Nr. 92 BEILAGE

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Neuer Vorwärts

17. März 1935

Hakenkreuz über Afrika

Schachtrede für Kolonien

Die Rede des deutschen   Wirtschafts-| fachen Konferenzen der Arbeiterparteien| Einklang stehend mit den diktators Schacht auf der Leipziger Messe, und in deren Presse zugunsten deutschen   Prinzipien, die allen Völkern die in der Forderung nach der Rückgabe Kolonialbesitzes geäußert worden ist, Rechte zugestehen.<< der deutschen Kolonien gipfelte, war als einerseits die ausbeuterische Tendenz jeder eine Ouvertüre zu dem erwarteten und kapitalistischen Kolonialpolitik kennzeich- Konferenz von Luzern   fordert:

Und die Resolution der internationalen

ais bu

der

sozialistischen  | Deutschland   der Freiheit, des Friedens, die gleichen der sozialen Kultur besteht zur Zeit nicht mehr. Daß aber die imperialistischen Mächte stärkere Neigung zeigen werden, die hitlerdeutschen Kolonialwünsche zu nun wieder abbestellten Besuch Sir John nete, andererseits die Wirtschaft des erfüllen, ist zum mindesten sehr unwahr­Simons in Berlin   gedacht. Ihre Bedeutung neuen deutschen   Volksstaates, zu dem ein >> Da jedoch das Kolonialsystem aufrecht scheinlich. Die imperialistischen Mächte wurde durch die Erklärung des Redners gewisses Vertrauen bestand, nicht schlech- erhalten bleibt, hätte der Friedensvertrag kennen die irrsinnigen Afrikapläne unterstrichen, daß alles, was er sage, die ter als die der übrigen Länder stellen Deutschland   die Kolonien nicht wegnehmen Nazis und werden schwerlich bereit sein, Billigung des Führers habe. wollte. Hierfür lassen sich beliebig viel ihnen Vorschub zu leisten. Schachts Kolo­Beweise geben. Was beweisen diese Zitate? Sie bewei- nialrede auf der Leipziger Messe, unmittel­So heißt es in der Amsterdamer sen, daß es in einer Zeit tiefster Not des bar vor damals noch erwarteten Resolution vom April 1919!» Die Inter  - deutschen Volkes eine Stelle gegeben hat, dem Eintreffen des englischen Unterhänd­nationale Konferenz verurteilt die Unterdrük- die für die Gleichberechtigung Deutsch- lers in Berlin   war eine der landesüblichen kung aller Völker, sie verwirft die Idee, daß lands eintrat. Das war die von Hitler   in diplomatischen Plumpheiten. Das regie­diese Völker als Eigentum irgendwelcher irrsinniger Wut geschmähte Soziali- rende Alldeutschtum steckt alles in die

Das ist eigentlich nichts Neues. Auf dem Speisezettel Hitlers   stehen schon längst neben der Aufrüstung, der Einver­leibung Oesterreichs   und dem Vorstoß nach Litauen  , der ersten Etappe. des gi­gantisch ausgedachten Ostmarsches, die einstigen deutschen Kolonien Darüber hinaus aber soll das Hakenkreuz über einem alten, nie preisgegebenen Bar­barossa- Traum des deutschen Kolonial­imperialismus aufgehen: über einem gewal­tigen zentralafrikanischen Reich, das von Ozean zu Ozean greift. Schon wimmelt es in den afrikanischen Besitzungen und Pro­tektoraten Frankreichs   und Englands von Nazimissären, die zunächst einmal das Flugfeuer des Aufruhrs anfachen und hier­bei im besonderen die religiösen Gegen­sätze, vor allem die panmohammedanische Idee mißbrauchen. Als erster Schritt soll, so grotesk es klingen mag, für die einst deutschen   Gebiete Afrikas  , für Kamerun  , Togo  , Südwest- und Ostafrika  , die Volks­abstimmung gefordert werden.

sollen.<<

Staaten angesehen und zugunsten seiner egoi- stische Arbeiterinternatio- Tasche: Rußland   und Afrika   nebst stischen Interessen verwaltet werden. Die nale! Auf sie sich zu berufen, hat er allen umliegenden Ortschaften. Aber freilich Konferenz erhebt Protest gegen eine Politik, kein Recht. Denn das Deutschland  , dessen tut es das bloß mit dem Maul und erreicht die Deutschland   seiner Kolonien berauben Ansprüche bei der Sozialistischen Arbeiter-| weiter nichts, als daß sich die ganze Welt will, und betrachtet diese ihre Haltung im internationale Verständnis fanden, das zur Abwehr zusammenschließt.

