Das Wirtschaftsjahr 1935

I

Der Einfluß der Staatsmacht auf die Oekonomie

Das Wesen der Krise

Von Dr. Richard Kern.

die

zu machen, auf den die gesellschaftlichen derungen erfahren hatte, denen sie sich nur| Konferenz in Ottawa   vollzog, für die bis­Kräfte oder Teile derselben nur mehr allmählich und krisenhaft anpassen konnte. her ungeschützte englische   Industrie einen Die Beschäftigung mittelbaren und stark abgeschwächten Ohne auf Einzelheiten hier eingehen zu weiteren Auftrieb. Das Jahr 1935 wird, wenn nicht alles Einfluß üben können. können, sei nur erinnert an die rasche stieg sehr langsam anfangs und allmäh­trügt, in der Wirtschaftsgeschichte als das Die Wirkung des Krieges und der Industrialisierung bisher rückständiger lich sich beschleunigend, und ergriff vor Jahr verzeichnet werden, in dem für große wachsende Eingriff der Politik in die Länder, an die Zerreißung alter wirt- allem Produktionsgüterindustrien, und entscheidende Teile der kapitalisti  - ökonomische Gesetzmäßigkeit müssen also schaftlicher Zusammenhänge, an die Ent- dehnte sich aber dann auch in steigendem schen Welt die schwerste Krise in der Ge- in erster Linie berücksichtigt werden, stehung neuer Staaten, aber auch an die Maße auf die Konsumgüterindustrien aus. schichte des Kapitalismus zum Stillstand wenn man zu einem wirklichen Verständ- während des Krieges erzeugte Dispropor- Heute ist die englische   Eisen- und Stahl­gekommen und eine deutliche Wieder- nis der wirtschaftlichen Situation gelan- tionalität zwischen den Wirtschaftszwei- industrie voll beschäftigt und schreitet zu belebung sichtbar geworden ist. gen will, und jede Analyse bleibt unvoll- gen, der Ueberexpansion der Kriegsindu- großen Investitionen, um die Betriebe zu In der Beurteilung der Krise sind von ständig und mangelhaft, die rein strien einerseits, des Zurückbleibens aller rationalisieren erweitern. Der Anfang an zwei entgegengesetzte Fehler ökonomischer Gesetzmäßigkeit den Ab- anderen und insbesondere der Konsum- Maschinenbau ist in rascher Entwicklung, gemacht worden. Die einen wollten in ihr lauf zu konstruieren versucht. Denn in industrien andererseits. und selbst die durch den Krieg infolge der schwer nur eine der typischen zyklischen, in acht- Wirklichkeit ist die Krise, die 1928/29 Zu diesen grundlegenden Aenderungen Verluste ihrer Absatzmärkte so Baumwollindustrie und der bis elfjährigen Perioden wiederkehrenden einsetzt, noch eine Liquidations  - der Produktions- und Absatzverhältnisse betroffene Krisen des Kapitalismus sehen, die sich krise des Krieges, und gerade ihre fügte nun der Krieg noch die Zerstö- Kohlenbergbau können eine Besserung von den früheren nur durch ihr Ausmaß hervorstechendsten Merkmale sind ohne rung des Geld- und Kredit- verzeichnen. Die Bautätigkeit ist, begün­unterscheide. Andere, die sich dabei auf den Einfluß des Krieges gar nicht zu er- mechanismus hinzu. Die Zerstörung stigt durch die niedrigen Zinssätze, außer­ihre vorgebliche» marxistische« Erkennt- klären.

II.

nis beriefen, erklärten diese Krise als eine Krise in Permanenz, als letzte Krise des niedergehenden Kapitalismus, der jetzt Der Einfluß des endgültig in seine letzte Phase eingetreten sei. Ungeheure Arbeitslosigkeit, fort­

