Die QesäaiMQigkeiUH det Häe�swiäsdutft Vom Kellerwedhsel über den Schachfwechsel zum Bodensaffwechsel �Betrogene Hausbesitzer Zu den Schichten, die das nationalsozialistische Regime neben den Agrariern und Rüstungsindustriellen am meisten wirtschaftlich begünstigt hat, gehören die Hausbesitzer. Diese sind in den deutschen Städten zumeist Angehörige des Gewerbes und des Handels und stellen eine wichtige und einflußreiche Gruppe der städtischen Mittelständler dar, auf deren Rücken die Nationalsozialisten zur Macht emporgeklettert sind. Seitdem fielen den Hausbesitzern in reichem Maß staatliche Subventionen und steuerliche Entlastungen.zu. Da gab es Zuschüsse für Reparaturen, die Beiträge tu. den Umbaukosten, die zwangsweise Senkung der Hypothekenzinsen, umfangreiche Steuererlässe und schließlich die Senkung der Hauszinssteuer bis zu ihrem künftigen völligen Wegfall. Da die Mieten trotz der fortwährenden durch den Staat auf Kosten der Allgemeinheit erfolgten Steigerung des Einkommens der Hausbesitzer nicht herabgesetzt worden sind, ist der Ertrag aus dem Hausbesitz gestiegen. Infolgedessen ist der Wert der Häuser seit etwa zwei Jahren von durchschnittlich dem Viereinhalbfachen auf das Sechsfache der Friedensmiete gestiegen. Die Hausbesitzer waren zufrieden. Aber die Diktatur ringt mit großen finanziellen Schwierigkeiten. Schacht ist weder willens noch imstande, den Milliardenausgaben für die Rüstungen Einhalt zu tun und so sucht er wenigstens MUlionen an der nicht militärischen Arbeitsbeschaffung zu sparen. Er kann nicht die Vermehrung der schwebenden Schulden um Milliarden zur Bestreitung der Aufrüstung verhindern, und so sucht er wenigstens einige Millionen durch Zwangsanleihe n zu konsolidieren. Und die Bedrängnis ist doch schon so groß, daß er zu immer krampfartigeren Maßnahmen greifen muß, um das künstliche Gebäude aufrechtzuerhalten,— Maßnahmen, die auch die politischen Grundlagen der Hitlerherrschaft schwächen müssen. Am 1. April sollte die Ermäßigung der Hauszinssteuer um 25 Frozen t in Kraft treten. Aber die Diktatur hat die Hausbesitzer, ihre treuesten Anhänger, in den April geschickt. Am 30. März wurde plötzlich ein»Gesetz zur Förderung des Wohnungsbaues« erlassen. Es bestimmt, daß die Hausbesitzer in den Rechnungsjahren 1935 und 1936 die Steuer in dem bisherigen Ausmaß an das Reich abzuführen haben werden. Mit der 25prozentigen Ermäßigung, die bereits gesetzlich festgelegt war, ist es also zunächst nichts. Der Bruch des Versprechens wird allerdings beschönigt. Die Hausbesitzer bekommen für 25 Prozent der in der alten Höhe abgeführten Steuer eine verzinsliche Anleihe. Die näheren Bedingungen sind noch nicht bekannt, doch dürfte die Verzinsung kaum mehr als 4 Prozent betragen, also kaum einen Kurs von 80 Prozent erreichen. Aber es ist noch gar nicht sicher, ob die Anleihe zum Handel an den Börsen oder zur Lombardierung bei den Banken zugelassen wird oder nicht, vielmehr auf einige Zeit gesperrt bleibt. Es läßt sich noch nicht absehen, in welchem Ausmaß oder ob Uberhaupt die Hausbesitzer sich durch den Verkauf der Anleihe werden Geld verschaffen können. Jedenfalls muß es am 1. April bei den Pg-Hausbesitzern eine nette' Aufregung gegeben haben, als sie erfuhren, daß sie statt der Steuersenkung eine Zwangsanleihe, wie sie im Buche (des Staatsbankrotts) steht, von ihrem geliebten Führer beschert bekommen haben und sich davon überzeugen mußten, daß es sich um keinen Aprilscherz gehandelt hat. Da die Hauszinssteuer zuletzt etwa 900 Millionen Reichsmark gebracht hat, so machen die 25 Prozent 225 Millionen aus— die Zwangsanleihe für die beiden Jahre beträgt also 450 Millionen,— eine ganz respektable Summe. Die Hauszinssteuer sollte am 1. April 1937 um weitere 50 Prozent des ursprünglichen Jahresbetrages gesenkt und nach weiteren zwei Jahren völlig