Dreyfus
Den Männern des braunen Systems gewidmet »Um so verhängnisvoller wurde, dann die schuldhafte Verstrickung von Generalstsb und Kriegsgericht, als sich, sehr bald nach der Deportation, die Wahrheit herausstellte: daß Dreyfuß unschuldig war, daß der wirklich Schuldige, der Major Gsterhazy, auch das belastende Schriftstück geschrieben hatte. Jetzt gesellte sich zu dem Wunsch, den eben gewonnenen politischen Sieg Ms zum Ende auszukosten, noch die Ueberzeugung, die Staatsantorttät dürfe nicht durch die Kassation eines Urteils von so welttragender Bedeutung erschüttert werden— jener tragische Irrtum, den die Menschheit wohl in jedem Zeitalter neu zerstören muß. Ihre tiefste und beispielhafte Bedeutung aber wird die Affäre Dreyfuß gewiß immer behalten als der Sieg der immanenten Idee der Gerechtigkeit über Willkür und politische Leideu- Schaft. Ein Offizier hat seine Ehre und seine Karriere, ein Schriftsteller Freiheit und Vermögen, ein Politiker Ansehen und Zukunft aufs Spiel gesetzt um dieser Idee willen; daß es möglich war, in so verzweifelter Lage, dennoch das gute Gewissen der Nation zu beschwören, wird immer diesen Männern, wird immer der Menschheit zum Ruhme gereichen; und die Erinnerung daran wird stets den Glauben und die Kräfte derjenigen stärken, die sich weigern anzuerkennen, daß der Staat auf einem anderen Fundament als dem der Gerechtigkeit ruhen könn e.« (Frankfurter Zeitung vom 14. Juli 1935.) Justiz und Pogrom Wie die feile Justiz das Treiben der Pogromist en begünstigt, beweist der folgende Gerichtsbericht der Frankfurter Zeitung aus Gießen vom 18. Juli: Das Schöffengericht in Gießen hatte über eine ganze Anzahl von Körperverlet zung s- und Sachbeschädigungs- Delikten zu entscheiden, die sich in T r e 1 s a. d. Lunda ereignet hatten. Nach einer Mitteilung des Staatsanwalts bestand an diesem Orte zwischen der Einwohnerschaft und dem jüdischen Bcvölkerungsteil ein besonders gespanntes Verhältnis. Gegen eine Reihe von Strafbefehlen hatten die Betroffenen Einspruch eingelegt, über den jetzt entschieden wurde. Auf dem Bahnhof in Treis kam es In der Nacht nach Fastnacht zu einer schweren Schlägerei mit jüdischen Einwohnern, die beim Vieheinladen beschäftigt waren. Einem Mann, der wegen schwerer Körperverletzung einen Strafbefehl auf zwei Monate, eine Woche Gefängnis und 13 Mark Geldstrafe erhalten hatte, wurde vom Gericht eine Straf- ermäßigung auf einen Monat Gefängnis und fünf Mark Geldstrafe zugebilligt: In zwei weiteren Fällen wurden Strafbefehle über 30 und über 50 Mark Geldstrafe auf je 20 Mark Geldstrafe ermäßigt. In sämtlichen Fällen wurden mildernde Umstände zugebilligt. In fünf Fällen waren Strafbefehl« über Je 25 Mark ergangen, well die Betreffenden Fcnstcnscheiben an mehreren Häusern eingeschlagen hatten. Die Angeklagten machten vor Gericht geltend, sie hätten den Juden in Treis wegen provozierenden Auftretens einen Denkzettel geben wollen. Der Staatsanwalt hob u. a hervor, daß durch derartige Handlungen der Greuelpropaganda Vorschub geleistet werde. Das Gericht ermäßigte die Geldstrafen auf je 10 Mark. Der Vorsitzende erklärte, daß die Angeklagten den bestehenden Befehlen entgegengehandelt hätten. Die geringe Geldstrafe habe aber ihren Grund in der berechtigten Erregung. Eine Verhandlung, In der es sich um das Einwerfen eine« Fensters der Synagoge handelte, wurde ausgesetzt, um die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen zu prüfen.
En massc Wir lesen im-Völkischen Beobachter«; »Nur traurige Meckerer können en mause in die Männer de« Amte«»Schönheit de« Ar- )eitsplatzes« anonyme Briefe richten, in denen äe sich Uber die»Sozialgeslnnung mit Blu- nentöppen« lustig machen.« En masse— das ist ein gute« Zeichen! VeMc Pff. »Am 26. Juni 1935 wurde der Blockleiter Parteigenosse Willi Aßmann durch seinen Plötzlichen Tod aus unseren Reihen gerissen. 2r war uns ein treuer Mitkämpfer im Sinne inseres Führers, dessen so frühes Hinschei- len wir sehr bedauern.(NSDAP-Ortsgruppe Jagenow. Aus der Preußischen Zeitung.)
