Nr. 89 BEILAGE

_ Neuer Vorwärts

Lab der Demokratie in Maskau

Aenderung des russischen Wahlrechts

24. Februar 1935

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vieler sogenannter

man braucht nur einmal

Auf dem Allrussischen VII. Sowjetkon-| Beschlüsse des Sowjetkongresses einen ra-| schen Mitteln eine revolutionäre Umwäl- ist jedoch das Treiben greß, der Anfang Februar im Moskauer dikalen Bruch mit der Vergangenheit und zung durchführen kann, da dies in einen Geistlicher, die Kreml tagte, gab es eine Sensation. Laut eine Wendung zur Demokratisierung des ganz anderen Fragenkreis gehört. Hier die Berichte vom flachen Lande zu hören Beschluß des Zentralkomitees der Kommu- Sowjetsystems dar? Hier sind starke handelt es sich vielmehr darum, ob der tatsächlich von den Kanzeln herab ihren nistischen Partei wurde der Vorsitzende Zweifel geboten. Zunächst hängt die Aufbau eines sozialistischen Gemeinwesens Kirchenschafen eintrichtern, daß Hitler>> der des Rates der Volkskommissare, Molo- konkrete Durchführung der jetzigen Be- möglich ist, wenn die Demokratie ausge- wahre Gott der Deutschen < und statt Jesus tow, während der Tagung des Kongres- schlüsse von der Entscheidung des Zentral- schaltet ist und eine kleine Minderheit zu verehren sei, denn Hitler werde Deutsch­ses beauftragt, einen Entwurf zur weiteren exekutivkomitees der Sowjetunion ab. Fer- selbstherrlich über das werktätige Volk re- land durch Heldentum erlösen... Demokratisierung des Wahlsystems im ner werden die neuen Wahlvorschriften giert. Bisher wurde diese Frage von den Wie verheerend sich diese geistige Ver­Sinne eines Ersatzes der nicht vollkommen erst bei den nächsten Sowjetwahlen, Kommunisten eindeutig in dem Sinne be- wirrung in dem heutigen Deutschland aus­gleichen Wahlen durch gleiche, der viel- also voraussichtlich nach vier Jahren, zur antwortet, daß jede Konzession an die De- dehnt, zeigt eine Schrift, die jetzt erschienen stufigen durch direkte und der offenen Anwendung gelangen. Dann ist nach dem mokratie einen» Verrat an die proletari- ist. Da sie in Hitler- Deutschland vertrieben durch geheime einzubringen. Einige Tage Wortlaut der Beschlüsse und ihrer Be- sche Revolution« bedeute. Nach der Be- werden soll, also in dem großen braunen danach begründete Molotow in einem aus- gründung anzunehmen, daß die Kommuni- gründung, die jetzt Molotow für die Zuchthaus, stammt sie durchaus angemessen führlichen Referat die beantragten Vor- stische Partei auch nach der Demokrati - Notwendigkeit der Demokratisierung der von dem» Christlichen Schriften­ schläge , die einstimmig vom Kongreß an- sierung des Wahlrechtes das Monopol der Sowjetverfassung geliefert hat, kann die- vertrieb genommen wurden. Gleichzeitig wurde be- einzigen bestehenden Partei beibehalten ser Standpunkt nicht mehr aufrecht er­schlossen, dem Zentralexekutivkomitee der und daß es in der Praxis nur eine von den halten werden. Die Auseinandersetzung Lohmann, ist der Verfasser. Für ihn ist Sowjetunion die Wahl einer Verfassungs- Regierungsbehörden bewilligte Kandidaten- zwischen dem demokratischen

und dem

der Gefangenenmis­sion<. Ein frommer Pastor, Johannes

Hitler der» Meister des Lichts und der Wahr­der wahre Messias<<.

Er spricht wie Gott ?

kommission vorzuschlagen, die den Text liste geben wird. Das wichtigste aber ist: diktatorischen Sozialismus kann jetzt auf heit auf dieser Erde, Was tut ein Messias? der Verfassung entsprechend ändern und ohne Koalitions- und Versammlungsfreiheit, einer ganz anderen Ebene geführt werden, ihre Vorschläge dem Zentralexekutivkomi- ohne Freiheit des Wortes und der Schrift ganz unabhängig davon, ob und in welchem Nein, das ist bei Lohmanns Messias anders: tee zur Bestätigung vorlegen soll. Die bedeutet auch ein formell gleiches, direk- Maße die Demokratisierung des Wahlrech-> Gott spricht wie Hitler «. Folglich ist die nächsten ordentlichen Wahlen der Organe tes und geheimes Wahlrecht noch kein tes in der Sowjetunion durchgeführt wird. ganze Schöpfungsgeschichte verkehrt.

