Neuer Vorwärts
Sozialdemokratisches Wochenblakk
Verlag: Karlsbad , Haus„ Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite
Nr. 122
SONNTAG, 13. Okt. 1935
Aus dem Inhalt:
Der Sinn der Sanktionen
Das Kirchendiktat
Kriegsfurcht in Deutschtand
Neue Terrorwelle
nie
Der Bankrott des nationalsozialistischen Plans
Sei
Ach nein! Bevor der Nationalsozialismus zur Macht kam, konnten die Lebensmittel in jeder erforderlichen Menge eingeführt und reibungslos aus dem deutschen Ausfuhrüberschuß bezahlt werden. Die Mindereinfuhr, die die Nationalsozialisten durch ihren verrückten Protektionismus herbeiführten, hat keine einzige Mark für Arbeitsbeschaffung freigesetzt.
Die größte amerikanische Telegraphen-| beitsschlacht schlagen, als daß Millionen ohne lienischen Volk beschert. Der führt schon| beitsbeschaffung freigemacht worden. agentur>> United Preẞ< meldete am 2. Ok- Arbeit und damit auch ohne Brot bleiben? Krieg, während Hitler erst in der Kriegs- das nicht eine Leistung?<< Nun handelt es sich ja längst nicht vorbereitung steckt. Die deutschen Opfer Heute vormittag war in Berlin eine noch mehr um die» Arbeitsschlacht«<, in der pro- sind also noch nicht so groß wie die itadagewesene Fettknappheit duktive Werte hergestellt werden, sondern lienischen, und nordische Deutsche dürfen festzustellen. Die Berliner Hausfrauen, die um die enormen Ausgaben für die unpro- sich doch nicht von der südlichen Promeum Butter und andere duktive> Rüstungsschlacht«. Für nadenmischung beschämen lassen. Desausgegangen waren, Kriegsvorbereitung ist halb Disziplin, die Zähne zusammengebisFettwaren einzukaufen, mußten unverrichte- die durch dem Göbbels also kein Opfer sen, marsch, marsch, aber nicht in die ter, Dinge zurückkehren. Wer nicht besondere Beziehungen sich ein Viertel- der Bevölkerung zu gering. Das Richtung auf die Butterläden, denn dort euch doch nur das ominöse pfund Butter hatte zurücklegen lassen, ging| müsse das Publikum aber in Kauf neh- erwartet leer aus. Einige Geschäfte hatten schon am men.» Denn wenn jede Maßnahme der Schild: Ausverkauft! frühen Morgen ein Schild mit der Aufschrift Regierung einfach durch den Unverstand Wenn der Göbbels proklamiert, daß die Im Gegenteil! Die Absperrung der Einder Lebensmittelversorgung fuhr verhinderten die betroffenen Länder, angebracht:» Butter ausverkaufte; einiger Unbelehrbarer gefährdet werden Störungen Inhaber anderer Geschäfte erklärten, daß es könne, wohin würde das am Ende noch darauf zurückzuführen sind, daß der Ge- deutsche Industrieprodukte zu kaufen. Die die Devisen in Nationalsozialisten haben bewirkt, daß die vor 5 Uhr nachmittags keine Butter geben führen?<< Ueberhaupt gefällt dem Göbbels genwert des Exports die ganze Meckerei nicht. immer größerem Umfang zur Einfuhr von deutsche Ausfuhr von ihrem Höhepunkt > Und dabei ist das deutsche Volk nicht Rohstoffen der Rüstungsindustrie verwen- von 12 Milliarden heruntergegangen, daß einmal am schlechtesten daran. Andere det werden, statt zur Einfuhr von Lebens- der deutsche Exportüberschuß und damit Völker nehmen heute für nationale Ziele so- mitteln und von Futtermitteln, so hat er die freien Devisen verschwunden sind, daß gar Kriege von ganz unbestimmtem Aus- damit nur eine Ursache der Knappheit die Arbeitslosigkeit in dem für den Exgange auf sich. Wollen wir unsere tägliche erwähnt. Die andere ist die Zwangs- port arbeitenden Teil der Wirtschaft verLebenshaltung durch diese Völker beschämen wirtschaft des Darré. Göbbels mehrt worden ist. Dadurch, daß sie die lassen? Ich meine, der Nationalsozialismus schwindelt: Arbeitslosen zum Teil für die Rüstungs> Als der Nationalsozialismus an die Macht industrie verwenden, schaffen sie Proist nicht gekommen, um sich an anderen Völhabe Deutschland für 2½ dukte, die zur Ausfuhr unverwendbar sind, kern ein Beispiel zu nehmen, sondern um der gekommen sei, Welt ein Beispiel zu geben!< Milliarden Mark Lebensmittel einführen während der Einfuhrbedarf bleibt, für den Der Nationalsozialismus hat also er- müssen. Diese Summe sei mittlerweile durch sie keine Devisen haben, da sie sie für die Linie gegen den Ernährungsmini- reicht, daß es dem deutschen Volk nicht die agrarpolitischen Maßnahmen der Regie- Kriegsrohstoffe reservieren. ster Darré, der sich bei seinem Ernäh- am schlechtesten geht. Das hat der an- rung bis auf eine Million heruntergeschraubt Dazu kommt aber das blödsinnige Exdere Faschist, der Mussolini , dem ita- und der ersparte Betrag für Zwecke der Ar- periment; das der Darré mit der deutrungsplan vollkommen verrechnet habe.
