Fett und FreiheitBis zu den Fleisch- und Butterkartenhat es die Hitlerherrschaft in den bisherigen drei Jahren der Schmach und desRuins noch nicht gebracht, aber diefleischlosen Tage sind schon da.Nicht die fleischlosen Tage und Wochen,die der fortschreitende Lohndruck, dieKürzung der Renten, das Herauftreibender Lebensmittelpreise über Millionendeutsche Menschen verhängt hat, sondernes handelt sich um den Beginn behördlicher Maßnahmen zur Einschränkung desFleischverbrauchs, die Darres Selbstblockade und Hitlers Rüstungspolitik erzwingen. Der Gauleiter B ü r k e 1 erläßtfolgende Bekanntmachimg:»Vielfach wirkt sich der bestehende vorübergehende Mangel in Schweinefleisch und Butter gerade bei jenemTeil der Bevölkerung aus, der schwere Handarbeiten verrichten muß. Als Nationalsozialisten bekennen wir uns durch die Einführung besonderer Maßnahmen, insbesonderezur Handarbeit(!). Diese Maßnahmen bedeuten für den einzelnen ein sehr geringesOpfer gegenüber dem Gemeinschaftssinn, dengerade die deutsche Arbeiterschaft im neuenReich bekundet. Bs wird daher angeordnet:1. Alle Parteigenossen mit ihrenFamilien, die dem Beamtenstand angehören, führen ab heute den Mittwoch undFreitag als fleischlose Tage ein. Analle nicht der Partei angehörenden höheren,mittleren und unteren Beamten, sowie analle, die im Hinblick auf ihre tägliche Arbeitauf den Genuß von Fleisch verzichtenkönnen, ergeht der Appell, sich als Nationalsozialisten und Volksgenossen diesem Vorgehen anzuschließen.2. Auf den Genuß von Butter findetdie gleiche Anordnung für den gleichen Kreisund für die gleiche Zeit Anwendung. Desgleichen gilt der gleiche Appell für alle Partei- und Volksgenossen.3. Die Parteiführer. Gauleiter, Kreisleiter, Gauamtsleiter, Ortagruppenleiter, Brigadeführer, Standartenführer und Sturmbannführer der SA und SS, für die Führerder HJ, der Frauenschaft des BdM, sowiefür alle besoldeten Angestellten aller Glie-'derungen wird diese Anordnung auch auf den iMontag auagedehnt.Diese getroffene Maßnahme wird durchErlaß des Gauleiters zur gegebenen Zeit wieder aufgehoben.Bs wird erwartet, daß dies in kürzesterFrist wieder geschehen kann.«In den Zeiten vor der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft gab es allerdingssolche Kundgebung des Gemeinschaftssinnes noch nicht. Damals waren die Löhne höher, die Preise niedriger, es gab keinen Fleisch- und Buttermangel, und esgab Margarine und amerikanischesSchweineschmalz in beliebigen Mengen zuweniger als einem Drittel der heutigenPreise. Es waren die»Jahre derSchmach«...Die»kürzeste Frist« aber, in der es—welcher Triumph des Hitlersystems—keine Verordnung über fleischlose Tagemehr geben wird, wird auf sich wartenlassen. Denn alle bisherigen Maßnahmen— und es vergeht seit Wochen kein Tag,an dem nicht neue Maßregeln getroffenoder angekündigt werden— sind entweder völlig unzureichend oder vermehrennur das Uebcl— und breiten es weiterund weiter. Daß die Herstellung vonSchlagsahne um 40 Prozent im Interesseder Butterversorgung verringert werdensoll, ist angesichts der Mengen, die zurausreichenden Versorgung fehlen, selbstwenn die Durchführung kontrollierbarwäre, ohne jede Bedeutung und nur eindemagogisches Mätzchen. Die eben verordnete Verringerung der Erzeugung vonKondensmilch beweist nur, daß jetzt auchdie Sorge um die ausreichende Versorgungmit Frischmilch dringend geworden ist.Die Reduktion der Schweineschlachtungenum 30 Prozent verringert die inländischeFleischversorgung um über eine halbeMillion Tonnen jährlich und muß die bestehende Knappheit zunächst außerordentlich verschärfen, um so mehr, da die angekündigte Vermehrung der Schweineeinfuhr um ein paar tausend Stück wöchentlich dieser Verminderung gegenüber garnicht ins Gewicht fälltEs handelt sich eben nicht um eine»vorübergehende Erscheinung«, sondernum eine schwere Störung, um einekatastrophale Folge der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik, und nureine