mationen über den Stand der Dinge in der Partei und über das Schicksal der Genos­sen in den Gefängnissen und Verbannungs­orten aus; zuweilen1 veranstaltete man Geldsammlungen zu ihren Gunsten; hin und wieder kritisierte man die besonders verhaßten Gegner. Damit war aber auch ihre politische Aktivität erschöpft. Irgend­eine Tätigkeit in der gesellschaftlichen Umwelt versuchte man fast gar nicht aus­zuüben. Eis sei denn, daß hin und wieder jemand von ihnen in einer wissenschaft­lichen Gesellschaft ein Referat hielt oder bei einer Veranstaltung über die Partei­geschichte seine geschichtlichen Erinne­rungen zum besten gab. Die Tatsache der Existenz solcher Herde»ideell nicht entwaffneter Oppo­sition« bildeten kein großes Geheimnis. Auch die örtliche Abteilung des Innenkom­missariats duldete sie, wie in früheren Zeiten die zaristische Polizei die Kolonien ehemaliger Verbannter duldete, die in der Stadt ihr Sonderdasein führten, ohne sich mit der Bevölkerung zu verschmelzen. Auf dieses Milieu stürzte sich nun A g r a n o w mit allen seinen Talenten, nachdem er den Auftrag erhalten hatte, es möglichst ein­gehend zu»untersuchen«. Weit schwieriger war die zweite Auf­gabe, die Agranow zugewiesen war. Die Revision der Leningrader AbteUung des Innenkommissariats stellte fest, daß seine leitenden Persönlichkeiten genügend über die Stimmungen Nikolajews und sogar über seine Sympathien für den Terror unter­richtet waren. Zügellos und nervös sprach er nicht selten ganz offenherzig selbst in Anwesenheit wenig bekannter Personen über die gefährlichsten Dinge, und bei uns ist die Bespitzelung so gut organisiert, daß auch oppositionelle Bemerkungen, die selbst im Kreise von drei bis fünf nahen Freunden gemacht werden, alle Aussichten haben, denen zu Ohren zu kommen, die über diese Dinge zu wachen haben, Uebcr Nikolajew kam ihnen sehr vieles zu Ohren. Unter diesen Umständen erscheint es voll­kommen unbegreiflich, wie man ihn in der unmittelbaren Nähe Kirows dulden konn­te, wo der persönliche Schutz der»Füh­rer« bei uns doch so gut organisiert ist! Eis war deshalb unbedingt notwendig, daß die Angelegenheit von einer anderen Seite beleuchtet wurde. Von welchen Motiven Nikolajew selbst geleitet war, ging aus den Dokumenten klar hervor; weit wichti­ger jedoch war es, festzustellen, ob in die­sem Falle nicht eine direkte Förderung seitens derjenigen Personen vorlag, zu deren Obliegenheiten es gehörte, ein Atten­tat zu verhindern. Wer war an der Besei­tigimg Kirows unmittelbar vor seiner Uebersiedlung nach Moskau interessiert? Gab es keine Fäden, die von diesen Perso­nen zu dem oder jenem Leiter der Lenin­grader Abteilung des Innenkommissariats führte? Es ist anzunehmen, daß eine in dieser Richtung geführte Untersuchung recht viel interessantes Material zutage gefördert hätte. Gespräche über dieses Thema habe ich nicht gehört. Denn bei uns hat man Uberhaupt aufgehört, Ge­spräche zu führen, insbesondere über so gefährliche Themen. Aber Andeutungen, daß derartige Vermutungen bei vielen auf­getaucht seien, hört man noch jetzt; in den Dezembertagen 1934 ist plötzlich das Interesse für den Prozeß über die Ermor­dung des Ministerpräsidenten Stolypin sehr rege geworden, der mit dem Fall Kirow viel Aehnlichkeit aufweist») Alle diese Fragen wurden von der Un­tersuchung nicht aufgerollt Jedenfalls ging die besondere Aufmerksamkeit der Un­tersuchungsbehörden in einer ganz ande­ren Richtung: wenn die Untersuchung Uber die»Mitverschworenen« sich von Anfang an in eine Untersuchung über die Zirkel der Leningrader