Wege der deutsdien Finanzwirtschaft

Die Wege der deutschen Finanzwirt- schaft werden immer verschlungener. Von der angekündigten Exportabgabe der Industrie von annähernd 750 Mill. Rm. ursprünglich sollte es 1 Mil­liarde sein hört man offiziell noch im­mer nichts, obwohl schon Anfang Mai ge­meldet wurde, daß eine grundsätzliche Einigung erzielt worden sei und daß das verstärkte Dumpingverfahren Ende Mai in Gang gesetzt werden solle. Den exportie­renden Unternehmungen soll aus den aus der Abgabe gespeisten Ausgleichskassen ein Zuschuß in der vollen Höhe des Verlustes gewährt werden, der aus der Differenz zwischen den niedrigen Aus­landspreisen und den hohen Inlandspreisen erwächst. Der»Economist « spricht jetzt die Vermutung aus, daß die Abgabe nicht nur Exportzwecken dienen soll, sondern auch für Rüstungszwecke bestimmt ist.(Das ist indirekt auf alle Fälle so, da die Exportsteigerung ja die Devisen zur Ermöglichung der Einfuhr der Rüstungs- Rohstoffe liefern soll). Das angesehene und in seiner Kritik Deutschland gegen­über sehr zurückhaltende Fachblatt schreibt, daß führende Mitglieder der Wirtschaftsorganisationen mitteilen, daß »bedeutende Summen für spezielle Rüstungsfonds in letzter Zeit ge­zeichnet« werden.»Bestimmte Summen wurden den einzelnen Organisationen vor­geschrieben und auf die Mitglieder umge­legt, denen gesagt wurde, daß ihre Zah­lungsbereitschaft als Beweis ihrer guten Gesinnung, ihrer politischen Zuverlässig­keit und ihres patriotischen Eifers angese­hen würde«. Diese Abgaben, führt der »Economist « fort,»beruhen ebenso wie die jüngsten Anleihen der Sparkassen und Versicherungsinstitute, in Wirklichkeit auf Zwang. Es gibt in Deutschland für den einzelnen Staatsbürger keine Sicher­heit mehr, daß seine finanzielle Belastung in irgend einer Beziehung zu seiner Lei­stungsfähigkeit steht, noch eine Garantie dafür, daß er rechtzeitig erfährt, wieviel und in welcher Zeit er Zahlungen wird leisten müssen.« Das Budget, die wirkliche Höhe der schwebenden Schulden, Umfang und Finanzierung der Rüstungsausgaben bilden ein undurchdringliches Geheim­nis.... In der Tat haben ja weder der Reichsfinanzminister noch Hitler in ihren Reden ein Wort über die Höhe des Militärbudgets gesagt. Und es muß sich dabei nm gewaltige Summen, um viele Milliarden han­deln. Mit der aligemeinen Wehrpflicht wird verbunden der allgemeine einjährige Arbeitsdienst. Er wird ausdrücklich als militärische Vor­bereitung bezeichnet. Das bedeutet also in Wirklichkeit die zweijährige Dienst' zeit. Das ordentliche Militär­budget, das für die 100.000 Mann Reichswehr bisher% Milliarden betrug, wird mindestens auf 2 3 Milliarden an­wachsen. Dazu aber kommen für die nächsten Jahre die außerordent­lichen Ausgaben für die Schaf­fung des Materials, für Munition, schwe­re Artillerie, Tanks, Flugzeuge, Kriegs­schiffe, Befestigungen, die bei dem heu­tigen Stand der Kriegstechnik, Jahr für Jahr eine große Anzahl Milliarden aus­machen werden, Milliarden, für die keine Deckung vorhanden ist. Also muß der N o t e n b a n k k r e d i t noch stär­ker angespannt werden und Schacht hat dazu einen neuen Weg eröffnet. In Deutschland herrscht eine merk­würdige Geldflüssigkeit. Wäh­rend sonst bei guter Konjunktur und in Deutschland ist dies nach der offiziellen Darstellung der Fall die während der Krise brachliegenden Kapitaüen zur An­lage kommen, die Zinssätze leicht anziehen, die Bankausleihungen zunehmen und die Guthaben sich vermindern, ist in Deutsch­ land augenblicklich das gerade Gegenteil eingetreten. Die Geldsätze sinken schnell, der Satz für Wechsel ist rasch und stark zurückgegangen und die Banken können ihre flüssigen Gelder zeitweise kaum an­legen. Wie erklärt sich das? Der Grund liegt in der inflationistischen Fi­nanzierung der Arbeitsbeschaffung, d. h. der Rüstungsausgaben durch den No­tenbankkredit Die Wechsel, mit denen die

