Die nächste Erfahrung des Dr* Schacht Was wird aus der Erbsdbaft von Darre? Rasch sucht Wirtschaftsdiktator Schacht seine Machtstellung auszubauen. Darre ist auf Urlaub und fraglich ist's, ob er wiederkehren wird. Wenn er aber wiederkehren sollte, wird er dann noch selbständiger Minister und der Herr über die Agrarpolitik sein oder nur der Unter­gebene Schachts? Jedenfalls hat nicht Darres Staatssekretär Backe das neue Ge­setz über Forstwirtschaft in Abwesenheit seines Ministers für das Ernährungsmini­sterium unterzeichnet, sondern eben Schacht, und das läßt darauf schließen, daß der Wirtschaftsdiktator sein Macht­bereich bereits auf das Ernährungsmini­sterium ausgedehnt hat. Schacht hätte damit das einzige Gebiet der Wirtschaft erobert, auf dem bisher die National­sozialisten nach Verdrängung Hugenbergs unumschränkt gewaltet, das einzige, in dem sie und nicht Vertreter des»alten Sy­stems« die Führung hatten. Durch ihre Agrarpolitik sollten die ländlichen Massen zur treuesten Gefolgschaft Hitlers werden, I die Herausnahme der Landwirtschaft aus der»Verflechtung des kapitalistischen Marktes« sollte das Kernstück des deut­ schen Sozialismus bilden, die Blut- und Bodenpolitik die neuen bäuerlichen Ede- linge als»Träger der Staatsführung« schaffen, die Blubo -Romantik an die Stelle des schnöden Materialismus treten. Es war die politisch wichtigste wirtschaftliche Machtposition, die Darre für die NSDAP , für Hitler besetzt hatte. Und jetzt muß dieser Nationalsozialist, der einzige, der sich durchzusetzen schien, der Sieger über Hügenberg, dem üblen Stehkragenkapita­listen Schacht weichen! Das ist eine Tat- 1 sache nicht nur von wirtschaftlicher, son­dern vor allem von politischer Bedeutung. Die Kosten der Blubo-Polltik Kostspielig freilich, sehr kostspielig ist Darres Politik gewesen. Romantiker rech­nen nun mal nicht mit dem Gelde und das macht sie ja vielen so liebenswert, bis es zum Zahltag kommt und es sich heraus­stellt, daß andere die Rechnung zu be­gleichen haben. »Die Wiederherstellung der Rentabüi- tät der Landwirtschaft mag für den Kon­sumenten hart sein, aber das Schicksal er­fordert, daß das ganze Volk die notwendi­gen Lasten trägt«, hatte Hitler in seiner rsten Reichstagsrede verkündet. Die Lasten wurden hart. Die Handelsverträge wurden gekündigt, ein lückenloser Zoll­schutz für alle landwirtschaftlichen Pro­dukte eingeführt und bis zur völligen Un­terbindung der Einfuhr getrieben, das Fettmonopol geschaffen, durch Kontingen­tierung der Produktion und Auferlegung einer Steuer die Margarine verteuert, um den gesteigerten Verbrauch von Butter zu erzwingen, und dadurch zugleich die Milchpreise zu steigern. Durch Einführung des Monopols auf die Kraftfuttermittel setzte man zugleich das Niveau der Futter­preise nochmals herauf. Schließlich faßte man die landwirtschaftliche Produktion und ihre Verarbeitung zu Zwangssyndika­ten zusammen mit Festpreisen und Ab­lieferungszwang und tat die ersten Schrit­te zur Produktionsregelung, direkt durch Verbot der Produktionsausdehnung z. B. im Weinbau, indirekt durch Androhung der Nichtabnahme überschüssiger Ge­treidemengen oder andererseits durch staatliche Prämien für gesteigerten An­bau von Flachs, Hanf, Oelsaaten, für Ver­mehrung der Schafzucht usw., unbeküm­mert um die Produktionskosten. Zugleich wurde eine Zinssenkung auf 4% Prozent für alle landwirtschaftlichen Pereonal- und Realkredite durchgeführt; sie brachte der Landwirtschaft, vor allem auch dem hochverschuldeten Großgrundbesitz, eine Lastensenkung von 260 Millionen RM. jährlich, die das Reich aus allgemeinen Steuermitteln den Kreditanstalten ersetzen muß. Die Grundsteuer wurde mit 100 Mil­lionen vermindert, was den meisten Län­dern die völlige Streichung dieser Steuer für die Landwirtschaft ermöglichte. Die Umsatzsteuer für landwirtschaftliche Pro­dukte wurde auf 1 Prozent ermäßigt und die Landarbeiter wurden der Arbeitslosen­unterstützung beraubt, was für die land­wirtschaftlichen Unternehmer eine weitere Ersparnis von mehr als 40 Millionen jähr­lich bedeutet. Die nationalsozialistische Agrarpolitik zeigt folgende Tabelle: Inlandspreise: (Dezemberpreise Weizen ....... 