Neuer Vorwärts
Nr. 114 SONNTAG, 18. August 1935
2
Aus dem Inhalt:
Die Bedeutung der Emigration
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Sozialdemokratisches Wochenblatt
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Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite
158
Die Danziger Kapitulation
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Frankreich in Gärung
Sozialdemokratische Terror- Opfer
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Fünf Monate brauner Terror- Justitz
Westfalen:
Wir veröffentlichen im folgenden Berichte über Verurteilungen von Sozialdemokraten in Zwei Bielefelder Sozialdemokraten im Alden letzten fünf Monaten. Alle Verurteilungen sind wegen illegaler Arbeit erfolgt. ter von 19 und 20 Jahren erhielten wegen anDiese Berichte umfassen nicht die zahllosen geblicher Verbreitung sozialdemokratischen kleineren Prozesse vor Sondergerichten, in illegalen Materials im Arbeitsdienstlager je vier Jahre Zuchthaus. Das Urteil denen sich der Terror gegen bloße Meinungsäußerungen, Kritiken in Gesprächen, kriti- stellte vollendeten Hochverrat< fest. schen Bemerkungen und sonstige Bekundung oppositioneller Gesinnung auswirkt. Wir fügen hinzu, daß eine große Anzahl von Sozialdemokraten in Untersuchungshaft, Schutzhaft,
Konzentrationslagern gefangen gehalten wird. Eben geht wieder eine Verhaftungswelle über das Reich, bei der die Gestapo wahllos zugreift. Es genügt zur Verhaftung, daß einer
früher Sozialdemokrat war.
Wir stellen einen Prozeß aus Baden vorüber den in der Nazipresse mitgeteilt wurde,
an,
Der zweite Strafsenat des Oberlandesgerichts in Dresden verhandelte Ende Juni gegen
eine Gruppe von 16 früheren Sozialdemokraten wegen Verbreitung illegaler Schriften. Es wurden verurteilt: Günther zu 3 Jahren 6 Monaten Zuchthaus und 3 Jahren
Ehrverlust, Utrott zu 4 Jahren Zucht
Roldon
fängnis; Klara Hippe 7 Monate Gefängnis; Inga Dingler Freispruch. Allen Angeklagten wurden 7 Monate der Untersuchungshaft angerechnet.
In der zweiten Gruppe wurden ver
urteilt: Emil Welke
zu 2 Jahren Zucht
odb
Der Balkon
sib doub
Wenn die Popularität aufhört, muß derb Balkon her! Daß die Massengrundlage des Systems wankt, ist hinlänglich bekannt, und also wird an der neuen Reichshaus, Berthold Wiele zu 2½ Jahren Zucht- kanzlei in Berlin in der Höhe des ersten haus, O. Grill zu 2½ Jahren Zuchthaus , A. Stocks ein Balkon angebaut. Es ist eine Schwarz zu 2½ Jahren Zuchthaus und Hein- Staatsnotwendigkeit. Man erfährt gleichrich Wulf zu 1½ Jahren Gefängnis. 2 Angezeitig von anderen Staatsnotwendigkeiten: klagte wurden freigesprochen. Diese beiden von Anbauten in Obersalzberg, von einem vom Gericht Freigesprochenen wurden jedoch Salonwagen, der bei Lincke- Hoffmann hernicht freigelassen, sondern sofort von der Ge- gestellt wird, von einer weißgelben Jacht
heimen Staatspolizei ins Konzentrationslager überführt.
Gegen eine dritte Gruppe lautete das
Inach dem Muster der Hohenzollern .
Reden wir zunächst vom Balkon. Soll er ein Ersatz sein für angekündigte und
haus und 3 Jahren Ehrverlust, Rothe zu 3 Urteil wie folgt: Edm. J. 15 Monate, Karl D. nicht abgehaltene Volksabstimmungen?