werde.
In diesem Zusammenhang ist die Feststel
lung interessant, wie erfinderische Ladeninhaber das>> Wucherverbote zu umSie verkauften zu norgehen verstehen. malen Preisen, gaben aber nur dann Butter ab, wenn der Kunde gleichzeitig andere Wa
ren einkaufte.
Die Butterknappheit hat in den verantwortlichen Stellen nicht wenig Kopfzerbrechen verursacht. Die Verstimmung in den führenden Regierungskreisen richtet sich in erster
Der Darré aber weiß sich zu helfen; er hat die beiden Direktoren Holzmann und Hasselbach der Reichsstelle für Tiere und tierische Erzeugnisse( Fleischversorgung) mit sofortiger Wirkung ihrer Aemter enthoben. Was die Direktoren verbrechen, müssen ihre Werkzeuge, die» Spez< nennt man sie in Rußland , büßen...
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Aus dem Rheinland wird uns berich- bat die Bevölkerung vollständig unsicher und| Samuel Hoare geschickt benutzt, daß Italien tet: direktionslos gemacht. Das deutsche Volk ist ein Recht auf Expansion habe. Auch >> In der ganzen Bevölkerung herrscht aus- nicht so einheitlich auf einen Krieg vorberei- Deutschland habe ein Recht auf einen gröDeutschland ist heute das einzige Es müsse sich ausdehLand in Europa , in dem akute gesprochene Angst vor einem neuen Kriege. tet wie das 1914 der Fall war. Die gei- Beren Lebensraum. Lebensmittelknappheit Die Ereignisse in Abessinien werden mit gro- stige Zerrissenheit ist ungeheuer und nen, um sein anwachsendes Volk künftig besherrscht. Im Frühjahr begann es mit Ber Besorgnis betrachtet. Die allgemeine schon jetzt wird eifrig darüber diskutiert, ser ernähren und beschäftigen zu können. die Italiener, daß das Volk den Krieg seelisch nicht wieder Dazu brauche es ein starkes Heer. Des FühGemüse und Obst, die teilweise fehl- Stimmung ist gegen Die Kriegsteilneh- rers Friedensabsicht schließt die Kriegsbereitten oder wie die Frühkartoffeln man wünscht ihnen eine gehörige Schlappe, so lange ertragen werde. unerschwinglich teuer wurden. Im Som- und der Völkerbund hat mehr Sympa- mer 1914-1918 stehen noch zu voll im Leben schaft nicht aus. Bei einigen dieser Vorträge mer setzte es sich fort mit Eiern und thien bei der Bevölkerung als dem System und lassen eine ungehemmte Kriegsbegeiste- in der Arbeitsfront wurden Anfragen gestatFleisch. Seit September herrscht in lieb ist. Aber wichtiger ist, daß jeder sich rung nicht zu. Dazu ist jetzt schon an allen tet. Es kam zu Fragen, die den VortragenEcken und Kanten großer Mangel und See- den sehr peinlich waren, und die sie mit Ausden Verbrauchszentren akuter Mangel besorgt fragt: Was wird aus uns? Das Kriegsgespräch ist wieder da, lische und geistige Unzufriedenheit. flüchten beantworteten. So wurde gefragt, Schweinefleisch, Margarine, Schmalz und Butter.