aus

und zu

überdauerte den Krieg, und die erste ordentlich rege, wobei neun Zehntel der Nachkriegsperiode war mit den Versuchen Häuser ohne jede Staatshilfe errichtet sind. Einen außerordentlichen ausgefüllt, allmählich zu stabilen Währun- worden gen und zur Wiederherstellung der Kredit- Aufschwung verzeichnet der Automobil­bau, insbesondere die Produktion der Wirtschaftsnationalismus beziehungen zu gelangen. Die ungeheure Aufhäufung zuerst der Kleinwagen. In schärfstem Kontrast zu schreitende Verelendung der Massen, Der schwere Charakter der Krise war politischen Schulden, dann der Wiederauf- Deutschland ist die Mehrbeschäftigung Stagnation der Produktion werde diese zunächst bedingt durch das Zusam- baukredite führten zur Errichtung eines der Industrie begleitet von einer Erhöhung Zeit auszeichnen. Nur ein faschistisches menfallen der Agrar- und Roh- Kreditgebäudes, das einer schweren Be- des Massenkonsums. Das Durchschnitts­Regime werde stark genug sein, um die stoffkrise mit der Industrie- lastung nicht gewachsen war. Während in einkommen der Arbeiter liegt zwar heute Empörung der Massen niederzuhalten und krise. Die Agrarkrise ist aber keines- den typischen europäischen   Krisen seit ungefähr noch um etwa 4 Prozent unter den Kapitalismus zu retten. Aber der Zu- wegs eine Erscheinung, die sich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts Währungs- dem des Jahres 1929. Da jedoch bei un­sammenbruch der kapitalistischen   Wirt- Eigengesetzlichkeit der kapitalistischen   krisen völlig unbekannt waren, Geld- und veränderten Mieten die Nahrungsmittel­schaft bleibe auch dann zumindest eine Oekonomie herleitet. Im Verlauf der mo- Kreditkrisen keine entscheidende Rolle preise um rund 19 Prozent gesunken sind, Proletariat, dessen dernen kapitalistischen   Entwicklung hat spielten, war die Weltkrise in ihrer Inten- so ist der Reallohn gestiegen, und der für Machtergreifung erst wieder die stagnie- es nur eine Agrarkrise von größerer In- sität und in ihrer verwüstenden Kraft ge- andere Ausgaben freie Lohnanteil hat sich tensität und längerer Dauer gegeben, die- rade durch das Auftreten er­neuer Wäh- erhöht. In der Tat zeigen auch die Um­jenige, die durch die rapide Erschließung rungskrisen, durch den neuen Zusammen- sätze des Einzelhandels und namentlich Beide Anschauungen, die vulgär- kapi- der nordamerikanischen Getreideflächen bruch der internationalen Kreditbeziehun- der Lebensmittelgeschäfte eine andauernde talistische wie die vulgär- revolutionäre, mittels des Eisenbahnbaues und infolge gen, durch die langdauernde Lähmung des Steigerung. Die Beschäftigung der übersahen den spezifischen Charakter der der Ersetzung des Segelschiffes durch das internationalen Zahlungsverkehrs und der dustriearbeiter ist im Begriff, die des Jah­Epoche, die mit dem Kriegsbeginn ein- Dampfschiff in den 70er und 80er Jahren dadurch bedingten Störung des internatio- res 1929 zu überschreiten. Der Außen­gesetzt hat. Es war die außer ökono- des vorigen Jahrhunderts für die europäi- nalen Handels bestimmt. handel zeigt, namentlich in den letzten mische, in ihren Wirtschaftsergebnissen sche Landwirtschaft heraufgeführt Die Maßnahmen aber, die die Staats- Monaten, eine ziemlich kräftige Zunahme. unberechenbare, in ihren Folgen zunächst den war. Sonst aber bestand die Tendenz, macht zur Krisenbekämpfung in den ver- Hochkonjunktur herrscht in Schwe­lange unterschätzte Gewalt des Krie- daß die rasche industrielle Entwicklung, schiedenen Ländern ergriff, waren zum den, wo die Arbeitslosigkeit praktisch ges, die die Wirtschaftsgestaltung dieser verbunden mit der rapiden Bevölkerungs- Teil geeignet, die Krise noch zu verlän- kaum mehr eine erhebliche Rolle spielt, Zeit in erster Linie erklärt. Es waren zunahme, die Nachfrage nach der sich gern. Zu den ökonomischen Hemmungen in den anderen skandinavischen Ländern zweitens auch nach dem Kriegsende langsamer ausdehnenden Agrar- und

> Chance< für

rende Wirtschaft zu wecken könne.

hat.

