Nr. 206 SONNTAG, 23. Mal 1937Verlag; Karlsbad, Haus„Graphia"— Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte SeiteAus dem Inhalt;Geld oder LebenGöbbels Zweimonats-ArbeiterDie freie Hand in DanzigHure StatistikDer AngpeiferBösartig wie am ersten Tage!Als der deutsche Botschafter in London, Herr Ribbentrop, nach Hitlers Redevom 30. Januar 1937 die deutschen Kolonialforderungen in London anzubringensuchte, fand er niemand, der sie entgegengenommen hätte. Es wurde ihm in derPresse, die der Regierung nahesteht, bedeutet, daß die englische AußenpolitikFerien bis nach der Königskrönung habe.Das war eine kleine Revanche für dieVerschleppung der englischen Vorschlägefür einen Ostpakt im Jahre 1935. In derTat haben die Westmächte bis zum heutigen Tage die Zügel so sehr schleifen lassen, daß die nationalsozialistische Politiksich in ihren Plänen ermutigt gefühlt hat.Namentlich im Südosten Europas hat sicheine Atmosphäre der Unsicherheit gezeigt,die böse Auflösungserscheinungen hervorgerufen hat.Ebenso auflösend hat die Tendenz gewirkt, die wichtigsten Fragen der öffentlichen Diskussion im Völkerbund zu entziehen. Die Entwicklung von der Völkerbundsdiplomatie zur Geheimdiplomatiealtem Stils hat in diesen Monaten erhebliche Portschritte gemacht— nicht zumNutzen des Friedens in Europa.Die nationalsozialistische Außenpolitikhat diese Pause benutzt, um ihr wahresaggressives Wesen nach Kräften zu verschleiern. Obwohl sie in Spanien Kriegführt, und obwohl sie im Südosten Europas eine aggressive Politik betreibt, dieein Gemisch aus terroristischer Erpressung, putschistischen Treibereien und falschen Freundschaftsbeteuerungen gegenüber einigen Ländern darstellt, bindet siesich die Maske der Verständigungsbereitschaft vor. Herr Schacht reist in Angelegenheiten der wirtschaftlichen Verständigung, und Herr Blomberg ist in Londonals Hitlers neuester Friedensapostel aufgetreten— als der Generalfeldmarschall,dessen einzige Sorge die Verhinderung desKrieges istDie braune Politik schiebt heute geflissentlich die Westpaktpläne wieder in denVordergrund, und sie hat dabei die Unterstützung Mussolinis— heute wie vor zweiJahren. Diese nationalsozialistischen Pläneverfolgen eine ganz konsequente Linie;eine zeitlich begrenzte Sicherheitsgarantieim Westen zu geben, um im Osten aggressiv werden zu können. Das liegt der deutschen Ablehnung der kollektiven Sicherheit und der Idee des unteilbaren Friedens zugrunde. Deshalb wird ein Systemder regionalen Sicherheitspakte abgelehntzugunsten von Einzelverträgen nach demMuster des deutsch-polnischen oder desitalienisch-jugoslawischen Vertrags, deshalb tritt Hitler für die Lokalisierungvon Konflikten ein. Was dies in der Praxis bedeutet, hat der Fall Spanien gezeigt;freie Hand für den brutalen Angreifer,Preisgabe des unglücklichen Objekts desAngriffes.Das sind die Thesen, mit denen diebraune Politik den Frieden in Europazerstören, den Revanche- und Eroberungskrieg vorbereiten will. Hitlers 13 Punktevom Jahre 1935, sein sogenannter Friedensplan nach der Rheinlandbesetzung,die Eröffnungen, die Hitler jetzt aufdiplomatischem Wege den Westmächtenmachen läßt, sind ein und dasselbe—nichts hat sich in den Zielsetzungen wie in den Methodender braunen Politik geändert.Das ist der Rahmen, in dem sie manövriert.Daß der braunen Politik heute eineRüstungspause willkommen wäre,ist selbstverständlich: denn diese Rüstungspause würde heute bedeuten, daßEngland seine großzügige Aufrüstung abbremsen müßte, daß in dieser Pause diePolitik des erpresserischen Bluffs, gestütztDer braune Luftkife! ia SponlenUeberwältigende Beweise für den Bruch des MditinterYentions*abkommens durch DeutschlandWieder einmal sind die angesehenstenenglischen Zeitungen in Deutschland beschlagnahmt worden. Der Grund ist, daßsie überwältigende Beweise für die Tatsache vorlegen, daß deutsche Flieger dasVerbrechen von Guernica begangen haben, und daß die Hitlerregierung systematisch das Nichtinterventionsabkommenbricht. Die Nummer der»Times«, die inDeutschland beschlagnahmt worden ist,legt folgende Beweise vor:»Am 13. Mai wurde an der Bilbaofrontein deutsches Flugzeug Heinkel 51 abgeschossen. Der Pilot sprang mit einem Fallschirm ab