Rüstungslieferungen usw. bezahlt werden, sind zu einem Teil bei den öffentlichen Banken, Sparkassen, Versicherungsinsti­tuten geblieben, zu einem Teü aber der Reichsbank zugeflossen, die für diese Be­träge bis jetzt in einem Umfang von rund 3 Milliarden Rm. den Bsitzem der Wechsel Noten oder Guthaben auf ihrem Girokonto zur Verfügimg gestellt hat. Diese Mittel schlugen sich bald wieder in Form von Spareinlagen und Geschäftsgut­haben bei den Kreditinstituten nieder oder wurden zur Rückzahlung früherer Schul­den verwandt, wodurch die Flüssigkeit bei den Banken gleichfalls vermehrt wurde. Der Weg der zusätjlidien Geldmenge Zweierlei ist dabei wichtig. Einmal, daß die durch die Ausweitimg des Notenbank­kredits entstandene zusätzliche Geldmenge nicht in der Zirkulation bleibt, also nicht Nachfrage nach Waren ausübt und so unmittelbar zur Preisstei­gerung führt, sondern als Depositen in den Banken erscheint, die eigentliche Geldfunktion den Waren­kauf also nicht ausübt. Die Vermehrung der Depositen, d. h.'die Zunahme des u n- beschäftigten Geldes wirkt so der inflationistischen Wirkung der durch die Reichsbank erfolgten Geldvermehrung ent­gegen und erklärt, warum die latente Inflation längere Zeit vor sich gehen kann, ohne in offene umzuschlagen. Zwei­tens beweist das Anwachsen der Depositen die zunehmende Geldflüssigkeit daß es sich im Wesentlichen in Deutschland um eine Staatskonjunktur handelt, die aus dem Notenbankkredit gespeist wird, während eine privatwirtschaftliche Konjunktur, die die brachliegenden Kapi­talien in immer stärkerem Maß aufsaugen müßte, nicht existiert. Die Banken sind nun bei der Anlage dieser immer mehr wachsenden flüssigen Gelder in steigender Verlegenheit. Echte Wechsel sind seit langem knapp und mit Staatspapier aller Art sind sie vollge­stopft. Die Einleger aber wollen auf alle Fälle ihr Geld lieber in flüssiger, jederzeit abrufbarer Form behalten als es etwa in Staatsanleihen oder Renten anlegen, zu denen sie kein Vertrauen haben. Deswegen muß auch das Reich auf die öffentliche Begebung einer langfristigen Anleihe ver­zichten und war gezwungen, zu den Zwang�anleihen bei den Sparkassen und Versicherungsinstituten seine Zuflucht zu nehmen. Aber der Druck dieser unbeschäftigten Gelder muß sich, je länger, je mehr gel­tend machen. Da man zur Währung und damit zur Anlage in Renten immer weni­ger Vertrauen hat, so bleibt nur die An­lage in Aktien und in den wenigen Valuta­papieren übrig, die in Deutschland noch gehandelt werden können. In der Tat hat die Aktienspekulation in Berlin in letzter Zeit zugenommen und die Kurse sind ohne Rücksicht auf die Rentabilität gestiegen. Dieselbe Erscheinung zeigt sich auch auf den W arenmärkten, zu­nächst in der Form, daß die Besitzer mit dem Verkauf zurückhalten. Diese beginnende Sachwert­hausse, die das steigende Mißtrauen in die Währung verrät, ist aber ein gefähr­liches Symptom. Verbreitert sich die Bewegung, wird die Aktienhausse und die Warenzurückhaltung erst von breiten Volkskreisen in ihr Bewußtsein aufgenom­men, werden Sparkasseneinlagen abgeho­ben, um»Sachwerte« zu kaufen, so ist die Verallgemeinerung und Beschleuni­gung der Preissteigerung nicht mehr zu verhindern und die latente In­flation muß in die offene um­schlagen. Neue iOO.OOO-Mapk-Noten Deshalb ist Schacht auf einen neuen Trick verfallen. Die Reichsbank hat ein Tochterinstitut, die Golddiskont­bank, deren Gold heute allerdings nur noch in Namen vorhanden ist. Das ge­samte Aktienkapital der Golddiskontbank ist im Besitz der Reichsbank. Die Golddis­kontbank gibt jetzt Solawechsel aus, die den Banken zum Privatdiskontsatz von augenblicklich 2"/,, Prozent zur Verfü­gung gestellt werden. Die Abschnitte wer­den in Beträgen von 50.000, 100.000 Rm.

