Nr. 172 BEILAGE a b Neuer Vorwärtsil

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27. September 1936

Der Selbstschutz der Freiheit

Kämpfendes Spanien- Kämpfendes Europa

den

offen aus,

Französisch- spanische Grenze, Volkes immer wieder in Gefahr sein. Es ver- spanischen Kämpfer mit ihren französi-| Man fürchtet und spricht es Mitte September. steht sich von selbst, daß diejenigen, die wir schen Gesinnungsfreunden sich in den daß mit einem Erfolge des klerikal- militä­Man blickt von hohen Bergrücken her- politisch und sozial beseitigen wollen, von temperamentvoll- übersprudelnden Unter- rischen Militarismus Spaniens   gleich­über nach Spanien  . Dörfer, Wälder und allen freiheitlichen Rechten des spanischen   haltungen keineswegs so» politisch« ausge- gerichtete Strömungen im eigenen Lande Wiesen des Pyrenäentales liegen sonnen- Volkes für immer ausgeschlossen bleiben. drückt haben. Wenn auch jeder von ihnen einen neuen und gefährlichen überblitzt in tiefem Frieden, denn hier ist Was mit schwankenden bürgerlichen unter Freiheit und unter ihrer künftigen Auftrieb erhalten würden. In nirgendwo Kampfgebiet. Ueber den Paß Schichten und den Intellektuellen geschieht, politischen Realität in Spanien   etwas an- einem Teil der Rechtspresse treten diese geht die Straße durch katalonisches Land werden wir später entscheiden. Wir werden deres verstand, so waren sie bei allen spekulativen Hoffnungen deutlich zutage. nach Barcelona  . Aber sobald man mit den auch hier sieben und rücksichtslos aus Ge- Gegensätzen in dem einen Gedanken ge- Abenteurer wie Doriot  , Zyniker wie Daudet  Menschen redet, hüben wie drüben in den sellschaft und Staat entfernen, was sich nicht eint, den gemeinsamen Feind zu schlagen, und Maurras übersteigern ihre antidemo­Grenzorten, dann wird man Zeuge eines zu uns bekennt. wo sie ihn treffen. Anarchistische kratisch- antisozialistischen Perspektiven, Erregungszustandes, der Denken und Ge- 2. Das spanische Proletariat, die Arbeiter Syndikalisten, Kommunisten wozu unzufriedene Kleinbürger, sublime fühl des kleinsten Bauern, des ärmsten und die Bauern, ist die einzige Kraft, die im- und Sozialdemokraten bekannten Intellektuelle und aufgeputschte Jugend Arbeiters hinreißend beherrscht. Man de- stande ist, die Geschicke Spaniens   in die sich innerhalb der Volksfront zu ihren ver- offen und geheim Beifall spenden. battiert vor den Häusern, in den Wirt- Hand zu nehmen. Mit der Demokratie schiedenen ideologischen Standorten. schaften, jeder Fremde wird angesprochen ist es zu Ende, so oder so. Geben wir und ausgefragt im Fieber nach Nachrich- den Klassenfeinden des Proletariats noch ein­ten, wie es steht«. Keiner spricht von sich selbst, vom eigenen Schicksal. Es ist > Politik«, die Entscheidung einer Ge­sinnung, die Männer und Frauen, auch die­jenigen, die bisher nur wenig über die Mauern ihres Hauses und über die Weg­steine ihres Dorfes hinausdachten, auf bei­den Seiten der Grenze in ein Meer von Unruhe gestürzt hat.

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>> Mythos ist heute großes Modewort. Entstellt und mißbraucht zum Schutz­schilde ordinärer Gewalt, pflegt man miẞ­trauisch zu werden, sobald versucht wird, klare geschichtliche Situationen und aktuelle politische Erkenntnisse durch Pseudo- Irrationalität zu vernebeln. Aber ebenso falsch wäre es, die Bedeutung und die Wirkung des Wunschglaubens als Mas­zenfaszination gering zu schätzen jene Entzündungen der Volksphantasie, die von der Idee und vom Glauben her die mensch­lichen Instinkte zu gewaltigen Kraftentla­dungen angespornt haben. Die breiten Mas­sen des spanischen   Volkes sind in diesem Schicksalskampf von einem solchen My­thos ergriffen, der uralt ist, um an jeder Zeitwende unter dem Druck politischer und sozialer Ereignisse erneut Berge zu ver­setzen: den Mythos der Freiheit. Vielhundertfach vernahm man das Wort auf dieser Reise. Mit blitzenden Augen, hochgerissenen Fäusten, ein übersprudelnd leidenschaftliches Massenbekenntnis bis zur Todesentschlossenheit gegen die Un­terdrücker der Freiheit, die nicht greif­bar ist und menschliche Bedürfnisse stillt wie Brot und Bett und doch im Bewußt­sein der Kämpfenden zur beherr­und Le­schenden Glaubens­bensmacht geworden ist.

