Alltag im Buchdruckgewerbe
Rätselhafte Staatskonjunktur
Der Hauptschlager des Nürnberger Parteitags war wiederum ein Vierjahresplan, der sich im Wesen von seinem Vorgänger kaum unterscheidet. Erst hieß es Arbeitsbeschaffungsplan und diesmal soll durch die Schaffung der Ersatzrohstoff- Industrien ebenfalls für die bald freiwerdenden Arbeitskräfte aus der Rüstungsproduktion Beschäftigung ge
Drohender Zusammenbruch
Die Hauptvereinigung der deutschen Viehwirtschaft hat angeordnet, daß vom 31. August bis zum 21. September 1936 die gewerbliche Herstellung von Rohwurst, ausgenommen Streichmettwurst nach Braun
und nicht weniger, als einen Einkommensverlust für die einzelnen von 100 bis 400 schweiger Art und das Pökeln und Spritzen RM. Wir können durchaus verstehen, wenn von Schweineschinken unterbleibt. die Gefolgschaft über diesen» neuen Anfang« alles andere als erfreut ist.<<
führer, der zum Beispiel zwei Handtücher, ebensoviel Wäschegelegenheiten und für 150 Frauen 4 Toiletten für durchaus in Ordnung findet. Das ist wohlgemerkt für die Gefolgschaft, während auf der anderen Seite, der des Betriebsführers 1 HandIn Nürnberg wurde versichert: Die letztuch, 1 Waschbecken und 1 Toilette eben- ten Reste liberalistischen Denkens sind ausfalls durchaus in Ordnung gehen.<<
gerottet worden.<< Für die Bewunderer von Das ist die viel gerühmte> soziale Ehren- Nürnberg, die sich etwa vom zweiten Vierschaffen werden. Zur Begründung der Roh- pflicht<< der Nazi- Betriebsführer. In Nürnberg jahresplan mehr versprechen sollten, als vom
stoffschlacht« schreibt die Arbeitsfront:
» Dazu zwingt uns die Tatsache, daß eine wesentliche Steigerung des Bodenertrags nicht möglich und eine wesentliche Steigerung des Exports in absehbarer Zeit kaum möglich ist.<<
wurde erklärt:
So was hats in Deutschland nur in jenen >> herrlichen Zeiten« gegeben, in die einst Wil helm II. das Volk hineingeführt hat! Die Nazis sind gezwungen ihre Kriegswirtschaft schon vorher zur Einführung zu bringen.
*
ersten, seien noch einige Bilanzzahlen bei- Die Zahl der Betriebsunfälle im >> In unserem Reich gibt es keine Ar- gefügt, die wir gleichfalls dem» Korrespon- deutschen Einzelhandel hat in den beitgeber und keine Arbeitnehmer mehr, dent<< entnehmen. wir kennen nur noch Arbeitsbeauftragte.<<
daß
durch die
1934 1935 1936
•
•
1. Vierteljahr 2.Vierteljahr
6503
5890
9
6760
6707
7669
7407
8415
7957
.
.
letzten Jahren eine beträchtliche Vermehrung Die Stuttgarter Vereinsdruckerei verzeich- erfahren. Sie betrug im: Die Berichte aus den Einzelgewerben geben net einen Verlust von 17.778 RM, der Verlag Der Glaube, durch eigene Ersatz- Rohstoff- ferner Auskunft, wie sich sozialpolitisch der> Germania « in Berlin hat nach Abschreibung 1933 erzeugung genügend neue Arbeitsmöglich- Besitzwechsel der Betriebe im Dritten Reich der alten Schulden in Höhe von 110.000 RM keiten zu schaffen, wird bereits unmittelbar vollzieht, der gewaltsame einen Neuverlust von 42.900 RM erlitten. nach dem Parteitag von dem Reichswirt- Entfernung jüdischer Inhaber Der Gesamtverlust wird in der neuen Bilanz schaftsminister Schacht selbst erheblich er- besonders häufig geworden ist. Man müßte mit 103.626 RM angegeben. Die Deutsche schüttert. Der ihm nahe stehende» Deutsche annehmen, reinrassige nordische Be- Zentraldruckerei in Berlin hatte einen VerVolkswirt<< stellt fest, daß große» technische triebsführer ganzen Ehrgeiz darein lust von 55.000 RM. Schwierigkeiten« für die Durchführung des setzen, vorbildliche freiwillige soziale