und darüber ausgegeben. Diese»Wechsel« können jederzeit bei der Reichs­bank diskontiert werden. Mit anderen Worten, der ganze Vorgang läuft auf nichts anderes hinaus, als daß die Reichsbank eine Art großer und verzinslicher Noten aus­gibt. Die Banken sind jetzt der Sorge um die sichere, jederzeit liquide und rentable Anlage ihrer flüssigen Gelder enthoben, die gefährliche Flüssigkeit des Geldmarkts kann so auf einfachste Weise einge­schränkt werden. Ist der Gedanke verflucht gescheit oder herzlich dumm zu nennen? Er wäre klug, wenn Schacht die Gelder, die er auf diese Weise abschöpft, dem Markt dauernd entziehen würde. Aber es ist nur fauler Zauber. Die Golddiskontbank hat einige hundert Millionen ihrer Wechsel bei den Banken begeben und mit dem Erlös der Reichsbank»Arbeitsbeschaffungswechsel« abgenommen. Das erscheint als»Ent­lastung« der Reichsbank, als Verminde­rung ihrer Inanspruchnahme, als Ein-

schränkung des Notenbankkredits. In Wirklichkeit ist es nur ein Buchungsvor­gang. Die schlechten Finanzwechsel sind aus der einen Tasche der Reichsbank in die andere, die Golddiskontbank genannt wir/, gewandert und die ganze Entlastung ist bloßer Schein. Aber das ist zudem nur der erste Akt. Was wird die Reichsbank mit den abgeschöpften Geldern weiter ma­chen? Vor ihr stehen zunächst zwei Auf­gaben. Will sie wirklich und sie ist durch die Rohstoffknappheit dazu gezwun­gen, das Export-Dumping ab 1. Juni in Gang setzen, so muß sie die erst allmäh­lich einfließende Exportabgabe der Indu­strie v o r f i n a n z i e r e n, d. h. sie muß die Exportprämien mit ihrem Notenkredit bezahlen. Zweitens muß sie nach wie vor zur Finanzierung der Rüstungen den No­tenkredit ausdehnen. Die Gelder, die sie so im ersten Akt abschöpft, kehren im zweiten Akt und noch dazu um Milliar­den vermehrt. zurück, steigern aufs Neue die Geldflüssigkeit und den Druck der brachüegenden Geldmassen die Anlage in Aktien oder Waren suchen. Aus diesem Zirkel gibts kein Entrinnen und die In­flationsgeister, die er gerufen, wird der Zauberlehrling Schacht nicht mehr los.

Dr. Richard Kern.

Ms$uki$esäi&fl zu Has Streng vertraulidies Merkblatt der Industrie- und Handelskammer Dresden

Die emstesten Schwierigkeiten erwachsen Deutschlands Wirtschaft noch immer aus dem Rohstoff problem. Ihre U eberwindung ist nur möglich, wenn es gelingt, die Ausfuhr erheblich zu steigern und entweger gegen Exportwaren direkt oder gegen die dafür hereinkommenden Devisen Rohstoffe zu be­ziehen. Aber eben diese notwendige Ausfuhr­steigerung war trotz aller Anstrengungen bisher nicht zu erreichen. Einem uns von besonderer Seite zugegan­genen Merkblatt über das neue Zusatzaus­fuhrverfahren, das von der Industrie- und Handelskammer Dresden herausgegeben ist und die Bezeichnung»Streng vertrau­lich« trägt, ist zu entnehmen, daß Deutsch­ land zu. Lasten seiner ausländischen Gläu­biger ein richtiges Auafuhrdümping organi­siert hat: In dem Merkblatt heißt es unter»Allge­meines« »Das Zusatzverfahren(Scrips- und Bondsverfahren) gibt dem deutschen Aus­führer die Möglichkeit, auch dann noch Ausfuhrgeschäfte vorzunehmen, wenn die ausländischen Wettbewerbe unterr seinen eigenen Gestehungskosten liegen... Es wird ihm hierbei ein Verlustausgleich zu­gebilligt, der im Höchstfälle die Selbst­kosten deckt, nicht aber einen Gewinn be­läßt... Das Verfahren kann nur für Aus­fuhrgeschäfte im Betrage von RM. von 100. an aufwärts in Anspruch genommen werden. Die hierzu erforder­lichen Mittel werden den Kursgewinnen entnommen, die die Golddiskontbank beim Ver­kauf von Scrips erzielt.« Es wird dann das Verfahren erklärt, mit dessen Hilfe die Ausfuhr trotz des Dumpings für den.Exporteur zu einem lohnenden Ge­schäft wird: »Die Devisenbcwirtschaftungsstelle ge­nehmigt im gegebenen Falle einen Verlust­ausgleich, der je nach dem Bedarfsfalle etwa 10 bis 20 Prozent des Verkaufser­löses beträgt und stellt dem deutschen Ausführer einen Genehmigungsbescheid aus. Mit diesem begibt er sich zu einer beliebigen Reichsbankstelle, um einen An­trag zum Ausgleich des von der Devisen­bewirtschaftungsstelle anerkannten Ver­lustes zu stellen. Daß dieser Ausgleich eines Verlustes durch die Umwandlung unterbewerteter Forderungen von Aus­landsgläubigem durch eine banktechnische Transaktion zwischen der Konversionskasse und der Deutschen Golddiskontbank, bezw. der Beichsbank zustande kommt, ist für den Ausführer ohne Belang. Die Golddis­kontbank ist die ausschließliche Zentral­stelle für den Ankauf von Scrips. Die deutsche Ausfuhrfirma nimmt diese also nicht etwa unmittelbar in Zahlung. Sie er­hält vielmehr den von der Devisenstelle als ausgleichsfähig anerkannten Verlust von der Reichbank aus dem entstan­denen Kursgewinn bei der für sie vorgenommenen Verwer­tung von Scrips erstattet. Sie muß die aus dem Geschäft anfallenden Devisen der Reichsbank in voller Höhe an­bieten, die hiervon den Teilbetrag ent­nimmt, der für den Ankauf von Scrips durch die Golddiskontbank erforderlich ist. Voraussetzung für die Freigabe von Scrips ist, daß che Währung, in welcher der Verkaufserlös erzielt wird, in die zum Erwerb der Scrips erforderliche Währung umwandelbar(konvertierbar) ist. Freie Reichsmark werden den konvertierbaren Devisen gleichgesetzt. Die Annahme von Reichsmarkbanknoten, Scheidemünzen oder

