Der Kirchenkampf verschärft sich Ein Bischof leistet Widerstand Streitschrift der Bekenntnlskirdie Katholizismus und Oesterreich
Wenn wir Sozialdemokraten die Herren vom Dritten Reich richtig beurteilen wollen, so müssen wir sie in ihrem Verhältnis zu den christlichen Kirchen beobachten. Denn hier sind wir Unbeteiligte, gewissermaßen unparteiischer Dritter. Wir können den Nazis keinen Vorwurf daraus machen, daß sie keine guten Christen sind, und wir können es ihnen nicht übelnehmen, wenn sie aus der Kirche austreten. Wir vergessen auch keinen Augenblick, daß die Kirchen an der Lage, in der sie sich befinden, und an den Verhältnissen, wie sie heute in Deutschland und in Oesterreich bestehen, nicht unschuldig sind. Aber auch wenn wir uns zu vollster Objektivität entschließen und von allem absehen, was uns selber widerfahren ist, auch dann, ja dann erst recht werden wir gewahr, bis zu welchen Stufen mensch' lieber Gemeinheit das gegenwärtige System im Kampf gegen seine Gegner her abgesunken ist. Wie muß es in den Hirnen von Men sehen aussehen, die es rechtfertigen, daß die Enzyklika des Papstes verboten wird, daß aber andererseits eine Zeitschrift— die»Siegrune«— ungehindert verbreitet werden darf, in der der Stifter der christlichen Religion ein»feiger Juden- lümmel« genannt wird? Welche Marter muß es für gläubige Christen bedeuten, daß sie solchen Schimpf widerspruchslos ertragen müssen? Das natürliche Recht des Angegriffenen, des in seinen heüig- sten Gefühlen Verletzten, sich zu wehren, wird zu Boden getreten, die Gewissen werden vergewaltigt mit derselben sadistischen Lust, mit der in den Konzentrationslagern die Leiber der Gefangenen mißhandelt werden. Man macht die katholischen Geistlichen erst als Devisenschieber, dann als Sittlichkeitsverbrecher verächtlich und duldet außerhalb der Kirche keine Stimme, die sich gegen diese Verunglimpfung erhebt. Dabei weiß jedermann, daß die Massen- und Schauprozesse, die da inszeniert werden, nichts anderes als schmutzige Waffen in einem schmutzigen Kampfe sind. Diese Prozesse sind alles andere als Maßnahmen zur Wiederherstellung des Rechts und der Sittlichkeit; sie sind die Strafe dafür, daß die Kirche noch immer nicht ganz zu Kreuze gekrochen ist, sie sind Mittel der Erpressimg, um die völlige Unterwerfung zu erzwingen. Und doch wagen die Machthaber nicht den letzten Schlag, wagen sie nicht, gegen die Religionsgesellschaften, die durch eine vielhundertjährige Geschichte im Volke verankert sind, mit denselben Mitteln der schonungslosen Ausrottung und Vernichtung vorzugehen, wie gegen die politischen Parteien und die Gewerkschaften. Noch können Bischöfe von der Kanzel Worte sprechen, für die ein»Marxist« im KZ zu Tode geprügelt werden würde. Ja, bei den evangelischen Kirchenwahlen läßt sich sogar— bei aller Brutalität im einzelnen— ein gewisses Schleifenlaasen der Zügel nicht verkennen: die Wahlen sind ausgeschrieben, aber es wird kein Termin angesetzt, der den Wahlkampf beendet. Im Kampfe der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker ist der Platz der Sozialdemokratie bei den Unterdrückten. Wie Bebel und seine Kampfgefährten gegen das Jesuitengesetz kämpften, so bekämpfen wir aus Grundsatz und Ueberzeugung die weit härteren und niederträchtigeren Methoden, mit denen in Deutschland heute das Christentum unterdrückt wird. Die Kirchen werden sich desto eher aus ihrer unwürdigen Lage befreien, je eher sie sich der Macht bewußt werden, die in der Arbeiterklasse verborgen schlummert. Eine mutige Bisdiofspredigt Der Bischof von Eichstätt für seinen Dompfarrer. Wegen einer Predigt, die den Nazis mißfiel, wurde der Dompfarrer Kraus in Eichstätt , ein ehemaliger Offizier und Frontkämpfer, aus seiner Heimat ausgewiesen. Gendarmerie teilte ihm mit, daß er binnen 24 Stunden Eichstätt verlassen müsse. Der Bischof Rakl von Eichstätt befahl jedoch dem Pfarrer zu bleiben. Er hielt mit ihm gemeinsam am 12. April im überfüllten Dom eine Andacht ab, und während Polizei und Gendarmerie vor dem