20.55 Roggen....... 16.55 Hafer....... 14.88 Futtergerste..... 15.45 Mais(Plata)..... 15.50 Ochsen....... 82.00 Schweine...... 96.00 Butter....... 260.00 Schmalz....... 181.00 Eier1)....... 11.50 Zucker....... 44.00 Die deutschen Getreide- und Futter-] mittelpreise sind zwei- bis dreimal so hoch wie im Ausland, Fleisch, Fett, Butter, Schmalz, Eier zum Teil mehr als dreimal, Zucker fast fünfmal so hoch wie im Aus­land, Von Dezember 1932 bis Dezember 1934 haben sich die deutschen Inlands­preise erhöht: Ochsen von 63 auf 82; Schweine von 76.80 auf 96.00; Butter von 216.54 auf 260; Zucker von 40.52 auf 44; Schmalz von 61 auf 181 RM., also ge­rade verdreifacht! Wer bezahlt? Milliarden werden so vom Einkommen der Arbeiter, Angestellten und Beamten, von den breiten Massen der Städter auf das Einkommen der landwirtschaftlichen Produzenten übertragen; mehr als eine Milliarde jährlich kommt dazu aus öffent­lichen Mitteln in Gestalt der Steuersen­kungen und Subventionen; dazu aber tre­ten die Kosten, die der Ausfall der deut­ schen Ausfuhr bewirkt, der durch die Zer­störung der Außenhandelsbeziehungen und die Verringerung der Exportfähigkeit in­folge- der steigenden Lebenshaltungs- und; Rohstoffkosten bewirkt worden ist es handelt sich wieder um Milliarden! Die Steigerung der Lebenshaltungs­kosten bedeutete eine Verminderung des Realeinkommens der Arbeiter und der Festbesoldeten selbst dann, wenn die No­minaleinkommen die gleichen geblieben wären. Man weiß, daß das trotz immer wiederkehrender, allerdings auch immer schwächer werdender offizieller Beschöni­gungsversuche nicht der Fall ist, daß das Lohnniveau ganz allgemein einzelne Zweige der Rüstungsindustrie vielleicht ausgenommen gesunken ist. Noch mehr trifft das infolge der Arbeitszeitverkür­zung ohne Lohnausgleich für das Einkom­men der einzelnen Arbeiterfamilie zu. Nur so ist die erschütternde Tatsache zu er­klären, daß trotz der Verminderung der Arbeitslosenzahl auch nach den offiziellen Ziffern der Absatz des Einzelhandels in Lebensmitteln mengenmäßig im Jahre 1934 selbst hinter den schlimmen Krisen­jahren von 1932 und 1933 zurückgeblie­ben ist! Und diese Erscheinung der Ver­elendung der arbeitenden Massen ist umso aufreizende�, wenn man sie mit der Lage der Besitzenden, wie sie sich unter der Hitlerdiktatur gestaltet hat, vergleicht. Wir zitieren die»Frankfurter Zeitung «: Ebenso wie bei den Arbeitern, deren Eln- zelelnkommen nicht gestiegen sind, war es hat Erfolg gehabt: die Preise hoch! Das Auslandspreise: RM je 100 kg) 10.41 in New York 6.58 in Posen 5.29 in London 8.17 in London 5.84 in London 23.87 in Kopenhagen 28.37 in Chikago 121.77 in Kopenhagen 66.86 in New York 4.97 in Kopenhagen 9.17 in New York auch bei den Festbesoldeten, anders dagegen bei den Selbständigen : bei den Land­wirten und dem gewerblichen Mittelstand wie bei den kaufmännischen und industriellen Un­ternehmern ist nicht nur das Gesamteinkom­men stärker gestiegen als bei der Arbeiter­schaft, vielmehr sind in den meisten Fällen auch die Einzeleinkommen gewachsen, ob­gleich natürlich die Unterschiede von Fall zu Fall recht groß sind. Von den Kapitaleinkünf­ten haben sich die aus Dividenden sichtbar erhöht, die übrigen mindestens etwas ge­festigt. Die nominelle Erhöhung des ge­samten Volkseinkommens gegenüber dem vorigen Jahr mag zwischen einem und zwei Zehnteln liegen." Diese nominelle Erhöhung ist also eine reale Erhöhung für die Besitzenden, eine reale Senkung für die breiten Massen des Stadtvolkes und für die wieder hörig ge­wordenen Landarbeiter. Die Erbschaft Aber wenn jetzt Schacht an die Stelle Darres tritt, kann das eine wesentliche