Neuer Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblakk

Verlag: Karlsbad  , Haus, Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite

Nr.89 SONNTAG, 24. Februar 1935

Aus dem Inhalt:

Hitleropfer in Holland  

Lob der Demokratie in Moskau  Gott   spricht wie Hitler  Die Saaremigranten in Süd­ frankreich  

Wie man Oberbürgermeister wird

Frauenköpfe rollen

Die große Spionage- Affäre in Berlin  

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In Berlin   sind am vergangenen Montag| herrschende Gesellschaft, die sich das zialisten Formis an sich lockte, um ihn der Todesstrafe war? Als Her­zwei Frauen geköpft worden, die im Dien- Recht angemaßt hat, den Deutschen Ge- von ihren Spießgesellen ermorden zu las- mann Müller sein Amt antrat, rich­ste eines polnischen Spions gestanden ha- setze zu geben, hat diese Strafe eingeführt. sen. In einem Lande, in dem diese Edith tete er an die deutschen   Länderregierungen ben sollen. Es war der Benita v. Berg, Die Taten, die heute in Deutschland   mit Kersbach und ihre Spießgesellen Schutz und die Aufforderung, keine Todesurteile mehr geschiedene v. Falkenhayn, geborene dem Tode bestraft werden, mögen noch so Förderung genießen, gibt es keine» Hin- vollstrecken zu lassen, solange nicht der v. Zollikofen  , und ihrer Schicksal- verwerflich sein sie stehen in gar kei- richtung mehr im Sinne irgendeines Reichstag über Beseitigung oder Beibehal­gefährtin der Renate v. Natzmer an der nem Verhältnis zu den Verbrechen, die die Rechts. Dort gibt es nur noch Abschlach- tung der Todesstrafe endgültig entschieden Wiege nicht gesungen worden, daß sie ein- heute Herrschenden auf dem Gewissen ha- tung und gemeinen Mord. hätte. Schon zuvor waren in der Republik  mal ein solches Ende nehmen würden. Sie ben. Mögen die beiden hingeschlachteten Gegen die Abschlachtung der beiden nur etwa 10 Prozent der Todesurteile voll­wie die dritte Verurteilte, Irene v. Jena, Frauen auch für Liebe oder Gold Ver- Frauen im Gefängnishof von Plötzensee streckt worden gegen 40 Prozent in der die mit lebenslänglichem Zuchthaus davon- rat begangen haben, sie mögen noch so empört sich jedes normale menschliche Monarchie. Hitlers   erste Tat aber war die kam, waren Töchter adeliger Offiziere, wie tief gesunken sein, sie hatten noch nicht Empfinden. Kann man sich vorstellen, daß Verkündung eines sogenannten Gesetzes, überhaupt in der ganzen Affäre kaum ein das Niveau jener Edith Kersbach Deutschland noch vor fünf Jahren einen das neben dem Köpfen auch das Hän­deutscher Name auftaucht, der nicht dem erreicht, die den abtrünnigen Nationalso- Reichskanzler hatte, der ein Gegner gen als Todesart vorsieht. alten preußischen Militäradel angehört.

Der Mann selbst, der drei adelige Frauen aufs Schafott und ins Zuchthaus gebracht hat, ist ein polnischer Adeliger und ehe­maliger österreichischer Kavallerieoffizier. Dieser Herr von Sosnowski ist zwar gleichfalls zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, es besteht aber kein Zweifel daran, daß er bald als ein im Austausch Freigelassener Deutschland in einem Ab­teil I. Klasse verlassen wird.