Jahren 3 Monaten Zuchthaus und Gasch zu 3 Jahren 3 Jahren Ehrverlust, Zuchthaus und 3 Jahren Ehrverlust, daß die Angeklagten die aus dem Fichte und Schönfeld zu je 2 Jahren 6 MoAusland stammende kommunistische Hetz- naten Zuchthaus und 2 Jahren Ehrschrift>> Sozialistische Aktion< zur verlust.
nicht
12 Monate Zuchthaus , Otto M. 8 Monate Zuchthaus , Hermann H. 8 Monate Zuchthaus , Robert H. Freispruch.
In der vierten Gruppe erhielten:
chen.
Bei Schütt und Pahlke wurden,
-
Soll er ein sichtbarer Beweis für Popularität sein oder am Ende gar ein Magnet für jene, die ohne den Balkon nicht in Wir Pahlke die Wilhelmstraße gehen würden?
da
2 Jahre Gefängnis, Schütt 1 Jahr 6 Monate geben zu, das Mittel ist bescheiden. Wir Gefängnis, Mehnke 1 Jahr 6 Monate Gefäng- wollen deshalb die Kosten nicht ansehen. Weiterverbreitung aufbewahrt hätten.< Sieben Angeklagte erhielten Zucht- nis, Anderstotterson 1 Jahr 6 Monate Gefäng- Was sind auch die Kosten einiger MaurerSelbstverständlich wissen die deutschen Zei- haus-, bezw. Gefängnisstrafen von 1 Jahr nis, Löckenwitz 1 Jahr 2 Monate Gefängnis, arbeiten gegenüber den Summen, die der tungen genau so gut wie die Richter und 6 Monaten bis zu 2 Jahren 3 Mona- Griebach 10 Monate Gefängnis, Matschek 10 Aufbau der neuen Kriegsflotte verschlingt, Staatsanwälte, daß die> Sozialistische Aktion< ten. Zwei Angeklagte wurden freigesproMonate Gefängnis, Traube wurde freigespro- oder um auf dem Gebiete der Populaeine> kommunistische Hetzschrift, ritätserzeugung zu bleiben gegenüber chen, gegen einen weiteren wurde das Versondern die Kampfzeitung der illegalen deut- fahren eingestellt. sie den Kosten der Göring - Hochzeit. Es gibt schen Sozialdemokraten ist. An diesem Beihartnäckig geschwiegen und zu denen gehör- gefährlichere Mittel der PopularitätsDas Landgericht Bautzen verurteilte spiel zeigt sich die vom Regime seit langem die Sozialdemokraten Hermann Gustav Wei- ten,» die wohl nie eine andere Gesinnung an- hascherei als diesen Balkon! Der italiegeübte Methode, jede sozialistische Opposinehmen<<, nur 6 Monate der Untersuchungs- nische Kollege des deutschen Diktators nert aus Hirschfelde, Paul Richard Heppert tion als unterirdische Wühlerei der Komaus Reichenau bei Zittau haft angerechnet, bei den übrigen Angeklag- verfügt über genügend Fenster, Balkons und Kurt Oswald munisten< zu bezeichnen. Auf diese Weise und Tribünen. Er hat sie alle ausprobiert, b Stärz aus Dittelsdorf wegen Vergehens gegen soll der Kommunistenschreck, der dem System die Verordnung des Reichspräsidenten zum In dem Hamburger Prozeß gegen Schie- und da die gewünschte Wirkung nicht einso nützliche Dienste leistet, immer wieder von Schutze des deutschen Volkes vom 4. Februar fer und Genossen, der ebenfalls als ein getreten ist, steigt er neuerdings auf Kaneuem Nahrung erhalten.b 1933 zu je drei Monaten Gefängnis. Teil des Riesenprozesses angesehen wird, wur- nonen und zeigt sich von dort aus seinem den verurteilt: K. Deppe zu 12 Monaten Zucht- Volke. Das abessinische Abenteuer ist haus, O. MOB zu 8 Monaten Zuchthaus , A. ganz entschieden ein kostspieligeres und Friedrichs zu 8 Monaten Zuchthaus, H. Ha- bösartigeres Mittel als das von vornherein R. Hüller mit Lächerlichkeit behaftete Mauerwerk in meister zu 8 Monaten Zuchthaus, wurde freigesprochen. der Wilhelmstraße.
wurden
zu
Die Sozialdemokraten Emil und Eugen Stern, Karlsruhe , von der Großen Strafkammer Karlsruhe wegen Verbreitung einem hochverräterischer Schriften Jahr, bezw. zu sieben Monaten Gefängnis unter Anrechnung von einem Modiad nat Untersuchungshaft verurteilt.