Kiilturkampfgese�e erlassen System-Terror gegen katholisdie Volksbewegung
Die Protestnote Roms Am 19. Juli überreichte Nuntius Or- senigo dem deutschen Außenminister die förmliche Protestnote des Vatikans, deren Inhalt in dem Nachweis über die Nichteinhaltung des Konkordates in mannigfachster Hinsicht und in dem formgerechten Protest dagegen besteht. Die vatikanischen Beschwerden beziehen sich zur Hauptsache, ohne anderes zu verschweigen, auf drei Gegenstände der neu entfesselten Gegnerschaft zwischen Katholizismus und Drittem Reich: auf die katho lischen Vereinsfragen, auf die katholische Pressefrage und auf das hitlerdeutsche Sterilisationsgesetz, seine Handhabung und seine Ablehnung vom katholischen Moralstandpunkt aus. In dem alten, schon vor und nach dem Konkordatsabschluß angesponnenen Streit um katholische Vereine und Presse trägt die Note grundsätzlich keinerlei neue Gesichtspunkte hinein. Im wesentüchen stützt sich hier die päpstliche Demarche auf Artikel 31 des Konkordats, in dem es heißt, daß die katholischen Jugend-, Arbeiterund Gcsellenvereine»in ihrer Institution und in ihrer Tätigkeit geschützt« sein sollen und auf eine weitere sinngemäße Interpretation des Kirchenvertrages, nach dem die Katholiken»sich aller Mittel der modernen Kultur zu ihrer geistigen Betätigung« als gläubige Söhne und Töchter der Kirche bedienen dürfen— also auch der katholischen Presse. Nicht neu im Kirchenkampf selbst, aber doch für die bisherigen unmittelbaren amtlichen Beziehungen zwischen Kurie und Reichsregierung, tritt als wichtiger Streitgegenstand jetzt in der Note auch das sogenannte Sterilisationsgesetz in den Vordergrund. Die Kirche kann darauf verweisen, daß die Ablehnung der Gesetzespraxis nicht nur in allen Kreisen der ka tholischen Bevölkerung nach eigenem Eingeständnis der hitlerdeutschen Chirurgo - manen groß und einheitlich ist. Am 7. April dieses Jahres hatte bei einer Rede in. Münster der Reichsinnenminister F r i c k das Gesetz sowohl in seinen Einzelbestimmungen wie in seiner Handhabung verteidigt, unter heftigen Ausfällen gegen den Katholizismus. Frick verkündete— und für die Kirche liegt das Gravierende eben darin, daß das nicht Rosenberg oder Ley, sondern eben der hier zuständige höchste Träger der Reichsgewalt selbst sagte— daß er jede priesterliche und laienmäßige katholische Propaganda gegen das Gesetz von nun ab durch die Staatsgewalt zu verhindern entschlossen sei. Demgegenüber betont jetzt die Protestnote des Vatikans, daß eine solche Behinderung der Priester und Gläubiger, ihrer religiösen Ueberzeugung über die Sündhaftigkeit der Unfruchtbarmachung vor Gott Ausdruck zu geben, mit dem allerersten Prinzip des Konkordates, der Garantie der Freiheit des katholischen Bekenntnisses und der Ausübung der ka tholischen Religion, in stärksten Widerspruch stehe. Die Protestnote Roms an die Reichsregierung hat— noch bevor sie in Berlin Herrn Neurath zu Händen kam— ein Kommentar des v a t i k a n- o f f i- ziösen»Oservatore Romano« in die O e f f e n t 1 i c h k e i t begleitet. Es handelt sich da um einen ungewöhnlichen diplomatischen Vorgang, der mindestens aufzeigt, wie gering der Hoffnung der Kurie geworden ist, mit dem Dritten Reich überhaupt zu einer Verständigung zu gelangen. Es entspricht der politischen Uebung der Kurie und der Linie ihrer bisherigen Politik, daß dieser halbamtliche Kommentar zur Note trotzdem betont, daß der Vatikan , wenn irgend möglich zu einer Verständigung mit dem nationalsozialistischen Deutschland gelangen möchte. In diesem Kommentar wird ausdrücklich darauf verwiesen, daß schon am 10. September 1933 bei Gelegenheit des Austausches der Ratifikationsurkunden zum Konkordat, die Reichsregierung dem Helligen Stuhl ihre Bereitschaft erklärt habe, Uber die ganze noch strittige Materie möglichst bald zu einem Uebereinkommen zu gelangen. Der ausdrückliche Hinweis auf jene Zusage vom 10. September 1933 in der jetzigen Lage der Kirche zeigt auf, daß ihr nicht gerade der Kampf bis zum Aeußersten als wünschenswertes Ziel der
