Deutsdher Stoßseufzer Lieber Gott, laß mich wieder endlich human werden! In Berlin ist aus der Feder von Elisabeth Meyn von Westerholz dieser Tag ein Buch erschienen mit dem Titel»Der Allgemeine Deutsche Lehrerinnenver- ein in der Geschichte der Deutschen Mädchenschulbildung«. Der Verein, der sich gleich zu Anfang der Hitlerei radikal und devotest gleichgeschaltet hat, obwohl er einmal eine Helene Lange zu seiner Führerin und eine Gertrud Bäumer zur prominentesten Mitarbeiterin zählte, feiert nämlich sein dreißigjähriges Bestandesjubiläum. Elisabeth Meyn von Westerholz , die Ver- einshistoriographin, bekennt sich in diesem ihren Buch zu der unerhört ketzerischen Ansicht— wir zitieren wörtlich—: »daß die Humanität immer eine Zeit lang der spartanischen Kraftbildung werde weichen müssen, wie der Reichtum und die' Freiheit individueller Gestaltung der Wucht j und Macht eines geschlossenen Volkes, j Uns will es scheinen, als ob nach, Jahren herben Kampfes diei Menschlichkeit nach dem Ur-i bild der Mütterlichkeit von neuem Achtung und Geltung unter uns gewinnen sollte.« Also hat man die Menschlichkeit und das Vorbild der Mütterlichkeit einmal preisgegeben— das Eingeständnis allein ist schon interessant genug! Fragt sich nur, was der Göbbels dazu zu sagen hat.., Zum tausendjährigen Bestandsanspruch des Nationalsozialismus scheint uns allerdings dieses pater peccavi der deutschen Erzieherinnen nicht ganz zu passen, wenn man jetzt schon, nach gerade dreieinhalb Jahren, die Nase so voll von ihm hat.
Kühne, gefaßte Wörder... Der»Fortschritt« seit dem Mittelalter. Im»Westdeutschen Beobachter« liest man in einer Schilderung mittelalterlicher Gottesgerichte folgenden Passus; »Schon aus der Nibelungensage ist uns das Bahrrecht bekannt, eine erschütternde Art von Gottesgericht, das über den des Mordes Verdächtigen abgehalten wurde. Er mußte an die Leiche herantreten, sie berühren und dabei in einer Formel seine Unschuld beteuern. Kam er dabei ins Stottern oder wechselte er die Farbe, oder veränderte sich gar das Aussehen des Leichnams, dann war er dem Henker verfallen, wenn noch so vieles für seine Unschuld sprach. Kühne( gefaßte Verbrecher schnitten bei diesem Schauspiel natürlich am besten ab. Eine Welt trennt uns heute von diesen menschenmordenden Ausgeburten einer epidemischen Geistestrübung, von der auch politisch keine Volkserneuerung zu erhoffen war.« Wirklich: eine»Welt«? Die Volkserneuerung des Dritten Reiches hat bewiesen, daß der Phantasierccchtum zur Vernichtung menschlicher Existenzen über die mittelalterlichen Maßstäbe hinaus nicht unerheblich erweiterungsfähig ist. Kühne, gefaßte Verbrecher schneiden heute vor den Leichen Ihrer Opfer zweifellos noch viel besser ab als ihre Vorläufer. Sic haben die Möglichkeit, Morde unter dem hellen Jubel
In der»Historischen Vierteljahresschrift«(letzte Ausgabe) befindet sich die folgende»Erklärung« des Herausgebers: »Ein in Luzem erscheinendes Emigran- tenorgan, genannt die»Deutschen Briefe«, hat die Behauptung verbreitet, daß em früherer Versuch Walter Franks, sich in Leip zig zu habilitieren, gescheitert sei, und läßt durchblicken, daß die bevorstehende Auflösung der»Historischen Vierteljahresschrift« die Rache Walter Franks an mir darstelle. Diese Behauptung ist völlig unwahr. Walter Frank hat niemals den Versuch gemacht, sich in Leipzig zu habilitieren, und ich habe niemals versucht, ihn an einer Habilitation zu hindern. Professor Frank ist mir bis zum heutigen Tage unbekannt. Was die»Historische Vierteljahresschrift« angeht, so ist ihre Vereinigung mit der»Historischen Zeitschrift« von selten des Reichswissenschaftsministeriums angeregt worden, und zwar aus dem sachlichen Grund, weil man dort e i n großes Zentralorgan der deutschen Geschichtswissenschaft für praktisch zweckmäßig hielt. Die Verhandlungen darüber haben aber bis jetzt zu keinem Ergebnis geführt. Der Vorschlag des Reichswissenschaftsministeriums war verbunden mit der Einladung an mich, mich an der von Karl A. von Müller übernommenen»Historischen Zeitschrift« als Mitarbeiter zu beteiligen. Die Versuche reichsfeindlicher Zeitungen, die Verhandlungen Uber diese Frage durch Ausstreuung von Lügen und Verleumdungen zu vergiften, werden an dem Geist|
