Nr. 192 BEILAGE

die ganze soll.<

Neuer Vorwärts

14. Februar 1937

Die» Elite der Nation«<

SS- Wachtgruppe im Konzentrationslager Lichtenburg: Korruption Diebstahl Unterschlagung Mißstimmung Selbstmorde

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>> Die SS ist in ihrer Art etwas derart er zurückkam, mußte ich ihm Spargel vertrat, schon immer mächtig unterschlagen.,>> Schnüffler<< so sagten die Wachtruppen. Einmaliges und Gewaltiges, oft bis zu zehn Pfund, Salat, 200 Mark dürfte er im Monat Ihnen verbarg die Lagerleitung die aus daß sie als Keimzelle und Kraftquelle auf dem Wege vorangehen muß, den einmal auch Steckpflanzen, Gurken oder durch falsche Buchungen» ver-» altem und gestelltem Material< angefertig­deutsche Nation beschreiten Erdbeeren einpacken. Die Waren wur- diente haben, aber Ludwig machte ihm ten Prachtgegenstände. Ich mußte auf Ge­den von Schutzhäftlingen in Körben natürlich die Mauer, und die>> Bücherrevision< heiß des Arrestdiensthabenden über dem herbeigeschafft und waren stets durch an- fiel entsprechend aus. Ganovenehre! Spion der Zelle 36. das ist ein Sehloch dere, nicht auffällige Erzeugnisse verdeckt. Allerdings hatte Ludwig selbst allen Grund, einen Nagel einschlagen und daran eine ( Ebenso handelten andere SS  - Führer, u. a. die wahren Zustände in der Photostube zu Häftlingsmütze aufhängen. So konnte Oberscharführer Scharer.) verheimlichen, denn er vertrat den Kössing keiner sehen, was der Raum barg. Ich Obgleich von der Kommandantur ver- ja in jeder Weise- auch beim Stehlen. Zu hatte strengen Befehl, die Zelle boten war, Motorräder ins Lager zu mir sagte er, wenn der Kommandant den 36 keinesfalls zu zeigen. Nach der » Schnüffler< ordnete die bringen, fand Ludwig doch immer Gelegen- Bericht bemängle, könne er noch immer die Abreise der

Das Schwarze Korps<, Jahrgang 1936, Folge 45. Wir brachten in unserer vorigen Num­mer Aufzeichnungen eines entlassenen po­litischen Häftlings aus dem Konzentra­tionslager Lichtenburg. Heute set­zen wir die Veröffentlichung fort und drucken

jenen Teil des Berichtes, der sich mit der moralischen Beschaffenheit der SS­Wachmannschaft und ihrer Offi­ziere befaßt.

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Die Wachmannschaften der Konzentra­tionslager haben angeblich die Aufgabe, die inhaftierten politischen Gegner ziehen<<, sie im Geiste Hitlers  

zu» er­zu>> schu­len«. Man sollte meinen, es läge ihnen also daran, den Gefangenen zu zeigen, daß die Nationalsozialisten moralisch hochstehen­dere Menschen seien als die Marxisten, als das sogenannte Untermenschentum. Ich