Der Sozialdemokrat Adam H. aus Speyer eines Exemplars erhielt wegen Weitergabe der> Sozialistischen Aktion< vier Monate
Gefängnis.
aus
Mitte März sind die Zwickauer Sozialdemokraten Gehlert und Frau, Schwabe, Seiler und Kummer zu 6, bezw. 12 Wochen Gefängnis verurteilt worden.
Das Dresdner Gericht verurteilte wegen illegaler Betätigung die Sozialdemokraten Weichold zu 1 Jahr Gefängnis, ( 9 Monate Untersuchungshaft angerechnet), Mund zu 18 Monaten Gefängnis,( 9 Monate Untersuchungshaft angerechnet), Altmann zu 1 Jahr Gefängnis( durch Untersuchungshaft verbüßt), Rothe zu 1½
Wegen des Versuchs, eine illegale sozialdemokratische Gruppe zu organisieren, wur- Jahr Gefängnis. den vom Zweiten Strafsenat des Oberlandesgerichts München Heinrich Stützel Landau zu zwei Jahren drei Monate Zuchthaus , drei Jahre Ehrverlust, Oskar Tremmel und Friedrich Kirn aus Ludwigs hafen zu je einem Jahr acht Monaten Gefängnis, Heinrich Hauptreif und vier weiter Angeklagte aus Ludwigshafen zu Gefängnisstrafen von sieben Monaten bis zu einem Jahr verurteilt.
In einem zweiten Dresdner Prozeß wurden verurteilt die Sozialdemokraten: Liebert zu 22 Jahren Zuchthaus und Palitzsch zu 12 Jahr Gefängnis. Obwohl die Angeklagten fast 12 Jahre in Haft gesessen haben, wurde ihnen die Untersuchungshaft nicht angerechnet. Die weiteren Angeklagten: Barthel, Schimdt, Zachow, Hase, Ganze wurden freigesprochen, aber in Schutzhaft genommen.
- Der Sozialdemokrat Knothe aus Frank furt a. Main wurde wegen illegaler Arbeit zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt. Vor dem Oberlandesgericht in Hamburg Das Oberlandesgericht Karlsruhe ver- wind seit Monaten ein Prozeß gegen 150 eheurteilte wegen Hochverrat die Sozialdemokra- malige Sozialdemokraten durchgeführt. Die ten Henk und Kalvie zu je 20 Monaten, Anklage stützt sich darauf, daß die AngeAltertum zu 14, Gräber zu 12, Neu- klagten versucht hätten, die sozialdemokratireuther, Jattschott und Laier zu je 8 Mona- sche Partei neu aufzubauen und daß sie ten Gefängnis. Ein Angeklagter wurde gleichzeitig für die Angehörigen der im Konfreigesprochen. Allen Verurteilten wurden zentrationslager und Gefängnis sitzenden Fafünf Monate der Untersuchungshaft angerech- milienväter Gelder gesammelt und
verteilt
hätten. Trotzdem festgestellt wurde, daß die Angeklagten aus reiner Humanität und vollkommen uneigennützig gehandelt hatten, zu hohen Zuchthausstrafen ver
w
ten 9 Monate.