gegenseitiger Achtung und gemeinsamer deutscher Gesinnung, welche beide Verhandlungsteile beseelt, scheitern. Erich Brandenburg .« Man müßte schon sehr stumpfe Sinne haben, um nicht herauszufühlen, daß da wieder ein echtes deutsches Professoren-Trauerspielchen hltler-epochaler Fasson sich abhaspelt. Der Delinquent ist Herr Erich Branden burg , den jetzt der Herr»Reichswissenschaftsminister« unter Kuratel stellen will — ein Plan, gegen den zwischen den Zeilen zu remonstrieren und eventuelle Hilfe von auswärts(etwa gar von Herrn Seeckt oder Fritsch?) zu reklamieren wohl auch der Zweck, wahrscheinlich sogar der Hauptzweck dieser»Erklärung« sein dürfte... In Leipzig war Herr Brandenburg das letzte akademische Petrefakt des Nationalliberalismus gloriosen Angedenkens! So lange Karl Lamprecht noch am gleichen Ort wirkte und lehrte, der immerhin noch die starke Begabung für sich sprechen lassen durfte, blieb Brandenburg im Hintergrund. Aber dann kam der Krieg! Für Leute ä la Brandenburg war nun große Konjunktur, wie nie zuvor! Als Manager und Einpeitscher der berüchtigten»Vaterlands partei «, der Deutschland zwei volle Drittel der Schuld an seiner Niederlage und drei Drittel der Schuld am Versailler»Schmach
frieden« verdankt, sprang der Herr Professor zur Zeit der Debatte über den»Verschärften U-Bootkrieg« mit beiden Gelehrtenbeinen auf einmal in die hohe Politik... Aber er wäre eben kein Nationalliberaler von ganzem Schrot und Korn gewesen, wenn er nicht nachher, in der Republik nämlich, dennoch wieder den berühmten»Boden der Tatsachen« unter dem Sitzfleisch erwischt hätte. Sie bestand noch keine drei Jahre, diese geduldige Republik, und Herr Brandenburg trug seine Bestallung zum historischen Offiziosus von Weimars Gnaden in der Tasche: man vertraute ihm die diplomatischen Vorkriegsakten, das Archiv des Auswärtigen Amtes an. Herr Brandenburg, der neuen Aufgabe unverzagt ins Auge sehend, wußte es jetzt zu fügen, daß seinem früheren»einerseits« der natürlich völligen Unschuld Deutschlands am Kriegsausbruch jetzt ein— zwar nicht ganz so lautes— andererseits« schnöder kaiserlicher Randbemerkungen, Bülowscher Hasardimprovisationen. Tirpitzscher Explosiv-Intrigen folgte. Nur so konnte es dann freilich, nur durch ein widriges Geschick, passieren, daß ein Mann wie Brandenburg den rechtzeitigen Anschluß ans Dritte Reich eigentlich verpaßte. Was Franz Seldte in der vaterländischen Praxis wurde, wurde Herr Erich Branden burg in der vaterländischen Theorie: erschlagen von den Geistern, die er selbst gerufen hat! H. E.
ihrer Anhänger für»rechtens« zu erklären, freilich nicht in einer»epidemischen Gedstestrilbung«, sondern ausgerüstet mit allen Machtmitteln moderner rationalisierter Technik.
Der Bcnzin-B'ubo HUhnleins Erzählungen. Korpsführer Hühnlein ist zum Ehrenführer der Motor-Hitlerjugend— auch das gibt es im Hinblick auf die Schulung für den Emstfall!— unter vielen Beglückwünschungen und Danksagungen ernannt worden. Der also Ausgezeichnete hielt /eine Ansprache und sagte: »Ich stehe zur Jugend«, so fuhr er fort, »ihr gehört mein Herz. Auch bei dieser Gelegenheit will ich betonen, daß ich in der motorsportlichen Schulung nicht etwa nur ein technisches Problem erblicke, sondernvorallem die Möglichkeit, der Jugend gesteigerte geistige undsittliche Kräfte zu geben. So wird es immer mein Bestreben sein, die inneren Herzensund Gemütswerte der deutschen Jugend zu wecken und zu lösen.« Wenn der Motor knattert, wenn das Gas pufft, wenn das Gel stinkt, dann werden die geistig-sittlichen Kräfte der motorisierten Hitlerjugend endlich aus den Niederungen des einfachen Fußmarschlebens befreit. Jede
Dreckwolke ins Gesicht ordinärer Straßenpassanten entzündet frische Herzens- und Gemütswerte und steigert das Bewußtsein der Volksgemeinschaft.