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es reißt nicht ab. Die fieberhaften Rüstun- SA und SS bemühen sich, der Bevölke- warum Deutschland aus dem Völkerbund ausEs gibt Leute, die auf den rung einzureden, daß der abessinische Kon- getreten sei, wenn es seine Ziele nur auf fried>> Sind wir denn der Herrgott, der die gen nähren es. Sonne scheinen läßt? Und regieren wir Krieg hoffen, weil sie glauben, Deutschland flikt keine Gefahr für Deutschland bedeute, lichem Wege erreichen wolle? Andere wollauch über den Himmel, der die Ernte könne bei seinem heutigen Rüstungsstand die sondern nur die Aussicht auf gute Geschäfte ten Aufklärung über schreiende Widersprüche viele aber fürchten, daß bei durch Kriegslieferungen. In den Kreisen des in den Ausführungen der nationalsozialistimacht?<< So fragt Göbbels die auf dem Welt erobern neuen Kriege Deutschland von der Bürgertums aber ist man kritischer und schen Redner, so über die Korridorfrage und Thingplatzgelände in Halle Versammelten. einem Das Volk sorgenvoller. Man sagt offen: wie die- das Verhältnis zu Polen . Schließlich wurde Aber in den 14 Jahren der Schmach wal- Landkarte verschwinden werde. tete doch auch derselbe Herrgott; er machte spürt die Doppelzüngigkeit des Systems, die ser Konflikt auslaufen wird, es wird nichts gefragt, wie sich die Kolonialpropaganda mit dabei herauskommen. Die Rosenbergs Ostplänen vertrage. bessere und schlechtere Ernten. Nur daß Zweideutigkeit seiner Erklärungen. Es gibt Gutes für uns nichts auf die Friedensreden. Es traut dem NSDAP schiebt das Kolonialproblem Wichtig ist, daß das Volk selbst den Einer damals noch nicht den Hitler geAngriff auf Oesterreich , in den Vordergrund. Sie hält allenthalben druck hat, daß die offiziellen Stellen verhinsandt hatte. Hängt es vielleicht doch nicht System alles zu: wollen, daß Hitlers oft wiederholte gerade damit zusammen, daß es in den Auseinandersetzung mit Frankreich und Ita- Vorträge über Deutschlands Recht auf Ko- dern 14 Jahren der Schmach keine lien, aber auch wieder ein Zusammengehen lonien ab, vor allem auch in der Arbeitsfront. Friedensbeteuerungen eine pazifistische HalButterknappheit gab, daß Marga- mit Mussolini . Das Fehlen einer freien Presse Dabei wird die Stelle aus der Rede von Sir tung erzeugen. Deutlich ist das Bemühen der rine stets zur Verfügung stand und kaum ein Drittel des heutigen Preises bedang, daß amerikanisches Schweineschmalz infolge seiner Billigkeit auch den Aermsten
erreichbar war?
Das System fürchtet die Sozialdemokratie
Neue Terrorwelle in Westdeutschland
Zeitungen und der Redner, kriegerischen Geist hervorzurufen.
In sozialdemokratischen Kreisen hofft man, daß der italienische Faschismus sich über Abessinien den Hals brechen werde. Man freut sich, daß die englische Arbeiterpartei einen festen Standpunkt eingenommen hat.
Dem Göbbels hats die Red' verschlagen. Von den Schmachjahren wird Aus Westdeutschland wird uns berich-| vielen Hunderten sind Sozialdemokraten Wenn der Völkerbund Italien eine gründliche plötzlich nicht mehr gesprochen. Wenn vom Rhein bis Hannover und von Ham- Niederlage beibringe, dann erleide gleichzeider Ley erzählt, der Lohn sei nicht so tet: Hitlerfaschismus eine gewaltige Seit Monaten geht eine unheim- burg bis Bielefeld in die Gefängnisse ge- tig wichtig, die Ehre sei die Hauptsache, was kümmert dann den nicht minder heroischen liche Terrorwelle durch das Land. schleppt worden. Die Behandlung ist un- Schlappe. Die Welt müsse durch harte MaßGöbbels der biẞchen Fett- und Fleischman- Es handelt sich um eine bewußt und ge- terschiedlich, aber vielfach von bluti- nahmen den gewalttätigen Charakter des Fawollt von der Regierung eingesetzte Ver- gem Terror begleitet. Dabei handelt schismus brechen. gel?
Auch der Hitlerfaschis
> Kann man uns verdenken, daß wir lieber folgung der Antifaschisten. Wir müssen es sich in den meisten Fällen um wahl- mus steuert auf den Krieg los. Noch redet einmal für 14 Tage oder drei Wochen eine feststellen, daß die Aktion, nach außen ab- lose Verhaftungen, in den wenig- er vom Frieden, weil er noch nicht völlig beimmerhin noch erträgliche But- sichtlich abgedeckt, in viel größerem Maße sten Fällen um die Aushebung illegaler reit zum Kriege ist. Feste Entschlossenheit ter knappheit in Kauf nehmen, um die da- gegen die Sozialdemokraten Organisationsgruppen. Eine strenge Ueber- der demokratischen Länder kann eine gündurch gesparten Devisen für die Rohstoff- durchgeführt wird, als gegen Juden, Ka- wachung der Sozialdemokraten wird in vie- stige Wendung einfuhr zu verwenden, mit der wir die Ar- tholiken, Stahlhelm und Kommunisten. Zu len Orten des Westens durchgeführt.
Frieden bringen.<<
zur Demokratie und zum