Beaune Mäteessenwirtschaft

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Wir erhalten aus Berlin   folgende Zuschrift:| lotst hat( nachdem die Aussteuer zehnfach| Angelegenheit: bis jetzt war Frau Magda Die bevorstehende Hochzeit des preußischen verdient ist). Andere wollen wissen, daß eine Göbbels unbestrittene Reichsdirektrice. Ministerpräsidenten, Chefs der geheimen mehrfache Umkleidung bevorsteht und daß Jetzt taucht plötzlich eine neue Anwärterin Staatspolizei, Reichsoberjägermeisters, Luft- sämtliche Theater ihre Kleiderkammern zur auf, und wenn sich schon die beiden Männer fahrtministers, Fliegergenerals Hermann- Verfügung gestellt haben. Rasse- Standesamt: stündlich Pest und Verderbnis an den Hals ring mit der Schauspielerin Eva Sonne- Bärenfell mit Speer, Brautzug: Lohengrin  - wünschen, wenn schon sie sich mehr Knüp­mann erregt hier allgemeine Neugier. Vor rüstung, Kirche: Büßergewand Heinrichs IV., pel zwischen die Beine werfen als der deut­Man beruft sich jetzt in Berlin   darauf, allem in den Kollegenkreisen der Braut wird Festmahl: Tracht eines Oberküchenmeisters, sche Wald liefern kann wie wird es erst daß, als bekannt wurde, der Versailler Ver- viel herumgerätselt. Man fragt sich z. B., in Hochzeitsreise: je nach dem Fahrzeug mit den Weibern werden, so fragt man sich. trag wolle Deutschland   die Kolonien ab- welcher Tracht Karins Witwer wohl bei sei- Stationsvorsteher, Rennfahrer, Deckoffizier Wieder sind es Eva Sonnemanns Kollegen, die sprechen, weite Kreise der europäischen   ner zweiten Hochzeit erscheinen wird. Neue und Stratosphärengeneral. Die Phantasievoll- einen Streit an der Kirchentür, treu nach Welt sich solchem Vorhaben widersetzten. Uniform, rechte Hälfte schwarz, linke Hälfte sten versteigen sich zu noch kühneren Be- Hebbels» gehörntem Siegfried« prophezeien. An erster Stelle der jetzige englische   Mi- weiß, teils Gedenk-, teils Freudenkleid? Ge- hauptungen, sie faseln etwas von schlichtem Ganze Textvorlagen werden hinter den Kulis­nisterpräsident Macdonald. Nun ist es wandung eines mittelalterlichen Minnesän- Zivil. Diese unsinnige Verdächtigung soll aber sen geflüstert. Hier eine davon.( Was nicht zutreffend, daß Macdonald, damals noch gers? Manche tippen auf Lotsenanzug, weil bereits dementiert worden sein, auf ihre Ver- von Hebbel   stammt, ist eingeklammert): Führer der englischen Arbeiterpartei, wie- er die Eva erst von Weimar   ans Berliner   breitung steht. Konzentrationslager. Kriemhild  : Wie redest du! Mein edler derholt sich gegen die Fortnahme der deut- Schauspielhaus und in den Hafen der Ehe ge- Noch eine zweite pikante Seite hat die Gatte ist nur viel zu mild, sonst hätt er seinen Degen schon längst Zu schen Kolonien gewandt hat. Am deutlich­einem Szepter umgeschmiedet und sten wohl auf der Internationalen über die ganze Erde ausgestreckt. Arbeiter- und Sozialistenkon­( Was ist denn deiner? Er nimmt ferenz zu Bern  , im Februar 1919. Morphium, säuft.) Brunhild  :( Und deiner?) Ein Vasall! Dort sagte er, unter Berufung auf einen früheren Beschluß der Arbeiter- und So­zialistenparteien, daß die Rückgabe der deutschen Kolonien kein Hindernis für den Frieden sein dürfe. Kurze Zeit darauf, als der Mandatsgedanke zur Diskussion stand, fügte er hinzu, daß selbstverständlich auch Deutschland   ein Anrecht auf Vor­mundschaftsmandate habe, die ihm bei seinem Eintritt in den Völkerbund nicht vorenthalten werden können.