der Sowjetmacht sollen auf Grund neuen Wahlsystems durchgeführt werden. Hitlerdeutschland hat gezeigt, daß beim

des freies Wahlrecht. Gerade die Praxis in

Bei der Begründung seines Entwurfes Fehlen der wichtigsten Voraussetzungen Gott spricht

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übte Molotow ungewollt eine der politischen Freiheit auch das allge­scharfe Kritik an dem bisher in der Sow- meine, gleiche und geheime direkte Wahl­jetunion gültigen Wahlsystem. Sein Refe- recht in ein Mittel

allen

Ohne

Hitler also ein Gott undenkbar. Mit dem ganzen Rüstzeug seiner Theo­logie beweist Lohmann

wie Hitler ...

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die innige Verwandtschaft zwischen Gott und Hitler .

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zur Vornahme von Pfäffisches aus Neu- Byzanz» Gottesworte Fürwahr: Da gibt es keinen Hitler- Gegner, der diesen Argumenten noch länger wider­stehen könnte! Ist es nicht etwa stärkster

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verwan­

sind Hitler- Worte«. Es ist ja nichts Neues. Ob Wilhelm II.

rat war ein einziges Plädoyer für die Vor- Abstimmungskomödien züge des allgemeinen, gleichen, direkten delt werden kann, denen gegenüber die und geheimen Wahlrechts, das bisher von Plebiszite Napoleons III. als ein harmloses oder Adolf I.: Sofort sind die Gottesdiener Beweis für Lohmanns These, wenn es in der » linientreuen« Kommunisten als Kinderspiel erscheinen. mit dem Gottesgnadentum zur Stelle. Aber Bibel heißt:» Gott schied das Licht von der Finsternis<<. Denn mit dem» Licht< war > Gipfel des Sozialverrates<< angesehen Und dennoch bedeuten die jetzt ange- man muß zugeben, daß Wilhelms Gottesgna­selbstverständlich kein anderer als ausdrück­wurde. Ueber Nacht ist das nun plötzlich nommenen Beschlüsse möge ihre prak- dentum geradezu taktvolle Bescheidenheit war lich Hitler gemeint. Wenn Jesus gesagt hat: anders geworden, und Molotow durfte in tische Verwirklichung noch so problema- neben dem Größenwahn der Gottanbetung, die seinem Referat darlegen, daß das viel- tisch sein einen gewaltigen Sieg Hitler um sich herum inszenieren läßt. Daß» Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich< bespöttelte >> vielschwänzige Wahlrechte jener Ideologie des demokratischen er persönlich» der gottgesandte Führer<< sei, weitaus besser sei als das bisher ange- Sozialismus, die von den Kommuni- ist noch das Gelindeste; ebenso, daß> Deutsch­wandte. Die Sowjets erklärte er sten in allen Ländern auf das Wütendste christen« in ihren Häusern Altäre mit Hit­waren und bleiben die Grundlage unseres bekämpft wird. Hier scheidet von vorn- ler- Bildern errichten und vor ihnen regel­Systems. Aber das, was am Parlamenta herein die Frage aus, ob man mit demokrati - rechte» Gottesdienste« zelebrieren. Grotesker sprach:> Wer mir nicht blind folgt, der kehre

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rismus besser war, nämlich die direkte, gleiche und geheime Wahl der Vertreter für die Organe der Staatsverwaltung bei allumfassender Beteiligung aller Werktäti­gen, wie es die Sowjetverfassung verlangt, muß in der Sowjetunion jetzt vollkommen durchgeführt werden.<

Im einzelnen begründete Molotow die Ersetzung der bisher drei- und vierstufigen Wahlen durch direkte damit, daß dadurch| die Autorität der Organe der Sowjetmacht I mit den breiten Massen der Werktätigen erhöht und die Verbindung dieser Organe noch mehr verstärkt werden würde. Fer­ner sei die Ersetzung der nicht vollkom­men gleichen Wahlen durch gleiche( bis­her wurde in den Städten ein Delegierter Ivon je 25.000 Wählern und auf dem fla­chen Lande einer von je 125.000 Einwoh­nern gewählt) dadurch notwendig gewor­den, daß man der Bauernschaft nach der zum großen Teil durchgeführten Kollektivi­sierung der Landwirtschaft die gleichen| Rechte geben müsse wie der städtischen Arbeiterschaft. Am wesentlichsten ist je-| doch der Uebergang von den offenen Wah­len zur geheimen Wahl. Er würde, so er­klärte Molotow, eine der wichtigsten For­men für die Kontrolle der Festigkeit des Sowjetsystems und seiner Verbundenheit mit der Masse der Werktätigen sein. Die geheime Wahl werde dabei helfen» einige schwache Gebiete in unserer Arbeit ra-| scher aufzudecken«, sie würde einen Schlag gegen die bürokratischen Elemente<

bedeuten und

eine

lung für sie sein.

