Heuer Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblatt

Verlag: Karlsbad , Haus Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite

Nr. 135 SONNTAG, 12. Januar 1936

Aus dem Inhalt:

Angst vor der Rechenschaft Die Stimmung im Ruhrgebiet Hure Statistik

Die Woche des 5. Reichs

Ziele der braunen Kolonialpolitik

Das

Deutschland und niederländisch- Indien

nationalsozialistische Deutschland Diese Neuverteilung der kolonialen zahlen. Der englische Vorschlag gibt allein kral oder ein Hottentottendorf. Mit dem setzt jetzt mit einer großzügigen Kolonial- Rohstoffer hilft also keineswegs über die den deutschen Weltanschauungsreisenden englischen Vorschlag Rohstoffneuvertei­propaganda ein. Der Verein für das Gefahr irgendwelcher Abenteuer hinweg. einen bequemen Anknüpfungspunkt zu lung wird das Kind schon beim richtigen Deutschtum im Ausland< entwickelt dank Das Ziel bei dem deutschen Kolonial- Kolonialdebatten.

besonderer Reichszuschüsse eine rührige Propaganda. An allen Universitäten sind im Laufe des Sommersemesters Arbeitsge­meinschaften zum Studium und zur Pro­pagierung des Kolonialgedankens gegrün­det worden. Die Kolonialschule in Witzen­ hausen - Werra hat mit Reichsmitteln we­sentliche Erweiterungen erfahren und ver­anstaltet durch ihr Lehrkollegium unter Teilnahme von Schülergruppen Werbe­fahrten durch das Reich. Die Schmuck­stücke der Kolonialvereine, die Generäle Lettow- Vorbeck und Reichsstatt­halter Ritter von Epp , preisen mit viel schönen Reden die Notwendigkeit deutschen Kolonialbesitzes. Die Vereins­mitglieder werden mit Briefverschlußmar­ken Deutschland hole deine Kolonien versorgt. Vom 23. bis 25. November hat der Präsident des Reichs­

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Die Angst vor der Rechenschaft

