Nr. 130

S01VNTAG, S. Dez. 193S

Aus dem Inhalt: Zur Frage der Einheitsfront Schacht sucht Dumme Wachsende Unzufriedenheit Adolf I.

Verlag; Karlsbad , HausGraphia44 Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite Geld aus der Luft Minister Seldtes Geschäfte Erpressungen an Cckener und Junkers

Die Reichswehr hat schon in der Wei­ marer Republik mit geheimen Luftrüstnn- gen gespielt und dabei gesetzwidrige Fl- nanzmanipnlationen unternommen. Nach der Machtergreifung Hitlers wurden diese Anfänge im großen Stile fortgesetzt. Es entstand die Luftrüstungskonjunktur, mit der Rüstungskonjunktur die Konjunktur für die Schieber und Korruptionisten. Die Bande von Aufrüstungshyänen, in deren Treiben wir in unserer letzten Nummer hineingeleuchtet haben, machte sich diese Konjunktur zu Nutzen. Wir enthüllen heute, wie sie die Luftrüstungsfirmen ge­schröpft und erpreßt haben. Das Blatt des Reichsministers S e 1 d t e, die»Kreuz-Zeitung «, diente dabei wieder als Mittel. Der Hauptmann J o h s t, da« aktivste Element in dieser Bande, bezeich­nete als erstes Angriffsobjekt den Zeppe- linbau in Friedrichsbafen. Dr. Etkener wird erpreßt Auf Anweisung von Hauptmann Jobst veröffentlichte die»Kreuz-Zeltung« einen Mo­nat lang Artikel über die Notwendigkeit der deutschen Luftschiffahrt und Einzelheiten Über den Zeppelinbau, unter anderem von dem Fachberater der Reichswehr , Prof. Pirath von der Technischen Hochschule in Stutt­ gart . Als dies geschehen war, wurde Major Wulkow von der»Kreuz-Zeitung « in erste Garnitur gesteckt und zu Dr. Eckener be­ordert. Es war Ihm bereits eine Empfehlung der»Kreuz-Zeitung « durch die Reichswehr vorausgegangen. Eckener zeigte dem Wul­kow die kalte Schulter. Er meinte, daß er sehr wenig Mittel zu Propagandazwecken zur Verfügung habe, außerdem sei die»Kreuz- Zeitung « nicht das geeignete Organ, da ihre Verbreitung und ihre Bedeutung nur gering sei. Nach dieser Ablehnung leitete Hauptmann Jobst ein regelrechtes Erpressungsmanöver ein. Er bestellte den zweiten Luftschiffkapi­tän des Zeppellnbaus, Flemmlng, nach Berlin . Flemmlng hatte Differenzen mit Eckener und stand sich nicht gut mit ihm. Er war eine Zeitlang der Exponent der Reichswehr beim Zeppelinbau, bis Ende 1932 Fachberater des Reichswehrminis teri ums für gewisse technische Einzelfragen der Luft­schiffahrt. Der Luftschiffbau Friedrichshafen wird aus allgemeinen Reichsmitteln und aus Reichswehrmitteln subventioniert. Jobst verhörte nun in Berlin Flem­mlng über seine Differenzen mit Eckener und über Interne Verhältnisse des Luftschiff­baus Friedrichshafen . Flemmlng machte den Luftschiffbau und Eckener fürchterlich her­unter; Jobst verfertigte darüber ein genaues Protokoll, um damit gegen Eckener vorzuge­hen. Dieses Protokoll wurde von Jobst dem Major Wulkow von der »Kreuz-Zeltung« übergeben. Wulkow fuhr mit einer Abschrift nach Friedrichshafen , zeigte»le Eckener und wies darauf hin, welche Intimen Beziehun­gen die»Kreuz-Zeitung « zur Reichswehr habe. Er erzählte ihm welter, daß die »Kreuz-Zeitung « dank ihrer ausgezeichne­ten Beziehungen Einfluß darauf habe, wie »ich die Personalverhältnisse beim Luft­schiffbau Friedrichshafen gestalten würden. Nun mußte Eckener klein beigeben. Lr erklärte sich bereit, alles, was die»Kreuz- Zeitung « bisher an Luftschiffpropaganda ver­öffentlicht hatte, und das, was sie noch ver­öffentlichen würde, zu honorieren. Er mußte dafür einen Preis von 5 Mark pro Zeile zahlen. Bis Ende Juni 1033 hat der Luftschiffbau Friedrichshafen 20.000 Mark an die»Kreuz- Zeitung « gezahlt. Nach Abzug aller Spesen