>> nützliche Aufrütte­

Man traut seinen Augen kaum, wenn man diese Begründung liest. Bis zu dem Tage, wo der Vorsitzende des Rates der Volkskommissare sie von der Tribüne des Sowjetkongresses verkündete, hätte auch nur eine entsprechende Andeutung genügt, um den Schuldigen unter die Anklage der » Abweichung in sozialverräterische Ge­dankengänge zu bringen. Selbst Trotz­ ki war vor seiner Vertreibung aus Sowjetunion diesen Anschuldigungen aus­gesetzt, gar nicht zu reden von den An­hängern sozialdemokratischer Auffassun­Igen, die wegen ihrer Forderung der De­mokratisierung des Sowjets­systems in die Gefängnisse und in die Verbannung geschickt wurden.

der

Stellen nun die jetzt angenommenen

Wie der Führer befahl!

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MA

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oder:» Wer Vater oder Mutter mehr liebt, denn mich, der ist mein nicht wert<< SO hat er dem wahren Erlöser Hitler nur das Wort aus dem Munde genommen, der da

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sich ganz von mir ab« oder:» Wer nicht mit mir geht, der ist gegen mich«. Jesus sagte: > Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreuet<<, darauf sprach Hitler :» Wer nicht den deut­ schen Menschen für das deutsche Volk er­obert, ist ein Schädling«. Jesus sagte zu den Seinen:» Ihr seid's, die Ihr beharret habt bei mir, und ich will Euch das Reich bescheiden<<, worauf Hitler kündete:» Hätten sich da­mals nicht die ersten Zweitausend zu mir gestellt und wären sie nicht mit mir gegan­gen, ich stünde heute nicht hier, und um uns wäre nicht das heutige Reich«. Schmerzlich nur, daß Lohmann

Moses als Kronzeugen heranziehen muß.( Man sieht: Auf einen Pa­stor ist doch nie rechter Verlaẞ.) Ja, der Moses war doch ein Mann von Format, von hitlerschem Format. Er hat doch gesagt: » Her zu mir, wer dem Herren angehört und sie nahmen das Schwert und rotteten dreitausend Götzendiener aus<. Worauf Hit­ ler mit vollem göttlichen Rechte sprach:>> Den Schädlingen ist auf allen Gebieten unseres öffentlichen Lebens ein unbarmherziger Kampf angesagt.< Und da nahm er seine SA und ließ von ihr mehr als dreitausend An­hänger eines anderen Gottes töten. Hat nicht Moses im heiligen Zorn über die Schmach des Volkes Israel beim Tanz ums Goldene Kalb die Gesetzestafeln zerbrochen Hitler in tiefer Empörung über die vierzehn­jährige Schande des deutschen Volkes unter der Zinsknechtschaft mit der Verfassung tat? Ja, wenn dem so ist, muß Moses wohl ein Arier gewesen sein, weshalb auch die Juden dauernd gegen ihn hetzten und nicht seinen Befehlen folgten.

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wie es

Da Lohmann das Neue Testament bis in die fernsten Winkel durchleuchtet hat, findet er auf Schritt und Tritt

Aussprüche von Jesus , die natürlich auch von Hitler stammen. Heißt es:» Das alles von Gott, der uns mit ihm selber versöhnt hat durch Jesus Chri­ stus <, so ist das pfeilgrad das, was Hitler gesagt hat:» Der einzige Weg, in einer Re­volution Erfolg zu haben, besteht darin, daß man seine Gegner faßt, indem man sie über­zeugt.< Ja, noch mehr kann der Lohmann beweisen; er kann es aus der Heiligen Schrift und aus Hitlers Reden zur damaligen » Volksabstimmung« mit zwingender Hellig­keit beweisen. Hitler hatte einmal gesagt: > Wir haben vierzehn Jahre lang nie um Stim­men gebettelt, jetzt brauche ich Euch. Jetzt