Entwicklung vorschwebt— auch nicht in der jetzigen verschärften Kriegssituation. Dennoch ist die Note selbst, und die ungewöhnliche and auffällige Art, wie die Kurie von vornherein die allgemeine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken versuchte, nur dadurch verständlich, daß auch die Kirche sich zu dem Eingeständnis gezwungen sieht, daß äe die wahre, durch das Dritte Reich geschaffene Lage, ja, eben auch das Wesen des Nationalsozialismus und die moralische Qualifikation seiner Repräsentanten■— die man nicht als gleichwertige Partner im internationalen Neben- und Gegeneinander einschätzen kann, ohne bittersten Erfahrungen zu unterliegen— falsch gewertet hat. Der Kommentar des»Osservatore Ro mano « beginnt mit der folgenden wichtigen Feststellung des offiziösen Verfassers; »Seit einiger Zeit müssen die deutschen Katholiken für die Verteidigung ihres Glaubens, der katholischen Moral und ihrer unveräußerlichen Rechte schwere Stunden durchleben. So wurde eine schmerzliche Lage geschaffen, die Im Widerspruch steht mit den öffentlichen Versicherungen des Reichskanzlers. Hat er doch bei der Machtergreifung erklärt, er wolle die katholi sche Kirche respektieren und die bisher abgeschlossenen Konkordate getreu einhalten. In 1 noch offenerem Widerspruch aber steht die i Lage mit dem am 20. Juli 1933 abgeschlos- 1 senen Konkordat.... Man dachte erst, daß| die verschiedenen, sich immer wihder ver-: schärfenden Uebergrlffe.... von unruhigen, den Befehlen der Regierung wenig gehorsa-! men Elementen inszeniert würden, vor allem: von jener extremen Tendenz, die unter der' immer offenkundigeren Führung de« Herrn Rosenberg steht und kein Geheimnis daraus macht, daß sie das Christentum In Deutsch land durch den Kult der Rasse und ein einheimisches Heldentum ersetzen wolle. Andere glaubten wieder, daß die Regierung daran keinen Anteil habe oder wenigstens tolerant gegen diese Bestrebungen sei, sie aber nicht begünstige und inspiriere. Man konnte sich nämlich nicht vorstellen, daß man bereits j nach zwei Jahren die frei und feierlich ge- scWossfenen Bestimmungen des Konkordats verletzen könnte...« Das ist die moralische Verurteilung des Regimes und seiner Führer. Die KuHurkampfgese�c Die Antwort des Regimes auf diesen ersten diplomatischen Kanonenschuß der katholischen Kirche im deutschen Kulturkampf war, wie es dem gewalttätigen Wesen des Systems entspricht, sofort das Auffahren noch gröberen Geschützes. Bereits 24 Stunden nach der Ankündigung der Protestnote erging ein Erlaß G ö- rings an alle unterstellten preußischen Regierungsstellen, an Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten, mit dem Sinne und der ausdrücklichen Dienstanweisung, nun endlich dem»staatsfeindlichen«, renitenten »politischen Katholizismus« mit allen Mitteln der Polizei- und SA-Gewalt den Garaus zu machen. Der preußische Erlaß wurde von allen anderen Ländern übernommen. Was darin der Hauptexekutor des braunen Terrors gegen die Haltung der Kirche und der Katholiken im einzelnen anzuführen hat— die»staatsgefährliche« Tarnung der katholischen Organisationen, die Sabotage der Rassengesetze von den katholischen Kirchenkanzeln herab, die Verunglimpfung des»Führers« durch religiöse Varianten zum Hitler-Gruß usw.— interessiert' weniger, als die überraschende Beteuerung des Urhebers, daß er freilich keinen Kulturkampf führen wolle und nicht die Kirche als solche, sondern nur den»politischen Katholizismus«. Auch Göring und seine Berater wissen, daß der Begriff des»politischen Katholizismus« kein Eigenleben führt, das man treffen könnte, ohne den ganzen Katholizismus zu treffen. Denn auch das Politische güt der katholischen Auffassung als ein Teil der göttiiehen Weltordnung, zwar sekundären Ranges, aber doch anch so, daß die Kirche es immer als eine Häresie verurteilt hat, wenn aus ihrem Lehrkreis eine solche Trennung der Politik vom Religiösen vertreten und begründet wurde. Der Totali- tätsanspruch der katholischen Glaubenswelt ist vollständiger als der des Nationalsozialismus, auf den er im deutschen Kulturkampf als seinen Gegner stößt. Im Konkordat hat der Katholizismus— das
