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Die Kriegsziele der HitMiotiir Propagandistische Vorbereitung eines Kolonialabenteuers
Nr. 127 SONNTAG, 17. Not. 1935
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Aus dem Inhalt: Generaldirektorenprozeß Generalleutnant Milch Karl Barth   klagt das System an Ley im Ausland
Der Rai chsfmanzministar von Krosigk hat kürzlich in Frankfurt   eine Rede über nationalsozialistische Finanzpolitik gehal­ten, in der er, wie die»Frankfurter Zei­ tung  « sagt, mit»wahrer Leidenschaft sei­ner Hingabe und seinem Glauben an das Werk Adolf Hitlers   beredten Ausdruck« verlieh. So war denn in dieser Rede auch viel nationalsozialistische Phraseologie, Schönfärberei und Täuschung, aber von Fi­nanzpolitik war fast keine Rede. Denn wenn auch der brave Handlanger, der noch jedem an der Macht befindlichen Sy­stem in gleicher deutscher   Treue gedient .hat, die»Wiederhaftbarmachung« als Ziel seiner gleichgeschalteten Finanzpolitik proklamiert hat, so hat er sich über die Mittel vorsichtig ausgeschwiegen. Kein Wort hat er über die Kosten der Rüstungen gesagt Und doch wäre es so nahe gelegen, auf die sehr bestimmte und mehrmals wiederholte Behauptung des früheren englischen Marinem in isters und sehr einflußreichen konservativen Führers Winston Churchill   einzugehen, der die deutschen   Rüstungsausgaben des letz­ten Jahres auf 800 Millionen Pfund, rund 10 Milliarden Mark angegeben hat Chur­ chill   spricht nicht aus dem hohlen Faß und seine Angaben beruhen sicherlich auf Mitteilungen der sehr gut unterrichteten englischen Regierungskreise. Aber darüber sagt Krosigk kein Wort; kein Wort auch über die bisherigen Kosten der Aufrüstung, des wirklichen Betrages der schwebenden Schulden und der umlaufenden Rüstungs­wechsel, die in englischen, aber auch in deutschen unterrichteten Kreisen auf über 18 Milliarden Mark beziffert werden, kein Wort also über die wirkliche Lage des Reichsetats. Eis bleibt bei der betrüge­rischen Bilanzverschleierung und bei einem verlegenen Gestammel über die»rücksichtslose Konzen trierung aller übrigen Ausgaben im Etat« und der Reser­vierung des Kapitalmarkta für die staat­lichen Konsolidierungsbedürfnisse. Schließ­lich wird noch das Lied von den notwen­digen Opfern angestimmt, die die»Unter­drückung mancher Lieblingswünsche auf dem Gebiete der Steuern und der Aus­gabengestaltung erfordern« und das Ge­schimpfe auf»die alten Weiber beiderlei Geschlechts«, die nach genügender Ver­sorgung mit Fleisch, Butter und Fett ver­langen... So leer nnd nichtssagend die ganze Rede ist, eine Stelle ist interessant nnd bedeutsam. Freilich handelte es sich da­bei nicht um die Finanzen, sondern nm das Ziel derdentschen Kriegs­politik. Wir haben schon einmal auf die Rede aufmerksam gemacht, die der bayrische Reichsstatthalter General von E p p am 30. September auf einer großen Kolonial­kundgebung in Düsseldorf   gehalten hat. Epp erklärte damals im scharfen Gegen­satz zu Rosenberg«nd zu Hitlers   Ausfüh­rung in»Medu Kampf«, den, wie er sich despektierlich ausdrückte, zeitweilig auf­getauchten Gedanken einer Ausdeh­nung nach Osten aus mehreren Gründen für unmöglich. Zunächst wohnten im Osten andere Völker, die man nicht verdrängen dürfe, und zweitens müsse man berücksichtigen, daß uns eine Ost-Ausdehnung das Wichtigste, die kolo­nialen Rohprodukte, nicht geben könne. Der Gedanke einer Ausdeb- nungnach dem Osten sei über­wunden. Die Sachverständigem seien
heute der Ueberzeugung, daß Deutsch­ land   tropische nnd subtropi­sche Kolonien benötige. War es schon auffällig, daß diese sen­sationelle Absage an das bisherige Ziel der Hitlerschen Außenpolitik Krieg gegen Rußland  , Eroberung der Ukraine   im Bun­de mit Polen  , Aufrichtung einer Schutz­herrschaft über die Randstaaten in der deutschen   Presse kaum ein Elcho auslöst, so ist es viel bemerkenswerter, daß Göb- b e 1 s und Hitler selbst als Hilfe gegen den Rohstoffmangel und die Lebensmittel­knappheit auf dem Erntedankfest in Bückeburg   ihrerseits die Kolonialforde­rungen anmeldeten. Jetzt folgt der Reichsfinanzminister ihrem