Die Berliner   Spionageaffäre ist ein un­

Braungelbe Kriegstreiber

Berlin  - Warschau  - Tokio  

geheurer Skandal jener Gesellschaft, die Aus dem Gewirr der diplomatischen| Botschafters Graf Mushajoki am wie in Mandschukuo eine eifrige politische heute noch, heute mehr denn je als die Verhandlungen und militärpolitischen Um- 7. Februar hielt. Er unterstrich die enge und wirtschaftliche Werbearbeit entfaltet. gute gilt. Der polnische Kavalierspion und gruppierungen der letzten Monate treten Verbundenheit, die in politischer und wirt- Es ist unverkennbar, daß die polnisch­seine deutschen   Gehilfinnen konnten sich immer deutlicher die Umrisse der schaftlicher Beziehung zwischen Japan   japanische Zusammenarbeit die Aufgabe freundschaftlicher Beziehungen nicht nur deutsch  - polnisch- japani- und Deutschland   herrsche, und gab hat, den Boden für die Schaffung eines zu Hohenzollernprinzen rühmen, sondern schen Interessengemeinschaft dem Wunsch nach einer noch engeren deutsch  - polnisch- japani­nationalsozialistischen Führern. hervor, die ihre Schatten auch auf die im deutsch  - japanischen Zusammenarbeit Aus- schen Bündnisses vorzubereiten. Es ist kein Zufall, daß Göring   vor kur- Flusse befindlichen Verhandlungen über druck. Einige Tage vorher war der Füh- Welche Ziele werden von den einzelnen zem sein Begnadigungsrecht an Hitler   die Schaffung eines europäischen Sicher- rer der japanischen Flottendelegation, Ad- Partnern dieser neuen Interessengemein­abgegeben hat. Göring   wollte nicht Damen heitssystems wirft. Lassen wir die Tat- miral Yamamoto, auf der Rückreise schaft angestrebt? Sie ergeben sich köpfen lassen, denen er noch vor nicht sachen sprechen: Day von der Londoner Flottenkonferenz in aus der Expansionspolitik, die jeder von

auch zu

braucht Polen  

als um

zu langer Zeit die Hand geküẞt hatte. Mög- Zum Jahrestag des deutsch  - polnischen Berlin  , wo er von den Regierungskreisen ihnen betreibt: Hitlerdeutschland licherweise hat er, der erst neulich in Freundschaftsvertrages vom 26. Januar ostentativ gefeiert wurde. Diese Kund- braucht die Hilfe Polens  , um über Litauen  Warschau   war, es auch nicht für klug ge- 1934 empfing Hitler   den Korresponden- gebungen sind der äußere Ausdruck einer hinweg gegen das Baltikum und Sowjet­halten, die neue polnisch- deut- ten des polnischen offiziösen Organs» Ga- ständig enger werdenden Zusammenarbeit rußland vorzustoßen und gleichzeitig durch sche Freundschaft im blutigen zeta Polska, um in einem Interview die zwischen deutschen   und japanischen Re- Druck auf die Tschechoslowakei   und Ru­ Schein   einer grauenhaften Henkerszene er- außerordentliche Bedeutung dieses Ver- gierungskreisen. Zur Zeit weilen mehrere mänien den östlichen Pfeiler des franzö­strahlen zu lassen. Hitler   setzte sich über trages zu unterstreichen. Die gleichen Lob- japanische Militärmissionen in Deutsch  - sischen Sicherheitssystems in Mitteleuropa  diese Bedenken hinweg. Es preisungen äußerte um dieselbe Zeit der land, die die wichtigsten Werke der- zu erschüttern. Hitler und Göring   haben seit zwei Jah- polnische Außenminister Beck gegen- stungsindustrie studieren, die Ausländern Sprungbrett nach der Ukraine   hin, ren viele Menschen töten lassen, ohne die über dem Korrespondenten des>> Völkischen sonst unzugänglich sind. Deutsche   Flug- im Falle ostasiatischer Verwicklungen den Gründe dafür anzugeben. Auch über die Beobachters«. Kurz danach weilte Gözeuginstrukteure führen die Japaner in Traum Alfred Rosenbergs nach Schaffung Gründe der erfährt ring im besonderen Auftrage Hitlers   in die Geheimnisse der Fliegerei ein, deutsche» deutschen Siedlungsraumes« im Osten zu man nur wenig. Wenn es wahr ist, daß die Polen  , wo er vom Marschall Pilsudski Flugzeugwerke werden mit Bestellungen verwirklichen. Polen   fördert diese Po­verurteilten Frauen als Beamtinnen des empfangen wurde. Sicherem Vernehmen für Japan   überhäuft, deutsche Wirt- litik einerseits aus seinem Gegensatz zu Reichswehrministeriums Verrat geübt ha- nach galten die Verhandlungen der Her- schaftsverbände suchen engen Anschluß an Litauen   heraus, andererseits, weil Pil­ben, wird niemand ihr Verhalten entschul- stellung eines gemeinsamen Operations- Japan  , um wichtige Rohstoffe von dort zu sudski noch immer hofft, den Vorstoß nach digen. Bei dem gegenwärtigen Zustand der planes Deutschlands   und Polens   gegenüber beziehen, die insbesondere für die- der Ukraine   hin, der ihm im Jahre 1920 deutschen   Rechtssicherheit kann sich aber dem Ostpakt und dem mitteleuropäischen stungsindustrie in Frage kommen.