Sperrmark In Verbindung mit Zosatzans- fuhrgeschäften ist unzulässig., ,c Es wird demnach für das sogenannte Zu­satzausfuhrgeschäft nicht einmal deutsches Geld, wie Banknoten und Scheidemünzen, in Zahlung genommen, sondern nur gute Devisen, mit denen allein die Scrips er­worben werden können. Dieses Verfahren ist fein ausgeklügelt: erstens wird durch das Dumping der ausländische Exporteur im Preise unterboten, zweitens werden mit dem vom Ausland gelieferten Devisen und den dadurch ermöglichten Kauf von Scrips die ausländischen Gläubiger endgültig um einen Teü ihrer Forderungen an Deutschland ge­bracht und drittens verbleiben nach dem An­kauf der Scrips noch Devisen zum Ankauf von Rohstoffen zur Verfügung. Dem Ausland gegenüber soll das Ver­fahren geheim bleiben. In dem Merkblatt heißt es: »Durchaus unzulässig Ist es ferner, aus­ländische Abnehmer auf die durch das Verfahren erzielbaren Prelsverbilligungs- möglichkeiten aufmerksam zu machen. Das Verfahren darf vielmehr nur zum Aus­handeln des Preises bei Preisdruck des aus­ländischen Käufers verwendet werden. Auch wenn das neue Verfahren das Licht der Oeffentlichkeit nicht zu scheuen braucht, muß doch alles vermieden wer­den, was im Ausland übertriebene Vor­stellungen von Art und Umfang der deut­ schen Ausfuhrförderung erweckt und zu Mißdeutungen des Verfahrens führen könnte. Wir verpflichten Sie daher zu streng vertraulicher Behandlung dieses Merkblat­tes, das keinesfalls Irgendwie veröffent­licht oder auch nur weitergegeben werden darf.« Das Merkblatt trägt den Stempel der In­dustrie- und Handelskammer Dresden und unterzeichnet; H e r r m e. Ob diese skrupellosen Methoden, deren Anwendung von den obersten faschisti­schen Wirtschaftsbehörden organisiert und angewiesen wird, den gewünschten Erfolg haben werden?

Die nationale Konkurrenz Wie englische Blätter mitteilen, erregte Hugcnberg bei der Reichstagsrede Hit­lers»unliebsames Aufsehen bei den Nazi- Abgeordneten«. Er saß demonstrativ mit verschränkten Armen da und klatschte als einziger von allen Abgeordneten kein einzi­ges Mal Beifall. Die Hitlerabgeordneten quit­tierten diese Haltung Hugenbergs mit Zwi­schenrufen.

Alkohol Dr. Leys Blick ist besinnlich, manchmal fast entrückt... Und wenn er versonnen ist, verschwimmen seine Augen ins Weite.. (Aus einer deutschen 'Familienzeitschrift-)

Alles freiwillig. Die»Preußische Zeitung «. Königsberg , meint es wenigstens in einem Punkte ehrlich: sie führt seit einiger Zeit den braunen Versammlungskalender unter der Rubrik:»B e f eh 1 s a u s g a b e«. Das ist nicht mißzuverstehen. Wehe dem, der eine Versammlung schwänzt! Im übrigen ist der Besuch freiwillig.