Oppositionellen verwandelte, so verwandelte sich die Un­tersuchung über die Leiter der Lenin­grader AbteUung des Innenkommissariats sehr bald in eine Untersuchimg der Frage, weshalb sie die Oppositionellen»geduldet« und ihnen gestattet hatten, in Leningrad zu leben, in der Presse mitzuarbeiten, in Versammlungen aufzutreten, etc. Zu ihrer Rechtfertigung beriefen sich die Ange­schuldigten auf die mündlichen und schrift­lichen Verfügungen Kirows, der, ge­leitet von seinen allgemeinen politischen Erwägungen, für alle möglichen EMoich- tenmgen gegenüber den früheren Opposi­tionellen eintrat und im Innenkommissariat vorschlug, sie nicht durch überflüssige Beschränkungen zu erbittern. Diese Hinweise entsprachen vollkom­men den Tatsachen. Es muß gesagt wer- ) stolypin wurde seinerzeit von einem Spitzel der Ochrana , der zaristischen Ge­heimpolizei, ermordet. Red. d.>N. V.«

den, daß KSrow!n«Jen letzten Jahren überhaupt die Neigung zeigte, ähnlich wie seinerzeit Sinowjew , Leningrad in ein selbständiges literarisch-wissenschaftliches Zentrum zu verwandeln, das auf dem Ge­biet der literarischen und wissenschaft­lichen Produktion mit Moskau konkurrie­ren konnte. Deshalb förderte er mit allen Mitteln die Verlagstätigkeit in Leningrad , schuf sowohl in materieller wie in zensu- reller Hinsicht günstige Bedingungen für die Existenz von Zeitschriften, protegierte die Tätigkeit wissenschaftlicher Gesell­schaften etc. Daß ehemalige Oppositionelle zu diesen Arbeiten herangezogen wurden, wurde von Kirow ebenso gefördert, wie in früheren Zeiten die Heranziehimg von Ver­bannten zur wissenschaftlichen Unter­suchung der sibirischen Randgebiete durch liberale Provinzgouverneure. Die Parallele mit jener Zeit war auch in dieser Hinsicht richtig. In seinem»Liberalismus« ging Kirow sogar so weit, daß er einem so ver­stockten»Sünder« wie Rjasanow im März 1934 gestattete, nach Leningrad überzu­siedeln. Was konnten unter diesen Umstän­den die Leiter der Leningrader Abteilung des Innenkommissariats tun, wenn sie von ihrem unmittelbaren politischen Führer, einem der einflußreichsten Mitglieder des Politbüros, der Tür Leningrad mit der gan­zen Fülle der Sowjetgewalt ausgerüstet war, direkte Anweisungen erhielten? Anfang Dezember war die Untersuchung so weit gediehen, daß dem Politbüro ein zusammenfassender Bericht erstattet wur­de. Dieser Bericht wurde zusammen mit der Frage erörtert, welche politischen Schlußfolgerungen aus dem Attentat Niko­lajews gezogen werden müßten. Der Kampf um Stfalin Sie werden verstehen, daß mich immer wieder die Frage interessierte, welche Stel­lung Stalin selbst bei allen diesen Aus­einandersetzungen einnahm. Der Kampf, der seit dem Herbst 1933 in den Spitzen der Partei geführt wurde, unterschied sich wesentlich von allen frühe­ren Konflikten innerhalb unserer leitenden Spitze, Wenn früher alle Oppositionen ge­gen Stalin gerichtet waren und dafür ein­traten, daß er vom Poston des Hauptfüh­rers der Partei beseitigt werde, war jetzt von einer solchen Beseitigung auch nicht einmal andeutungsweise die Rede. Die Gruppierung vollzog sich nicht unter dem Gesichtspunkt für oder gegen Stalin, denn alle ohne Ausnahme wurden nicht müde, ihre volle Ergebenheit ihm gegenüber zu unterstreichen. Eis wurde vielmehr ein Kampf um den Einfluß auf Sta­ lin , sozusagen ein Kampf um seine Seele geführt. Die Frage, nach welcher Richtung er sich im letzten Augenblick entscheiden würde, blieb immer offen, und da von die­ser Entscheidung Stalins die Politik der Partei in der nächsten Periode abhing, strebten