haufen fegen, trotzdem sie Geld und gute Schiller   so verreißt, wie er von hakenkreuz­spiel, die Grafen von Seckendorf, Worte für Adolf Hitler   hatten. Wie deren einer bekanntlich Flügeladjutant und schmerzlich für Adolf Hitler  , daß er bei späterer Gatte der Mutter von Wilhelm II.   den anderen Stammverwandten seiner nor­

offizieller Seite verrissen zu werden ver­diente.

daẞ künftighin kein Tropfen jüdischen Bluts in den Adern eines deutschen   Adels fließen werde. Man Das sind nur einige Namen aus einer Fülle. Huldigung kaum zu schämen brauchte. Wo­werde keinen>> Herrn von Shylock  << im ein gerüttelt Maß von Schuld an der Ver- Viele von diesen, wie man sieht, gar nicht mit hat der Sänger menschlicher Gewissens­deutschen Adel mehr finden. Dem» Völ- judung des deutschen   Adels: Von ihm reinrassigen Herren, haben dem National- freiheit das verdient? Wer so fragt, braucht kischen Beobachter<< genügen aber die ein- stammen ab die Freiherren Haber sozialismus mit viel Geld auf die Beine ge- denklichen Nationalsozialisten ist es aufge­geleiteten Säuberungsmaßnahmen lange nicht, zumal bisher nur etwa zwei Bittenfeld  , Freiherren von lich stramme SA- oder SS  - Führer. Der fallen, daß hier etwas nicht stimmt, und es Prozent des Mitgliederbestandes aus der Adelsgenossenschaft ausgeschlossen wor­den seien. Das Blatt erklärt, daß man min­destens die Hälfte des deutschen   Adels werde ausstoßen müssen, weil dann viel­leicht annähernd die Verjudung beseitigt sein wird. Ganz so unrecht hat Hitlers Moniteur diesmal nicht, denn in eingeweih­ten Kreisen der deutschen Adelsgenossen­schaft erzählt man sich gar erschreckliche Dinge über das Ergebnis der Suche nach der reinrassigen Großmutter. Tatsächlich wird die Hälfte der hochmögenden Herren Aristokraten nicht länger verbergen kön­nen, daß ihr blaues Blut anno dazumal ent­weder einen jüdischen Farbzusatz erhal­ten hat, oder sogar nur von ganz gewöhn­licher semitischer Beschaffenheit ist.

Göring   prüft Richter

Was ist deutsche   Rechtsquelle?

B

Der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1938. Was ist die größte deutsche   Rechtstat? Der 30. Juni 1934.

Was ist Rechtssicherheit?

Die Sicherheit der Nazis vor dem Recht.

In der ,, Zeitschrift für Deutsch­kunde", Teubner- Verlag, Leipzig  - Berlin  , die hauptsächlich von Lehrern für Lehrer geschrieben wird, setzt sich so ein Aufrechter mit Schiller auseinander und kommt zu dem Ergebnis, daß mit dem Geistesheroen eigent­lich nicht viel los ist. Patriotisch? Völkisch? Aber keine Idee! Man sehe sich nur seine Dramen an:

,, Schillers geschichtlich politische Dra­men sind von vornherein nicht völkisch, sondern allgemein menschlich eingestellt." Darum hat er's auch immer mit der inneren Politik, über die eigentlich gar nicht debat­tiert werden dürfte.

,, Gleich das erste geschichtlich- politische Drama, der ,, Fiesco  ", stellt innerpolitische Fragen vor das Auge: republikanische Volksfreiheit oder Tyrannei in Genua  ?" Und es ist schon eine Gemeinheit, daß er den Fiesco   nicht an die Macht läßt:

,, Dem Dichter des ,, Fiesco  " ist in seiner letzten dramatischen Entscheidung die all­gemeine Idee der Freiheit mehr als die konkrete Wirklichkeit des mit echten Führereigenschaften ausgestatteten, seiner Vaterstadt als Gabe des Schicksals ge­schenkten Fiesco, dessen Herrschaft aus Genua   wahrscheinlich mehr machen würde, als eine demokratische Republik tun könnte. Und die lebensferne und gedanken­blasse Fremdheit des ,, Fiesco  " und im be­sonderen seines Schlusses beruht wesent­lich auf diesem Totschlag lebendiger Wirk­lichkeiten durch die allgemeine Idee." Na, und der Don Carlos"? Dem wirft der Autor dieser herben Kritik rund und schlicht abstrakte Verblasenheit" vor, er schimpft ihn ,, das Hohelied der freiheitlichen, aufklärerischen Ideen" und fährt dann fort:

,, Marquis Posa und Don Carlos entwer­fen den Plan zu einem Befreiungskampfe, und rücksichtslos wird zugunsten der Menschheit, der allgemeinen europäischen  Entwicklung über alle völkischen Lebens­grundsätze hinweggeschritten."

,, offenbart der heldische Tod des Max Pic­colomini, wie sehr im Wallensteindrama die völkischen Angelegenheiten zugunsten der rein menschlichen zurückgestellt sind". Und die ,, Jungfrau von Orleans":

Man braucht nur einige Streiflichter auf die Genealogie der hoch- und wohlge­borenen Herren zu werfen, um zu sehen, wie es mit ihrer Herkunft beschaffen ist. Da gibt es, zum Beispiel, die Freiherren von Wetzlar   und Blankenstein. Daß diese Barone von dem Wiener   Juden Isaak Arnstein abstammen, der im Jahre 1762 den kaiserlichen Oberfaktor­Titel erhielt, haben sie vielleicht selber nicht gewußt. Ebenso die Freiherren von Biedermann, deren Urahne der 1769 in Preßburg   geborene Händler Mi­chael Lassar war. Als die Juden 1780 Familiennamen annehmen mußten, legte er sich den Namen Biedermann bei. Seine Söhne wurden sämtlich in den Adelsstand erhoben und waren Stammväter verschie­dener anderer Adelsfamilien, so der Frei­ herren   von Petzenstein und der Grafen Attens. Die Freiherren  von Born hatten den Berliner   Bankier und Gründer der Berlin- Stettiner Eisen­bahn Julius Born, verheiratet mit der Tochter des jüdischen Bankiers Blach­stein, zum Stammvater. An der Urwiege der Herren von Breitenbach stand der kurhessische Hofjude Wolf aus dem hessischen Dorf Breidenbach  , daher die- war, zusammen mit den Freiherren  | dischen Rasse nicht auch eine solche Rei- Was den ,, Wallenstein" anlangt, so ser Familienname. Sein Sohn Eduard, von Rothenfels  , von Eẞdorf, nigung vornehmen kann! Er würde dann, schon getauft, wurde hessischer Minister. von Kotzen und Aufs esz von dem zum Beispiel, auch die Prinzenfami­Baron Cohn, auch so etwas gibt es bayerischen Hoflieferanten Simon ab- lie Battenberg bekanntlich nahem noch, erhielt als herzoglich- anhaltischer stammen, der 1818 in München   geadelt Verwandten des englischen Königshauses Finanzrat und preußischer Hofbankier die wurde. Die Freiherren   von Winter- und ebenso der Exkönigin von Spanien  , die Nobilitierung. Er war Vermögensverwal- stein sind, in weiblicher Linie, Nach eine Battenbergerin ist im hohen Bogen ter und intimer Vertrauter Wilhelm I.   kommen des Wiener   Juden Abraham   aus dem Adel hinauswerfen, da der Ahn­Ein Sohn des jüdischen Frankfurter Joel. Daß die Fürsten   und Grafen herr dieses Hauses ein Hofjude auf dem Arztes Samuel Dreyfuß erhielt 1867 den Henckel von Donnersmarck- Gute Seiffertsdorf in Sachsen   war, wohin württembergischen Barontitel. Zwei dischen Ursprungs sind, weiß man: Nach- er durch die engen politischen und wirt­seiner Töchter heirateten Adelige, die eine kommen jenes jüdischen Handelsmannes schaftlichen Verbindungen zwischen Polen  den Baron Novelli in Venedig  , die andere Lazarus Henkel, der 1590 in Wien   und Sachsen   aus Polen   gekommen war. Er den( heute gleichgeschalteten) Berliner   den Titel>> Seiner kaiserlichen Majestät nahm später den Namen Haugk an, sein einzig und allein angekommen! Romanschriftsteller Dr. Ludwig von Hofjude und Handelsmann« erhielt und Sohn trat in die polnische Armee ein und Wohl. Eine dritte Tochter war ehemals später den ungarischen Adel mit der Be- wurde später