Nr. 91 BEILAGE Neuer VorwärtsM

Hitlers deutsche Juden

Die merkwürdige Sorte Juden, die sich von den Nationalsozialisten anspeien läßt und noch eine Ehre darein setzt, dem Hitler­regime zu dienen und begeistert für seine Tendenzen zu zeugen, hat sich nunmehr auch eine eigene religiös- historisch- philosophische Theorie zurechtgelegt. Denn nach den Schlüssen und Lehren einer» Theorie< ein Charakterlump zu sein hat nichts Entehren­des mehr an sich, und unter> philosophi­

scher<

Assimilation sich und der Welt die Tar-| erkrankten Volkskörper durch eine Radikal­nung vor, die er sich als Lebensform erko- kur, durch eine Erneuerung der Säfte vorm ren hat. Ist es die Menschheit, steht er für Zerfall retten wolle. Um die konstruierte Internationale und gegen die Wahrung des das Recht der wirklichen Nation. Ist es der bedrohten Volkskörpers willen mußte daher ewige Friede, steht er theoretisch gegen das biologische Thema angeschlagen und auf den Waffenkrieg, und weil er das wirkliche die Elementarböden von Blut und Rasse Wesen der Menschen und der Welt radikal verkennt, verschiebt er die Dämonien und den Kriegskonflikt in den Wirtschaftsraum, der zwar nicht den Tod vorm Feind, dafür aber die Hungerblockade kennt.<

zurückgegriffen werden.<<

springen und am

10. März 1935

deutschen   Werk mit unseren Händen anzupacken. In uns glüht das Feuer der Bereitschaft, weil wir bereit für Deutschland   sind.

Oder:

Wir marschieren über die Straße In gleichem Schritt und Tritt Und über uns die Fahne

Sie knallt und flattert mit.

Voran der Trommelbube Er schlägt die Trommel gut, Er weiß noch nichts von Liebe, Weiß nicht wie Scheiden tut.

Er trommelte schon manchem Ins Blut und auch ins Grab, Und dennoch liebt ein jeder Den stolzen Trommelknab'. Vielleicht bin ich es morgen Der sterben muß im Blut. Der Knab' weiß nichts von Liebe, Weiß nicht, wie sterben tut.

Hans Joachim also bringt es fertig, sich selber, dem Rabbiner Schoeps, ins Gesicht zu schlagen und den Grundsatz» In der Rasse oder gar> religiöser« Begründung Gegen diese Verfälschung seiner Art hat liegt die Schweinerei< als berechtigte, ja seinem gehässigsten Verächter Kränze winden der Deutsche   nach Schoeps allen Grund, unausweichliche Selbsthilfe der deutschen  kann eine rühmenswerte Tat sein. Aus sol- sich zu empören, sich auf sich selbst, auf Blut Nation zu preisen, aber freilich, ganz umsonst chen Erwägungen wohl schrieb der Berliner   und Boden und auf rassische Art zu stellen käut er den ganzen Phrasensalat Hitlers   und Doktor der Philosophie Hans Schoeps   seine und alles> Fremdex, das er, wie man sieht, Rosenbergs nicht wieder. Die Juden seiner Abhandlung> Wir deutschen Juden«, nicht ohne Grund wenn auch in ungerechter Art sollen dafür, bis sie sich selbst entspre­und um seinen Gedankengängen noch mehr Verallgemeinerung> jüdisch< nennt, aus sei- chend> artbewußt ausgegliedert< haben und Widerhall zu verschaffen, gründete er einen nem Wesen auszustoßen. Das fühlt Herr bis der deutsche   Säuberungsprozeß vollzogen > Gesprächskreis: der deutsche Vortrupp und Schops mit jenem Teil seines Ichs begeistert ist, als gleichwertige Brüder im gliederte ihm einen Verlag und eine Zeit- mit, der auf den schönen feudalen Namen Geiste anerkannt werden, und wie voll­schrift gleichen Namens an. > Hans Joachime hört, und in jenem mysti- kommen bis zur letzten Verlogenheit des Hier scheint uns Hans Joachim in der schen> Hohlraum<, in welchem die selber von schmalzigsten Heldenpathos diese Gleich- Angleichung allerdings schon ein wenig zu Gott entnationalisierten Juden die» Substanze wertigkeit schon erreicht ist, belegen die weit zu gehen. So schlechte Verse schreiben ihrer Wirtsnation unverlierbar in sich auf- folgenden» Bekenntnisse des hitlerjüdischen selbst die Hitlerbarden nur selten, und auch genommen haben. So ganz von deutscher  > Vortrupps< in Vers und Prosa: an einen von marschierenden Männern gelieb­Substanz durchdrungen, bestätigt er dem Wir deutschen   Juden wollen ten> Stolzen Trommelknab'< zu erinnern, nicht unser Glück, sondern das Glück des scheint uns seit dem dreißigsten Juni und der Vaterlandes ist unser Glück. Wir suchen nicht die eigene Freiheit, sondern die eigene Aechtung alles Röhmischen Wesens riskant. Gebundenheit. Wir warten auf den Tag Man muß sich auch umschalten, nicht nur des Einsatzes, an dem eine gläubige Jugend gleichschalten können, wenn man ein rechter ihre Treue wieder bewähren darf. Wir Hitlerscher Hausjud werden will. stehen in Wartehaltung, alle Muskeln ge­spannt, jeden Tag aufs neue bereit einzu­Alfred Kleinberg.