Manchmal

ein

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Tierquälerei

gleichfalls nur auszugsweise heit, seine» Standard«-Maschine durch die Ausrede brauchen, er sei Fleischer Lagerleitung an, daß die Möbel in die Werk­Hauptwache zu schmuggeln. Kamen Von dieser und verstehe von Buchführung stätten zurückgebracht wurden. Maschine wußten die ältesten wieder unerwünschte Gäste, so begann das Häftlinge nichts. übrigens zu erzählen, sie stamme aus einem Spiel von neuem. Ein Rottenführer Waggon von der Gestapo   beschlag­All das waren keine Einzelerschei Der Rottenführer Herbert Waßmut- nungen. Ob Ludwig oder Thieme, Kössing nahmter Motorräder. Ludwig ließ in den versteckten Räumen des Arrests, über Torgau  , der als Stenotypist im Lager ar- oder Schmidt, Waßmut oder Zarradnik, der Kommandant den er die Aufsicht führte, von den Ge- beitete, war Spezialist für Fahrrad die b- Breuning oder Schäfer, stähle. Er» organisierte« auf diesem Ge- oder der Rechnungsführer alle waren von fangenen alle Reparaturen an seinem biet im großen. Fahrräder von SS  - Leuten, der gleichen Raubsucht beherrscht. So sah Rad ausführen, er bestellte Elektriker Elbe  < und Mechaniker, Maler und Dre- die auswärts Dienst hatten, verschwanden der» Totenkopfsturmbann her. Da solche Arbeiten aus dem Schuppen, W a ẞmut verkaufte verboten waren, aus, der die Besatzung des Lagers Lichten­oder verlieh sie für Geld an seine burg bildete. mußten die dazu gezwungenen Häftlinge immer damit rechnen, eine Arreststrafe schwarzen Kameraden. habe fast ein Jahr in enger Ge- dafür zu bekommen. Selbstverständlich gab nahm er die Räder auch auseinander, fügte Zur Lust am Stehlen kam die Lust am es für den geleisteten Dienst kein Wort des hier und da einen unbrauchbaren Teil Dankes. Auch Brennstoff und stellte aus den so gewonnenen Materia- Quälen. Sie wurde nicht nur an den Ge­lien» fast neue« Räder zum Verkauf fangenen ausgetobt, die Furchtbares erdul­her. deten. Auch Tiere waren willkommene Ob­jekte. So wird der in der SS- Küche be­Aber so trieben es alle schäftigte Schutzhaftgefangene Schmidt vom Wer immer es sein mochte, ein jeder Küchenchef, dem Scharführer Schmidt, auf­unter den Angehörigen der Wach- gefordert, le bendige Schleien in truppe war bestrebt, sich auf siedendes Wasser zu werfen. Kosten der Allgemeinheit er sich weigerte, diesen Befehl auszuführen, insbesondere der Gefangenen erfolgte seine sofortige Ablösung und zu diesem harten Urteil, sondern mein naher zu bereichern. Schuhe und Kleidung Versetzung zu den Abortreinigern. persönlicher Umgang mit ihnen, zu dem ich >> erwarb< die SS mit möglichst wenig Un- Derselbe Scharführer Schmidt stellraum für Motorräder füllte ich dann den als Arrest kalfaktor in besonderer kosten. In vielen Fällen z. B. lauteten die war von einem fanatischen Haß gegen Inhalt des Eimers in Ludwigs Maschine und Weise gezwungen war. Sie schreckten weder Bestellscheine auf Vorschuhen der Katzen erfüllt. Einer seiner Kameraden, wurde von ihm unter Abgabe der gleichen Stiefel«<, die Schuhmacher jedoch mußten der damalige Rottenführer Schumann, besaß vor Urkundenfälschung noch vor Meldung sofort zurückgeführt. Betrug, weder vor Diebstahl noch vor Aber damit Die Schuhmacherei arbeitete Unterschlagung zurück. nicht genug: sie zwangen auch die für Ludwig.

meinschaft mit 600 SS  - Männern leben müssen, ich kenne sie betrunken und nüchtern, in ihrem Denken und Han­deln, ich habe sie beim Stehlen und Be­trügen, beim Schinden und Tot­schlagen gesehen, und ich weiß, daß ihnen nicht einmal an dem Schein eines vorbildlichen Lebenswandels, einer vorbild­lichen Geisteshaltung gelegen ist. Nicht Vor­

eingenommenheit gegen die SS bringt mich

und Oel  wurden» organisiert«. Befand sich die Ma­schine nicht innerhalb des Lagers, dann schüttete der Arrestdiensthabende den Treib­stoff in einen Eimer, deckte diesen mit einem Lappen zu, drückte mir den Scheuerbesen in die Hand. Ausgerüstet mit Trichter, Eimer und Schrubber, mußte ich in Begleitung

Ludwigs die Hauptwache passieren. Dort

meldete er:» Ein Posten und ein Ge­

fangener zum Scheuern!<< Im Unter­

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und

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Weil

vollkommen neue anfertigen. Woher eine hübsche, schwarzweiße Katze. Sie hielt oft sie das Material nahmen und ob sie für den sich größtenteils im Arrest auf. Wir alle Er brachte gleich sechs Diebstahls ins Arrest gingen, war ihre Sache. hatten das Tier recht gern, fütterten und Gefangenen zu den gleichen Ver- Paar Schuhe an, darunter solche seiner In den Handwerkerbetrieben besonders in pflegten es. Eines Tages ist sie verschwun­Frau, derart heruntergerissen, daß ich der Tischlerei stellten die Gefangenen den und kehrte nie wieder. Rottenführer

gehen.

modern binden, ließ

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und

Tischlerei für sich arbeiten stehlen zu lassen. Alle Gegenstände, die er für seinen Haushalt oder als Geschenk >> rasch<< benötigte, bezog er auf diese Weise umsonst: Tabletts und Bügelbret­ter, Schreibzeuge kästen, Briefmarkenkassetten und Geldkästchen vielseitig waren

und

Näh­

Arresthölle.