russischer Generalleutnant. Von Messina  ". Dieser Don Cesar nimmt verheiratet mit dem bekannten Dirigenten willigung verliehen bekam, sich das Prä- Dessen Tochter, Hofdame der russischen sich das Leben, nur weil er seinen Bruder er­Felix Weingartner. Die Frei- dikat» di quinto foro«, auf deutsch  : Don- Kaiserin Maria  , heiratete den Bruder der schlagen hat. Er macht sich's bequem( wer herren von Eichtal stammen von nerstagsmarkt( d. i. Markt am fünften Ta- Kaiserin, den Prinzen Alexander von Hes- hat sich nach dem 30. Juni in Deutschland  Aron Elias   aus Leimen   bei Mann- ge) zuzulegen. Nicht minder interessant ist sen und erhielt den hessischen Fürstentitel das Leben genommen?). Daß mit ihm ,, das normannische Fürstengeschlecht, dessen letz­heim; Elias zog nach München  , die Geschichte der Grafen von Battenberg.  tes Glied er ist", ausstirbt, daß die ,, norman­1814 als erster Jude in den Adel erhoben Bethuly- Huc. Ihr Stammvater war Es wird also nur einem Teil der deut- nische Herrschaft zusammenbricht", braucht Emden   ein Schweizer   Jude namens Hugo, der schen Adeligen gelingen, die arische Groß- diesen Schwächling nicht zu kümmern. ( heute in England lebend) sind Nachkom- damals, nach schweizerischem Brauch, der mutter vorzuweisen. Bisher sind von den ,, Keine völkisch- politische Pflicht des Hamburger Bankiers Moritz Bethäusli- Hugo genannt wurde. Daraus rund dreizehntausend Mitgliedern der deut- ihn abhalten, die rein menschliche Emden  , der mit Charlotte Heine, der entstand der stolze Name Bethusy- Huc. füllen." schen Adelsvereinigung schon über vier­Schwester Heinrich Heines  , Das hätten die nationalsozialistischen Hof­verheiratet Auch die Fürsten   und Herzöge von hundert ausgeschlossen worden, weil ihr und Hausdichter ganz anders geschrieben. Bei war. Die Freiherren   von Erlanger Croy, die einst ganz obenan standen auf blaues Blut sich als unrein erwiesen hat. Wotan! Da hätte es erst mal einen fröhlichen sind direkte Nachkommen des Frankfur- den Stufen zum Königsthron, stammen ters Ludwig Erlanger, der lange von einem im achtzehnten Jahrhundert in Nach dem 1. Januar 1935 wird sich diese Zucht- und Hegehof gegeben Zeit im Hause Rotschild   tätig war. Gerade Frankfurt   eingewanderten Rüdesheimer   Ziffer gewaltig erhöhen und es ist sogar mord wäre höchstens wegen Altersschwäche diese Familie ist eng versippt und ver- Handelsmann Simon Rothwohl ab; möglich, daß die garantiert Reinrassigen erfolgt. schwägert mit dem Prinzen von ein Sohn diesés Rothwohl wanderte nach in der Adelsgemeinschaft in die Minderheit Solms- Braunfels, nahen Verwand- Frankreich aus und heiratete dort die geraten.

wurde.

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Die Barone von

wo er auch

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,, würde kein völkischer Franzose als völ­kische Tragödie anerkennen, da auch hier die eigentlich völkischen Fragen nicht in der tragischen Mitte, sondern im weiteren Umkreis liegen. Nicht daß die Französin Johanna den Engländer Lionel liebt, führt die Katastrophe herbei..."

sondern daß sie überhaupt liebt. Und gerade

auf die Rassenschande wär's doch

Ein ganz tolles Machwerk ist die ,, Braut  

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kann zu er­

der Selbst­

Selbst beim ,, Tell" handelt es sich nach Ansicht des Kritikers ,, nicht um einen im