alle danach, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Bis zur Ermordung Kirows hielt er sich sehr reserviert: einmal unterstützte er die Vertreter des neueren Kurses, dann wieder hielt er sie zurück. Ohne sich mit ihnen direkt zu liieren, trat er gleichzeitig auch nicht als ihr Gegner auf. Er be­schränkte die Zahl der ihm täglich erstat­teten Berichte auf ein Minimum, schloß sich häufig in sein Arbeitszimmer ein und ging stundenlang mit der Pfeife im Munde im Zimmer umher: Stalin dachte nach, er­wog eine neue Linie, und wenn er dachte, mußte überall absolute Stille eingehalten werden. Einen großen Einfluß übte G o r k i auf ihn aus. Das war jene Zeit, wo der Einfluß des letzteren seinen Höhepunkt erreichte. Ein glühender Anhänger der Idee von der Notwendigkeit der Versöhnung der Sowjet­gewalt und der parteilosen Intelligenz, übernahm er voll und ganz den Gedanken Kirows von der Notwendigkeit der Ver- söhnungspolitik innerhalb der Partei, denn eine solche Versöhnung, die die Reihen der Partei befestigte und stärkte, erleichterte der Partei die Möglichkeit des moralischen Einflusses auf breite Kreise der Sowjet­ union . Da Gorki die grundlegenden Cha­raktereigenschaften Stalins gut kannte, sein oft orientalisch anmutendes Mißtrauen gegenüber seiner ganzen Umgebung, war er vor allem bestrebt, ihm die Ueberzcu- gung beizubringen, daß das Verhältnis ihm gegenüber jetzt ein ganz anderes gewor­den sei wie in der Zeit der heftigen Aua- einandereetzungen mit den verschiedenen Oppositionen. Gorki bemühte sich, Stalin den Gedanken beizubringen, daß«He Ge­nialität seiner grundlegenden politischen Linie von allen anerkannt werde und daß deshalb niemand die Absicht habe, seine leitende Stellung anzutasten. Unter diesen Bedingungen würde ein großmütiges Ver­

halten gegenüber den gestrigen Gegnern, ohne seine Stellung zu unterhöhlen, nur seine moralische Autorität heben. Ich kenne Stalin nicht genügend und wage deshalb nicht zu beurteilen, ob seine damalige Haltung nur ein Spiel war, oder ob er wirklich in Erwägung zog, ob man den Versicherungen Gorlds Glauben schen­ken könne. Der letztere hatte jedenfalls ein Argument zur Verfügung, dem gegen­über Stalin stets nachgiebig war: wie wür­de dieser oder jener Schritt Stalins von seinen künftigen Biographen beurteilt wer­den? Schon längst macht Stalin nicht nur seine Biographie, sondern er sorgt auch dafür, daß man auch in Zukunft günstig über ihn schreiben soll. Er will, daß man ihn nicht nur hart und unbarmherzig dar­stellt, wo es sich um den Kampf gegen un­versöhnliche Feinde handelt, sondern auch einfach, großmütig, menschlich, wo er im Milieu unserer harten Zeit sich den Luxus erlauben darf, si<üi so zu geben, wie er in Wirklichkeit ist. Von Natur aus ein sehr primitiver Mensch, ist er hin und wieder geneigt, diese Stimmungen auch primitiv zum Ausdruck zu bringen. Daher sein Be­streben, die Rolle eines Harun AI Raschid zu spielen, sintemalen dieser letztere auch aus dem Orient stammte und auch eine recht primitive Natur war. Jedenfalls ver­stand es Gorki sehr gut, auf dieser Saite zu spielen und sie für irgendwelche guten Zwecke auszunutzen: er milderte das Miß­trauen Stalins, beschwichtigte seine Rach­sucht, etc. Eis ist natürlich möglich, daß Stalin auch von anderen Motiven geleitet wurde: ringsum waren alle von der An­spannung des vorhergehenden Jahrzehntes so erschöpft, daß ein Widerstand gegen­über dieser Stimmung nur Konflikte her­aufbeschwören konnte. Es sei dem wie es sei, es unterliegt aber dennoch keinem Zweifel, daß