Aenderung bedeuten? Die nationalsoziali­stische Agrarpolitik hat zum Ruin der gesamt deutschen Volkswirtschaft sehr viel beigetragen. Aber sie hat die Bauern nicht zufriedengestellt, die die Verteue­rung der Futtermittel um einen Teil des Nutzens aus den- höheren Preisen ihrer Produkte gebracht hat, die sich gegen die Zwangswirtschaft sträuben und das Erb­hofgesetz ablehnen. Schacht mag den Zau­berlehrling Darre vielleicht in die Ecke stellen können, deswegen wird er die Gei­ster doch nicht mehr los, die jener ge­rufen, und auch kein Goerdeler wird ihm helfen können. Versucht er die Verringe­rung der für die deutsche Industrie und ihre Exportfähigkeit nicht tragbaren Last, versucht er die Senkung des überhöhten Preisniveaus, dann ruft er die feind­selige Erbitterung der agrari­schen Welt vom Großgrundbesitzer bis zum Kleinbauern gegen das Regime auf, und dieser Gefahr kann sich die Diktatur nicht aussetzen. Behält er aber die bis­herige Politik bei und begnügt sich nur damit, neue Steigerungen, die Darre plan­te, zu unterlassen, so verewigt er das Uebel. Hier stößt die politische Macht der Diktatur an das eherne ökono­mische Gesetz und alle Versuche, einen Ausweg zu finden, können nur zu einer Erschütterung der politischen Gewalt füh­ren. Das wird die nächste Erfahrung sein, die Schacht machen wird. ) Rra. für 100 Stück. Dr. Richard Kern. Gesdienke ans Ausland- Teuerung im Inland Die Weltkrise hat die Fäden zerrissen, die das In Jahrhunderten geknüpfte Netz der Weltwirtschaft bilden. Der' Handel bezieht seine Waren nicht dorther, wo sie am billig­sten sind, sondern wo keine Bezahlung mit international gültigen Zahlungsmitteln(Gold und Devisen) geleistet zu werden braucht. Die Auatauschbeziehungen richten sich viel­fach nach der internationalen Zahlungsfähig­keit der Käufer, nicht nach der Leistungs­fähigkeit der Verkäufer. Man Ist deshalb be­müht, den Bezug vom Aualand durch Selbst­versorgung und die Benutzung des Weltmark­tes durch direkten Tausch von Ware gegen Ware zu ersetzen. In seiner Spätzeit fällt der Kapitalismus in die primitivsten Methoden der Güterversorgung und des Tauschverkehrs zurück. Die Staatsgewalt greift in immer stärkerem Maße in die privaten Außenhan- delsbeziehungen ein. In der Hand eines sozia­ listischen Regimes wäre die staatliche Rege­lung von Einfuhr und Ausfuhr ein unerläß­licher Bestandteil der Planwirtschaft, heut ist sie das gerade Gegenteil einer sozialisti­ schen Planwirtschaft. Der staatliche Eingriff in den internationalen Waren- und Geldver­kehr bedeutet keine Verbüligung. sondern eine Verteuerung der Produktion. Der staat­liche Eingriff wird zum Mittel privater Be­reicherung. Er verschafft wenigen staatlich Bevorzugten eine verstärkte Monopolmacht, aber verhängt über die Masse des Volkes den Verzicht auf die Befriedigung wichtigster Lebensbedürfnisse. In Deutschland ist die staatliche Regelung des Außenhandels, vor allem die Devisenzu­teilung in der Hand Schachts, eines der wesentlichsten Bestandteile der Kriegswirt­schaft. Sie ist ein Mittel, die Kosten der Auf­rüstung zugleich von den ausländischen Gläu­bigern und von den helmischen Verbrauchern bezahlen zu lassen. Im Innern ist sie ein Machtinstrument, das fast einem vollgültigen Außenhandelsmonopol gleichkommt und mit dessen Hilfe Schacht es vermag, durch Zu­teilung und Verweigerung des Rohstoffbezu- ges die Produktion des einen Industriezweiges zu fördern, die des anderen zu drosseln, den einen Monopolgewinne auf Kosten der ande­ren zuzuschanzen. Nach außen ist sie ein Mittel, mit der Winzigkeit des verfügbaren Bestandes an Gold und Devisen ein Höchst­maß von Aufrüstungseinfuhr zu bewältigen, immer weniger Waren zu bezahlen und den­noch nicht weniger Waren einzuführen. Das Verfahren besteht darin, einen Teil der Ein­fuhr überhaupt nicht und den anderen an­statt in bar, d. h. mit Gold und Devisen, mit Waren, also die Einfuhr