aufgehoben werden. Jetzt legen sich die Betrogenen die bange Frage vor, wie es ihnen.dann ergehen soll, wenn sich die Etat- und Schuldenlage erst recht verschlechtert haben wird. Die Hauszinssteuer— das war ja die kalte Sozialisierung des Hausbesitzes, das war ja die verfluchte Expropriation durch die Sozialdemokraten. Sie hatten Hitler gewählt, weil die Nazis ihnen die völlige Beseitigung in kürzester Frist versprochen hatten. Und jetzt statt Steuerbeseitigung die Zwangsanleihe... Was für Esel sind wir gewesen! Aber sie flüstern es nur, wenn sie unter sich sind. Alles für die Rüstung! Schacht war zu seinem Streich gegen die Treuesten der Hitler-Treuen gezwungen, denn sonst wäre der Wohnungsbau völlig zum Erliegen gekommen. Denn während das verfluchte Weimarer System jährlich 2 bis 3 Milliarden Reichsmark Tür den Bau von Wohnungen zur Verfügung gestellt hatte, stand im dritten Jahr Hit lers nichts mehr bereit Schon 1934 waren nach einer Schätzung der Bau- und Bodenbank für Neubau und Umbau nur zirka 230 Millionen aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt. Für 1935 war nichts mehr da. Das Versiegen der Wohnbautätigkeit hätte aber nicht nur schlimme Folgen für den Arbeitsmarkt gehabt. Die Wohnungsnot macht sich überhaupt sehr stark bemerkbar. Einmal weil die Ehestandsbeihilfen zu vermehrter Eheschließung geführt haben, während die Neubauten stark zurückgegangen sind. Dann aber— wie könnte es im Hitlerreich anders sein— aus Gründen, die unmittelbar mit der Aufrüstung im Zusammenhang stehen. Es werden in großem Umfang Büstungs- betriebe aus den Grenzbetrieben In das Innere verlegt oder dort neu errichtet. Und für diese Umlagerung ist auch die Anlage neuer Wohnsiedlungen nötig. Ihre Errichtung kann natürlich nicht den Rüstungsfabrikanten zugemutet werden, dazu müssen öffentliche Mittel her. Aus dem Etat konnte sie Schacht nicht nehmen; hätte es sich nur um Wohnungen für gewöhnliche Arbeiter gehandelt, so hätte er den Hausbesitzern vielleicht noch das Leid erspart. Aber Wohnungen für Arbeiter der Rüstungsindustrie müssen eben unter allen Umständen gebaut werden. Die 225 Millionen, die der Hausbesitz für 1935 zu den Zwecken der»Kleinsiedlung und des Kleinwohnungsbaus« zur Verfügung stellen muß, werden noch um 50 MUlionen vermehrt, die an der Gewährung von Ehestandsdarlehen eingespart werden sollen. Diese seinerzeit mit solchem Tamtam angepriesenen Unterstützungen, die die Ehen und das Wirtschaftsleben in gleich ungeahnter Weise befruchten sollten, betrugen ursprünglich 500 Millionen jährlich. Jetzt waren sie für das Etatjahr nur mehr mit 150 Millionen angesetzt und Schacht verringert sie neuerdings um ein Drittel! Selbst für diese Lieblingsidee der Nationalsozialisten mangelt das Geld! Die Produktion des Kanonenfutters wird verlangsamt, vorläufig reichen die vorhandenen Vorräte. Vom Kellerwechsel zum Schachtwechsel Aber Schacht, der in kleinem so solid ist, daß er Zwangsanleihen neuem Pump vorzieht und unbarmherzig alle sozialpolitischen Ersparnisse aufs Aeußerste treibt, er wird sofort großzügig und vergißt alle guten finanziellen Vorsätze, wenn es sich um das Rüstungskapital handelt Und zur Rüstung gehört auch die Selbstversorgung mit Rphstoffen oder die Produktion von Ersatzstoffen. Da ist jetzt in Berlin eine»Gesellschaft zur Förderung der deut schen Rohstoffversorgung m. b. H.