oder

Bezeichnenderweise Namen genannt, wenn Deutschland dabei schickt man zu diesem Zwecke nicht Herrn auch nicht nur an theoretische Anrechte, Ribbentrop , sondern Herrn Kirchner, sondern an territoriale Eroberun­den Chefredakteur der Frankfurter Zei- gen denkt. tung, nach London , Paris und Rom . Herr Nun zeigt aber ein Blick in die Stati­Kirchner hat die Schmerzen des Aus- stiken, daß sehr viele dieser be­wärtigen Amtes überbracht und nach gehrenswerten Rohstoffe in seinem sehr zurückhaltenden Bericht vom erheblichen Mengen längst nicht in Kolo­8. Dezember>> sorgsam zugehört«<, wenn nien oder Mandatsgebieten, sondern in die Prüfung der unbefriedigenden Lage modern. entwickelten Deutschlands angeregt wurde zu jedenfalls fortgeschritene­nur unter der Spitz- ren Staatswesen produziert Rohmaterialbe- werden. Haniel hat sich der. dankens­werten Aufgabe unterzogen( Tagebuch Ein gut gemeinter, aber wenig taug- Nr. 42), aus dem deutschen Statistischen licher Vorschlag genügt der deutschen Jahrbuch die Produktionsmengen der Propaganda als Mittel zum Zweck. wichtigsten Rohstoffe nach kolonialer und Vielleicht meint man, es gehe lediglich nichtkolonialer Gewinnung zusammenzu­um eine Rückgabe der ehemaligen deut- stellen. Erfaßt sind dabei: Wolle, Zink, schen Kolonien an das Reich. Doch über- Tee, Baumwolle, Bauxit, Blei, Eisenerz, schätzt man die deutsche Bescheidenheit, Erdöl , Kaffee, Kakao, Kautschuk, Kupfer, Postzentralamtes, der frühere Postdirektor hunger bleibt nach wie vor die Eroberung, wenn man in dieser Rückgewinnung das Phosphate, Reis, Tabak und Zinn. von Kamerun , Peglow, im Auftrage und die Besitzergreifung, die es ermöglicht, die Ziel der deutschen Kolonialpropaganda ergibt sich, daß allein Zinn, Phosphate und mit Mitteln des Reiches rund 200 früher kolonialen Erträgnisse mit ungedeckten sähe. Es geht nicht um das Land, wo der Kautschuk eine überwiegend koloniale in den Kolonien tätige Post-, Telegraphen-, Wechseln und schlechter Mark zu be- Pfeffer wächst, nicht, um einen Kaffern- Produktion haben. Und da außerdem nicht Vermessungsbeamte und Bauführer zu einer Konferenz in Berlin zusammenge­rufen. Als Zweck wurde angegeben, daß man eine Uebersicht über die vorhandenen Kräfte mit praktischer Erfahrung bekom­men und eine Auswahl für die Ausbildung Das System fürchtet sich vor allgemeinen Wahlen von Neulingen treffen wollte. Zentral­karteien über das Militärpersonal und die Das System hat den experimentellen| aber für die herrschenden Faktoren ein zuwirken. Dennoch wird Dennoch wird die Opposition Beweis geliefert, Verwaltungsbeamten bestehen bereits. daß eine Diktatur an- sehr wichtiges Barometer der Stimmung alles daransetzen, um auch diesmal dem Diese Liste preußisch- gründlicher Vor- nähernd jedes Wahlresultat erzielen kann, im Volke und insbesondere in der Arbeiter- System eine Enttäuschung zu bereiten. Sie bereitungen erhebt keineswegs den An- das sie wünscht. Wenn die Wahl zur blo- schaft. Die Führung des Reiches habe dar- wird durch die offenkundige Sorge des spruch der Vollständigkeit. Es ist eine Ben Stimmabgabe für eine vom Staate be- auf verzichtet, die Entscheidung des Systems angefeuert werden. Auswahl, deren Buntheit zeigen soll, daß fohlene Liste unter Aufsicht wird, wenn Volkes in allgemeinen Wahlen zum Probe auf die Rechenschafts­kein noch so abseits gelegenes Gebiet ver- oppositionelle Gesinnung mit Totschlag und Ausdruck kommen zu lassen. Sie wende legung? Wenn das System diese Probe Konzentrationslager bedroht ist, wenn sich zunächst an den deutschen Arbeiter will, kann es sie haben! Zur Rechenschafts­gessen wird. Die deutsche Regierung erhofft sich obendrein in der dreistesten Weise ge- mit der Frage, ob die Schärfe seines Blicks legung gehört die freie Entscheidung, ge­eine starke Hilfe für diese wohlvorberei- fälscht wird dann ist die Wahl zur blo- in den letzten Jahren so sehr gewachsen hört die Freiheit der Beweisführung gegen tete Kolonialaktion in jenen allerdings Ben Komödie geworden. Sie hat mit freier ist, daß er die Größe des Erreichten über die Regierung, gehört die Legalität noch vagen Gedankengängen, die der eng- Entscheidung nichts mehr zu tun, sie ist kein alle kleinen Opfer des Alltags nicht über der Opposition.» Drei Tage Presse­ freiheit I und ich wäre verloren< lische Außenminister Sir Samuel Hoare in Ausfluß des Volkswillens mehr, kein Aus- sieht. seiner von der deutschen Presse immer druck wahrer Volkssouveränität, aus dem So weit der> Angriff«. Es mischen sich sagte Napoleon I . Eine wirklich freie wieder zitierten Rede am 11. September in sich ein Mandat für die Staatsgewalt ab- hier Geständnis und Lüge. Wahlentscheidung in Deutschland , und wo Genf hat anklingen lassen: nicht Neu- leiten ließe. Gegenüber den Wahlmethoden Das Geständnis: daß das System wäre das System? Es gibt ein Symbol