Lei- Die außerhalb der Rüstungsproduktion Programms bestehen, weil es an den dazu stungen und den echten» Leistungslohn« ein- stehenden Gewerbe geben heute bereits ein nötigen Rohstoffen und Kapitalien mangelt. dürfen von den Bild von der Wirklichkeit der Wirtschaft im Der alte und der neue Vierjahresplan zei- Nürnberger Festtagen keine Folgerungen auf Dritten Reich , die Rüstungsbetriebe haben das und älteren Kinder von Familien, die gen dasselbe Experiment. Ohne an den kapi- den grauen Alltag gezogen werden. Natür- gleiche Schicksal zu erwarten, wenn der Be- Erwerbslosen- oder andere Unterstützung betalistischen Grundlagen der deutschen Wirt- lich bringt der arische Neuling sofort eine darf der Wehrmacht befriedigt sein wird und ziehen, zwangsweise an die Bauern Betriebsordnung, aber schaft rütteln zu dürfen, soll der kapitalisti - neue die das Gespenst der Arbeitslosigkeit sein Unheil zur Verrichtung von Landarbeit
ihren
zuführen. Aber auch hier
Im Jahre 1932 hatte die Zahl der Betriebswar sie auf unfälle 26.095 betragen. 1935 32.434 gestiegen.
Im Kreis Jerichow II werden die Frauen
sche Konjunkturrhythmus durch einen Vier- Freude darüber, wird, wie der» Korrespon- verbreitet. Der Vierjahresrhythmus, in dem die verschoben.> Frauen, die zu schwereren jahresrhythmus der künstlichen Staatskon- dent« schreibt, gründlich versalzen, wenn die Pläne zu Papier gebracht werden, ist zwar Arbeiten nicht herangezogen werden können, junktur abgelöst werden. Die Nazipresse kom- Gefolgschaft erfahren muß, ein williges Objekt für den Nazi- Rundfunk, finden im Haushalt oder für Arbeiten auf den mentiert,» eine Konjunktur lebt >> daß mit der Einführung der neuen Be- aber nur vom er beschleunigt den wirtschaftlichen Höfen Verwendung.<< Die Aktion soll noch triebsordnung auch» neuer Anfang« Niedergang. Beim ersten Vierjahresplan konn- ausgebaut werden. So sollen bei der KartoffelWillen des Staates, also immer.<< Merkwürdig für die Entlohnung gemacht werden bleibt nur, daß die Männer vom» deutschen soll. Der>> neue Anfang« bedeutet, daß die ten seine Erfinder noch hoffen, die von der ernte, die armen unterernährten Kinder zum Sozialismus« den Staatswillen sofort wieder Löhne auf den Tarifmindestlohn Republik übernommene Wirtschaft notdürftig Kartoffelroden herangezogen werden. an das Profitsystem des Kapitalismus anpasherabgesetzt werden. Gefolgschafts- zu erhalten, beim neuen Vierjahresplan geht Frondienste und Ferienraub an mitglieder, die 10, 15 Jahre lang im Besen, wenn es sich um den Lohn handelt. Die es, wie die Nürnberger Proklamation besagt, Kindern, das ist die Sozialfürtriebe, am gleichen Arbeitsplatz, den sie sog. Lohnstabilisierung wurde bereits im er- auch beim neuen Betriebsführer beibehal- um» Sein oder Nichtsein«. Das Dritte Reich sorge der Nationalsozialisten! sten Vierjahresplan peinlichst durchgehalten. ten, tätig sind und die sich durch Treue soll vor dem drohenden wirtschaftlichen Zuund Leistung den Leistungslohn erworben sammenbruch gerettet werden, Seit Nürnberg 1936 ist jede Steigerung der das ist das Behutsam haben, sollen bei gleichbleibenden AnfordeReallöhne in unabsehbare Ferne gerückt. Rätsel des Parteitags von Nürnberg und nicht rungen diesen Leistungszuschlag zum MinDem Unternehmertum wird durch> politi- destlohn verlieren. Das bedeutet nicht mehr das einzige. schen Befehl« eine Binnenkonjunktur verabreicht, für den Lohnarbeiter dagegen gelten weiter die privatkapitalistischen Wirtschaftsgesetze von den Gestehungskosten.