völlige grnndstürzendeAenderung dieser Politik kann dieRettung bringen. Die blödsinnigen Zwangseingriffe in die landwirtschaftliche Produktion, der Autarkiewahn und die verrückte Drosselung der Einfuhr haben dieagrarische Erzeugung in völlige Verwirrung gebracht und bedrohen vor allem diebäuerliche Veredlungsproduktion. DerDarre hat eine akute Futtermittelnot erzeugt, die im steigenden Maß dieViehaufzucht gefährdet und die Milch-, Butter-, Fett- und Fleischherstellung verringert. Schon jetzt unmittelbar nach derErnte ist die Futterknappheit groß.»DasSparen bei den Futtervorräten«, berichtetdie»Frankfurter Zeitung«,»beginnt alsodiesmal noch früher als im letzten Jahr.«»Am Markt war Futtergetreide trotz lebhafter Nachfrage gerade so wie im Vorjahr kaum verfügbar«. Alle wertvollenFuttermittel sind ständig stark gefragt,und zum Teil recht teuer geworden.Selbst Kartoffelflocken zeigen seit längerem eine festere Haltung.Diese Futtermittelnot, die gerade diebäuerlichen Betriebe auf das Härtestetrifft, während sie die Getreide und Futtermittel verkaufenden Großlandwirte begünstigt, ist die Wurzel des Uebels. IhreBeseitigimg erfordert die sofortige Steigerung der Einfuhr. Dafür müssendie nötigen Devisen vonSchacht bereit gestellt werden. Sie sind vorhanden, wenn das wahnsinnige Aufrüstungstempo verlangsamtwird. Esistnichtnotwendig, daßdeutsche Menschen hungern,damit Hitler seinen Krieg haben kann. Die deutsche Aufrüstung istnicht nur eine ständige Bedrohung desFriedens, sie ist zur Hungerdrohunggegen das deutsche Volk geworden. Soll der stetigen Verschlechterungder Lebenshaltung der Massen Einhalt geboten werden, dann müssen Devisenher für Lebensmittel; dann mußdie Handelspolitik der Narren und Ignoranten, in deren Händen sie heute ist, wieder den Bedürfnissen des deutschen Volkes angepaßt werden; dann muß vomAusland die Ergänzung des deutschen Le-bensmittelbedarfs beschafft werden, darmit das Ausland wieder deutsche Industriewaren kaufen kann, die Arbeitslosigkeit unserer Exportarbeiter beseitigt, unddie nötigen Devisen zur Bezahlung derEinfuhr wieder da sind, wie sie immer vofHitler da waren. Dazu muß dem entfesseleten Militarismus Einhalt getan werden,der auf der immer fortschreitenden Verelendung des Volkes, auf dem Ruin seinerWirtschaft hochgezüchtet wird.So wirft die Fleisch- und Butterknappheit alle Fragen der Politik auf und eszeigt sich der Zusammenhang, der zwischen den primitiven Bedürfnissen destägüchen Lebens und den großen Problemen von Freiheit oder Diktatur besteht.Es ist Zeit, daß das deutsche Volk zu begreifen versteht, daß nur nach derEroberung der Freiheit diedeutsche Wirtschaft wieder gesunden,das deutsche Volk wieder im wachsendenWohlstand und gesichertem Frieden lebenkann. Denn Buttermangel und Freiheitsmangel— sie stehen wahrlich im engstenZusammenhang! Dr. Richard Kern.Der Raubzug des GroßkapitalsDie Großindustrie, die mit der Aufrüstungalle Hände voll zu tun hat, verfügt zur Zeitüber eine solche Geldfülle, daß sie alle Nothat, sie unterzubringen. Die Gelegenheit wärejetzt günstig, damit die wachsende Flut derArbeitsbeschaffungswechsel zu stauen, anStelle der Sparer die Rüstungsgewinnler aufdem AJtar der Schuldenwirtschaft das Dritten Reiches opfern zu lassen. Zwar würde damit auch nur eine Art von Schuldtitelndurch eine andere abgelöst, und im Grunde istdie Methode, Anleihen mit Arbeitswechselnbezahlen zu lassen, eine doppelte Mogelei,erstens weil die Zeichnung der Anleihen nichtfreiwillig erfolgt, sondern den Sparkassenusw. aufgezwungen ist, zweitens weil die Anleihen diese Bezeichnung ebensowenig verdienen, wie die Arbeitsbeschaffungswechselechte Wechsel sind. Die Anleihen dürfen nichtzu Geld gemacht werden, sind also für(HeSparinstitute totes Kapital, keine Kapitalanlage, sondern Kapitalverlust. Die Arbeits-beschaf Cungswechsel sind keine wirklichekurzfristige Wechselschuld, weil die Lieferanten zugleich mit dem in drei