< gegründet worden. Das Unternehmen ist zunächst nur mit dem bescheidenen Kapital von, 100.000 Reichsmark ausgestattet worden. Aber es hats in sich... Sein Zweck ist die Finanzierung von Unternehmungen, die sich mit der N e u e i n- richtungoderErweiterungvon Anlagen zur Gewinnung von deutschen Rohstoffen befassen. Geschäftsführer sind zwei Herren der DresdnerBank,, die bekanntlich dem Reich gehört Mit diesem Instrument soll die Finanzierung der neuen deutschen Kunst- faserproduktion durchgeführt werden. Die Pläne sind sehr weitgehend. Nach den Angaben der»Neuen Züricher Zeitung« sollen dafür nicht weniger als 2 4 0 Millionen aufgebracht werden; 160 Millionen soll ein Bankenkonsortium zur Verfügung stellen, dem unter Führung der Dresdner Bank sämtliche Großbanken angehören, femer die Preußische Staatsbank , die Deutsche Girozentrale (mit ihren Spar- kassengeldem!) und die Bank der Deut schen Arbeit (mit ihren gestohlenen und erpreßten Gewerkschaftsgeldern!!) 80 Millionen sollen die beteiligten Industrieunternehmungen aufbringen. Die Finanzierung sieht so aus; Das Bankenkonsortium erhält Wechsel; diese Millionenwechsel versieht das nur dazu gegründete 100.000-Mark-Untemehmen mit seiner kostbaren Unterschrift und die neuen Kunstfaserstoffproduzenten akzeptieren sie. Sie sollen sie aus den künftigen Gewinnen auch einlösen. Dafür übernimmt das Reich die Garantie, die aber erst 1946 wirksam werden soll. Das heißt, die Wechsel haben unter Umständen eine mehr als zehnjährige Umlaufszeit. Man sieht, der finanzielle Fortschritt im Dritten Reich macht enorme Fortschritte; Vom Kellerwechsel zu m S c h a c h t w e c h- sei... Bankrott hier- Bankrott da Mit dem»Wechsel« ist aber den Produzenten nicht geholfen; sie brauchen Bargeld. Also müssen sie die Wechsel bei den Banken diskontieren. Die Banken können so langfristige Anlagen nur machen, wenn sie sicher sind, daß die Reichsbank sie ihnen jederzeit bei Bedarf rediskontiert, ihnen dafür ihren Notenkredit zur Verfügung stellt Die Reichsbank ist diese Verpflichtung auch eingegangen, aber sie will diese Rediskontzusage nur für den Fall machen, daß die Banken ihre anderen Rediskontmöglichkeiten erschöpft haben. Das ändert natürlich nichts daran, daß die ganze Finanzierung in letzter Linie auf dem Notendruck der Reichsbank aufgebaut ist, nur daß diese Wechsel erst nach den Steuergutscheinen, Schatzscheinen und Arbeitswechseln drankommen sollen. Deshalb heißen diese Schachtwechsel jetzt auch— Bodensatz-Wechsel! Die erste Anwendung der neuen Finanzierungsmöglichkeit haben die Vereinigten Glanzstoff-Fabriken gemacht. Sie gründen eine neue Stapelfaserfabrik in Kassel , deren Kosten 22% Millionen Reichsmark betragen. 15 Millionen wird das Bankenkonsortium auf dem Schachtwechselweg bereitstellen, während die restlichen 7% Millionen Glanzstoff beibringt Als Rohstoff wird deutsches Fichtenholz dienen; die Produktion wird Binde 1935 aufgenommen werden. Andere Fabriken sollen in Sachsen bereits im Bau sein und auch der Ausbau anderer Rohstoff- und Ersatzindustrien geplant sein. Mit der Schaffung dieser teueren und qualitativ schlechteren Ersatzproduktion bezeugt Schacht, daß seine Hoffnung durch die Zwangsmittel seines»Neuen Plans«, die Rohstoffversorgung zu sichern, nicht in Erfüllung gegangen ist Den Bankrott an der einen Stelle verdeckt er, indem er durch neue Wechselreiterei den Bankrott an einer anderen vorbereitet Aber das sind so die Gesetzmäßigkeiten der deutschen Kriegswirtschaft Dr. Richard K�ern. Braune Ritualmordhe�e Die»Preußische Zeitung« in Königsberg , ein offizielles Partei- und Amtsblatt veröffentlicht in großer Aufmachung und unter der Ueberschrift»Zwölfjähriges Mädchen von Juden geach ächtet« ein Ritualmordmärchen der ekelhaftesten Sorte. Ort und Handlung: Litauen . Eime Probe aus dem niederträchtigen Hetzartikel sei hier wiedergegeben: Kürzlich kam ein 12jähriges Bettelmädchen aus Kedainie nach Tauroggen und wurde dort In das Haus des Pferdejuden Segall gelockt, der in der Schillale-Gatve wohnt. Eine Frau war sehr verwundert darüber, daß die Jüdin immerfort leise sang. Zwischendurch war aber vernehmlich Wimmern zu hören, das aus dem Keller des Hauses drang. Erschreckt lief die Frau zur Polizei, die mit mehreren Beamten in den Keller drang und dort den Juden Segall mit