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In Berlin wurden innerhalb eines Jahres wegen illegaler Arbeit verurteilt:
1. Prozeß, 24. Mai 1934: 23 Sozialdemokraten zu insgesamt 30 Jahren 9 Monaten Zuchthaus, 17 Jahren Gefängnis.
2. Prozeß, 24. Mai 1934: 7 Sozialdemokraten zu insgesamt 27 Jahren Zuchthaus, 7 Jahren 6 Monaten Gefängnis.
Und doch wir kommen von der Ge
owdni dankenverbindung zwischen diesem Balkon und dem Reklamekrieg des Diktators nicht los. Die Leute in Berlin , die auf die gescheite Idee verfallen sind, an die Reichskanzlei einen Balkon anzubauen, müssen irgendeine bildhafte Vision gehabt, haben. Dieser Balkon hat entschieden etwas monarchisches an sich. Ist es nicht seltsam, daß dieses Projekt gerade in den Tagen ausgeführt wird, in denen wieder einmal der Propagandafeldzug gegen die>> monarchische Reaktion« geführt wird? Es ist eine monarchische Vision, die den Balkonbauern vorschwebt, es ist eine bestimmte historische Situation aus dem Kaiserreich: Wilhelm II. am 4. August 1914 auf dem Balkon des Berliner Schlosses. Oder soll
3. Prozeß, 26. Mai 1934: 16 Sozialdemokraten zu insgesamt 9 Jahren 9 Monaten Zuchthaus, 20 Jahren 6 Monaten Gefängnis.
4. Prozeß, 20. Juni 1934: 7 Sozialdemokraten zu insgesamt 5 Jahren 3 Monaten Gefängnis,
5. Prozeß, 14. Juli 1934: 7 Sozialdemokraten ten sie noch andere Träume haben: Vor
zu insgesamt 8 Jahren Zuchthaus, 4 beimarsch des siegreichen Heeres nach Jahren, 9 Monaten Gefängnis.
6. Prozeß, 28. Juli 1934: 19- Sozialdemokraten zu insgesamt 6 Jahren Zuchthaus, 27 Jahren 6 Monaten Gefängnis.
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7. Prozeß, 25. August 1934: 6 Sozialdemokraten zu insgesamt 2 Jahren 6 Mona8 Jahren 9 Monaten dorten Zuchthaus,
Gefängnis.
8. Prozeß, März 1935: 11 Sozialdemokraten zu insgesamt 8 Jahren 8 Monaten Zuchthaus, 9 Jahren 4 Monaten Gefängnis.
dem nächsten Weltkrieg am Balkon in der Wilhelmstraße? Wir beschäftigen uns nicht mit der Frage, wen diese Sorte der Balkonvisionäre an diesem imaginären Zeitpunkt auf dem Balkon erblickt. Wir sagen nur ganz ruhig, und wir haben dazu unsere guten Gründe aus der Geschichte: mit dem Balkon fängt es an und mit dem Am 30. Januar 1933 Krieg hört es auf.
-
tat Jetzt
am Tage des großen nationalsozialistischen Taumels in der Wilhelmstraße es noch das» historische Fenster<«. muß der Balkon her. Kleinigkeiten, 9. Prozeß, März 1935: 13 Sozialdemokraten Aeußerlichkeiten, lächerliche Propagandazu insgesamt 16 Jahren Zuchthaus, 19 kunststücke eines barbarischen Systems? ald Jahren 2 Monaten Gefängnis. das In der ersten Gruppe lautete milie Kuhn in Schwandorf sind Vater und Urteil: Schmedemann 2½ Jahre Zuchthaus ; 10. Prozeß, April 1935: drei Söhne wegen illegaler Arbeit verurteilt Ropers 1 Jahr 10 Monate Zuchthaus ; Weidt worden. Der jüngste Sohn Otto erhielt 4½ Jahre Zuchthaus.
Der Sozialdemokrat Umrath aus Nürnberg wurden sie wurde wegen illegaler Betätigung zu 5 Ja h- urteilt. ren Zuchthaus verurteilt.
Von der Fa
Aber nein! Künftige Historiker werden
3 Sozialdemokraten ganz nüchtern rechnen: am 30. Januar zu insgesamt 6 Jahren Zuchthaus. 1933 begann der zweite Weltkrieg.
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Ehre den tapferen Kämpfern!
Und nun reden wir von den anderen » Staatsnotwendigkeiten«. Es ist eine un