Neuer Vorwärts
Sozialdemokratisches Wochenblakk
Verlag: Karlsbad , Haus„ Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite
Nr. 142
SONNTAG, 1. März 1936
Aus dem Inhalt:
Zick- Zack- Kurs
Die Internationale der Mörder
Was sie unter Wahl verstehen
Neue Blutschuld des Systems
Arthur Schille
im Februar 1935 im Polizeipräsidium| keine Stelle mehr heil. Die harten WurzelDresden totgeschlagen. bürsten hatten auch noch den letzten verschont Haut gebliebener
Das Blut dieser Opfer kommt aufs Fetzen Haupt des Kriminalkommissars Weser. Dieser Mann ist ein brutaler Mörder.
Mitte Januar wurde der frühere Be Die Ermordung von Max Sachs
zirkssekretär des Deutschen Metallarbeiterverbandes
für Sachsen,
Arthur
heruntergerissen.
Brandstifter
Am 27. Februar 1933 steckten Nationalsozialisten auf Geheiß Görings den Am dritten Morgen wurde er wieder in deutschen Reichstag in Brand. Damit beden Baderaum gebracht. Zu gehen ver- gann die Reihe der blutigen Verbrechen, mochte er nicht mehr. Deshalb schleppten die das Gangstersystem in Deutschland ihn seine Peiniger vom dritten Stock bis auf sich geladen hat. Das System hat alsins Erdgeschoß die schmale Treppe hinun- bald seine verbrecherische Methode von ter. Diese Treppe hat eisenbeschlagene der inneren auf die äußere Politik überbis schließlich alle Völker EuroTage danach wurde seiner Frau mitauf unseres Genossen Stufen, die Sachs beim Herunter- tragen geteilt, ihr Mann habe sich im Gefäng- Max Sachs im Konzentrationslager Sach- geschlepptwerden mehrfach mit dem Kopf pas zu der Ueberzeugung gelangten, daß gegen bewaffnete Verbrecher nur Gewalt nis erhängt. Aber jeder, der Arthur senburg; aufschlug. schützt. Heute starrt Europa in Waffen. Schille kannte, weiß, daß die Gestapo Max Sachs , vor der Gewaltergreifung Wenn Recht und Freiheit zerbrechen, lügt, daß Schille in entsetzlicher Weise der Nationalsozialisten Redakteur der triumphiert der Militarismus. Dresdner Volkszeitung, wurde am 25. Sep
ermordet wurde.
die Ermordung über
Mit seiner Verhaftung rechnete er tember 1935 verhaftet und einige Tage daschon seit langer Zeit, denn wiederholt nach in das Konzentrationslager Sachsenwar er von der Gestapo verhört, seine burg eingeliefert. Sachs hat keine Ahnung Wohnung durchsucht worden, aber ohne gehabt von dem Schicksal, das seiner warErfolg. An alle Möglichkeiten dachte tete, denn noch einige Tage zuvor hatte er Schille, aber niemals an Selbstmord, den Gefallen tat er seinen Gegnern nicht.
haben.
einige Freunde zu seiner bevorstehenden silbernen Hochzeit eingeladen. Er lebte in glücklichster Ehe und war Vater zweier Kinder.
Sachs ist eine halbe Stunde später in der Badewanne infolge der erlittenen Mißhandlungen verstorben. Erst der Tod setzte seiner Qual ein Ende. Im Augenblick seines Todes war seit seiner Einlieferung in das Konzentrationslager knapp eine Woche vergangen.
Die Mörder
Die Namen seiner vier Mörder sind bekannt; es handelt sich um:
am Frieden Europas sehen heute, wie sich gegen ihre Bajonette ein Wald von Bajonetten in Europa erhebt. Sie spüren die Isolierung. Darum schicken sie ihre journalistischen Handlanger vor und lassen sie fragen:» Was wollt ihr eigentlich, was habt ihr vor, und was 1. Hellmut Morgner aus Dresden , früwollt ihr, daß wir Deutsche her Angehöriger der Hitlerjugend tun?< Eine schöne Frage von Leuten, und der SA ; Schreiber der NSDAP - Land- die das Wettrüsten provoziert haben! Sie tagsfraktion Sachsen . Von 1933 bis 1934 hüllen sich in den Mantel gekränkter Unwar Morgner nachgewiesenermaßen Ge- schuld, sie schieben den anderen die ver- stapo- Spitzel in der Tschechoslowakei . Ins Schuld am Wettrüsten, an der allgemeinen Konzentrationslager kam er wegen> homo- Kriegsfurcht zu, ja, sie greifen zu der Besexueller Verfehlungen«. Er hatte einem hauptung, daß die Schuld der anderen Hitlerjungen mit dem Dolch im Gesäß ge- erwiesen sei; denn Hitler habe ja längst wühlt, einen andern an der gleichen Stelle seine Vorschläge zur Beschränkung der mit seiner Pistole eingeschossen und wur- Rüstung unterbreitet. de deshalb aus Hitlerjugend und Partei ausgestoßen.