Die sog. Wirtschaftsbelebung reicht auch nicht weiter, als der Arm dieser Staatskonjunktur. Gewerbe, die nicht mit Rüstungswechseln beglückt werden können, stehen außerhalb der Vierjahrespläne. So zeigen die sehr spärlichen Berichte der Reichsbetriebsgemeinschaft für das Buchdruckgewerbe bei aller Vorsicht der Formulierung einen ständigen Niedergang. Der Korrespondent« schreibt im August vorsichtig:
> Im allgemeinen lassen die Berichte für das graphische Gewerbe nach den ersten Monaten des Jahres eine gewisse Stockung erkennen.<<
> Im Berliner Buchdruckgewerbe war der Auftragseingang mäßig, teilweise sogar abnehmen d. Auch die Lage der sächsischen Druckereien war nicht günstig. Die Betriebe waren, nach wie vor, nur zu etwa 45 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit beschäftigt.<<
Die September- Ausgabe teilt mit, daß für Berlin die Arbeitsgelegenheit infolge der Olympiade vorübergehend günstiger gewesen ist. Dagegen waren nach dem Bericht der Reichsarbeitlosenanstalt am 31. Juli 1936 noch 17.349 Arbeitslose vorhanden.
> In Pommern blieb die Lage ungünstig.. in der Nordmark war es in den Sommermonaten ruhig... Auch in Niedersachsen kam es nur vereinzelt zu Neueinstellungen. Im Rheinland trat keine wesentliche Veränderung ein. Ebenso war der Geschäftsgang in Hessen still. In Mitteldeutschland ergaben sich bei sonst ruhiger Lage vereinzelt Vermittlungen.<<
Auch die weiteren Berichte reden von >> schwankend«,» wenig verändert«,» geringe Entlastung usw. Allgemein wird schließlich über> gewisse Schattenseiten« im Gewerbe
geschrieben:
» Die Erfahrungen der letzten Jahre beweisen, daß die Betriebsführer unter Beibehaltung eines bestimmten Stammes von Gefolgschaftsmitgliedern nur zur Bewältigung von Stoßaufträgen Arbeitskräfte einstellen. Nach Beendigung der Stoßaufträge werden diese Kräfte arbeitslos. Das bedeutet lie Verlängerung der Arbeitsosigkeit ins unendliche und gleichzeitig die Degradierung einer hochstehenden Arbeiterschaft zu Gelegenheitsarbei
tern.<
So sieht der Alltag in einem Gewerbe aus, daß außerhalb der staatlichen Rüstungskonjunktur liegt.
Die Buchdrucker untersuchen in ihrem Fachblatt auch die» Schönheit der Arbeit. Da Papier eine besonders saubere Angelegenheit ist, müßten die Papierfabriken Musterbetriebe sein.
» Leider aber fanden wir die wünschenswerten Verhältnisse nicht an der Saale ( der Betrieb liegt in Halle), sondern nur einen verbindlichst lächelnden Betriebs
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angewandte Phrase
> Es läßt sich nicht leugnen, die Verwendung der Worte liberal, liberalistisch, Liberalismus wird in steigendem Maß als phrasenhaft empfunden. Sie stehen in Gefahr, die Symbolkraft zu verlieren.... Soll der Ausdruck den Zweck erfüllen, in dem Angeredeten eine Vorstellung zu erwecken, die ihn befähigt, das Gemeinte überall dort auch wirklich zu erkennen, wo es ihm im Leben entgegentritt, so wird man ihn behutsamer anwenden müssen, als es bislang geschieht. Es wird gut sein, ihn so oft als möglich durch deutsche Worte zu umschreiben. Anstatt z. B. von einer liberalen Pädagogik zu sprechen, sollte man sich jedesmal die Mühe machen, das gerade Gemeinte deutsch zu bezeichnen, also etwa einer wertfreien, ordnungsfeindlichen, zucht- und haltungslosen, zerfahrenen, unorganischen oder abstrakt geistigen Erziehung reden.<<
(> Wille und Macht<)
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Sozialdemokratisches Wochenblatt
Herausgeber: Ernst Sattler ; verantwortlicher Redakteur: Wenzel Horn; Druck:> Graphia<; alle in Karlsbad . Zeitungstarif bew. m. P. D. Zl. 159.334/ VII- 1933. Printed in Czechoslovakia .
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