verblieb der»Kreuz-Zeitung « ein Nettover­dienst von 14.000 Mark, von dem Hauptmann Jobst die Summe von 3000 Mark erhielt. * Um System in die Sache zu bringen, führte die»Kreuz-Zeitung « eine ständige Beilage ein unter dem Titel»Luftfahrt und Luftschutz«. Hier wird der Zu­sammenhang zwischen der angeblich natio­nalen Propaganda und der Raffgier der Aufrüstungshyänen ganz klar. Der Zweck der Sache war nur, Herrn Franz Seldte , mit ihm Offiziere, Sachverständige, Be­amte an den Rüstungsgewinnen zu betei­ligen. Die Leute von der»Kreuz-Zeitung « brauchten zu dieser neuen Serie von Ge­schäften sogenannte Sachver­ständige. Die Gruppe um den Haupt­mann Jobst schob nun eine neue Gruppe ins Geschäft Es war vor allem der Inge­nieur Fritz Hohm, der ein internatio­nales Archiv für Luftfahrt besitzt und seit 1923 Fachberater der Reichswehr ist. Die­ser stellte die Verbindungen her zu D r. Heinz Orlovius, dem Pressechef des Luftfahrtministeriums. dem Oberregie- rungsrat Großkreutz und dem Reichs­leiter des. zivilen I�uftsckuUes. �gr-s.. Als die Beilage der»Kreuz-Zeitung « startete, lieferte Orlovius den dazu gehörigen Leitartikel; Honorar 1000 Mark, C o r s und Hohm je einen Artikel, für den sie jeder 500 Mark erhielten. Nun mußten mit dieser Beilage die üblichen Geschäfte gemacht werden. Dabei tauchte Haupt­mann Jobst wieder auf und erklärte; »Ich muß mitgenommen werden.« Die erste Firma, die aufs Korn genommen wurde, war teufliche Ironie die D e r o p(Deutsch -Russische Petroleumge­sellschaft). Die Derop muß binden Mit den üblichen Mitteln und deutlichen Drohungen wurde die Firma genötigt, Inse­rate aufzugeben und Abonnements abzuneh­men. Die Bearbeitung dieser Firma über­nahm C o r s, danach ging Wulkow und machte das Geschäft fertig.