im polnisch- russischen Kriege miẞlang, auch niemand dafür verbürgen, daß die Pakt. Darüber hinaus soll aber auch über In ähnlicher Weise machen sich neuer- zum siegreichen Ende führen zu können. Beschuldigungen, die gegen sie erhoben ein gemeinsames Vorgehen gegen die balti- dings auch in Polen   enge Beziehungen Japan   schließlich, der stärkste Partner wurden, zutreffen. Gerade Landesverrats- schen Staaten und gegen die Sowjetunion   zu Japan   bemerkbar. In der polnischen im Bunde, arbeitet planmäßig und zielbe­prozesse haben sich ihrer besonderen verhandelt worden sein. Die polnische Oef- Presse wurde die alte Geschichte ausge- wußt darauf hin, nach der Losreißung der Eigenart wegen als eine unerschöpfliche fentlichkeit verfolgt mit großer Sorge die graben, daß Pilsudski  , damals noch Füh- Mandschurei, die in den Vasallenstaat Quelle von Justizirrtümern erwiesen: siehe immer enger werdenden deutsch  - polnischen rer der Polnischen Sozialistischen Partei  , Mandschukuo verwandelt worden ist, in den Fall Dreyfus   in Frankreich  , die Fälle Beziehungen, die unter den Auspizien der während des russisch  - japanischen Krieges die äußere Mongolei   einzudringen, um von Fechenbach und Bullerjahn in Deutsch­Regierung zu einer aben- 1904 in Tokio   weilte und der japanischen dort aus die Position Sowjetrußlands in land. Waren solche Fälle auch bei relativ teuerlichen Katastrophenpolitik zu führen Regierung die Unterstützung seiner Partei Ostsibirien und Turkestan   zu bedrohen. normalen Zuständen möglich, um wieviel drohen. Bei den jüngsten Debatten im gegen die Zarenregierung antrug. Schon Unter dem Druck des ständig vordrängen­leichter können sie sich dort ereignen, wo Außenausschuß des polnischen Sejms sind im vorigen Jahre haben verschiedene japa- den japanischen Imperialismus hat sich die jede geordnete Rechtspflege aufgehört hat! Das sogenannte» Volksgerichte, das diese Besorgnisse in nachdrücklichster nische Militärmissionen Polen   besucht. Sowjetunion   vor kurzem genötigt ge­16. Februar die beiden Todesurteile fällte, Sozialisten am Weise von den Vertretern der polnischen Neuerdings hat der japanische   Militär- sehen, die Ostchinesische Bahn, die mili­wie der Nationaldemokraten attaché in Warschau   die Erlaubnis erhal- tärisch nicht zu halten war, zu einem ist ein nationalsozialistisches Parteigericht, zum Ausdruck gebracht worden. Auf deut- ten, die wichtigsten militärischen Einrich- Spottpreis an Japan   zu verkaufen und zur das nach politischen Gesichtspunkten ent- scher Seite dagegen überschlägt sich die tungen in Polen   zu inspizieren. Diese Tat- Sicherung ihrer Grenzen große Verteidi­scheidet. Es hat gar nicht die Aufgabe, Presse in Freudenausbrüchen über die Se- sache ist umso auffälliger, als er vor dem gungsanlagen in Ost- und Mittelsibirien zu Recht zu sprechen, es hat im Interesse der kundantendienste, die Polen   der deutschen   Antritt seines Warschauer Postens Chef schaffen. Es muß aber dennoch gewärtig Partei zweckmäßig zu handeln. Politik leistet, während gleichzeitig in der ersten Sektion des japanischen General- sein, daß Japan   einen Konflikt vom Zaune Aber auch, wenn die vom sogenannten Rundfunk und Presse gegen Litauen   ge- stabs gewesen war und dann noch höhere bricht und sich der ostsibirischen Provin­Volksgericht schuldig gesprochenen wirk- hetzt wird, das als nächster Gegner mit militärische Posten bekleidet hatte. Die zen zu bemächtigen sucht, insbesondere wenn es der Unterstützung Polens   und arbeit mit Japan   wird ergänzt durch die Deutschlands   sicher ist, die einen Krieg in Von großer demonstrativer Bedeutung intensive Tätigkeit des Sohnes des polni- Ostasien   benutzen könnten, um vom We­

wesen sein sollten, so war ihre Tötung den soll. kein Akt des Rechts. Das deutsche Strafgesetz kennt für Landesverrat im war die Ansprache, die Hitler   anläßlich schen Präsidenten Moscicki  , der als polni- sten her die Sowjetunion   anzugreifen und