Nr. 97 BEILAGE
Neuer Vorwärts
21. April 1935
Hitlers geistiger Nährvater
-
vor
an Ort und
Nur ganz trocken und ohne jede feier-| pragmatische Kraft bekam und aus bloßer Münchens Straßen dem Kriege gerade, setzte, sobald er konnte, dem Lehmannschen liche Zutat registrierte die Presse in Deutsch - Literatur schlimme Realität im Staatsge- aus dem Lehmannschen literarischen Koch- Laden mit alldeutschem Patriotismus und land dieser Tage die Nachricht, daß in Mün- schehen wurde, als München das herd frischbacken bezogen hat, die er nach- germanischem Rasse- Weihrauch seinen eignen chen der Verleger Julius Friedrich Emigrations asyl des bankrotten her in seinem» Kampf« dann wieder aus- Eherschen Konkurrenzverlag Lehmann gestorben sei derselbe, der ob preußischen, vor allem ostpreu- spie, sondern daß er auch ursprünglich die Stelle selbst auf die Nase. Den biederen und seines siebzigsten Geburtstages im Dezember Bischen Militarismus wurde und ersten finanziellen Subventio - ein bißchen cholerischen Herren, der mit den vorigen Jahres noch den> Adlerschild des sich in der» Ordnungszelle<< an der Isar nen für seine angehende Rolle als Missionar Leichen von Skagerak, mit den Toten von Deutschen Reichs< erhielt und von den Uni- Ludendorff, der General, zu dem Stammtisch- All- Deutschlands bei Lehmann fand. Freilich, Notre Dame de Lorette, mit den blonden versitäten München und Erlangen zum Dok- löwen Lehmann gesellte. Sicher ist auch, daß Herr Adolf Hitler zeigte sich auch schon da- Haaren der Wikinger und mit dem blitzenden tor medicinae et philosophiae honoris causa Adolf Hitler nicht nur seine ersten Weis- mals, etwa um das Jahr 1919, als der höchst Adlerauge von Fridericus Rex so gern und promoviert wurde. Herr Lehmann dürfte heiten als existenzloser Boulevardbummler in unzuverlässige Zeitgenosse, der er ist! nicht ganz in Frieden mit dem Dritten Reich verschieden sein, obwohl er sein Pflegevater schon zu einer Zeit war, da das» tausendJährige Reich noch absolut in den Windeln lag. Wäre es anders gewesen, so hätte man ihm sicherlich einen ähnlich solennen Totenschmaus bereitet, als es der sächsischen Spezies seiner Denkart, dem> Hammer<<- Fritsch seiner Zeit in Leipzig mit SA- Parade und Fahnenaufgebot und Monumental- Grabstein am Tage seines Begräbnisses und nachher geschah.
Auf eine kurze Formel gebracht: Julius Friedrich Lehmann war an der Isar das in Loden und mit dem grünen Hut mit dem Gamsbart, was Erich Ludendorff in Generals wichs mit der Hurrahtüte immer noch ist! Auf ihrer belden geistigen Mistbeeten ist das Dritte Reich gewachsen wie der Radi im Lenz. Als es aber dann praktisch wurde, war hier wie dort Enttäuschung, Schmollen, Krach und Stank die Folge...
5\
G
Er so umfangreich Geschäfte machte, mußte das mit Recht verdrießen. Lehmanns Verlag verblieb so leider nur in der Rolle einer Nabelschnur des Dritten Reiches ...