Wessen wurde er beschuldigt! Er soll eine befreundete Familie, deren Ernährer seit zwei Jahren von den HitlerBei seiner Einlieferung ins Lager wurde schergen festgehalten wird, unterstützt er sofort der sogenannten Juden- und im Strafkompagnie zugeteilt und mußte Schille war selbst seit 1933 arbeitlos und Steinbruch die allerhärteste Arbeit lebte in kümmerlichen Verhältnissen. Aber diesem ruhigen, bescheidenen, unscheinbaren Manne war es wohl zuzutrauen, von seiner kargen Unterstützung noch etwas abzugeben an Menschen, die in noch gröBerer Not lebten. Für diese Beschuldigung wurde er verhaftet und ermordet!
richten. Schon am ersten Tag waren seine Hände von dem Steineklopfen so zerschunden, daß er kaum noch den schweren Hammer halten konnte. Er wurde nun daraufhin als» Drückeberger besonders» ran
genommen<.
Ob sich nun Sachs bei dieser Arbeit im Freien erkältete oder ob er sich durch das dauernde Angebrüllt- und Gehetzt werden oder gar durch Prügel einen Nervenschock zuzog, Tatsache ist jedenfalls, daß seine Schließmuskeln versagten und er infolgedessen nachts seinen Strohsack verunrei
vom Dienst entfernt.
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Es ist die Methode Reichstagsbrand auf die internationalen Beziehungen angeDie Mörder lieferten durch ihr Verhal2. Hans Thiemann aus Dresden , ehema- wandt. Sie soll den bösen Willen zum Verten selbst den Beweis. Die Einäscherung liger SA- Mann, wegen Trunkenheit, Nach- brechen gegen den Frieden verdecken. Sie wurde in größter Eile vorgenommen und lässigkeit und Diebstahl an Kameraden soll dem deutschen Volke die Tatsache nur den Angehörigen war es gestattet, die verhüllen, daß die Politik des Systems in Leiche aufgebahrt zu sehen, um eine Un3. Bundesmann, ein SA- Truppführer eine politische und moralische tersuchung unmöglich zu machen. Trotzaus der Zittauer Gegend, von Beruf Flei- Niederlage geführt hat. dem konnte die Gestapo nicht verhindern, nigte. schergehilfe, körperlich sehr stark und als daß es auch körperlich Beweise für den Nun bestimmt ein Absatz der am Schläger seit 1933 bei Verhaftungen und Mord an Schille gibt. Kein Wort durfte 1. April neu erlassenen Ordnung des Kon- dergleichen berüchtigt. Aus seiner Partei am Sarge gesprochen werden, nur ein kurzentrationslagers Sachsenburg, daß wurde er ausgestoßen, weil er bei Hauszes Orgelspiel und der Sarg versank. Wäh- Schutzhäftlinge, die sich nicht reinhalten, suchungen gestohlen und später mehrfach renddem sicherte die Mörder- Gestapo den von der SS zur Sauberkeit angehalten wer- SA - Führer verprügelt hatte. Friedhof, und jetzt glauben sie, sind alle den können.
fest und auch die Mörder, und wenn sie
4. Endesfelder, ein früherer Matrose, aus
Die Außenpolitik des Systems hat sich zunächst mit dem beleidigten Rechtsgefühl des deutschen Volkes zu tarnen versucht. Sie hat nach außen den Versuch unternommen, von der Politik der Weimarer Re publik moralisch zu profitieren. Beides ist ihr in den Anfängen unstreitig gelungen. Spuren verwischt. O nein! Der Mord steht Von dieser Bestimmung wurde bei der Gegend von Chemnitz stammend, ehema- A ber diese Zeiten sind vorbei. Sachs ungesäumt Gebrauch gemacht. liger Leiter der NS - Arbeiterinvalidengruppe Die Brutalität des Systems, die geheime auch die schamloseste Lüge in den Aether Vier Häftlinge, alles ehemali- und Mitglied der NSDAP . Wegen Differen- und die offene Aufrüstung, die Drohungen funken, daß die Nationalsozialisten noch zen mit seiner Verbandsleitung bekam er gegen die Schwachen haben die Völker keinen Mord begangen hätten. 4 Wochen Gefängnis zudiktiert und wurde zum Nachdenken gebracht über den Unternach deren Verbüßung dem Konzen - schied zwischen einer Rechtsforderung trationslager überwiesen. und einer rein militärischen Gewaltpolitik, sie haben viele Augen geöffnet über das wahre Wesen der nationalsozialistischen Gewaltpolitik. Die Völker haben gelernt, daß Außenpolitik und Innenpolitik eines Landes nicht getrennt werden können, sie ziehen heute ihre Schlüsse aus dem verbrecherischen Wüten der Nationalsoziali
ge SA Leute, bekamen den Auftrag, das> Judenschwein< zu Der Mord- Kommissar Zu diesem Zweck wurde Sachs von den
Das Polizeipräsidium in Dresden ist eine der berüchtigsten Mordhöllen in Deutschland . Hier leitet der Kriminalkommissar Weser die Vernehmungen der politischen Gefangenen. Die Brutalität und Grausamkeit dieses Mannes und seiner Untergebenen ist unbeschreiblich. Er hat in
scheuern.