durch Mehrausfuhr zu bezahlen. Die einen werden um das Ent­gelt für ihre Waren geprellt, die anderen ge­zwungen, die Verschärfung der deutschen Konkurrenz auf ihrem eigenen Markte zu er­dulden oder gleichfalls auf die Bezahlung ihrer Waren zu verzichten. Die Folge ist die radi­kale- Umstellung des deutschen Rohstoffbe­zuges. Um die Rohstoffe nicht bar bezahlen zu müssen, nimmt Schacht eine unge­heure Verteuerung des Rohstoff­bezuges in Kauf. Daher die Abkehr von den überseeischen Rohstoffländern, wie sie im Neuen Vorwärts" Nr. 79 vom 16. Dezember geschildert ist. Nicht der Preis der Roh­stoffe ist entscheidend, sondern die Möglich­keit, durch die Verweigerung der Bezahlung in Devisen die Bezahlung in Waren, also die Steigerung der Ausfuhr zu erzwingen. Die staatliche Devisenzuteilung wird also als Mittel der Wirtschaftspropa­ganda, sie wird aber auch zur politischen Propaganda verwendet Man will mit wirt­schaftlichen Gunstbeweisen politische Freund­schaften erkaufen. Es zeigt sich aber, daß den von Schacht als Lieferanten bevorzugten Ländern seine Wohltaten zu Plagen werden. Seine Kompensationsgeschäfte sind nur eine weniger leicht durchschaubare Prel­lerei als die nackte Zahlungsverweigerung. Mehr und mehr sehen auch die neuen Roh­stofflieferanten ein, daß sie bei ihren Ge­schäften mit Deutschland nicht viel besser fahren als die alten. Dafür einige Beispiele: Vor einigen Monaten merkten die tsche­choslowakischen Leinenweberel­en, daß es ihnen immer schwerer wird, sich mit ihren ausländischen Konkurrenten auf dem Weltmarkte zu messen. Die Ursache war eine starke Erhöhung ihrer Produktionsko­sten durch Verteuerung ihres Rohstoffes, des heimischen Leinengarns. Deutschland hat ihren Lieferanten so viel Leinengarn abge­kauft, wie sie hergeben wollten, und jeden Preis versprochen, der von ihnen gefordert wurde. Im Monat Oktober hat Deutschland zwei Drittel der gesamten tschechoslowaki­schen Flachsgarnerzeugung aufgekauft. Obst ist in der Tschechoslowakei billig und die Obstausfuhr nach Deutschland sehr erheblich. Weil aber die Prager Obstgroß­händler keine Bezahlung für das nach Deutschland gelieferte Obst erlangen konn­ten, waren sie genötigt, wenn sie den Deut­ schen das Obst nicht schenken wollten, für ihre deutschen Forderungen deutsches Obst einzuhandeln, also deutsches Obst, obwohl es teurer ist als das eigene, nach der Tschechoslowakei einzufüh­ren und dem heimischen Obst mit deutsche» Konkurrenz zu bereiten. Sie haben einen Verlust beim Verkauf des Obstes in Kauf ge" nommen, um nicht das ganze Entgelt für da« nach Deutschland gelieferte Obst zu verlieren. In den letzten Wochen hatte der unga­rische Pengö einen starken Fall erlitten- Als Ursache wird angegeben, daß die hohen Preise, die Deutschland für die aus Ungarn bezogenen Rohstoffe bezahlt, die Konkurrenz­fähigkeit der ungarischen Industrie dermaßen geschwächt haben, daß sie die zur Bezahlung ihrer eigenen Rohstoffeinfuhr erforderlichen Devisen nicht aufbringen kann. Mit dem Vor­rat von Schafwolle haben die deutschen Käufer so radikal aufgeräumt, daß Ungarn selbst Schafwolle im Ausland kaufen und da­für Devisen aufbringen muß, während dl« eigene Schafwolle nach Deutschland wandert, ohne daß Ungarn dafür Devisen bezahlt be­kommt. Ungarn hat also für seine Rohstoff* lieferungen nach Deutschland anstatt Ge' die Uebertragung der deutschen Rohstoff knapphelt und der deut­ schen Teuerung nach Ungarn elh* getauscht. Das sind nur einige Beispiele von vielen* Die staatliche Devisenzuteüung ist also all«* andere als ein Mittel, Zahlungen an das AU** land zu ersparen, sie ist vielmehr ein Instm* ment zur Verteilung verschwenderischer G«" schenke an das Ausland, deren Kosten su' den Taschen der heimischen Verbraucher be­zahlt werden. Diese Art von Geschenken«f weisen sich aber mehr und mehr als Danaef geschenke, die den damit Beglückten m�hf Leid bringen als Freuda.