Nr. 199 BEILAGE Neuer Vorwärts

4. April 1937

Schacht- Wahrheit und Dichtung

Jahre zu früh.<

( Schacht auf der Festsitzung im Reichswirtschaftsministerium.)

Die geänderte Biographie

>> Ich habe immer die Wahrheit ge-| eines Staatsbankrotts entgegen. Damit werde>> Vor der Wahl hat Ebert ihn gefragt, wie| durch die spätere nationalsozialistische Agi­sagt, meist allerdings ein bis zwei der Kredit des Staates zusammenstürzen und er zu einer eventuellen Berufung stehe. tation über den Bereich engerer sozialisti­würden besonders die Kriegsanleihebesitzer Schacht erwiderte u. a., daß er nicht So- scher Diskussionen hinausgedrungen und und Sparer betroffen werden. Der Grundsatz zialist, sondern Anhänger einer auf dem zum Sammelbegriff für die sozialistische des Privateigentums würde erschüttert, da Grundsatz der Leistung des einzelnen begrün- Linke Staatsbankrott Wegnahme des Eigentums be- deten Wirtschaft sei.<< deute.< Diese Stelle fehlt in der Ausgabe von 1933 und nicht zufällig, denn damals saßen die Deutschnationalen noch mit in der Regie­

Die Behauptung der Psychologie, daß jeder am lautesten von den Tugenden rede, die er nicht besitze, findet in den Reden

selber

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Hjalmar Schachts mehr als eine Be­stätigung. Da wimmelt es von Versicherungen > kaufmännischer Ehrlichkeit<<, als hätte es nie eine planmäßige Einschuldung des Dritten Reiches   etwa auf dem Balkan   gegeben, als würde kein ausländischer Gläubiger mit Hilfe der Registermark um sein Guthaben geprellt, kurz gesagt, als käme Deutschland   nach liberalistischer Wirtschaftsmoral seinen in­neren und äußeren Verpflichtungen nach. In seiner letzten Rede, die er zur Feier seines sechzigjährigen Geburtstages in der Fest­sitzung des Reichswirtschaftsministeriums hielt, hat Schacht in bekannter Bescheiden­

feiert, die von den andern leider erst ein bis zwei Jahre später erkannt werde...

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1937 liest sich das so:

er

» Vor der Wahl hat Ebert ihn gefragt, wie er zu einer eventuellen Berufung stehe. Schacht erwidert unter anderem, daß nicht Marxist, sondern Anhänger einer auf dem Grundsatz der Leistung des einzelnen begründeten Wirtschaft sei.<<

geworden. Auch gab es 1923 eine Reihe nicht unbedeutender sozialdemokrati­scher Parteimitglieder, die nicht im schulmäßigen Sinne» Marxisten< waren. Wie wäre Schacht im Jahre 1923 also darauf ver­fallen, Ebert in der Sprache von 1937 zu ant­worten? Es kann kein Zweifel daran be­