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zur

mußten

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dann das Schreien der Tiere, hörten

an

die Schwänze

aber erlebte ein Einschreiten der Lagerleitung.

Geistige Stumpfheit

Ein besonderes Merkmal der Wachmann­die geistige Minder­

be­

Es sollen hier nur einige Fälle geschildert mich geschämt hätte, sie einem Handwerker ganze Zimmer- und Wohnungs- Schumann teilte mir einige Tage später mit, werden. Die Liste der Diebe und Betrüger zu übergeben. Die in der Schuhmacherei be- einrichtungen her, und zwar für den daß er unterrichtet sei, wie die Katze vom in schwarzer Uniform ließe sich beliebig ver- schäftigten Häftlinge mußten Leder und Kommandanten ebenso wie für die Scharführer Schmidt halbtot geschla­längern, denn diejenigen aus der Bewachungs- sonstige Materialien Wie anderen» Führer< bis hinunter zum Rotten­gen und dann von ihm in das offene mannschaft, die sich nicht in skrupelloser der herstellung aus den Lager- führer. Sie schufen aus alten Möbelstücken Feuer des Küchenherdes gewor­Weise bereicherten, bildeten eine verschwin- beständen stehlen, falsche modernste Schreibtische, präch- fen wurde. dende Minderheit. Buchungen machen. Wehe, wenn sie sich ge- tige Schränke, fertigten Näh- Oft veranstalteten die Angehörigen der weigert hätten! Uebrigens nahm kein SS- und Spieltische an, stets mit Ein Kompagnieführer den Wachtruppe unter dem Schutze der Nacht Mann daran Anstoß, auch nicht der Werk- herrlichsten vielfarbigen Fournierein Jagden auf Katzen. Wir vernahmen Kompagnieführer Breuning hatte die meister des Betriebes, Scharführer lagen, bauten Kinderstühle und Buchbinderei unter sich. Dort ließ er Zarradnik( Wien  ). Es ist so Brauch. Klubsessel. Die Bestellzettel trugen das Klappern der Blechbüchsen, seine und seiner Freunde Bücher neu und Und in der Fertigkeit, das Fehlen größerer wohl den Vermerk:> Aus altem oder die ihnen die Schwarzen Familienbilder und Leder- oder Stoffmengen zu vertuschen, sind gestelltem Material. Aber das war banden, fanden sie am nächsten Tage zer­Sportdiplome aus seiner Jugend, die viele, die>> Erzieher« der Gefangenen wahre Mei- nur ein Vorwand. In Wahrheit waren auch viele Jahre unbeachtet gelegen hatten, ein- ster. Gab es keinen anderen Weg, so wurden hier die Häftlinge zum Stehlen gezwun- nem Fell in irgendeinem Winkel. Keiner schlagen mit heruntergerisse­rahmen. Außerdem benützte er seine Stel- eben die Gefangenen des Dieb- gen. So brachte z. B. der Nachfolger des lung als Kompagnieführer dazu, die Gefan- stahls bezichtigt. Irgendein in der Rechnungsführers Kraus einen Schrank, der genen in der Schuhmacherei und in der Schuhmacherei beschäftigter Häftling so die frühere Armut des Besitzers erschreckend Schneiderwerkstatt, in der Photo- z. B. Paul Männchen, Halle wanderte dann zeigte. Aus diesem» gestellten Material<< er­stube, in der Wäscherei und in der für 21 oder mehr Tage in die stand ein in Birke   gehaltener, 1.80 m breiter Wäscheschrank. So ließ der schaften war Auch in der Küche wurde tüchtig ge- Kommandant Bananowski einen wertigkeit und Stumpfheit. Viele stohlen. Ludwig der in meiner nächsten alten Schreibtisch zum Diplomaten- SS  - Führer und-Unterführer konnten kaum Nähe arbeitete und den ich deshalb am schreibtisch umbauen. Er, der früher schreiben, geschweige denn rechnen oder besten beobachten konnte brachte täglich nie ein Herrenzimmer besessen hatte, gar einen Bericht formulieren. Einmal das Abendbrot für seine Familie in den erhielt die Möbel für ein solches im Lager absichtigte der Arrestdiensthabende Ludwig Arrestkeller, vier bis fünf Portionen