Leben neuem

Jahrzehnte vor

wor­

des internationalen Güteraustausches tra- sowie in Finnland  .

von

die weitreichenden Eingriffe der Rohstoffproduktion steigerte; Lebensmit- ten die politischen durch Verschärfung Aehnlich, wenn auch im einzelnen etwas Staatsmacht, die den kapitalistischen   tel- und Rohstoffpreise hatten im Verhält- des Protektionismus und durch die Sub- anders verlaufend, ist die Entwicklung in Wirtschaftsablauf zu regeln und zu modi- nis zu den Industrieprodukten, deren ventionierung der notleidenden Wirt- dem Riesengebiet der Vereinigten fizieren suchte und dadurch den Gang der Kosten infolge der Entwicklung der Tech- schaftszweige, die die notwendige Anpas- Staaten. Der Index der industriellen Ereignisse bis heute weitgehend bestimmt nik sich verminderten, steigende Tendenz. sung verlangsamten oder verhinderten, Produktion ist von 74 im Oktober 1934 Die Preisschere öffnete sich im Laufe der kurz jener Wirtschaftsnationa- auf 94 im Oktober dieses Jahres gestiegen, Denn zu dem überragenden Ereignis kapitalistischen Entwicklung meistens zu- lismus, der die internationale Arbeits- die Beschäftigung in den Fabriken der neueren historischen Entwicklung ge- gunsten der Agrar- und Rohstoffe, und teilung immer weiter einzuschränken 76.8 auf 83.7, die Lohnsumme von 61 auf hört die außerordentliche Erstarkung die stürmische industrielle Entwicklung drohte, die Produktionskosten in die Höhe 75.1. An der Spitze steht die Automobil­der Staatsmacht und ihre relative der letzten zwei dem trieb und den aus dem Preismechanismus industrie, die heute das Dreifache ihrer Verselbständigung gegenüber der Kriege verursachte Erscheinungen, die da- sich ergebenden Zwang zur Wiederherstel- Produktion von 1931 erreicht hat. Der In­Gesellschaft, ihren einzelnen Klassen und mals als bedrohliche» Teuerung empfun- lung des Gleichgewichtes in der Produk- vestitionsbedarf steigt, die Stahlindustrie Schichten. Der Prozeß beginnt in der den wurden. tion immer aufs neue hinauszögerte. produziert etwa doppelt so viel wie im Periode des klassischen Imperialismus, Der Krieg hat in allen nichtkriegfüh- Kein Wunder, daß viele diese Krise als Vorjahr, und auch die Maschinenbestellun­etwa seit Anfang der neunziger Jahre, und renden Ländern zu einer, starken Erweite- Dauerkrise angesehen haben. Die Die Ent- gen haben sich verdoppelt. Der jahrelang er erfährt eine außerordentliche Steigerung der Anbauflächen, vermehrter Ver- wicklung dieses Jahres hat aber gezeigt, stagnierende Wohnungsbau nimmt rasch rung im Kriege. Die Staatsmacht stellt wendung landwirtschaftlicher Maschinerie daß trotz aller Hemmungen sich eine zu. Das allgemeine Lohnniveau ist gleich­die Wirtschaft in den Dienst der Krieg- und zur intensiveren Bewirtschaftung ge- Wiederbelebung und Normali- falls im Ansteigen. führung, regelt Produktion und Vertei- führt. Der Wiederaufbau der europäischen   sierung der Wirtschaft in großen Neben der Erholung der wichtigsten lung und macht dem freien Spiel der Landwirtschaft nach dem Kriege unter Teilen der Welt vollzieht. Freilich ist der Industriestaaten der Welt geht die der Kräfte ein Ende. Der Krieg findet seinen Anwendung der unterdessen gemachten Verlauf sehr verschieden, und dies erklärt Rohstoff- und Agrarländer ein­Abschluß, aber das Bewußtsein von der Fortschritte der Agrikulturchemie und sich wieder aus der verschiedenen Art der her. Die Vorräte, die, zum Teil in staat­Möglichkeit staatlicher Eingriffe in die-technik hat auch in Europa   eine erheb- Wirkung des Krieges auf die einzelnen licher Hand, so lange jede Besserung ver­Wirtschaft bleibt, und die ungeheuren liche Steigerung der Erträge bewirkt. So Länder und aus der weitgehenden Verhinderten, haben merklich abgenommen. ökonomischen Schwierigkeiten, die der entstand eine allgemeine Ueberpro- schiedenheit ihrer Nach­Krieg als Erbe hinterläßt, verursachen duktion den wichtigsten kriegspolitik, wie überhaupt die immer neue Interventionen des Staates. Agrarprodukten, durch die Abweichungen in der Wirtschaftsentwick­Die relative Autonomie und Selbständig- Eingriffe der Politik noch verschärft lung in der Nachkriegszeit ungleich grö­keit der Wirtschaft, welche die liberale wurde, als die Staatsmacht, teils unter Ber sind als vorher und schematische Ver­Aera charakterisiert hat, ist zu Ende; dem Einfluß der in der Nachkriegsdemo- allgemeinerungen weniger zulassen als je. die Politik bestimmt das Schicksal der kratie politisch erstarkten Bauernmassen, Wirtschaft, und ihre Macht ist scheinbar teils in dem Bestreben nach Nahrungs-,