er

es

SO

rung und waren draußen im Land und in der Wirtschaft eine mächtige Gruppe, die einen solchen Angriff übel vermerkt hätte. Der stehen, daß Schacht sich, wie es in der ersten charaktervolle Wahrheitsfanatiker Schacht Ausgabe zu lesen stand, als Nichtsozialisten hat das Jahr 1937 und die Zertrümmerung bezeichnete und daß er 1937, im Besitz der der letzten deutschnationalen> Widerstands­Was hat Schacht nun eigentlich geantwor- goldenen Parteinadel einer angeblich natio­nester< abgewartet, ehe er zu seinem Fuß- tet? Ueber ein Gespräch, das er mit einer nalsozialistischen Partei, dieses Selbstbe­tritt ausholte. In diesen Zusammenhang ge- verstorbenen Persönlichkeit unter vier Augen kenntnis als störend empfand. Wenn hört auch, daß selbst die Bilder einer sorg­führte, gibt der Wahrheitsfanatiker Schacht nun so hinstellen läßt, als habe er sich Ebert fältigen Umredigierung unterworfen wurden. zwei verschiedene Versionen. Zweifellos ist gegenüber als Nichtmarxist bezeichnet, Das Photo von der Harzburger Tagung, in eine solch schwerwiegende Aenderung nicht ist das also nicht nur eine Fälschung, sondern dessen Vordergrund neben Hitler   der weiße ohne seine ausdrückliche Zustimmung erfolgt, auch ein starkes Stück von Charakterlosig­Schnurrbart des» Silberfuchses< Hugenberg so daß der Vorwurf einer Fälschung des heute keit. Der angeblich so» unbequeme«,» störri­heit sich als den Verkünder der Wahrheit ge- aufleuchtet, ist in der Neuausgabe verschwun- schon historischen Gesprächs an die Adresse sche« und» fanatische< Schacht erweist sich den, da es wohl nur peinliche Erinnerungen des Herrn Reichsbankpräsidenten gerichtet hier als recht anpassungsfähig und servil. an die> Regierung der nationalen Konzentra- werden muß. Dieser Tatbestand zeigt nicht Die Wahrheit, die Herr Schacht über sei­Wie wandelbar indes die Wahrheiten sind. tion< hervorrufen würde. nur, wie kritisch man den sonstigen Mitteinen Lebensweg im Jahre 1937 verkünden die Herr Schacht in seinem wandlungsreichen Aber das alles sind vielleicht nur Retu- lungen des Buches gegenüberzutreten hat, läßt, weicht von jener des Jahres 1933 nicht Leben verkündet hat, beweist erneut die so- schen, kleine feige Winkelzüge mit der unbe- sondern auch wie der verdächtig häufig be- unerheblich ab. Nur hat er sie, entgegen eben erschienene Biographie> Schacht< von quemen Wahrheit. Zu einer eindeutigen Ge- tonte Wahrheitsfanatismus Schachts zu be- seiner kühnen Feststellung auf der Jubel­Dr. Franz Reuter  , die von sich behauptet schichtsfälschung versteigt sich das Buch in werten ist. feier im Reichswirtschaftsministerium, nicht > auf Grund authentischen Materials< geschrie- dem Kapitel> Große Aufgaben«, in dem die Selbstverständlich spricht die größere zwei Jahre früher, sondern vier Jahre später ben zu sein. Und das ist zweifellos der Fall, Stabilisierung der Mark behandelt wird. Ueber Wahrscheinlichkeit dafür, daß Schacht sich verkündet. Was wird man von diesem Pro­da die umfangreichen Mitteilungen über die Ernennung zum Reichsbankpräsidenten Ebert im Jahre 1923 als Nicht sozialist pheten der veränderlichen Wahrheit noch familäre Dinge, die beigegebenen persönlichen hieß es in der Ausgabe von 1933: vorstellte. Der Terminus> Marxist< ist erst alles zu erwarten haben? Photographien usw. auf engste Zusammen­arbeit des Verfassers mit dem Objekt seines Buches schließen lassen, Interessant ist nun, daß diese Schachtbiographie, Ausgabe 1937, nur die erweiterte Umarbeitung eines Schacht­buches ist, das mit gleichem Titel und glei­chem Verfasser im Jahre 1933 erschien. Der Vergleich beider Ausgaben ergibt die über­raschende Feststellung, daß Schacht 1937 allerlei Retuschen

Herr

Ein Führer" hinter Stacheldraht

Adolf Hitlers   ,, Volksnähe" bei näherer Besichtigung

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Ein Schweizer   Journalist entdeckt das Panzerwerk»> Berghof«<

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B. M.