Der Auftrag der Derop belief sich auf etwa 10.000 Mark. Davon erhielten: Jobst 1000 Mark, Cors 500 Mark, Orlovius 300 Mark. Junkers wird erpreßt Nun wurde die Firma Junkers aufs Korn genommen. Das besorgten gemeinschaftlich Jobst und Orlovius. Major Schäfer und Orlovius schoben der»Kreuz-Zeitung « Material über die Zustände in den Junkers­werken zu. Eis ging der Junkers-Gesellschaft damals finanzieU schlecht, es sollten dort Schweinerelen vorgekoif.men sein, auch soll­ten die Geschäftsmethoden nicht ganz ein­wandfrei gewesen sein. In der»Kreuz-Zei­ tung « wurde nun dies Material zu einem Artikel verarbeitet, der die Firma vernichten mußte. Verabredungsgemäß er­hielten Jobst, Cors und Orlovius Vor­abzüge dieses Artikels. Junkers kam nach Berlin , Jobst und Orlovius unterbreiteten ihm dieses Material und erklärten ihm, daß die »Kreuz-Zeitung « es veröffentlichen wolle. Junkers, der einen neuen Dieselmotor für Flugzeuge vorführen wollte, erschrak und bat um Vermittlung. Jobst und Orlovius erklärten nun, daß eine Verhinderung des Erscheinens des Artikel» nicht nur im Interesse des Junkers-Fiug- zeugbaus, sondern im allgemeinen nationa­len Interesse läge. Leider aber hätten sie keine Möglichkeit, die Publikation zu ver­hindern, da der Artikel nur konkrete Tat­sachen brächte. Die Junkers-Werke müß­ten sich selbst darum bemühen, vielleicht könnten sie auf die»Kreuz-Zeitung « einwir­ken, freilich würde dies eine Menge Geld kosten. Man sandte den Professor Junkers zu Ma­jor Wulkow. Der war schon Im Bilde. Er begnügte sich angesichts der schlechten Fi­nanzlage der Junkers-Werke mit B 0 0 0 Mark. Innerhalb von drei Tagen zahlten die Junkers-Werke an die»Kreuz- Zeitung «. Von dem Geld erhielten Jobst 300 Mark, Orlovius 300 Mark, Wulkow 300 Mark.

Das Rulirgebiei- ein brodelnder Hexenkessel Offene Lebensmiltclunruheu in Redclinghausen

Aus Westdeutschland wird uns berichtet; Im Ruhrgebiet hat die Nahrun gsinlttelnot in der Bevölkerung eine ungeheure Spannung hervorgerufen. In allen Schichten der Be­völkerung herrscht Unruhe. Bei den kleinen Gelegenheiten des täglichen Lebens wird den Nazis der gallige Unwillen deutlich ins Ge­sicht geschleudert. Frauen treten gegen Frauen auf, schlagen sich um ein Viertel­pfund Fett und gießen den ganzen angesam­melten Haß und Hohn über die Naziweiber. In den Betrieben werden die Nazis am lau­fenden Band in ironischer und zynischer Weise gehöhnt. Im Mittelstand herrscht eine unbeschreibliche Hilflosigkeit und Unruhe, da die Existenz jetzt genau so bedroht ist wie In der Inflationszeit. Die Polizei übt eine starke Zurückhaltung, selbst bei Zusammen­stößen auf der Straße. Es werden Szenen berichtet, in denen die Polizeibeamten statt einzugreifen zu beruhigen versuchten oder den Schauplatz verließen, um nicht eingreifen zu müssen. Die Spannung führte am 23. November in Rechlinghausen zu ernsten Le- bcnsmittelunmhen auf dem Wochenmarkt.

Die Marktstände wurden gestürmt, so daß die Polizei eingreifen mußte. Nachdem die erste Beruhigung eingetreten war, führte die Polizei den Verkauf der In geringen Quanten vorhandenen Fleischwaren und Fette selbst durch. Die Händler waren In derselben Aufregung wie das Publikum und beschworen die Menge immer wieder, es doch nicht ihnen zuzuschreiben, da sie ja auch nur ein Opfer der Notlage seien. Die Käufer, vor allem Frauen, verlangten be­sonders Fettwaren(Margarine, Butter, Wurst, Speck). Es wurde laut die Empö­rung über den großen Mangel an wichtig- sten Lebensmitteln geäußert. Die Polizei betrug sich sehr korrekt, SA und SS ist nicht eingesetzt, da sich die Behörden diese Provokation nicht leisten können. Den Na­zis sagt die Bevölkerung u. a.:»Ihr krum­men Hunde habt doch die ganze Schuld an dem Dalles.« Nüchterne Beobachter der Volksstiramung sagen:»Das Ruhrgebiet Ist ein brodelnder Hexenkessel« oder:»Wir leben auf einem Pul­verfaß.«