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Mit Gesang zogen die Milizen über die Grenze, in fiebernder Erwartung ihres Einsatzes. Urteilte man nur nach der Ge­fühlsentscheidung, so ist die Situation höchst unproblematisch: dort die Unter­drücker, die Kirche, der Feudalismus  , die Generale mit ihren zum Waffendienst gegen das Volk gedungenen Kolonialsolda­ten, hier das spanische Volk, die bedrohte Freiheit zu schützen. Bei der politischen

Friedliche Geste

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Jeder deutsche   Emigrant, der seit Aus­bruch des Dritten Reiches   in Frankreich  

Aber machten sich hier nur spanische lebt, weiß freilich, wie schwer es trotz solcher Warnungssignale im allgemeinen ist, dem durchschnittlichen Franzosen aller sozialen Schichten aus jenem Zustande der Selbstgewißheit zu reißen, die an dem unveräußerlichen Bestand der demo­kratischen Freiheiten seines Vaterlandes nicht zweifelt. Die große Mehrheit des französischen   Volkes, so weit es bewußt politisch denkt, sieht in der französischen  Geschichtsüberlieferung, im>> Individualis­mus«<, der den französischen   Bourgeois wie den französischen   Sozialisten als geistige Grundstimmung beherrscht, einen unein­nehmbaren Schutzwall.» Wir sind keine Deutschen  , nicht an autoritäre Befehle ge­wöhnt. Ein» Führer« im deutschen   Stile wäre bei uns unmöglich. Außerdem ist in Frankreich   weithin eine populäre, Massen der hinreißende Führergestalt außerhalb Demokratie nirgendwo sichtbar.<<» C'est une autre mentalité«: wie oft hat man das in solchen Diskussionen gehört! Aber seit den spanischen Vorgängen ist eine spürbare Unruhe da. Ein bekann­ter französischer Sozialist sagte kürzlich: » Wir müssen die Zugbrücke hochziehen, ehe es zu spät ist.<<...

Der deutsche Sozialist, der mit dem Schicksal seines Landes verbunden blieb, hört aus dem Getöse des spanischen   Bür­gerkriegs noch viel mehr. Man geht mit den Kämpfern im Geiste mit, aber man bleibt von der Frage bedrückt: in welcher Gestalt wird einmal die Freiheit für Deutschland   wiederkehren? Es gibt für uns keine Freiheit, die die Grundsätze der Demokratie verleugnet, wie es jetzt im unklaren Gefühlsüberschwang in den Reihen der spanischen   Republikaner ge­schieht, denn Freiheitsidee und politische Demokratie sind für uns untrennbare Teile der gleichen Sache. Wir haben aber auch gelernt, daß es, besonders nach den Lei­denserfahrungen der deutschen   Diktatur, keine platte Wiederholung politischer und kultureller Lebensformen geben wird und geben kann. Die deutsche Freiheit durch Selbstschutz zu garantieren: das bedeutet, daß im kommenden freiheitlichen Deutsch­

und ideenmäßigen Zerrissenheit Europas   mal die Möglichkeit, sich politisch zu betäti-| Töne vernehmlich? Sind Freiheitsbegriff land manches nicht mehr SO hat man um so mehr das Bedürfnis, den gen, so bleibt die Gefahr bestehen, daß das und Demokratie nicht in ganz Europa  » frei« sein wird wie etwa im spanischen Heldenkampf auf einen solchen sozialistische Spanien   mit Unterstützung mitten in der Krise? Lange vor den Ereig- Deutschland von Weimar  , weder einfachen und klaren Nenner zu bringen. kapitalistischer Mächte angegriffen wird. Die nissen jenseits der Pyrenäen   hat in Frank- in der allgemeinen Politik, noch in der Aber bald entdeckt man, daß das Pro- gegebene und notwendige politische Form zur reich die Diskussion darüber begonnen, ob Staats- und Rechtsordnung und vielleicht blem> Spanien   genau so ver- Sicherung der Freiheit in Spanien   ist die die Institutionen der Demokratie nicht viel auch nicht einmal in der Wissenschaft, wickelt ist, wie alle übrigen Diktatur des Proletariats. stärker gesichert werden müßten als bis- wenn sie sich weigert, der Freiheit als der 3. Nach dem Siege der Frente popular   her. Innerhalb der französischen   Volks- höchsten menschlichen Lehre und Gesinnungs- und Machtkämpfe in der Welt. Wir haben es hier an der muß Spanien   eine völlige gesellschaftliche front, bei den Sozialisten noch entschiede- natürlichen Lebensform der menschlichen Grenze immer wieder erlebt. Die Kämpfen- Neuordnung im Geiste des Sozialis- ner als bei den Kommunisten, verlangt Gesellschaft geistigen Beistand zu leisten. den waren einig darin, die Freiheit von mus durchführen, in politischer Hinsicht aber man nach dem Selbstschutz der Die Wirkungsmittel der Freiheit werden etwas zu erringen und für immer zu be- zugleich den Anschluß an die westeuropäische politischen Freiheit, der jedes sich verändern müssen, damit niemals allem an Frankreich   und Einschleichen und Unter- mehr ein Despot die Möglichkeit hat, sich haupten: von der jahrhundertelangen Ver- Demokratie, vor