vier Mann unter Aufsicht von SS - Leuten in den Waschraum geschafft, dort entkleidet und gewaltsam in einen Waschtrog gepreẞt.
Da bei den Waschtrögen dieser früheren Fabrik die Wasserhähne nur knappe dreißig Zentimeter von den beiden Rän
Die Todesanzeige Die Leiche von Sachs ist im geschlos
senen Sarg dem Dresdner Krematorium zugestellt worden.
Seine Freunde, die er zur Feier seiner silbernen Hochzeit geladen hatte, kamen
seinen Diensten außer den Gestapo - Beam- dern der Mulde abstehen, wurde Sachs, der auf den Tag genau zu seiner Einäscherung sten in Deutschland . Die Männer des Sy
ten eine Reihe von Ueberläufern, die ihre frühere Tätigkeit in politischen Organisationen jetzt zum Schaden ihrer alten Parteifreunde benutzen.
aus.
beleibt war, schon beim Hineinpressen unter die Wasserleitung schwer verletzt. Er blutete und jammerte; trotzdem wurde er von den entmenschten Kerlen derart mit Wurzelbürsten geschrubbt, daß ihm die Haut in Fetzen hing.
den
Weser läßt die Prügelfolter systematisch anwenden. Dabei zeichnet sich sein Mehr tot als lebendig wurde er hernach Untergebener Geiser besonders Außer dem Genossen Schille sind drei Ge- in den Bunker geworfen. Bunker sind die nossen von uns durch Weser und Gei- berüchtigten und gefürchteten Einzelzellen, ser zu Tode mißhandelt worden. Es sind in denen der sogenannte Arrest, die DunErwin Günther, Redaktionsvolon- kelhaft, bei Wasser und Brot an tär, im Oktober 1933 im Polizeipräsi- Schutzhäftlingen vollzogen wird. Diese Bunker sind in die lichtlosen Trockenkamdium Dresden totgeschlagen; Erich Otto , Reichsbannerfunktionär, mern der früheren Spinnerei eingebaut. 28 Jahre alt, im August 1934 im Beisein Wesers im Polizeipräsidium Dres den totgeprügelt;
Am nächsten Tag wurde Sachs von den gleichen Leuten einer zweiten Scheuerprozedur unterzogen. Sie fiel noch gründ
zurecht.
Dr.sc.pol. mar Sachs
Volkswirt und Diplom- Kaufmann
geb. 23. September 1883, geft. 5. Oktober 1935 Dresden - A. 29, Sammerberg 2. Maria Sachs, geb. Meyer,
im Namen sämtlicher Sinterbliebenen. Die Einäscherung erfolgt am Freitag, dem 11. Oktober 1935, um 3/6 hr im Krematorium Tolkewitz .
Zwischen dem Todestag und dem Tage
Fritz Langhorst, Landtagsabge- licher aus, als die erste, und an dem Kör- der Einäscherung liegt eine Frist von siewar buchstäblich ben Tagen. ordneter und Gewerkschaftssekretär, per des Unglücklichen
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stems mögen glauben, daß über das Verbrechen des Reichstagsbrandes heute schon der Schleier des Vergessens gefallen sei sie irren sich, je näher und unmittelbarer die Völker die Gefahr sehen, desto schärfer werden auch die innenpolitischen Verbrechen des Systems wieder in ihr Bewußtsein treten. Sie werden sich erinnern, daß die Männer des Systems als Brandstifter ihr blutiges Handwerk begonnen haben.
Diese Brandstifter haben das deutsche Volk seines wertvollsten außenpolitischen Aktivums beraubt wir meinen das Ge
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fühl der Sympathie in allen Ländern mit einem Volke, das harten außenpolitischen Diktaten unterworfen war. Dies Gefühl ist gewichen aber nicht, weil die Völker glauben, daß das Unrecht der Diktatur