der Jerusalemer Tempel von

nationalsozialistischen> Um­bruche, daß dieser nichts als ein>> völkischer Protest gegen alles staatlich- imperiale Denken und Handeln< sei, daß ihm» jeder Sendungs­wille an die Welt< fehle und er lediglich den > in seinen Gefäßen und Organen infektiv

Wie dreht man das Ding also theoretisch, um sich wohl oder übel zum Judentum zu bekennen und um sich gleichwohl den > Deutschstämmigen< an die Fersen zu hef­ten? Man beweist unter tausend Bibelzitaten, daß die Juden keine Nation seien, ja daß es ihre besondere, ihnen von Gott   verliehene Sendung ausmache, keine Nation zu sein. Sie, die durch den Auszug aus Aegypten ein Volk wurden, wurden durch die Gesetzge­bung am Sinai   das eine Vokl des Bundes mit Gott, und das, ein Gottesvolk, sind sie bis zum heutigen Tage geblieben. Aber den Auftrag an sie, auch ein weltliches Geschichts­Volk zu sein, hat Gott an jenem 9. Ab des Jahres 70 nach Christi> suspendierte, als er zuließ, daß Kaiser Titus zerstört werde, und fortab war es Gottes Wille, daß die> Juden in echter und legitimer Weise Glieder der Weltvölker wer- bemerkte man die beiden Bürgermeister und Bude... Das Haus war ausverkauft. In den Logen rückte einem gleich ein SA- Sturm auf die kümmert uns der Hut, komm laß uns gehn.<< den konnten, geworden sind und werden die Direktoren der Städtischen Werke. Das mußten, ohne dabei aufzuhören, Juden sein.< Wem es bei so viel Theologie und so unerträglichem Getue mit> Sendung und > Auftrag etwas schwindlig zumute wird, der übersieht, daß der also salbadernde Rabbiner nach guter Pfaffenart mit seinem frommen Gerede sehr irdische Zwecke ver­folgt und daß er sich seine feste theologische Position sorgfältig schaffen muß, um von ihr aus gegen ehrlich empörtes jüdisches Selbst­gefühl, gegen den sozialistischen   Internatio­nalitätsgedanken und Hilerbegeisterung vorstoßen zu können.

Wilhelm Tell   im Stadttheater

zu

zur schweifwedelnden

Parkett wimmelte von Beamten, die höheren Gehaltsstufen vorn, nach hinten zu die Sub­alternen. Auf dem Olymp drängte sich das Volk der Heizer und Bürodiener. Nach der neuen Bestimmung hatte das städtische Per­sonal die unverkäuflichen Plätze des Stadt­theaters je nach Einkommen zu über­nehmen.