einigen Rassegenossen fand. In ihren Klauen befand sich das Mädchen aus Kedainie, dem sie die Halsadern geöffnet hatten und es so langsam ausbluten ließen. Die Juden wurden verhaftet und das Mädchen in das Tauroggener Krankenhaus geschafft, wo es gestorben Ist Was ist in Wahrheit geschehen? Ein Dienstmädchen hat ihr uneheliches Kind getötet, die Polizei hat die Täterin verhaftet und mit allen Mitteln versucht gegen die sofort beginnende— von nationalsozialistischen Agitatoren entfachte und geschürte— Ritualmordhetze einzuschreiten, hat auch verschiedene Aufwiegler In Haft genommen. Die »Preußische Zeitung « schildert das so: »Die litauische Polizei griff sehr scharf ein, um den Aeußerungen der Volkswut einen Riegel vorzuschieben.... Die Darstellung der Polizei war bindend für sämtliche Staatsbeamten, die stets so tun, als ob sie daran glauben. Im übrigen ist aber streng verboten, über den Ritualmord zu sprechen.« Durch dieses Verbot haben sich die bezahlten Agenten des Dritten Reiches offenbar nicht abhalten lassen, weiterzulügen, weiter ihr Gift auszustreuen. In der zitierten Zeitung liest man: »In der Nacht wurden in Tauroggen Aufrufe angeklebt, auf denen zu lesen war, daß sich die Litauer auf diese Weise an ihren Präsidenten wenden, und ihn darum bitten, den Juden ihren Einfluß zu nehmen .... Die Frauen sind sehr aufgeregt und fühlen sich als Freiwild der jüdischen Mordsucht. Es hat schon manchesmal in dieser Gegend ungeklärte Morde gegeben, bei denen das eine und andere für einen Ritualmord sprach. Der ungeheure Einfluß der Ostjuden verhindert stets die Aufklärung. Die Agenten erreichten es denn auch wirklich durch ihre schändliche Hetze, daß »Seminaristen und junge Leute aus der ganzen Umgegend vor das Krankenhaus zogen und verlangten, daß der Mord gesühnt werde. In Tauroggen wurden den Juden straßenweise die Fenster eingeworfen.« Auch dieser künstlich entfachte Aufruhr ist natürlich eine Antwort auf das Kownoer Urteil gegen einige des Mordes angeklagte Nationalsozialisten, Es ist nicht leicht, der braunen Moral beizukommen: Weil nationalsozialistische Verbrecher, die einen brutalen Mord begangen haben, von dam Gericht eines andern Staates abgeurteilt wurden, hetzt man die Bevölkerung dieses Staates mit gemeinsten und schmutzigsten Mitteln gegen die dort ansässigen Juden auf, verbreitet unter der Hand das Gerücht, die Staatsmänner steckten mit diesen Juden unter einer Decke, und versucht so, der Regierung Schwierigkeiten zu bereiten. Der Weg führt— wie alle Wege der Nationalsozialisten— Uber die Dummheit und Leichtgläubigkeit betrogener Massen. Und die Juden sind willkommene Opfertiere, die dem künstlich erzeugten Volkszorn geschlachtet werden. - i ZiTilistische Seitenblicke Englische Zeitschriften berichten Jetzt von einem sehr amüsanten Vorfall, der sich anläßlich des Besuches von Sir John Simon in Ber lin zugetragen hat. Als Simon auf dem Tem- pelhofer Flugplatz landete, ertönte ein weithin schallender Knall. Der Kommandeur der»Leibwache de» Führers«, die als Ehrenwache auf dem Flugplatz angetreten war, ging mit gezogenem Degen auf den englischen Minister zu, um ihm»Meldung zu erstatten«. Der weithin schallende Knall aber war vom— Zusammenschlagen der Hacken des Kommandeur« entstanden. Die Korrespondenten der englischen Zeltungen bemerken, daß Sir Simon bei dem Hackenzusammenschlagen und bei der»in schroffstem militärischen Ton erstatteten Meldung« des Kommandeurs»sichtlich erschrocken zusammengefahren« sei und»tief verwundert ausgesehen« habe, Sir Simon faßte sich jedoch bald und ging lächelnd von dannen,»nicht aber, ohne vorher einen sehr zivilistischen Seitenblick auf die In Waffen starrende Ehrenwache getan zß haben...<
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3 (14.4.1935) 96
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