Beispiel. Bei der Erörterung der Le­bensmittelknappheit, die natürlich gar nichts mit Kolonialpolitik, aber sehr viel mit der unsinnigen Agrarpolitik des Darre zu tun hat, sagte Krosigk: »Wenn es uns nicht gelingt, zu einer He­bung des Exports zu kommen, so bleiben uns nur zwei Wege: 1. die Schaffung eigener Produktion, die freilich nicht auf al­len Gebieten möglich ist; 3. müssen wir dann auch einmal verlangen, an Gebie­ten beteiligt zu werden, ans denen wir selbst Rohstoffe beziehen können. Erscheinungen von Mangel kön­nen uns nicht dazu verführen, zu verzweifeln, sondern unsere Stimme dafür zn erheben, was uns von Gottes und Rechts wegen zu-
Die Außenpolitik des braunen Systems liegt auf der Lauer. Sie beobachtet den Kon­flikt zwischen Italien   und dem Völkerbund wie die Diskusaion zwischen der englischen  und der französischen   Politik. Sie sucht Spal­ten, in die sie eindringen kann, um sie zu er­weitern immer mit dem Ziel, ein festes System der kollektiven Sicherheit zu sabo­tieren. Diese allgemeine Absicht bestimmt die Haltung des braunen Systems zu den vom Völkerbund gegen Italien   verhängten Sank­tionen. Sie ist widerspruchsvoll und zweideu­tig; gegenüber England und dem Völkerbund spiegelt sie Zurückhaltung und Loyalität vor, gegenüber Italien   mit Augenzwinkern Ge­meinsamkeit der Gesinnung und Haltung ge­gen den Völkerbund. Das System hat durch den Konsul in Genf   Erklärungen abgeben lassen, deren ganz klarer Inhalt unmittelbar darauf wieder dementiert wurde, nachdem der italienische Botschafter eine zweistündige Unterredung im Auswärtigen Amt   in Berlin  geführt hatte. Verdächtig ist die Haltung der italienischen Presse, die in den stärksten
Terpor-llpleil Der Volksgerichtshof   verurteilte den fünfunddreißlgj ährigen Herbert Blank   aus Berlin   wegen Vorbereitung zum Hochverrat unter erschwerenden Umständen zu vier Jahren Zuchthaus und den 43jährigen frühe­ren Kampfkreisleiter Walter Schreck aus Kahla   in Thüringen  , zu zehn Jahren Zucht- haus und zehn Jahren Ehrverlust. Außerdem werden beide Angeklagte unter Polizeiauf­sicht gestellt. Blank gehört neben Otto Strasser   zu den bekanntesten Vorkämpfern der Schwarzen Front.
steht, nnd ans allein helfen kann, sol­chen Mangel endgültig zu beseitigen.« Die Not, die die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik über das deutsche   Volk heraufgeführt hat, kann also nur beseitigt werden, durch den Erwerb von Kolonien. Dazu muß Deutschland   stark sein, die Kriegsrüstung muß also mit aller Kraft weitergetrieben werden. Das allein kann helfen, sagt Krosigk. An der Not ist nicht der Nationalsozialismus schuld, sondern das feindliche Ausland, das uns die Kolo­nien vorenthält, die uns von Gottes der Krosigk ist sehr fromm und Rechts (des Stärkeren) wegen zusteht. Die Frauen, die vor den Läden Schlange ste­hen, die Männer, die nach den Lohnherab­setzungen und der wahnwitzigen Antrei- berei der Unterernährung verfallen, sollen von den Verbrechen der Diktatur abge­lenkt, ihre Hoffnung auf den künfti­gen Eroberungskrieg hingelenkt werden. Dieser Krieg dient beileibe nicht den imperialistischen Zielen des Groß- und Rüstungskapitals, nicht dem Prestige­bedürfnis der Diktatur, es ist vielmehr der von Gott auferlegte Volkskrieg zur Besei­tigung der Not und des Elends. Nach drei Jahren ist Hitler  , so weit, wozu Mussolini   fast 15 Jahre gebraucht hat. Nur daß es sich in der deutschen   Situation nicht nur um ein abessinisches Abenteuer handeln würde! Dr. Richard Kern.
Tönen die Loyalität der deutschen   Politik lobt In dieser verdächtigen, zweifelhaften Hal­tung enthüllen sich die wahren Absichten des braunen Systems. Sie sind völlig ver­schieden von den Zielen, denen die Völ­kerbundsmächte zustreben, vor allem von dem Ziel der Erhaltung des Friedens. Bs ist der Geist der Zerklüftung, des Gegen- einanderausspielens der Völker, des Teile und Herrsche, der aus dieser Politik spricht. Der Völkerbund hat das faschistische Italien   als offenen Friedensbrecher verurteilt. Der ge­fährlichere Friedensbrecher, helmtückisch und hinterlistig, ist das braune System.