-

net den Wilhelm Tell   mußte man ansehn. Ein

-

-

Bei diesen Worten rief eine laute Stimme: > Bravo  , Eckmann!<

-

-

Tatsächlich, da erschien die SA schon auf der Bühne. Weil der Tell dem Baumgarten Jedermann verstand. Eckmann war ein davongeholfen, demolierten sie dem unschul- Kollege beim Magistrat gewesen, ein lieber, digen Fischer die Hütte, fielen sie in die stiller Mensch, mit dreißigjähriger tadelloser Herde des unbeteiligten Hirten! Ja, so trie- Dienstzeit. Jeder hatte ihn gemocht, nie ben sie's. Nein, nicht diese gefährlichen hatte sich einer vergeblich an ihn um eine Vergleiche, sie führten zu nichts! Aber für Gefälligkeit gewandt. Politisch war er kaum sich denken konnte man doch einiges, ja- hervorgetreten, hatte ihm angetragene Ehren­wohl! Mit eigenen Augen hatte man ge- ämter stets abgelehnt in der Beziehung Man sah gelangweilt drein. Ausgerech- sehen, wie die SA aus Wut darüber, daß war er Eingänger gewesen. Aber als eines ihnen der sozialistische Abgeordnete Brill Tages nach dem Umbruch bekannt gegeben Stück für die reifere Jugend. Auf der Schule entkommen war, seinem Schwager die Woh- wurde, von nun ab sei beim Betreten der war es einem schon verekelt worden. nung kurz und klein schlug, genau wie jetzt Räume der Gruß» Heil Hitler!<< auszubrin­Da ging der Vorhang auf.>> Es lächelt die Schergen des Landvogts die Fischerhütte gen, da hatte Eckmann einfach nicht mit­der See... Wie eine Reklame von Suchard auf der Bühne. Und Frau Brill hatten sie getan. Man hatte ihn gemahnt, verwarnt, oder Nestle sah die Bühne > Die als>> Geisel<< mitgenommen, sechs Monate war seine Vorgesetzten hatten ihn bestürmt, an ...< Nun die Arme interniert gewesen. Das mußte man seine Familie erinnert, nichts hatte ge­jüdischen kam atemlos ein fliehender Mann gelaufen. als Staatsnotwehr gutheiẞep. Nation nicht anzuerkennen und die Juden Aha, Baumgarten! Im Stück nützt. Eckmann war dabei geblieben: Einer als Volk neben andere Völker zu stellen aber hatte man sich über genau das gleiche so widerlichen Gesinnungskontrolle, einem so Dem Steuerassistenten Penzlau fiel etwas moralisch zu entrüsten. rasch her mit dem großen rabbinischen Bann ein. Da sollte einer sich ekelhaften Byzantinismus unterwerfe er als So genau so war einige Tage nach auskennen! aufrechter Mann sich nicht. Im Kaiserreich geschichtliche dem> Umbruch< sein Flurnachbar, der habe man selbst nicht mit» Heil Wilhelm!< verkehrt Reichsbannerführer Lier in seine Wohnung die Aufführung fortschritt, desto größer wurde die Zahl derer, die etwas grüßen müssen. Natürlich hatte alles in­nerlich Eckmann völlig recht gegeben; aber Nach und nach erkannten sie: die Vorschriften! Man mußte Eckmann Ihre eigene Schmach wurde gespielt. Sie aber sie waren nicht die Helden, die sich ohne Pension entlassen. auflehnten, sie waren Fleisch vom Fleisch der sich duckenden Feiglinge.

aus.

-

Am leichtesten wird Herr Schoeps solcher art mit dem Zionism'us fertig: der maßt sich an, die im Jahre 70 von Gott   verfügte braune Liesl kenn ich am Geläut... Suspendierung der

weltlichen

mit

-

-

er

man hatte an seine angegeben und

Je weiter

bemerkten.

Zwing- Uri   wurde auf der Bühne erbaut.

-

-

-

Nun aber, als Tell dem Geßlerhut die Re­verenz verweigerte, rief ein Kollege wel­cher, ließ sich hinterher nicht feststellen laut und deutlich:» Bravo  , Eckmann!< Und aus dem Dunkel des Zuschauerraums ant­

über ihn! So einfach ist es, Bewegungen abzutun und sie als oder gar frevlerisch zu erweisen, wenn man gestürzt und hatte gefleht, ihn vor der SA jederzeit den großen Jehova als Schwur zu verbergen. Penzlau hatte natürlich das ein­zeugen gegen sie zur Verfügung hat. Vor zig Vernünftige getan und den Mann demselben Zeugen sind Liberalismus tat ihm ja leid, aber und Marxismus  » Mißverständnisse einer eigene Familie zu denken falschen Assimilation<, wie sie der ausgeliefert. Er hatte noch gesehen, wie sie süberellten Judenemanzipation des neun Lier auf der Treppe mit Stiefelabsätzen zu zehnten Jahrhunderts fast notwendig zu Tode traten. Aber das durfte nicht gesagt Fronvögte schlugen die ermatteten Zwangs­sammenhängen. Statt sich nämlich damals werden, denn Lier war nach offizieller Les- arbeiter. an ihre Zeit beim FAD zurlickerin- wortete ein tausendfältiges» Bravo!« Ge­getrieben, wiß, sie riefen nur» Bravo!«<, weil sie ge­wenn wir nicht mehr konnten.< Der Schie- schützt im Dunkel saßen. Wäre das Licht Eckmann hätte wiederum Aber merkwürdig: Der Fischer auf der ferdecker stürzte vom Dach. Auf dem drit- angesprungen, Bühne, der auch an seine Familie dachte und ten Rang, wo Arbeiter der städtischen Werke allein gestanden und sie hätten ihn aus ihrer dem Baumgarten nicht helfen wollte, gefiel saßen, wurde man aufmerksam. den Leuten nicht, auch nicht dem Steuer- Zeit hatten sich infolge des verschärften Ar­assistenten Penzlau. Alles atmete auf, als beitstempos die Unfälle Tell, der Retter erschien.