Monaten fälligenWechseln vier weitere, auf den gleichen Betrag lautende Wechsel in Empfang nehmenmüssen, die die fällig gewordenen abzulösenbestimmt sind. Es wird also, beim Eintausch von Arbeitsbeschaffungswechseln ge- igen Anleihen nicht eine kurzfristige durcheine langfristige, sondern nur eine langfristigedurch eine noch längerfristige Schuld ersetzt. Die Operation bat wesentlich denZweck, den Raub an den Sparern durch denSchein einer soliden Anlage zu verschleiernund<De Rüstungsindustrie zwar an derSchuldenwirtschaft verdienen zu lassen, abervon ihrem Risiko fernzuhalten.Schacht sorgt aber nicht nur dafür, daßdie Rüstungsindustrie davon verschont bleibt,Gläubiger des Dritten Reiches zu werden,sondern es verschafft ihr auch die Gelegenheit zu einer solideren Geldanlage, als es dieSchuldtitel des Dritten Reiches sind. Ein Beweis, für wie wenig solide er seine eigenemFinanzmethoden ansieht. So verrät(He»Frankfurter Zeitimg«, HaB rbta neue. In seinenGrundzügen bereits feststehende Aktienrecht, das(He Kleinaktionäre zwingt, ihrenBesitz zu entäußern, den Zweck hat, dem An-lagebedürfnds der Großindustrie Genüge zutun, ihnen zu diesem Behuf e(He Kleinaktionäre zum Fraß auszuliefern und damit(HeHerrschaft über Industriebetriebe billig in'dieHände zu spielen. Sie stellt fest, daß»da unddort wieder Ansätze zu neuen Konzentrationenzu beobachten sind«, und bemerkt dazu:»Zur allgemeinen Ermunterung der Konzerne durch die obwaltenden Tendenzenbei der Neugestaltung des Aktienrechts.die solchen Ansätzen Pate gestanden haben mag, waren die Motive entweder imAnlagebedürfnia liquider Konzerne oder imAbstoßungswunsch von Paketbeaitzern zusuchen.«Auch die Inflation schuf die Gelegenheitfür(He Konzemkönige. sich fast ohne Geldeine ungeheure Fülle wirtschaftlicher Machtzu verschaffen. Aber die gewaltige Eigentumsverschiebung,(He damals auf Kostendes Rentenkapitals und zugunsten einigerweniger Kapitalmagnaten vor sich ging, geschah hinter dem Rücken des Staates, heutegeschieht sie mit seiner ausdrücklichen Förderung. Die Großkonzerne haben in weiserVorahnung, welche Machtfülle ihnen vonSchacht in die Hand gespielt würde, mit demAufkauf von Beteiligungen begonnen, bevornoch das neue Aktienrecht Gesetz gewordenist. Auch(He neue Konzentrationswelle gemahnt wie so manches andere an die unseligeZeit der Inflation. Auch damals war auf demMarkt industrielle Macht so gut wie umsonst und für das Volk Fett oft auch nichtzu hohen Preisen zu haben.Es ist garnicht wenig, was sich da bereitsin wenigen Wochen an industrieller Monopolmacht zusammengeballt hat. Die Süddeutsche Zucker A. G. hat sich einer ReiheSchlesischer Zuckerfabriken angegliedert. Einneuer großer Waggonkonzem bildete sichdurch gegenseitige Beteiligung der WerkeTalbot, Uerdingen und Düsseldorf. Der Siemens-Konzern konnte In besonders reichlichem Maße von der ihm durch Schacht gebotenen Gelegenheit profitieren. Im Oktobererwarb er kurz hintereinander, durch seineTochtergesellschaft, die Elektrische Licht-und Kraftanlage A. G.,(He Aktienmehrheitder Kabelfabrik Dr. Caasirer und der im Besitz der Familie Aron befindlichen Rundfunkapparatefabrik Hellowatt-Werke, Die größtedeutsche Speraalfabrik für Bttrom asebinen,die Adrema Maschinenbau G. m. b. H., diezu 80 Prozent Jakob Goldschmidt gehört hatte, ist von der Mercedes-Büromaschinen-WerkA. G. erworben worden. Die Eingliederungder Hirsch-Kupfer- und Messing-Werke A. G.in den der A. E. G. nahestehenden Geafürel-Konzern ist zwar noch nicht erfolgt, aber sogut wie vollzogen.In dieser Liste fällt(He Fülle der Namenjüdischer Besitzer großer Aktienpakete auf.Man ahnt, aus welchem Grunde Herr Schachtsich In Nürnberg an die Spitze des dortverkündeten neuen Pogromfeldzuges gestellthat. Die Gleichzeitigkeit der Kundmachungdes neuen Aktienrechts und der NürnbergerJudengesetze ist kein Zufall. In beiden Fällenhandelt es sich um nackten Raub, In beidenFällen ist der Zweck, den