da­verteilung der Kolonien, aber der nationalsozialistisch- faschistischen De- nicht den Mut zu einer allgemeinen Wahl für. In Bamberg hat sich ein Geschäfts­weil es ein Fiasko des Ter- mann im leeren Schaufenster seines La­Neuverteilung der kolonialen spotie ist die plebiszitäre Demokratie, wie gehabt hat Rohstoffe. Seit wir alle die kritischen sie Napoleon III. geübt hat, noch geradezu rors und der Fälschung fürchtet, daß es dens erhängt mit einem Schild um den deshalb seine Zuflucht zu einer Teilwahl Hals:» Ich habe Hitler gewählt<. Stunden miterleben, daß das Kolonial- ein Ausdruck der Volkssouveränität. Dennoch rät die deutsche Opposition nimmt, aus der es auch bisher niemals ein Das ist die einzige Form der offenen oppo­abenteuer einer europäischen Großmacht die Gefahr eines europäischen Krieges ihren Anhängern, sich an diesen Wahlen zu Mandat herleiten konnte, und daß es trotz sitionellen Abstimmung, die das System heraufbeschwört, verstehen wir den beteiligen. Der Wert liegt nicht darin, daß dem das Ergebnis dieser Wahl nicht ver- gestattet, weil es sie nicht verhindern und Wunsch, ein Mittel zur Befriedung der die Wahlziffern das wahre Verhältnis von öffentlichen wird. nicht nachträglich mit terroristischen Mit­Welt und zur Vorbeugung gegen solche Opposition und Regierungsanhängern aus- Die Lüge: daß diese Teilwahl zu teln verfolgen kann. Aber es ist zugleich Abenteuer zu finden. Allerdings scheint drücken, sondern darin, daß das Anwach- einer allgemeinen politischen Entscheidung kennzeichnend für die um sich greifende der Vorschlag> Neuverteilung der sen des freien, kämpferischen Willens ge- dienen solle, während die ganze Kunst der Stimmung. Eine Wahl ohne Terror­kolonialen Rohstoffe nicht mehr als ein gen den Terror festgestellt wird. Diese braunen Wahlmanipulation darin besteht, und wir wollen sehen! einprägsames Schlagwort, das ebenso sehr Entwicklung genügt, um dem System den dieser Wahl den allgemeinen Charakter zu praktisch undurchführbar wie es der deut- fortschreitenden Zerfall seiner Massen- nehmen, sie zu zerschlagen in Zehntausen- legung, ganz im geheimen, unter Terror de von kleinen Wahlkomödien, von Ernen- und Fälschung, ohne Veröffentlichung des schen Propaganda zu ganz anderen Zielen basis zu zeigen! Das System hat bei den Wahlen zu nungen, von Schiebungen, von Entschei- Ergebnisses? Geht doch mit diesem dienlich ist. Wenn Deutschland beispiels­weise keine größeren Mengen niederlän- den Vertrauensräten in den Be- dungen über Personen, die mit einer poli- Schwindel! Das System kann nicht in freier Wahl disch- indischer Produkte importiert, so trieben die Erfahrung gemacht, was dieser tischen Entscheidung nichts mehr zu tun Es hat deshalb diese haben. Rechenschaft ablegen deshalb wird es liegt es nicht daran, daß erst durch eine Prozeß bedeutet. Man hat die Arbeiterschaft atomisiert, einst auf andere Weise Rechenschaft ab­>> Neuverteilung der kolonialen Rohstoffe» Wahlen<< immer stärker des Wahlcharak­der deutschen Volkswirtschaft eine grö- ters entkleidet. Es hat alle Mittel der Fäl- man läßt sie in diesem Zustand unpoliti- legen müssen! Bere Quote niederländisch - indischer Er- schung eingesetzt. Es hat sie manipuliert sche Wahlfarcen durchführen um dann und dennoch fürch- aus dem obendrein noch verfälschten Er Ein neues Zuchthausurteil zeugnisse zugebilligt werden müßte, weil bis zum äußersten die tet es sie! gebnis politische Schlußfolgerungen zu­sich etwa die Holländer weigern, an Die Genossen Landtagsabgeordneten Deutschen zu verkaufen; sondern es liegt Der Angriff, das Organ der Arbeits- gunsten des Systems ableiten zu können. Aber versteht sich: nur die Schluß- Gustav Adolf Müller und Werner ganz einfach daran, daß Deutsch- front, bezeichnet die in diesem Frühjahr land zahlungsunfähig ist. Alle stattfindenden Wahlen zu den Vertrauens- folgerungen will man veröffentlichen, das Zorn aus Leipzig sind nach viele Monate währender Untersuchungshaft zu zwei Anrechte ändern an dieser Pleite nichts. räten aller Betriebe als eine wichtige Pro- Ergebnis selber nicht! Wir haben nach jeder dieser» Ver- Jahren und zu einem Jahr sieben Und mit gutem Gelde könnte be für die nach Ablauf von vier Jahren Deutschland auch heute, ohne der nationalsozialistischen Regierung ver- trauensrätewahlen gezeigt, wie sie ge- Monaten Zuchthaus verurteilt wor­irgendwelche vertraglich fest- sprochenen Rechenschaftslegung. Das Er- handhabt worden sind und wie es für die den. Sechzehn weitere Angeklagte wurden gelegten Quoten, kaufen, so- gebnis dieser Wahlen werde zwar Opposition immer schwerer geworden ist, freigesprochen, aber sofort ins Konzentra nicht veröffentlicht werden, bilde diesen Absichten des Systems entgegen- tionslager überführt.

uns

viel es wollte

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So

Aber Probe auf die Rechenschafts­