» Bindungen einzugliedern, die der ewige Bund er würde sich nicht den Mund verbrennen

mit Gott   und die unsterblichen Schoepse darauf stand Gefängnis! als dessen einzig berufenen Interpreten den Juden auferlegen, wagten es jene» falschen Assimilanten<, die Sonderart des Gottesvolkes und die Unterschiede zwischen sich und ihrer Umgebung nicht mehr zu sehen, verloren derart den Boden der geschichtlichen Wirk­lichkeit unter ihren Füßen, und was dabei herauskam, war eben

wir schaudernd:

-

Marx. Also lesen

-

nert.

Ein

paar Jüngere fühlten sich

> So haben sie's mit

uns

In letzter

vermehrt.> Genau

Mitte abführen lassen wie die Schweizer   ihren Tell Doch nun war wenigstens einmal, den Bruchteil einer Sekunde, solange als der Ruf Auf der Bühne wie bei uns im Betrieb«, sagte eine Stimme> Bravo!« dauert, ihre wahre Gesinnung her­waren die Dinge eben anders als im Leben. aus dem Dunkel, ein paar andere erwiderten: Auch der Sekretär Köhler wurde bei der Erzählung Baumgartens plötzlich an gewisse

Die falsche Emanzipation ließ gewisse Dinge erinnert. Drehte sich nicht alles nach

>> Stimmt!<

Es schlug etwas von der Bühne in den Zuschauerraum. Die Rütliszene stieg. Von

Kein Mensch raubt worden waren. Wen betraf das?

aus, und dieser winzige Moment wirkte wie eine Erlösung vom Joch des ewigen Gesin­nungszwangs.

Auf der Bühne befreiten sich die Schwei­

machte man das so. Heute... Wie sie nach

Juden zu Revolutionären werden, ihm um, als vom Landvogt Wolffenschießen alten, verbrieften Rechten wurde erzählt, die zer, Zwing- Uri wurde zerstört, der Hut von die ihrer reaktionären< Bindung ledig nun­mehr den Kampf gegen alle Bindungen auf- die Rede war, der Unziemliches von Baum- man früher besessen hatte und die einem ge- ider Stange geholt. Vor sechshundert Jahren nehmen. Anfangs geschieht es aus Glauben gartens Frau verlangt hatte? und Pathos für die neuerkannte Schein- beachtete ihn. Aber der Sekretär Köhler lief Beim Schwur:» Wir wollen frei sein, wie die beendeter Vorstellung in die beleuchtete Gar­wahrheit und die neukonstruierte Bindung.|

Später, wenn die Konstruktion sich heraus- gleichwohl dunkelrot an.

stellt

als Ersatz

So wie Baumgar- Väter waren. ... klatschte es hier und da, darobe strömten, wagte niemand recht, dem noch waren die Aengstlichen in der andern in die Augen zu sehn. Was waren sie zerstörter Wahrheit, ten den Landvogt, hatte er den Obersturm- aber Frau Mehrheit: Ein bestürztes> Sssst...< raunte doch allesamt Feiglinge und Arschkriecher. Doch wenigstens einmal hatten sie gesagt, was sie dachten!

einst bei seiner

schlägt der enttäuschte Glaube in Zynismus bannführer Rothe und Ressentiment um, mit denen man dann erwischt. Freilich war er, der Sekretär Köh- durch die Finsternis. den Kampf aufnimmt gegen alle und jede Ordnung oder Bindung, weil man es nicht ler, nicht hinzugelaufen mit der Axt und

erträgt, daß

andere

glücklicher

daran hatte ihm das Bad gesegnet.

Doch im dritten Akt geschah das Uner­O nein, erwartete. Der Hut ragte zu Altort auf der

Uebrigens wurde acht Tage darauf der

sind als man selbst und man ihnen darum ihr hatte sich ängstlich davongeschlichen. Gegen Stange, bewacht von Reisigen, die den vor- Pflichtbesuch des städtischen Theaters für Glück mit diabolischer Dialektik als, Ideo  - einen so hohen SA- Funktionär konnte man schriftsmäßigen Gruß logie und Utopie' zu, beweisen' getrieben

ist. So... lügt der Wille zur radikalen nichts machen.

kontrollierten. Tell die kommunalen Beamten, Angestellten und Muckte man auch nur, da kam mit seinem Jungen, grüßte nicht:» Was Arbeiter wieder aufgehoben.

Mucki.