Kirchentor lagen, stieg er auf die Kanzel um eine Rede zu halten, die von den Versammelten mit lautem Beifall begleitet wurde. Nach einem Bericht des in Hol land gedruckten katholischen Kampfblat tes»Der deutsche Weg« sagte er u. a.; Ich glaube, wir dürfen nicht bloß dem unbekannten Soldaten ein Denkmal setzen, sondern wir müssen vor allem dem bekannten Soldaten ein Denkmal der Dankbarkeit und Liebe setzen!(»Bravo ! Recht so!«) Und deswegen hat es mir zutiefst weh getan, daß man über einen Offizier eine Strafe verhängt, die früher die Polizei nur Uber Zuhälter verhängt hat, und daß man über diesen Offizier eine Strafe verhängte, ohne ein Ehrengericht einzusetzen! Jedem Angeklagten wird das Recht zugebüligt, daß nicht bloß der Ankläger gehört wird, sondern auch der Verteidiger, nicht bloß die Belastungszeugen, sondern auch die Entlastungszeugen! Dem Angeklagten ist nicht einmal Schrift lieh mitgeteilt worden, was gegen ihn vorliegt, sondern nur das Strafurteil übergeben worden.(Empörung, Pfuirufe,»Hört!!«) Wenn ich mich nun frage; Was ist eigentlich das Vorgehen, das der Dompfarrer begangen hat? dann kann ich nur sagen: Sein Vergehen war das, was für jeden Soldaten und Offizier, auch für den Soldaten und Offizier Jesu Christi das Höchste ist: Sein Vergehen war Treue!(nichtenden- wollende Bravo-Kufe) Ich habe immer allen Behörden gegenüber in den letzten Jahren den Grundsatz vertreten: Wer sich wirklich gegen das wahre Wohl des Staates versündigt, der soll vom Staat bestraft werden und ich bin der letzte, der vom Staat verlangt, daß er nicht auch gegen den Priester die Staatsgesetze anwendet. Aber eines muß verlangt werden: Recht und Gerechtigkeit!(begeisterte Rufe). Was dem einen recht ist, ist dem andern billig! (Bravo !!) Aber wir haben oft das Empfinden, als ob gegen den katholischen Priester alles erlaubt wäre! Ich glaube, der Staat weiß, daß der Dompfarrer kein Revolutionär ist. Der Kampf geht um zwei Weltanschauungen, die einander gegenüberstehen wie Feuer und Wasser. Und in diesem Kampfe merkt nun die Kirche, welch furchtbaren Gegner sie am Staat hat. Als die Tausenden den Dom verließen, griff die Polizei ein. Sie trieb die Masse hin und her und schlug an manchen Stellen auch auf sie ein. Einige Verhaftungen wurden vorgenommen. Aber an dem Bischof selbst hat sie nach den bisher vorliegenden Berichten sich nicht zu vergreifen gewagt. Ein Kampf auf Leben und Tod Eine vertrauüch verbreitete Denkschrift der Bekenntniskirche mit dem Titel »Kirche oder Sekte« wird in Württemberg verbreitet und erregt gewaltiges Aufsehen. Wird doch in ihr klipp und und klar ausgesprochen, daß die christliche Kirche vor der Frage um Sein oder Nichtsein steht. Die»Deutschen Christen « und die»Deut sche Glaubensbewegung « erscheinen in dieser Darstellung nur als verhältnismäßig unbedeutende Vorposten, hinter denen als Hauptfeind der Nationalsozialismus selber stehe. Er ist neue Staatsreligion und muß gegen das Christentum intolerant sein: Der polltische Soldat, in dem sich das Leitbild der nationalsozialistischen Bewegung verkörpert, ist Träger und Zeuge der politischen Religion, deren»Evangelium« er in heiliger Unduldsamkeit gegen alle Andersgläubigen verkündet! Diese Unduldsamkeit hat ihre Wurzeln in dem religiösen Schwung der Bewegung, deren Unbedingtheitsanspruch nicht nur auf politische Führung und wirtschaftliche Ordnung, nein auch als Anspruch auf unbedingten Gehorsam der Gewissen* und letzte Hingrabe der Seelen nicht aus politischem Hochmut oder persönlicher Herrschsucht kommt, sondern Zeichen für den Charakter der Bewegung als einer Religion ist! Die Kennzeichnung der nationalsozialistischen Bewegung mit dem in der neueren Geistesgeschichte in einem gänzlich anderen Sinne geprägten Begriff»Weltanschauung« stellt nur eine Vernebelung dar..•