Mit Recht hat die große Presse außerhalb spiel> an einer einzigen Stelle, einer Haar-, Regime an neuen Attraktionen und» Ueber­an der Darstellung seines Le- Deutschlands dieser Tage besondere Aufmerk- nadelkurve<, an der man> Hitlers Haus einen raschungen« nichts anderes mehr im Köcher bensweges vornehmen ließ, die samkeit dem auffälligen, mit dröhnendem Augenblick siehte, es dem Chauffeur ver- hat, als die feierliche und rituelle Begehung keinesfalls bloße stilistische Aenderungen Schwung vorgetragenen Passus in einer Ber  - boten ist, hier zu halten<. Und so aus- des Jahrestages des sogenannten> Judenboy­sind, sondern deutliche Korrekturen der liner Rede Hermann Görings, gewidmet, wo- schweifend präventiv geht es dann weiter, kotts<, den die Göbbels  , Ley und Streicher > Wahrheit<, wie er sie 1933 verkünden ließ, nach er die» alten Kämpfer« aufforderte, bis etwa unmittelbar vor dem Plattnerhof im Frühjahr 1933 inszenierten. Sicherlich ist um sie 1937 als inopportun zu verleugnen. einen> Ring von Stahl< um den geliebten ein direkter Paßweg hinüberführt.( Zu Hit- dieser Massenpogrom im Laufe der vier Jahre Verhältnismäßig harmlos ist es noch, wenn» Führer< zu legen und allen Attentätern lers Privatwigwam nämlich! D. R.) Jetzt Hitlerscher Schreckensherrschaft von weitaus auf Seite 7, bei der Darstellung des Ent- einer näheren oder weiteren Zukunft dem steht hier eine große Tafel» Verboten er wüsteren Exzeßwellen gegen die>> Rassefrem­wicklungsgangs der Familie, Schachts Groß- Sinne nach verhieß, daß sie an ihrem Unter- Weg!< den« an Unerhörtheit und Brutalität in den vater nicht wie früher als> dänischer Kreis- fangen» verbrennen und versengen< würden. Fortifikatorisch gewiß eine Leistung! Aber Schatten gestellt worden. Sicher ist auch, physikuse, sondern als> dänischer, dann deut- Der Vorfall war um so auffälliger, als gerade es wäre gelacht, wenn nicht noch über wei- daß sich noch mancher im engsten Kreis um scher Kreisphysikus bezeichnet wird. Daß dieser Redepassus später in der reichsdeut- tere und entscheidendere Blockierungsmaß- den Führer und Reichskanzler«, der Reichs­Schachts Geburtsort Tingleff in Nordschles- schen Presse offenbar auf höhere Anweisung nahmen der aufmerksame Lokalinspizient be- außenminister und der Reichsbankpräsident wig sich bei der Abstimmung mit Mehrheit fein säuberlich ausgemerzt war. Das soge- richten könnte. Zum Beispiel: allen anderen voran, mit Bestürzung erinnern für Dänemark   ausspricht, wird übrigens nannte» Volk«, wenn man von den hier an->> Und es haben dort( nämlich rund fünf- mag, wie wenig glorios dabei das Regime ziemlich nebenbei und miẞverständlich mit- gesprochenen, gut dotierten braunen Respekts- zehn Kilometer rings um das Haus des Füh- gegen das Gewissen einer Welt, das noch geteilt. personen absieht, darf also nichts davon er- rers) viele Männer etwas zu tun. 150 SS  - nicht ganz der Schreckenshypnose damals Auf Seite 27 der alten Ausgabe heißt es fahren, mit welchen doch immerhin eigen- Männer bewachen ununterbro- verfallen war, abgeschnitten hat und wie in­dann beim Uebergang Schachts in die Natio- tümlichen Sorgen so eine Diktatur es zu chen des Führers Haus und Dutzen- nerlich froh damals die Machthaber waren, nalbank, diese sei seit dem Tode von Julius tun hat. de von Kontrollstellen müssen pas- die Aktion vorzeitig abgeblasen zu haben. Stern stark heruntergewirtschaftet< worden. Erwies da nicht der preußische Minister- siert werden, um überhaupt in seine Nähe zu Ein solches Kompliment an die Adresse des präsident dem System einen etwas tölpelhaf- gelangen... Juden Stern, tüchtiger gewesen zu sein als ten Bärendienst? Sicherlich tat es jener Die SS  - Männer aber tun es, weiß es Gott, seine Nachfolger, erschien Herrn Schacht Schweizer   Journalist namens Paul Werner, nicht umsonst. Nämlich:> 46 Häuser hat und seinem Biographen wohl als unzeitge- dem es glückte, sich dem Führer und Reichs- der mäße Wahrheit und so lesen wir denn in der kanzler im Gebiet seines> Berghofs« auf schon aufgekauft und abgeris­Ausgabe 1937, die Nationalbank sei seit ge- Berchtesgadener Flur nahen zu dürfen und sen! Ja wofür? Im Zeichen der Mate­Zeit stark heruntergewirtschaftet< nun dieses sein begnadetes Erlebnis auf drei rialnot? oder vier Spalten des> Berner Bundes<( vom Nun, das ist ganz klar: Hin und wieder Peinlich ist naturgemäß die Darstellung 22. März 1937) freudestrahlend veröffentlicht. trinkt der Führer und Reichskanzler<< ein der Mitgliedschaft Schachts in der Demokra- Der Zeitungsmann hat nicht Hitlerschen Glas Milch im» Hochlenzer< tischen Partei, die die nationalsozialistischen Plänen< nachgespürt und erst recht nicht Bergwirtshaus in diesem großen Fort). Er Agitatoren stets die Partei der Börsenjuden Wertungen sachlicher Art ins» Erlebnis« hin- trinkt die Milch nicht hinter ein Panzerhemd genannt haben. Schacht hilft sich damit, das eingetragen. Festzustellen, von welcher Farbe und hinter keinen Kugelfang, sondern hinter >> Gespenst des Bolschewismus als treibendes die Krawatte Adolf Hitlers   ist, schien ihm eine >> alte Lederjacke<... Motiv für seine politische Tätigkeit auf der allein schon Reporters Schweiß wert. Doch Linken hinzustellen. Immerhin unterlief ihm was hat er in Wirklichkeit> erlebt<? und seinem Biographen 1933 noch das Ein­Gut die Hälfte seiner Reportage

raumer gewesen,

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deutsche   Staat dort oben

( das ist ein

Aber da biegt er auch schon auf> den Weg zwischen den Tannen ein. An einer ist vom eine Holztafel angebracht und darauf steht:

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Schlechterdings alles müßte eigentlich Herrn Hitler   selbst veranlassen, die unrühm­liche Erinnerung an diese erste große Her­ausforderung der Welt, die er sich leistete, in den Parteiakten verschwunden sein zu las­sen. Aber dem ist offenbar nicht so! Wie uns viele Berichte aus dem Reich, die in diesen Tagen einliefen, verraten, hängen jetzt bereits allenthalben die Monstreplakate des Reichspropagandaministeriums aus, die zu förmlichen Jubiläumsfeiern jener Tage aufforderten, die Herrn Julius Streicher   zum reichsamtlichen Obergangster machten! Die nationalsozialistische» Volksge­meinschaft<< in all ihren Zwangskorporationen soll im Mai um den Judenskalp in Erinne­rungsbegeisterung tanzen... Wie muß das welchen Abhub mag es für das Volk aus­geben, wenn die patriotische Phantasie der Regisseure zu nichts anderem mehr reicht?! Die Ablenkungsmaschinerie, vom Dritten Reich zu einem kunstvollen Mechanismus mit riesigem Räderwerk ausgebaut, kreischt heute immer trostloser.

geständnis, seine politische Methode sei da-> Berghof< muß er der minutiösen Schilde- Verbotener Weg!« Aber den Reichskanzler Regime» das Volk einschätzen oder vielmehr mals> zunächst alten humanitär- liberalen rung widmen, wie sich der> Führer und scheint es nicht zu kümmern. Er schreitet Anschauungen entnommen« gewesen. Man be- Reichskanzler< dort in seinem oberbayrischen kräftig aus...< greift, wie unangenehm dieser Lapsus dem Tuskulum vor dem geliebten deutschen Volk Wie gerne täten wir es auch! Nach diesem Wirtschaftsdiktator eines Regimes sein muß- förmlich verschanzt hat! Das geht instruktiven Beitrag zur jüngsten vaterlän­te, für das> humanitär< und>> liberal< gleich so los:>> Kurz außerhalb Berchtesgadischen Geschichte und um der frischen Luft Schimpfworte, wenn nicht gar Bezeichnungen dens, nach der ersten steilen Kurve, zieht willen. für moralische Minderwertigkeit sind. In der sich der Draht und Stacheldraht, Ausgabe 1937 ist dieser böse Zungenschlag der uns zuruft: Bis hierhin und nicht weiter! Kriegstanz um den denn auch getilgt. Schacht präsentiert sich Ein Fahrkilometer weiter:

den Lesern seiner Biographie ohne humanitär-> Die Straße, die wir fahren, ist für den

liberale Reminiszenzen.

H. E.

Juden- Skalp

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Da ist das Neue«, was Herr Hitler an praktischer>> Rassenpflege« immer noch hin und wieder zu bieten hat, doch schon einiger­maßen reizvoller... Wie es jetzt heraus­kommt, ist den sogenannten» Vier­ nichtoffiziellen Verkehr  

verboten. Pri- Der Tag des ersten Judenboykotts im Drit­Auf Seite 30 der Ausgabe von 1937 schil- vate Fahrzeuge müssen unten herum fahren ten Reich soll festlich begangen werden. dert Schachts Biograph die Haltung des Mei- und einen Umweg von ungefähr 15 Kilometer Vierteljuden dürfen im Driten Reich nicht te ljuden< in Deutschland   schon

mehr heiraten.

vor einiger Zeit verboten worden,

sters im Jahre 1923, in den bewegten Mona- machen<. ten des Ruhrkrieges:» Sehr scharf tritt Man sieht: ein ziemlich geräumiger Fe- Es charakterisiert die inner- und außen- überhaupt noch zu heiraten! Es Schacht in diesen Jahren der vor allem von stungsrayon! So genau wird es darin mit der politische Auswegslosigkeit der Hitlerdikta- mag sich hier um eine kürzlich ergangene deutschnationaler Seite befürworteten Idee> Liebe des Volkes« genommen, daß zum Bei- tur nach rund vierjährigem Bestand, daß das Ausführungsverordnung zu den>> Nürnberger