dann

der

sklavung durch die spanische Reaktion und seine Volksfront versuchen. Ob das noch auf minieren unmöglich macht. Das nach der taktischen Anweisung des Füh­ihren sozialen, finanziellen und militaristi  - der Grundlage des bisherigen Parlamentaris- politische und sozialistische Frankreich   rers des Dritten Reiches   zu richten:» Be­schen Bundesgenossen. Sobald aber, selbst mus nach diesem Kampfe gegen die faschi  - sieht, von der beständigen Kriegsbedro- diene dich der vorhandenen Machtmittel, in kleinem Kreise, die Frage darauf kam, stische Rebellion möglich sein wird, erscheint hung abgesehen, die innenpolitische Ge- benütze die bestehenden Einrichtungen, wie nach hartem und blutigem Kampf sehr fraglich. Wir wissen heute noch nicht, fahr, wenn zu Italien   und Deutschland   als ziehe aus alten Kraftquellen möglichst zu ob die große Mehrheit des spanischen   Volkes drittes faschistisches Land noch Spanien   großen Nutzen<<. die Freiheit für das spanische Volk verwirklichen und durch Organisationen noch für eine Demokratie alten Stiles votieren kommen sollte. Frankreich   wäre dann, mit Gedanken an der französisch- spani­und Institutionen des Staates und der Ge- wird. Wird die spanische Demokratie über- Ausnahme der belgischen und der schwei- schen Grenze die deutsche   liegt 1600 km sellschaft zu gestalten sei, da zeigte sich haupt wieder gesichert, wird sie zerischen Lücke, ringsher von Diktaturen weit entfernt! Wenn die Kämpfer für Unklarheit, Unsicherheit, Uneinigkeit. andere autoritäre Kräfte umgeben, einig in dem Willen, die franzö- Spaniens   Freiheit die Straßen passieren, als bisher. sische Demokratie unter stärkstem Druck wenn ihnen das Wort, dieses eine zündende In zahlreichen Gesprächen ergaben sich entwickeln müssen Niemals mehr darf sie die Idee der Freiheit zu setzen. Wenn jetzt von vielen gewerk- Wort immer wieder zufliegt und hochge­die folgenden Meinungsäußerungen: mißbrauchen schaftlichen und sozialistischen Stellen rissene Fäuste das Medium der Verständi­aktive Frankreichs   gefordert wird, den spanischen   gung sind, dann spürt man, daß man im übrig bleiben. Wir werden sie schonungs- solidarische Unterstützung der sozialistischen   Republikanern zu Hilfe zu eilen und gegen Anblick der Not der anderen ein Gepäck die Großgrundbesitzer, Arbeiterschaft Europas  , soweit sie noch ihre die Parole der Regierung Blum mit Waffen immer bei sich trägt, bis zum Ueber­die Kirche und ihre Klöster. Wenn das nicht politische Bewegungsfreiheit besitzt. zu versehen, so liegt darin nicht nur das schwang des Gefühls: den Gedanken an geschicht, wird die Freiheit des spanischen Es bedarf keiner Erwähnung, daß die Bekenntnis zur freiheitlichen Solidarität. Deutschland  . Andreas Howald.

ganz

1. Nach diesen Opfern, nach diesen Kämp- als Sturmleiter ihrer Feinde fen darf von dem alten Spanien   nichts mehr lassen. Dabei rechnen wir

los austilgen:

auf