Der überraggefide Gesiditspunkt In der»sozialpolitischen« Zeitschrift der Hitlerjugend —»Das Junge Deutsch land «— veröffentlicht der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Dr. Syrup, einen Aufsatz, in dem er bekennt: »Es unterliege keinem Zweifel, daß die Einführung der allgemeinen Wahrpflicht den Mangel an Facharbeitern verstärkt habe, und es sei mit Sicherheit zu erwarten, daß die Verlängerung der Dienstzeit auf zwei Jahre in gleicher Richtung wirken werde. Andererseits sei die Wehrhaftmachung ein überragender Gesichtspunkt, der alle Wünsche des Arbeitseinsatzes zum Schweigen bringen müsse.« Gerade im Kriegsfall könnten die»Wünsche des Arbeitseinsatzes« allerdings peinlich laut werden. Aber wenn Blomberg das nicht kapiert— was geht's den Syrup an? -(-++— »Verwirrend« Ein leises Gemecker »Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, daß jeder, der nach einer ge
glückten Revolution einen neu geschaffenen Zustand mit allen Mitteln festhalten möchte, well er ihn gefördert, ihm A n n e h m- lichkelten gebracht hat, auch wenn er sich noch so oft»revolutionär« nennt, auf die Dauer zum verkalkten Konservativen werden kann und obendrein in die Gefahr gerät, andere, die im Gegensatz zu ihm die logische gesunde und organische Entwicklung im Staate weiter fördern wollen, womöglich als»reaktionär« zu verdächtigen. Eine solche Begriff svei-wirrung könnte nur schaden, denn sie käme dem Zyniker, dem geschickten Jongleur mit Massenschlagwor- ten am meisten zugute. Dann fehlte nur noch, daß eine verwirrende Auslegung des Begriffes»Führer« der öffentlichen Meinung eingespritzt würde, die die kraftvolle Persönlichkeit mit dem»Inhaber der äußeren Machtmittel verwechselte!«(»Deutsche Wochenschau«.)
Ein Orden mehr Der Reichsnährstand hat eine Kartoffelkäfer-Ehrennadel herstellen lassen, die jedem verliehen wird, der auf einem Kartoffelfelde den ersten Käfer, die erste Larve oder das erste Eigelege findet. Deutsche Pressemeldung.
chen. Steigt mit gefülltem Zylinder wieder zur Bühne. Konfusius taucht aus dem Mantel empor.) Merken Sie auf, Herrschaften. Ich fasse den Zylinder, ich blase hinein, ich stülpe die Zettel in einen zweiten Zylinder, Ich schütte sie wieder in den ersten zurück —— und nun, Herrschaften, wieviele von Ihnen schrieben nein?(Alle Hände fliegen hoch. Konfusius sieht erstaunt in die Runde.) Sie leiden an Gedächtnisschwund, meine Freunde. Nahezu alle Zettel lauten auf j a, (Wirft die Zettel ins Publikum.) Ja, Uberall ja. Selten nur ein Nein. Keine 3 Prozent nein!(Donner, Blitz, Konfusius und Fridolin sind verschwunden. Dafür steht der Nestor wieder oben.) Nestor der. Zauberer: Nach den vorzüglichen Produktionen unseres teuren Ali Ben Konfusius kommen die diabolischen Bluffs unseres Kollegen Josefas Abrakadabra, der uns zeigen wird, wie ein Füllfederhalter auf Kommando alles schreibt, das Josefas ihm zuraunt, und wie--- Verzweifelte Stimmen aus dem Publikum: Und unsere Börsen?— Mein Portefeuille?— Meine letzten Spargroschen 7— Die Schätze, die Fridolin aus unseren Taschen auf die Bühne schleppte? Wo sind sie? Nestor der Zauberer: Das, meine Herrschaften, dürfte dem großen Experiment geweiht sein. Denn All Ben Konfusius Ist auch insofern ein ungewöhnlicher Zauberer, als das Weggezauberte in die Taschen seiner Besitzer nie zurückkehrt.(Gemecker des Publikums verschlingt die weiteren' Worte.) Bruno Brandy.