-
-
Gewiß, sein eignes braunes Kind konnte Julius Friedrich Lehmann nicht verleugnen, auch wenn es später diese Vaterschaft immer wieder aus Hitlerschem Portemonnaie- Interesse heraus verleugnete! Wäre das LeidigGeschäftliche nicht gewesen, Lehmann wäre als einer der Unsterblichen des Dritten Rei ches jetzt von uns gegangen. Immerhin: Hitlers Staat war doch nun schon sein Ideal!!! Man braucht nur Buchtitel von vom Verlag Lehmann noch in letzter Zeit herausgebrachter Rassephantasien zu überfliegen der wunderschöne Imperativ» Gedenke, daß Du ein deutscher Ahnherr bist!< ist noch nicht einmal von dieser Sorte der klassischste um zu wissen, daß es eigentlich nur Lehmanns Welt war, die Hit ler im Januar 1933 aufrichtete. Wie gesagt, er gab auch eine in der wissenschaftlichen Welt anerkannte medizinische Fachzeitschrift heraus. Als er darin vor einigen Monaten beispielsweise einen Münchener Polizeibericht abdruckte, in dem registriert wurde, daß ein paar kleine Kaufleute, die Heilmittelschwindel getrieben und Schmierselfe als antirheumatisches Mittel verkauft hatten, in Haft gekommen und ins Konzentrationslager gesteckt worden selen, brach der alldeutsche Gemütsmensch so heftig begeistert bei Julius Friedrich durch, daß er der Trockenheit des polizeilichen Rapports ein aus tiefster Brust quellendes» ad multos annos«, ein auf viele Jahre!< für die armseligen Schächer
-
-
-
VO Schmierseifenbetrüger nämlich hinzusetzte. Das in einer streng wissenschaftlichen Fachschrift...! Ja, so war er! Das Konzentrationslager war ihm schon der Inbegriff beinahe kosmischer Vernunft. Ins Konzentrationslager hätte er sie am liebsten alle eingesperrt und zwar ad multos annos selbstverständlich die er haßte, die perfiden Briten« ebenso wie die > vernegerten Franzosen<, so die» landesverräterischen Marxisten< wie die> Plattfüßler Zions. Lehmann ist nun tot. Aber wie viele andere Lehmänner mögen wohl in AllDeutschland noch rüstig weiter leben und wirken--?! F. E. Roth.
-
Lehmann war freilich dem Münchener Boden zum Unterschied von Ludendorff schollenverhaftet, trotz seines Namens, der ja freilich mehr in die Richtung HoyerswerdaStendal weist. Er vertrat ein durch Bajuvarismus gewürztes und geselchtes Alldeutschtum! Inhaber eines nicht unbedeutenden deutschen, auch wissenschaftlichen Verlages, dessen reguläre Einnahmequelle vor allem die Edition der Münchener Medizinischen Wochenschrift ist, war er es zeitweilig fast allein im Reich, der das Vaterland Jahrzehntelang mit wüsten literarischen Dokumenten des Antisemitismus und eines germanomanen Größenwahns überschwemmte. Die meisten alldeutschen und antisemitischen Offizinen waren irgendwelche Winkelangelegenheiten; Lehmann war gewissermaßen dagegen Verleger- Bourgeois in teutonisch. Fast alle schmählichen Ausbrüche des > Gott- strafe- England!<<- Geistes im Weltkrieg, wenigstens fast alle bekannteren und» berühmteren<, kamen aus der Lehmannschen Druckerel. Er war sicherlich auch der erste der alldeutschen Rassenpropheten, der nach der schauerlichen Niederlage der Idee im Jahre 1918 den ersten Chok überwand, der damals auf der Berliner Kreuzzeitung etwa noch so stark lastete, daß sie immer noch ohne ihr traditionelles Eisernes Kreuz über dem Titel erschien, als Lehmann schon wieder längst einen frisch- fröhlichen Manuskript- und Traktätchen- Krieg gegen die marxistischen> Volksverräter und> Rasseschänder führte. Was aus seinem Verlag herauskam, weigerte sich konstant, in den Im Kriege handelt der deutsche HandelsFranzosen etwas anderes als weiße Neger<, mann das hat er in großer Zeit gelernt in den Engländern anderes als> perfide eben mit ,, Ersatz".< Im Dritten Reich ist Heuchler<<, in den Russen anderes als> Step- das nicht anders! Eine deutsche Literatur penasiaten<< und Nachkommen Timur Taber- gibt es so gut wie nicht mehr; der Führer lang erblicken. Die Dolchstoẞ- Legende kann nämlich die» Intelligenz< nicht leiden insbesondere fand an dem ins Politische ver- und das ist der schwache Punkt in seinem schlagenen und miẞratenen Weißwurscht- System. Aber statt wirklicher Literatur, etwa Dinarier einen so unermüdlichen Verkünder, statt Thomas Mannscher Romane, Onckendaß endlich unserem Parteiblatt an der Isar , scher Forschung, Kerrscher Kritik gibt es der>> Münchener Post<, der Geduldsfaden riẞ, eben> Ersatz«! Rohstoff zur Fabrikation biedaß die Redaktion durch Zweckpublikationen tet der ungeheure Rasseschwindel der Hitüber die> Dolchstößler gerade des Leh- lerel aus urheimischem Boden ja in unermannschen Kreises einen großen Zivilprozeß schöpflicher Fülle. Der Erlangener Professor So tief steckt also der verfluchte» libera- det, zu sehen, welcher Unfug mit der ganzen erzwang und in diesem die ganze ungeheuer Pratje, der jetzt in der deutschen ärztli- listische Krämergeist noch im Volk der Nibe- Nebulosität des Rassebegriffes getrieben schmutzige und widerliche Schändung der chen Fachpresse über die neueste deutsche lungen, daß selbst das Allerheiligste des Drit- wird und schon deshalb, gerade aus streng wissenschaftlichen Erwägungen heraus, auch Geschichte durch ein klassisches Zeugen- und Literature auf dem Gebiete der Rassenfor- ten Reiches, der Rassewahn dazu herhalten Sachverständigen- Aufgebot, bei dem auch die schung und Rassenpflege eine Art Gutachten muß, um mindestens auf die Geschäftsspesen nur den Gebrauch des entsprechenden Wor
zu
unmittelbar
-
Wie lange wird er das noch aushalten?