Macdonald stand mit solcher Meinung nicht allein, er befand sich in Ueberein­stimmung mit allen maßgebenden Vertre­tern der europäischen   Arbeiterparteien. Und das eben ist die Scham­losigkeit der Nazidiplomatie, daß Hitlerdeutschland, das die Sozialisten schändet und mordet, auf deren demokrati­sche Gerechtigkeit spekuliert, wenn es die Krallen für einen beispiellosen Raubzug schärft.

So fordert es die Zeit, klarzulegen, wie 1919, als der militarisierte Imperialismus der Sieger aufschäumte, die sozialistische Arbeiterschaft Europas   es verstanden haben wollte, wenn sie sich der kolonialen Annektionspolitik der Clemenceau und Lloyd George   entgegenstellte. Nicht, daß sie Deutschland   für besonders geeignet und würdig hielt, koloniale Völker zu regieren, vielmehr weil sie keinen Unterschied zu sehen, noch zu machen vermochte zwischen den kolonialen Ausbeutungssystemen der kapitalistischen   Imperien, einerlei welche Nationalflagge sie auch hissen. Grund­sätzlich jede Kolonialpolitik der Herrenländer ablehnend, wollte die sozialistische Internationale nie­mandem ein Privileg der mehr oder weni­ger verbrämten Sklaverei zubilligen. Viel­leicht mag ein wenig auch die Erwägung mitgesprochen haben, daß der jungen deut­schen Republik   nicht verweigert werden könne, was die kapitalistischen   Kolonial­staaten für sich als selbstverständlich be­anspruchten.

Kein Zweifel kann darüber bestehen, daß alles, was damals auf den mannig­

Der Streit um den Vortritt

Brunhild- Emmi und Kriemhild- Magda

( Ein Klumpfuß, erbuntüchtig wie nur einer. Er fiel im Juni eben noch zur richt'gen Seite und zog die Tarn­kapp über sein Gehirn, sonst wär er zu Röhms Vätern längst versam­melt.) Kriemhild  : Sei stolz und frech, ich bin aus Mitleid stumm( Brandstifter hat man einst in schwere Ketten ge­schlossen und am Markt gepeitscht). Brunhild  : Legt sie in Ketten! Bindet sie! Sie rast!

Und so weiter. Die Frage ist nur, wer wird wen ausstechen, wer wem unterliegen? Der Führer soll die Magda mehr schätzen als die Eva, und so kann es leicht geschehen, daß Frau Göbbels   den Hoheitsvogel abschießt. Be­neidet wird die künftige Reichsjägermeisterin jedenfalls von keinem nicht einmal von ihren ehemaligen Kolleginnen.

Den Professoren überläßt man es, darüber nachzudenken, ob hochgradige Morphinisten erbgesunden Nachwuchs zeugen können. Da­gegen werden heute schon Wetten abgeschlos­sen, wer zur Hochzeit erscheinen, wer nur ein Telegramm und wer überhaupt nichts sen­den wird.

und

Nur einer Sache ist man sicher wenn von dieser Seite des Hermann- Sonne­mann- Bundes die Rede ist, hören alle Witze auf, werden die Gesichter ernst-: der Skandal, der im zweiten Reich unweiger­lich fällig gewesen wäre, wird unterdrückt werden. Man stelle sich vor, welches Ge­schrei in nationalsozialistischen Kreisen und Blättern ausgebrochen wäre, wenn ein auf vorgeschobenen Posten stehender Staatsmann der deutschen Republik die ihm anvertraute Macht dazu mißbraucht hätte, seine schau­spielernde Freundin von einer kleineren Büh­ne wegzuholen und sie mit einer Riesengage an das Berliner   Staatstheater zu engagieren. Oeffentliche Versammlungen gegen das > Schandsystem<<, gegen die>> ungeheuerliche Korruption und Mätressenwirtschaft der ver­judeten Bonzen und Schieber« wären einbe­rufen worden, alle Zeitungen wären der Ent­rüstung voll gewesen, das ganze Land hätte gedröhnt. Und die Schreier hätten sogar aus­nahmsweise Punkt für Punkt recht gehabt, denn Mätressenwirtschaft nennt man so et­was. Nun im zweiten Reich hat es ähn­

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