Der vergcblidie Kampf Kommt dem Meckerer zart entgegen.... Das SS -Organ fordert eine humanere Verfolgung der Miesmacherei. Nörgelei und Ge- rüchtmacherei habe es immer gegeben und man solle dagegen mehr Humor aufbringen. statt Staatsaktionen einzuleiten: »Man sollte einmal eine genaue Statistik darüber machen, wieviel Anklagen auf Grund von Denunziation und persönlicher Rachsucht zustande kommen. Irgend jemand erzählt am Skattisch — nur um mit seiner Kenntnis zu prunken— einen nicht ganz sauberen politischen Witz. Alle nehmen es ohne Widerspruch zur Kenntnis. Nachher entsteht darüber, wer die Runde zu bezahlen hat oder aus sonst einem persönlichen Anlaß ein Streit: und nun wird dem anderen»eins ausgewischt«. Schon ist der»Staatsfeind« fertig. Die Nachfrage bei der Polizei vor Erhebung der Anklage will der betreffende Beamte natürlich so beantworten, daß nicht der Eindruck entsteht, als habe er nichts gemerkt. Also steht in dem Bericht— es handelt sich etwa um einen Bauarbeiter—: »war bis zum Jahre 1933 in marxistischer Gewerkschaft organisiert und gilt als nicht ganz zuverlässig.«(Welcher Bauarbeiter war denn bis zum Jahre 1933 nicht freigewerkschaftlich organisiert?) Der Witz war nun wirklich nicht ganz einwandfrei. Und schon nimmt das Geschick seinen Gang.« In solchen Fällen müßten alle Beteiligten darauf hinwirken, daß nicht die ganze Schärfe des Gesetzes zur Anwendung gelange. Denn: »Es wird durch zu scharfe Verfolgung mehr geschadet als genützt, denn bei harter Strafe wird der Sünder nur verstockt, der ganze Verwandten- und Bekanntenkreis mit beeinflußt und schließlich wirklich ein Staatsfeind
daraus, während es sich bisher nur um eine dumme Aeußerung gehandelt hat. Ein kleiner Denkzettel in Form einer Geldstrafe wirkt viel erzieherischer.« Wo es sich aber um»einen allgemein verbreiteten Unsinn« handele, da sei das beste Mittel nicht die Strafe, sondern die Aufklärung: »Und hier sitzt der Kern des Problems. Wir wollen nie vergessen, daß der Natio nalsozialismus im letzten Volksgenossen verankert werden muß.« Schenken wir ihnen auch diese»Verankerung«, sie gehört nun einmal zum Hltlerschen Kauderwelsch, fragen wir lediglich, warum es ausgerechnet das»Schwarze Korps« plötzlich mit der Milde zu tun kriegt! Noch vor einem Jahre konnte man in denselben Spalten ganz andere Töne gegen die»Miesmacher« lesen. Aber inzwischen ist die Mek- kerei beträchtlich gewachsen und man muß die meisten Meckereien laufen lassen, weil sie sich in Form und Inhalt dem Terrain zu seur angepaßt haben. Man weiß mit den Massendenunziationen nicht mehr viel anzufangen, sie nehmen vor Gericht zu breiten Raum ein. Indes die Meckerei weiter blüht und gedeiht. Darum macht die SS -Zeitung aus der braunen Not eine Tugend, kokettiert plötzlich mit der Humanität und fordert andere Methoden. Die»Miesmacherei« hat einen Sieg erfochten. Heinzes Pläsiermuse Ein neudeutscher Kulturspiegel. Heinz Steguweit , einer der Allerobersten In der braunen Schreibergarnitur, ist Feuilletonleiter des»Westdeutschen Beobachters«. Hier hat er eine Rubrik einge
richtet: Kulturelle Miniaturen. Lesen wir, was der wiederholt Preisgekrönte unter»Kultur« versteht: Rheinischer Wandteller »Wer das Küssen im Dunkeln versteht, Der pfeift auf Gas und Elektrizität—!< Vom Moselwein »Und wenn ein junges Ehepaar Sehnsüchtig harrt des Erben, Die Hoffnung stets vergeblich war, Vor Kummer möchte sterben; Trink Moselwein, das nützt und frommt! Probatum est— Der Erbe kommt.« Höfliche Bitte Man wolle die Bezeichnung»Maltre de plaisir« für einen unterhaltsamen Gesellschaftslöwen doch abschaffen. Für seine Ehefrau ist es nämlich kein Vergnügen, logischerweise dadurch zur »M aitresse de plaisir« zu werden.• Durch diese Auswahl, die, wie es stets am Ende heißt,»im übrigen fortgesetzt« wird, wird bestätigt, was wir längst wußten: daß für Heinz Steguweit die deutsche Literatur eine Maitresse de plaisir ist. Sie gibt sich diesem Löwen des Geistes willig hin und er verdient dabei nicht schlecht.
So lange ewig» als... Auf der Sondertagung des N S- Studentenbundes in Nürnberg sagte Göbbels : »Es hängt von der Lösung dieser Nachwuchsfrage die Erhaltung der Idee ab, denn Ideen währen nur ewig durch die Menschen, die sie vertreten, und darum wird die nationalsozialistische Idee so lange ewig sein, als es Nationalsozialisten gibt.« Die Ewigkeit des Herrn Propagandaministers hat also immerhin Ihre Grenzen.