an

die

.

III.

groß genug, um die ökonomischen Gesetze d. h. Wehrfreiheit, die Agrarproduktion Der Wiederanstieg

abzuändern.

die

durch Schutzzölle und Subventionen noch Die Arbeitsteilung

Freilich spielt sich diese Politik nicht weiter anstachelte.

zum

-

der Konjunktur

in einem luftleeren Raume ab, sondern in zwischen Agrar­Agrar- und Industrieländern Der Wiederanstieg der Kon­dem gesellschaftlichen Rahmen, in dem wurde zu einem Teil rückgängig gemacht, junktur ist vor allem in England, Klassen ihre Interessen und die Handelsbeziehungen gestört, die Kauf- seinen Dominien und den Ländern des Kämpfe verfolgen. Aber die Staatsmacht kraft der Agrarländer verringert und die Sterlingsblocks, zu denen die skandinavi­selbst ist, nicht zuletzt durch ihre enge Exportmöglichkeiten der Industrieländer schen Staaten, Finnland  , Portugal  , Argen­Verbindung mit der Wirtschaft und den eingeschränkt Vorgänge, die für sich tinien, Aegypten   und Persien   gehören, Versuch, sie für ihre jeweiligen Zwecke allein schon eine schwere und lang- sehr stark. Als England 1931 unter dem Druck der deutschen   Kreditkrise und der zu gestalten, zu einem mächtigen Apparat dauernde Krise verursachen mußten. herangewachsen, dessen Ziele sich Aehnliches wie für die Agrarproduk- Flucht des ausländischen Kapitals seine Teil verselbständigen und auch dort auf tion gilt für die übrige Rohstoffproduk- Währung abwertete, war die Krise noch ihre Verwirklichung dringen, wo sich ihr tion, nur daß bei deren vielfach kapitali-| auf ihrem Höhepunkt. Die Lebensmittel­einzelne partikulare Interessen der Klas- stischem Charakter eine Korrektur leich- und Rohstoffpreise fielen weiter, und die­sen entgegenstellen. Den sichtbarsten ter war als bei der von konservativen ser Preisfall wirkte einem Steigen der Ausdruck erhält erhält die Verselbständigung Bauernmassen traditionalistisch betriebe- Preise in dem großen Gebiete des Ster­ler Staatsmacht dort, wo der Kampf der nen Agrarproduktion. lingsblocks entgegen und steigerte die Klassen untereinander schließlich dazu Diese Störung traf aber auf eine Wirt- Exportfähigkeit der Industrie, die ihre ührt, den Klassen die unmittelbare schaft, die nicht nur durch die ungeheure Löhne in der sinkenden Währung bezahlte. außerordentlich ge- Zugleich bedeutete der Uebergang vom Selbstbestimmung der Politik zu entreißen Kriegsanstrengung

ind die Staatsmacht in den Diktatur- schwächt war, sondern deren Struktur auch Freihandel zum Schutzzoll, den England ystemen zu einem unabhängigen Faktor durch den Krieg zum Teil dauernde Verän- für das Gebiet des Imperiums auf der

OLYMPIADE

HREICH