Konzernkönig«®nicht mir zu einem profitablen Weg dCFlucht in die Sachwerte zu verhelfen, so®*dem auch Jetzt schon vorzusorgerv daßam Ende der»Staatskonjunktur« über'&rnügend Monopolmacht verfügen, ihre Folg«11auf die Masse des Volkes abzuwälzen.G. A. Frey.Nicht einmal versorgenkönnen sie!Der ZiLsauimenbrucb der Ernährung.Aus Sachsen wird uns berichtet:Das jetzt zum Verkauf gelangende Fettist von ganz geringer Qualität, Es ist starkmit Talg durchsetzt. Und auch dieses»Fett«wird nur viertelpfundweise abgegeben. Werbeim Fleischer Speck kaufen will, erhält nurals guter Kunde ein viertel Pfund und unterder Bedingung, daß er noch Fleisch kauft!In Dresden-Neustadt entstand vor einerVerkaufsstelle des Görlitzer Waren-Einkaufs-Vereins ein Tumult unter den Wartenden. Sievermuteten, daß»gute Kunden« mehr Butter als ein viertel Pfund erhielten und drängten alle in den Laden. Das Ueberfallkomman-do machte nach anfänglichem guten Zuredenvon dem Gummiknüppel Gebrauch und räumte das Geschäft.Das gleiche spielte sich In Dresden-Pieschen in einer Verkauf«stelle der VereinigtenPommerschen Meiereien ab.Ein Buttergescbäftslnhaber in Dresden-Neustadt wurde verhaftet wegen Ueber-sch reitung der Höchstpreise.Die Wurst wird bei gleichen Proisenvon immer geringerer Qualität. Die Fleischersagen selbst, sie müßten alles Mögliche verarbeiten, um nur was verkaufen zu können.In den Schaufenstern liegen meistens nurA trappen und Pflanzen!Die sogenannte Volksmarmeladekostete in Dresden im August 32 Pfennigepro Pfund. Jetzt muß dafür 45 Pfennige gezahlt werden. Margarine kostet jetzt proPfundwürfel 70 bis 120 Pfennige. Die büligeMargarine gibt es aber nur In Mengen voneinem halben Pfunde wöchentlich, ö«-« heißtrichtig; soll es geben, denn meistens gibt eskeine!In den Fleischverteilungsstellen des Konsumvereines Vorwärts gibt es Jetzt Schweinefleisch Uberhaupt nicht mehr,sondern nur geringe Mengen Rindfleisch. DasKilo Kochfleisch kostet dort RM 2.40. AuchSpeck gibt es nicht.Die Drema(Dresdner Milchver-sorgungs-Anstalt) soll nach Eröffnung des städtischen Milchhofes aufgelöst werden. Alle AngesteUtan sind jetztbereits vorsorglich gekündigt und neu aufAushilfe eingestellt worden. Filialen dieserFirma,(De früher täglich 250 bis 300 StückButter umgesetzt hatten, erhalten jetzt nurunter größten Schwierigkeiten 15 bis 30Stück pro Tag, die an bevorzugte Kundenabgegeben werden. Das Stück Butter kostet75 bis 90 Pfg.(Ein halbes Pfund.)Spott und HohnStatt Fett und Fleisch.Selten sind die Lügenmethoden desDritten Reiches so offenbar geworden wiejetzt, wo es an allen Ecken und Enden anNahrungsmitteln fehlt. Liest man dieNazipressc. so stößt man auf folgendeGedankengänge:Das Dritte Reich ist das Ordnungsland Europas. Es ist die stille friedlicheInsel, während ringsum alles drunter unddrüber geht. Im Dritten Reich herrschtdie Volksgemeinschaft Arme undReiche helfen einander in uneigennützigerWeise, es gibt keine Klassenunterschiedemehr, die Kapitalisten sind Sozialisten geworden und singen, Schulter an Schultermit ihren Arbeitern, das Hors t- Wessel-Lied:»Die Fahne hoch, die Reihen festgeschlossen!« Es gibt auch keine Teuerung im Dritten Reich." Die gibt esnur in den anderen Ländern. In den nationalsozialistischen Blättern kann manlesen, daß in Estland Angstkäufe getätigtwerden, daß es in Wien an Schweinefleischund Fett fehlt, daß in Amsterdam die Bevölkerung aus Furcht vor Preissteigerungen infolge des Krieges in Abessinien zuhamstern beginnt Jetzt hat man in der»Morning Post« die Notiz entdeckt daßder Butterpreis in London auf 1 Schilling1 Penny gestiegen sei Die ganze Pressedes Dritten Reiches verkündet daß— inEngland Butterknappheit herrsche!Rechnet man den Londoner Butterpreis auf deutsche Währung um, so stelltman fest, daß in London ein Pfund Butter65 Pfennige kostet gegen 1,6 0 Markin Berlin Aehnlich steht es mit allen anderen Behauptungen. Göbbels Lügen-fabrik arbeitet mit Hochdruck«