Stalin im Jahre 1934 weicher und menschlicher wurde, in seinem Verkehr die bisherige Schroffheit milderte, mit Schriftstellern, Künstlern, Schauspielern zusammenkam, ihre Unterhaltungen an­hörte und sie zu offenherzigen Ausspra­chen veranlaß te... Diese Wandlungen wirkten auch auf die Beziehungen Stalins zu den früheren Oppo­sitionellen zurück. Besonders charakteri­stisch war in dieser Beziehung die Rück- berufung Bucharins, der nach einigen Jahren der Ungnade den Posten eines Re­dakteure der»Iswestija« erhielt. Noch symptomatischer war seine Wandlung ge­genüber K a m e n e w. Dieser letztere wur­de, glaube ich, dreimal aus der Partei aus­geschlossen und kam dreimal als reumüti­ger Sünder zurück. Das letzt emal hatte er sich im Winter 1932/1933 das Verbrechen zuschulden kommen lassen, die Plattform Rjutins, das heißt ein Dokument, das Sta­lin besonders verhaßt war, gelesen zu haben, ohne der Obrigkeit darüber Mel­dung zu erstatten. Es schien, daß Kame- new diesmal emstlich und für lange Zeit in Ungnade gefallen war. Aber es gelang Gorki, der Kamenew sehr schätzte, Stalin auch diesmal milder zu stimmen. Er arran­gierte eine Zusammenkunft Stalins mit Ka­ menew , bei der, wie damals erzählt wurde, Kamenew eine Art Liebeserklärung an Stalin vorbrachte. Einzelhelten über die Aussprache, die unter vier Augen stattfand, kennt natür­lich niemand, aber in den Kreisen der Par­tei wurde damals mit Genugtuung ihr Re­sultat verzeichnet: wie Stalin selbst er­klärte, hat er»Kamenew Glauben ge­schenkt«. Der letztere habe angeblich offenherzig über seine ganze oppositionelle Tätigkeit berichtet und dargelegt, weshalb er früher gegen Stalin war und jetzt end­gültig aufgehört habe, sein Gegner zu sein. Eis verlautete damals auch, daß Kamenew Stalin sein Ehrenwort gegeben habe, sich in Zukunft nie mehr mit oppositionellen Dingen zu befassen und«laß er dafür die weitestgehenden Vollmachten für«iie Lei­tung des Verlags»Akademia« erhielt, son­dern auch das Versprechen, in allernäch­ster Zukunft zu leitender politischer Ar­beit zugelassen zu werden. Als eine Art Vorschuß erhielt er die EMaubnis, auf dem 17. Parteikongreß auf­zutreten. Dieses Auftreten hatte einen sen­sationellen Erfolg. Kamenew Ueferte hier­bei die»theoretische Begründung« der Not­wendigkeit der Diktatur nicht der Dik­tatur der Partei oder der Klasse, sondern der persönlichen Diktatur. Die Demo­kratie, selbst innerhalb einer Klasse oder einer Partei wies er nach taugt nur für Perioden des friedlichen Aufbaues, wo Zeit für Unterhaltungen und gegenseitige Beeinflussung vorhanden ist. Anders sind Krisenzeiten, wo die Partei und das Land einen Führer haben muß, einen Menschen,

der allem d5e Kühnheit hat, einen Ent­schluß zu fassen. Eis ist ein Glück für die Partei und das Land so führte er aus wenn sie in solchen Momenten einen Füh­rer haben, der die Gabe der Intiution hat: sie haben dann Aussichten, aus den schwer­sten Situationen als Sieger hervorzugehen. Wehe jedoch, wenn an leitender Stelle ein Mensch stehen sollte, der für diese Rolle nicht geeignet ist: dann droht das Unheü über sie hereinzubrechen... Diese ganze Rede war so aufgebaut und vorgetragen. daß die Hörer nicht daran zweifelten, Sta­ lin werde von dem Redner als Führer des ersten Typs angesehen. Der Kongreß be­reitete dem Redner eine Ovation, die dann in eine Ovation an die Adresse Stalins überging. Erst viel später erkannte man, daß die Rede ziemlich machiavellis tisch auf­gebaut war und daß sie bei aufmerksamer Lektüre auch einen direkt entgegengesetz­ten Elin