»Weltanschauung« im nationalsozialistischen Sinne hat schlechterdings nichts mit Weltanschauung im landläufigen Sinne zu tun, sondern ist im Vollsinne Religion als den Menschen ganz ergreifende und durchformende Verkündigung mit Unbedingtheitsanspruch Im Endlichen. Politik als Propaganda dieser »Weltanschauung« treibt zur Totalität im metaphysisch-religiösen, d. h. aber notwendig nach Christus im antichristlichen Sinne, und was im nationalsozialistischen Sinn als»Religion« umschrieben und für den einzelnen freigegeben wird, ist gar nicht Religion, sondern Weltanschauung im landläufigen Sinne... Die nationalsozialistische»Weltanschauung« ist in Wahrheit politische Religion darin, daß sie Fanatismus entzündet und über alles Maß der politischen Forderung auf willige Gefolgschaft hinaus gegen alle»Andersgläubigen« unduldsam ist. Der heutige Staat als Träger dieser politischen Religion ist also in Wahrheit gleichsam ein Kirchenstaat, d. h. ein Staat, zu tiefst gebunden und verpflichtet einer Religion. Erst in dieser Perspektive wird uns die innere Folgerichtigkeit und Zwangsläufigkeit auf dem gegenwärtigen Kampffelde als der Ablauf eines verkappten Religionskrieges in seinem äußersten Ernste offenbar. Die staatlich geformte Gegenkirche, deren Ritus und Kultus zum Teil in Nachahmung des christlichen Kultus immer deutlicher in Erscheinung tritt, muß wesensmäßig gegen die Kirche Christi unduldsam sein. Der heutige Staat kann sich seiner Natur nach nicht mit der Loyalität seiner Bürger und mit jener Haltung begnügen, In der ein Christenmensch nach Römer 13 dem Staat allein begegnen kann. Der dogmatisch gebundene Staat muß religiöse Entscheidung fordern. Der heutige Staat kann nur Gefolgsleute oder Widersacher, aber nicht loyale Staatsbürger kennen. Und der christliche Vorbehalt muß ihm als politische Opposition und als Verletzung seiner sakralen Grundlagen erscheinen.... Das unausgesprochene Schlußstück dieser Beweiskette ist die Erkenntnis, daß das Christentum sich um seines Lebens willen gegen den Nationalsozialismus zum Kampfe stellen muß.
Wenn also die Katholische Aktion statistisch erfaßt und jedem ihrer Anhänger das Fortkommen im staatlichen, kommunalen oder politischen Leben unmöglich gemacht wird: wenn ferner die konfesionellen Verbände als etwas Lächerliches hingestellt werden; wenn endlich die bewährten Formen der Katholischen Kirche in der Führerauswahl und der Massenbeeinflussung bei uns angewendet werden; und wenn in planmäßiger Schulung die Kirche nüchtern, rein historisch und mit ihren menschlichen Schwächen und Stärken, ihren Krisen, Führerzwistigkeiten und Kämpfen hingestellt wird und jeder erkennt, daß es sich hier um ein Menschenwerk und keine von Gott selbst geschaffene In- stituation bandelt, dann ist der Anfang vom Ende der Katholischen Kir- che erreicht. Inzwischen haben, nächst dem Bischof von Eichstätt , auch andere deutsche Kirchenfürsten Worte gefunden, aus denen hervorgeht, daß sie sich des Ernstes der Situation bewußt sind. Allerdings ist der Wüle, begangene schwere Fehler gut zu machen, noch nicht zu erkennen. Sonst müßte— um nur von einem zu sprechen — aus Oesterreich , von wo aus der Verteidigungskampf auf demokratischer Grundlage mit durchschlagender Wirkung geführt werden kann, ein ganz anderer Wind wehen. Die deutschen und die österreichischen Arbeiter können der katholischen Kirche zur Freiheit verhelfen, wenn die katholischen Kräfte ihnen selber dort, wo es in ihrer Kraft steht, die verlorene Freiheit wiedergeben. Und den können sie in Oesterreich !