hergestellt. eine Strafmeldung gegen den Arrest­Wurst, Butter, Fett, Käse, Gur­Anfang August 1936 ließ die Lagerver- gefangenen Fischbock zu erstatten. Ich sollte ken, Tomaten usw. Er sagte mir: waltung plötzlich alle Möbelstücke, die sich die Anzeige schreiben, unterließ es aber. Als Noch ein Kompagnieführer Die können daneben stehen, ich in den Werkstätten in Arbeit befanden, in ich am frühen Morgen in die Dienststelle Vom gleichen Schlage war Kompagnie  - klaue ihnen doch, soviel ich will den Arrestkeller befördern. Durch kam, saß Ludwig führer Ludwig, der sich übrigens auch als Brot kaufte er sich während der sechs Mo- zwei Eingänge kamen die Lackierer, die schmierter Zettel und» arbeitete< Menschenschinder besonders hervortat. Hem- nate, die ich mit ihm leben mußte, über- Tischler und Polsterer und schleppten fertige Meldung. Bisher waren die Ver­mungslos organisierte« er alles, was haupt nicht. und halb vollendete Einrichtungsgegenstände suche erfolglos gewesen. Er zur Bestreitung seines Haushaltes und seiner Neben der Arrestaufsicht verrichtete herzu. In ganz kurzer Zeit war die brachte es einfach nicht fertig, persönlichen Bedürfnisse nötig oder gerade Ludwig vertretungsweise Dienst für den Lei- Zelle Nr. 36, ein Raum für 20 Mann, solch ein Schriftstück abzufas­zu erlangen war.> Organisieren< ter der Photostube, Rottenführer Kös- vollgestopft mit Flurgardero- sen. Auf diese Weise unterblieb die An­das bedeutete in der SS  - Ganovensprache  : sing. Ludwig ließ alles, was in seinem ben, Kinderbetten, Schreib- und zeige. Der Kompagnieführer Hinkel­Stehlen.( Vielleicht leitete sich der Aus- Haus und in seinem Freundeskreis lebte, auf Nähtischen, Gartenmöbeln und mann konnte nicht einmal die Eintragun­druck von der nationalsozialistischen» Neu- die Platte bringen. Die unzähligen Aufnah- Lehnstühlen, Kleider- und Bücher gen in das Arresttagebuch machen, die von organisation<< der Gewerkschaften und ande- men, in größtem Format, auf bestem Papier schränken. Es herrschte ein wüstes mir vorgeschrieben waren. Vier bis fünt rer sozialistischer Arbeiterinstitutionen her.) und Karton teilweise äußerst geschmack- Durcheinander. In den Räumen des Ar- Zeilen enthielten 15 bis 20 Feh­Ludwig paẞßte seine amtlichen Verrichtungen los sind nie verbucht, nie bezahlt restes, die zu betreten nur wenigen gestattet 1er. Rottenführer Schumann erzählte mir. seinem Raubbedürfnis an. Sie bildeten den worden. Wieder mußte ein Schutzhäftling war, kamen und gingen jetzt die Handwer- daß die Angehörigen der Wachtruppe Frage­Deckmantel für Diebstähle in Küche für seinen Peiniger stehlen. Eines Tages| ker, arbeiteten dort an ihren Werkstücken| bogen über ihre Abstammung erhielten. und Garten, bei der Tankstelle, in ordnete der Kommandant Bananow  - weiter. Die ordentlichen Betriebe aber waren Hinkelmann ließ das Formular liegen. den Werkstätten der Schuhmacher und ski eine Revision der Bücher an und be- wie ausgefegt. Die Oberen im Lager alle Aufforderungen der Kommandantur er­Schneider. Führte er Gefangene zur Frei- auftragte mit der Prüfung aller Unterlagen schwärmten wie die Bienen herum. Was war folglos blieben, erteilte der Lagerführer stunde in den Garten, so machte er sich an den Betrüger Ludwig. Nun hatte geschehen? Eine Besichtigungs- Remmert dem Rottenführer Schumann der den Leiter der Gartenarbeiten heran. Wenn zwar Rottenführer Kössing, den Ludwig kommission war eingetroffen. Auftrag, gemeinsam mit» Ede« Hinkelmanı

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seine Wünsche und Aufträge.

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vor einer Anzahl be­an der

Als