druck ausüben könne. Eben das hatte der Staatsanwalt Wyschinski im Auge, als er Kamenew beschuldigte, ein heuchlerischer Jünger Machiavellis zu sein. Die Gegner des neuen Kurses Wenn man hinsichtlich Stalins anneh­men kann, daß er eine Zeit lang mit den Plänen eines völligen Wechsels des Partei­kurses und einer Versöhnungspolitik inner­halb der Partei sympathisierte, so war seine nächste Umgebung, sein Arbeitsstab, voll und ganz gegen diese Pläne. Nicht etwa deshalb, weil die Vertreter dieses Ar­beitsstabes prinzipielle Gegner von Wand­lungen in der allgemeinen Politik der Par­tei gewesen wären, zu denen auch die Pläne Kirows und seiner FYeunde gehörten. Die FYagen der großen Politik waren diesem Kreis in hohem Maße gleichgültig; wie die späteren Ereignisse zeigten, waren diese Leute auch für stärkere WamUungen als die zu haben, die Kirow im Auge gehabt hatte. Wogegen sie sich d<5ch in aller Ent­schiedenheit auflehnten, waren Aendenm- gen des innerparteilichen Kur­ses. Sie wußten: wenn viele bereit waren, Stalin die negativen Seiten seines Charak­tere wegen der großen Leistungen, die er für sich buchen konnte, zu verzeihen, so gab es für seine Untergebenen, die gerade auf diese negativen Charaktereigenschaften Stalins spekulierten, bei einer Aendenmg des inneren Parteiregimes keine Gnade. Denn der Kampf ging nicht für oder gegen Stalin, sondern um den Einfluß auf Stalin . Das heißt in der Sprache des Organisa­tionsbüros, um die Besetzung des Arbeits- ap parates des Zentralkomitees mit neuen Leuten, die bereit waren, neue Methoden, eine neue Einstellung zu den Menschen in ihrer Arbeit hineinzutragen. Und es ist deshalb verständlich, daß der alte Stab sich mit allen Kräften diesen Aenderungen widersetzte. An der Spitze dieses Widerstandes stan­den Kaganowitsch und J e s h o w, Der erste re ist zweifellos ein ungewöhn­licher Mensch. Ohne große BUdung, aber fähig, die Gedanken der Gesprächspartner im Fluge zu erfassen und sich anzueignen, zeichnet er sich durch Arbeitsfähigkeit, gutes Gedächtnis und organisatorische Ta­lente aus. Niemand versteht so gut wie er, alle möglichen Konferenzen und Kommis­sionssitzungen zu leiten, in denen der Vor­sitzende die Fähigkeit besitzen muß, die Debatte in eine bestimmte Richtung zu lenken, die Redner zur Sache zu zwingen und die ganze Aussprache im wesentlichen zu beherrschen. Nur schade, daß dieser talentvolle Kopf einem Mann gehört, über dessen moralische Qualitäten kaum zwei Meinungen bestehen. In Parteikreisen ist er durch seine Unzuverlässigkeit bekannt. Auf sein Wort kann man nicht bauen: er gibt ebenso leicht Versprechungen, wie er sie nachher zurückzieht. Möglich, daß daran äußere Gründe mitschuldig sind: er be­gann seine große Parteikarriere in der Zeit, wo große Nachfrage nach Treulosigkeit herrechte. Aber war er andererseits nicht einer von denen, die mehr als alle anderen das Anwachsen dieser Nachfrage gefördert haben? Sein treuer Bundesgenosse war J e- show. Wenn man hinsichtlich Kagano- witschs noch hin und wieder staunend fragt, warum er diesen Weg gegangen ist, wo er seine Karriere auch mit ehrlichen Mitteln hätte machen können, so kommt gegenüber Jeshow dieses Staunen nicht zum Ausdruck: dieser Mann konnte seine Karriere nur mit ähnlichen Mitteln machen. Während meines ganzen, leider schon ziemlich langen Lebens, habe ich selten Menschen getroffen, die ihrer ganzen Na­tur nach so unsympathisch wären wie Je­show. Wenn ich ihn sah, kamen mir oft jene Straßenjungen in den Sinn, deren lieb­ster Sport darin bestand, einer Katze, die