Bekannter Verniditungswllle Für die These, daß es dem Nationalsozialismus darum geht, das Christentum zu vernichten, und sich selber an seine Stelle zu setzen, liefert»Der Deutsche in Polen « einen starken Beweis. Er veröffentlicht nämlich ein geheimes Rundschreiben der»Reichsjugendführung« in Berlin , in dem folgender Gedankengang entwickelt wird:• »Man schlägt den Gegner am besten mit der eigenen Waffe. Zunächst müßten unsere Führer sich etwa die seelenkundlichen und diplomatischen Fähigkeiten aneignen, die beispielsweise den Jesuiten eigen sind. Natürlich nur die höhere Führerschaft, die größtenteils heute noch der katholischen GeisUichkeit unterlegen scheint. Es taucht hier die Frage auf, ob nicht zwei verschiedene Schulsysteme zu schaffen sind: einmal für die Führer, dann für die Gefolgschaft. Während die Führer hochpolitisch, psychologisch und umfassend zu bilden sind, müßte der Masse doktrinär und dogmatisch der Nationalsozialismus in primitivster Form eingeimpft werden. Dazu Ist nötig, daß unsere Schulung für die Masse wenigstens ein über das andere Mal in kultisch-religiöser Form vor sich geht. Ein bestimmter Ritus der Heimabende und Heimschließung mit Gedenken der Toten(Märtyrer) der Bewegung und aus dem Programm als unserem Neuen Testa ment (oder unseren zehn Geboten), unter Absingung unserer neuen, getragenen Lieder, dem Heil auf den Führer, eventuell dem Ein- und Ausmarsch unserer Fahnen; und all das regelmäßig und immer in gleicher Form, aber verschiedenem Inhalt, ist notwendig. Die Bewegung hat bereits in den Versammlungen der Vergangenheit(Kampfzeit) mit der Eröffnung, dem Fahneneinmarsen, dem dreifachen Heil und dem Horst-Wessel-Lied die Ansätze eines solchen Ritus entwickelt. Ob es nicht richtig wäre, auf diesem Wege fortzufahren? Auch der Gottesdienst der Konfessionen ist in der Form ja stets gleich, nur das Thema wechselt. Die Denkschrift fährt dan� fort;
Haftbefehl gegen IViemöller Gestapo erledigt die protestantische Kirchenopposition Nach einer Meldung des»Deutschen Evangelischen Pressedienstes«, also einer Quelle in unmittelbarem Kontakt mit dem »Operationsgebiet« selbst, ist in Berlin ein Verhaftungsbefehl gegen den Dahlemer Pfarrer Niemöller, dem Führer der protestantischen Bekenntnis kirchenbewegung ergangen. Das gleiche Schicksal traf das Haupt der deutsch -evangelischen Orthodoxie, den früheren Generalsuperintendenten D i b e- lius. Niemöller und Dibelius hatten, wie Veröffentlichung und Verbreitung des bekannten»Offenen Briefes « an Reichsministcr Kerrl zeigten, In letzter Zeit eng zusammengearbeitet— auch in der Beeinflussung der von Hitler selbst angesetzten, dann aber verschobenen und jetzt sogar bis zum Herbst ausgesetzten Kirchenwahlen. Bis zur Stunde sind freilich die ergangenen Haftbefehle nicht exekutiert worden, was auf die für beide»Parteien« gleicherweise prekäre Lage schließen läßt. Bisher hatte sich das Regime geweigert, Niemöller— den früheren U-Boot-Frontof- fizier— zum Märtyrer seiner Haltung zu machen. Man hatte sich auf gelegentliche Haussuchungen bei ihm und wiederholte Rede- und Predigtverbote beschränkt Niemöllers Generalhaltung— im Allgemein- Politischen Gleichschaltung, aber Im eigenen Sondergebiet verbissene Reservation im einzelnen— begegnet sich mit der gleichen Haltung einflußreicher Beamter und Militärs. Der Reichsfinanzminister von Schwe rin hat oftmals demonstrativ Niemöllerschen Gottesdiensten in Dahlem beigewohnt. Wenn das Regime nun trotzdem mit seiner brutalsten Waffe gegen Niemöller droht, muß es auf dem Kirchengebiet in einiger, ja sogar in sehr beträchtlicher Verlegenheit sein. Der wichtigste Grund dafür liegt darin, daß in einer imbedachten Laune der »Führer« selbst die Kirchenwahlen, und sogar angeblich»freie«, vor zwei Monaten anbefohlen hatte. Die Geister des kompletten Durcheinanders, die er damit im protestantischen Kulturkanlfpfsektor rief, kann sein Regime ohne drakonische Gesten augenscheinlich nicht mehr bändigen.