Kohrbadi zahlt Im Juni/Juli 1933 konnte die Firma Rohr­bach nicht in das Aufrüstungsgeschäfl kom­men. Aua irgendwelchen Gründen war Rohr­bach weder bei der Reichswehr , noch beim Reichsluftfahrtministerium beliebt. Er wurde deshalb auch nicht subventioniert. Da er aber immer wieder sich um Subventionen bewarb, wurde schließlich eine Kommission zu ihm geschickt, um seinen Betrieb zu prüfen. Dieser Kommission gehörten u. a. Jobst, Orlovius und Cors an. Nach der Be­sichtigung des Betriebes sagten ihm die drei, er solle doch seine neuen Mo­delle in geeigneter Weise in der Prosse propagieren. Dafür käme aber nur die ausgezeichnete Luft­fahrtbeilage der»Kreuz-Zeitung « in Frage. Das koste natürlich Geld. Als Rohrbach fragte, wo er das Geld hernehmen solle, sagte man ihm, das müsse er zunächst einmal investieren. Später würde er dann schon Subventionen erhalten. Rohrbacb wandte sich nun tatsächlich an die»Kreuz-Zeltung« und zahlte ihr für Pro- paganda für seine Produktion 5000 Mark. Davon erhielten Jobst, Cor» und Orlovius je 500 Mark. Die Propaganda-Artikel über die Kohrbach-Werke schrieb Hohm, der in dor üblichen fürstlichen Weise dafür honoriert wurde. Die nalional-mililär« politisdien Gründe bei Fodke« Wulff Bei der Firma Focke-Wulff in Bre­ men war der Vorgang ähnlich wie bei Rohr­bach, Gelderfolg für che»Kreuz-Zeitung « 3000 Mark, davon je 300 Mark Provision an Jobst, Orlovius und Cors. Hohm lieferte wie­der die Artikel, wofür er selbstverständlich sein Honorar erhielt. Diese Artikel konnten aber nicht erscheinen, aus dem ein­fachen Grunde, well bei der»Kreuz-Zeitung « schon so viel Material vorlag, daß gar nicht mehr alles publiziert werden konnte. Die Fir­men, die hohe Beträge für Propagandazwecke gezahlt hatten, waren einfach übers Ohr ge­hauen. Die Firma Focke-Wulff jedoch drängte, sie wollte für ihre 3000 Mark wirkliche Pro­paganda sehen. Da rief Orlovius bei der Firma an und erklärte:»Aus national-militär­politischen Gründen dürfen die Artikel vorläu­fig nicht erscheinen.« Bayrisdie Motoren-Werke Auch bei den Bayrischen Motoren- Werken wurde das Geschäft ähnlich getä­tigt wie In den vorhergenannten Fällen. Die Zahlung an die»Kreuz-Zeltung« betrug 5 0 0 0 Mark, davon die üblichen Provisionen au Jobst, Orlovius und Cors. In diesem Falle bekam Hohm direkt, ohne Artikel zu liefern. Schließlich kam auch der Zeppelin­bau Friedrichshafen noch einmal dran. Er hatte Mitte 1933 eine Subven­tion aus Reichsmitteln von etwa 100.000 Mark für besondere Zwecke erhalten. Nun leisteten Schäfer, Orlovius, Großkreutz und Hohm die Üblichen Vorarbeiten, der ge­schäftliche Erfolg für die»Kreuz-Zeitung « betrug 10.000 Mark, Schäfer, Orlovius, GroB- kreutz und Hohm erhielten je 500 Mark. » Alle-diese Vorgänge spielten sich im Juni und Juli 1933 ab. Der Reichaminister Franz Seldte steckte die auf diese Weise für seine Zeitung ergaunerten Gelder ein. Er war über Herkunft und Eingang der Gelder, über die angewandten Metho­den, sowie über die gezahlten Schmiergel­der vollständig im Bilde. Er hat damit ein Vermögen verdient.