Das Rasse- Geschäft
Der Ausweg der deutschen Verleger
-
vom
den ein Herr Bavink in einer Fachschrift zum Thema beigesteuert hat. Pratje schreibt: > B. Bavink spricht über Eugenik und Weltanschauung in von hohem sittlichen Ernst getragenen Ausführungen, Standpunkt des evangelischen Christen. Aus dem Buche kann man manche Anregungen entnehmen, wenn es natürlich auch nicht dem Standpunkt des Nationalsozialismus entspricht. Bezeichnend ist z. B., daß das Wort Rasse in dem Buch kaum vorkommt. Zur Propaganda des Nationalsozialismus ist es also(!) nicht geeignet!<
Rassenpflege für unser Volksganzes erkannt und betont hat und verfügt hat, daß die Fragen der Erblehre, Rassenkunde und Bevölkerungspolitik in Lehrgängen aller möglichen Verbände und vor allem in den Schulen erörtert werden, ist im deutschen Buchhandel eine Unzahl von gröBeren und kleineren, teils bessseren, teils weniger brauchbaren Schriften Der Herr Professor und Buchkritiker hält erschienen, die sich zum Teil in wirklich sich für einen wissenschaftlichen Geist. Schon ernstem Bemühen mit diesen Fragen aus- deshalb müßte es ihm eigentlich sehr begreifeinandersetzen, zum Teil aber auch lich und sympathisch erscheinen, daß da ein nur aus Geschäftsinteresse verMann in Hitlerdeutschland noch den Mut finlegt werden.<
tes meidet. Aber der hitlerdeutsche Herr Pratje freilich ist Wissenschafter und kein Professor sieht natürlich, indem er zu einem Geschäftsmann, der mit Literatur- Ersatz wissenschaftlichen Problem Stellung nimmt, lukrativen Handel treiben möchte. Aber fragt nichts weiter als die Ungeeignetheit>> für die nicht, wie auch bei diesem Mann der Wissen- nationalsozialistische Propaganda...< In der schaft diese Wissenschaftlichkeit aussieht, Tat: Das ist auch die einzige Daseinsberechwenn das Rassetheorem und das ist ja zu- tigung, welche diese Sorte von Wissenschaft Rassenpflege und Vererbungslehre ist in gleich im Dritten Reich ein Politikum zur für sich noch anzugeben hat! Es sind das
am Debakle beteiligten deut- erstattet, lüftet hinsichtlich dieser merkan- zu kommen. schen Offiziere und Generalstäbler wie etwa tilen Erscheinung, die so ganz klassisch den der General von Kuhl, nicht fehlten, ad abUngeist des Dritten Reiches bloßstellt, ein surdum und für jeden, der guten Willens sein bißchen den Schleier. Pratje schreibt nämwollte, der öffentlichen Verachtung zuführte.| lich : Wie stand dieser alldeutsche Poltergeist Lehmann zu Hitler , der doch sicherlich gerade seine Ideen zu einem erheblichen Tell heute verwirklicht hat? Sicher ist, daß Lehmanns mehr aus räsonierendem Bajuvarismus entspringende Weltanschauung erst
dann
-
-
>> Auf dem Gebiete der Rassenkunde, der den letzten drei Jahren eine wahre Debatte steht! In seinem Gutachten über die immerhin die Leute, die auf den Lehrstühlen Hochflut von Büchern und Schriften erschienen. Denn da der Na- neuesten deutschen Rasse- Editionen bespricht der Mommsen, der Virchow, ja auch nur der tionalsozialismus die große Bedeutung der der Herr Professor auch den Beitrag, Treitschke heute sitzen...