weiß auch Göring — nur der Form nach (beispielsweise die Aufgabe der Zentrums- partei und das Verbot an Geistliche, als politische Kandidaten zu fungieren und Versammlungsredner), nichtaberdem Grundsatz nach nachgegeben. Im Gegenteil, er hat sich im Konkordat gerade andere Formen katholischen Lebens und Wirkens an der Grenzlinie zwischen Politik und Glauben— eben die jetzt von den Nazis benannten— ausdrücklich bestätigen und schützen lassen. Der preußische Ministerpräsident verschleiert also die Sachlage, wenn er beteuert, keinen Kulturkampf führen zu wollen und er ist unehrlich genug zu behaupten, daß er nur auf den»politischen Katholizismus« einbauen wolle— den doch gerade sein»Führer« im Kirchenvertrag als zu Recht bestehend und als vertraglich geschützt anerkannt hat! Der Erlaß macht einen interessanten Unterschied zwischen dem höherenund dem niederen Klerus. Er versucht einen Keil in die katholische Bewegung zu treiben, indem er behauptet, daß die kirchlichen Oberen»das geschilderte Treiben« auch verurteilen, daß sie aber anscheinend»gegen gewisse Teile des Klerus machtlos« seien. Der neue Kulturkampf soll als Exekution des Willens der deutschen Bischöfe gegen die katholische Bevölkerung und den niederen Klerus aufgezogen werden! Der Göringerlaß ist inzwischen ergänzt worden durch eine Anweisung des Reichsjustizministers an sämtliche Generalstabsanwälle und Oberstaatsanwälte, in dem zur Handhabung der Strafjustiz gegen den»politischen Katholizismus« aufgefordert wird. Es wird vor allem auf den berüchtigten»Kanzel- paragrapben« aus der Bismarckschen Kulturkampfzeit verwiesen, und die Staatsanwälte werden aufgefordert, Abschreckungsstrafen zu beantragen. Und das alles kein Kulturkampf? Diese Erlässe sind genau die Wiederaufnahme der Bismarckseben Kulturkampfmethoden, und die Praxis ist heute schon terroristischer als die des historischen Kulturkampfes. Aber wie der Vatikan selbst in seiner Protestnote noch von Vereinbarungen redet, so will auch die andere Seite nicht jede Kompromißmöglichkeit mit dem hohen Klerus verschütten. Aber gerade das ist ja nur der sichtbare Ausdruck dafür, wie unbekannt beiden Gegnern das Maß der Kräfte erscheint, die in diesem Kirchenkampf, geht er weiter und nimmt er noch schärfere Formen an, beide Parteien entfesseln können. Sie brauchen darum den künstlichen Nebel als Kampfmittel. Und sie sind deshalb so zaghaft, opportunistisch im wesentlichen, weil sie wissen, daß am Ende eines Krieges, der wirklich bis ans Messer gehen müßte, der Unterliegende viel verlieren würde, der Nationalsozialismus sogar noch mehr als die Kirche. So beteuert denn auch die Demagogie Gö- rings die Friedensbereitschaft des Systems in demselben Ukas, der die Gendarme und die SS -Terroristen in die Pfarrhäuser und in die Bischofskanzleien einbrechen läßt. Aber der Krieg geht weiter. Der systemfrömmste der deutschen Bischöfe, G r ö- b e r in Freiburg , hat einen protestierenden Hirtenbrief verlesen, von allen Kanzeln wurden die Auslassungen des offiziellen Organs vorgetragen. Im Rheinland geht die katholische Bevölkerung zu deutlichen Demonstrationen über. Die Erbitterung ist groß, und sie wächst. Görings Giftpfeile gegen den niederen Klerus lassen erkennen, daß das System die katholische Volksbewegung fürchtet. Aber diese Volksbewegung ist da und lebendig, und sie treibt den Klerus vorwärts, so daß Göring nunmehr mit den Massenverhaftungen direkt in den Kirchen beginnen müßte...
Der Fall De «saucr Professor Dessauer, der frühere Zentrums- politlker, als Röntgenologe weit bekannt, wirkt jetzt in Stambul . Ein Hoch- und Landesverratsprozeß, den ihm das System im Jahre 1933 angehängt hat, ist schmählich zusammengebrochen. Er ging später mit Erlaubnis der braunen Behörden nach der Türkei , aber jetzt ist sein in Deutschland befindliches Vermögen von 40.000 Mark beschlagnahmt worden, Haß und Willkür vet* folgen Ihn, well er Katholik ist.