Seine Flagge Der Musterzeichner de« Dritten Reiches  hat neue Flaggen für das System entworfen, die kürzlich vorgeführt worden sind. Die Fachkritik hat die Leistung mit kaum ge­nügend gewertet. Unter diesen Flaggen ist eine, die nicht seiner eigenen Werkstatt entstammt, sondern dem eigenen Geschmack de« Kunden die Standarte Seiner Exzellenz des Herrn preußi­schen Ministerpräsidenten und Luftfahrtmf ni­sters. Sie weist eine reiche Sammlung von Symbolen auf. Quer über das Tuch gehen ein paar gekreuzte Hosenträger mit Hakenkreuz­dessin in den Ecken. In der Mitte schlagen das Fliegerabzeichen und der Preußenadler einander tot und siehe da, dem Preußen­adler hängt der Pour le Mörite zum Hintern heraus. Das ganze umgibt offenbar auf Vorschuß genommen ein Lorbeerkranz. Wir können noch andere interessante Ein­zelheiten übersehen haben. Eine ist bestimmt, nicht dabei: die Reichs tagskuppel.
Mundiner I�ovembeptheatep Hitlerputsch als Heldenstück. Es sind noch Karten zu haben. »Und jetzt, jetzt geht der Führer ganz allein über den weiten, weißen Platz, und jetzt steht er gesenkten Hauptes bei seinen Toten.« Der Rundfunk dröhnt über alle deut­ schen   Sender. Eis ist wieder einmal eine jener»Weihestunden der deutschen Na­tion« ausgebrochen, für die das Prädikat »ganz groß« oder»unvergeßlich« vom Propagandaministerium vorgeschrieben ist. Die nationalsozialistische Konterrevolu- lution feiert ihren 9. November. Sie fei­ert ihn, wie es sich gehört, in ihrem Stil mit allen Mitteln einer kitschigen Regie, mit geheuchelter Sentimentalität und groß- mäuliger Verlogenheit. »Theodor von der Pfordten  !«»Hier!« »Max von Scheubner-Richter  !«»Hier!« Adolf Wagner   ruft die Toten des Bierkel- lerputsches auf. Diese Toten welches Köpfchen hat das ausgedacht? sind mittlerweile in der S.eele der HJ   wieder auferstanden und antworten durch ihren Mund mit einem kräftigen»Hier!« Ist das echte Weihestimmung, aufrichtige Ergrif­fenheit? Nein, das ist blöder Kientopp und weiter nichts! Die Nazi spielen mit den Knochen ihrer Kameraden Theater. »Emst Röhm!«»Edmund Heines  !« »Gregor Strasser  !« Wer ruft ihre Na­men? Wer antwortet für sie? Waren sie nicht auch stets dabei und immer vornean? Wo sind sie? Wo befinden sich ihre Ehren­gräber? Ach, sie sind von den guten Ka­meraden erschossen, erschlagen, zu Tode getrampelt worden, sie sind jetzt irgendwo verscharrt oder verbrannt. Ihr Leben ende­te an jenem Tage, an dem auch ihr Ge­genspieler, der 73jährige Herr von Kahr von Mörderhand fiel. Die nationalsozialistische Konterrevo­lution kaum ihre Geschichte nur feiern, indem sie sie fälscht. Der 9. November 1923 war kein Heldentag, er war der Tag des dümmsten und feigsten Putsches, den die Geschichte kennt. Er beginnt mit dem Bruch eines Ehrenwortes und endet mit einer kopflosen Flucht. Was liegt dazwischen? Bewaffneter Ueberfall auf eine Versammlung von Mit­verschworenen und Bundesgenossen. Volks- gemeinschaftsschwüre, die mit dem Re­volver in der Faust abgepreßt worden sind. ESnigkeitstheater vor einem betroge­nen Publikum. Als Begleiterscheinung anti­semitische Pöbelexzesse in der ganzen Stadt München  , Mißhandlung von Marxi­sten und Juden. Ueberfall auf die»Münch­ner Post«, Zerstörung ihrer gesamten Ein­richtung. Nur die großen Rotationsmaschi­nen werden gerettet, weil man sie unver­sehrt für den»Völkischen Beobachter« stehlen will. Inzwischen fährt Rudolf Heß  die gefangenen Minister Schweyer und Wuzelhofer in den Wäldern spazieren, be­droht sie mit Erschießen und weidet sich an ihrer Todesangst Am Tage darauf erklärt die Kahrregie- rung alle ihr abgepreßten Erklärungen für null und nichtig. Die Reichswehr   steht geschlossen gegen Hitler   zu Kahr  . Sie hat zwar ein bißchen ihren Ehd gebrochen, in­dem sie von der schwarzrotgoldenen zur weißblauen Fahne überlief später wird sie der schwarzweißroten Fahne und zu­letzt dem Hakenkreuz Treue bis in den Tod schwören aber gegen den verrück-
Das System und die Sanktionen