und wurde gefangen genommen.Sein Name ist Hans Joachim Wandel. Er ist 23 Jahre alt und stammt ausSchlesien. Er hat Berlin am 22. April verlassen, ist über Rom nach Sevilla geflogen. In Vltoria stieß er zu zwei deutschenGeschwadern, die zusammen 24 Maschinenzahlten. Sein Tagebuch enthält die Eintragung: Guernica, 2 6. April. Er gestand,daß deutsche Flugzeuge Guernica bombardierthätten, aber redet sich persönlich darauf hinaus, daß er als Kampfflieger die Bomlien-flugzeuge nur begleitet hätte.Am 12. April wurde der deutsche FliegerHans Sobotka Uber Bilbao abgeschossen. Er flog eine Heinkel Hl. Sobotka hatDeutschland am 5. April verlassen, er istebenfalls Uber Rom nach Sevilla gekommen.Insgesamt sind zehn deutsche Flieger über Bilbao abgeschossen worden, fünfdavon sind mit dem Leben davongekommen.Ihre Dokumente, Pässe, Tagebücher usw.,sind in der Hand der baskischen Regierung,sie sind den Vertretern der internationalenPresse zugänglich gemacht worden.Das sind die Tatsachen, die das deutsche Volk nicht erfahren darf; denn dieseTatsachen strafen alle offiziellen deutschen Erklärungen Lügen, sie stehen ineinem schreienden Gegensatz zu den Lügen, die die deutsche Presse täglich überdiese Dinge auf amtlichen Befehl veröffentlichen muß.Die Hahung von LabourSeit Beginn der Offensive von Bilbao hatdie Labourfraktion im englischen Unterhauseinen ununterbrochenen energischen Ansturmgegen die schreienden Verletzungen desNichtinterventionsabkommens geführt. Siehat bei diesem Feldzug moralisch das ganzeLand hinter sich gehabt. Zu den neuen Beweisen über den deutschen Luftkrieg in Spanien schreibt der»Daily Herald«:»Mr. Eden hat mehr als einmal versichert, daß fortgesetzte Nichtbeachtung desNichtinterventionsabkommens durch ein Mitglied des Ausschusses eine»neue Situation«schaffen würde.Seitdem haben ach überwältigende Beweise gehäuft, daß Deutschland systematischdas Abkommen bricht, indem es ausgebildetePiloten nach Spanien schickt. Der Paß desdeutschen Fliegers Sobotka zeigt, daß erBerlin am 5. April verlassen hat, der deutsche Flieger Wandel hat erklärt, daß erBerlin am 23. April verlassen habe.Das erste Datum liegt anderthalb Monate, und das zweite über zwei Monate nachdem Inkrafttreten des Abkommens über dieNichtentsendung von Freiwilligen nach Spanien. Das ist nicht das einzige Zeugnis,aber es ist das am leichtesten zu verifizierende. Und wenn die britische Regierungernst meint, was sie über die Nichtinter-vention sagt, so müßte sie solche Beweiseernster nehmen, als sie es anscheinend tut.Britische Seeleute opfern ihr Leben fürdie Nichtintervenüon. Nur wirkliche Nicht-intervention kann ein solches Opfer rechtfertigen.Wenn gefragt werden sollte— so wie Mr.Eden ziemlich hilflos zu fragen pflegt— wasEngland tun könne, um dem AbkommenAchtung zu verschaffen, so scheint uns dieAntwort hinreichend klar zu sein.«Die Reggierun�sumbilduDgin SpanienDie spanische Regierung ist umgebildetworden. An die Stelle des Sozialisten LargoCaballero als Ministerpräsident ist der Sozialist N e g r i n getreten, an die Stelle dessozialistischen Außenministers del Vayo derLinksrepublikaner Giral. Zum alleinigenKriegsminister ist der Sozialist P r i e t o ernannt worden. Die Regierung stützt sichnach wie vor auf die Parteien der Volksfrontund den sozialistischen Jugendverband. Nichtvertreten sind die anarchistische und sozialistische Gewerkschaftsorganisation.Die Umbildung scheint eine direkte Folgeder Spannungen zu sein, die durch den anarchistischen Aufstand in Barcelona hervorgerufen worden sind. Durch diese Umbildungscheint der Weg zu einem einheitlichen militärischen Oberkommando Uber alle Fronten und zur Koordinierung aller Streitkräfte derRepublik gegen den faschistischen Feind freigeworden zu sein. Die neue Regierung erklärt, daß ihr Ziel der Endsieg über dieAufständischen sei, daß sie zu diesem Zweckedie Ordnung im Hinterland unerschütterlichaufrecht erhalten und eine einheitliche Leitung der Operationen herbeiführen werde.Sie wird sich dem Parlament unverzüglichvorstellen.Die neue Regierung setzt also die Politikder kämpfenden Republik fort— vor allemin der internationalen Politik. Del Vayowird als Führer der spanischen Völkerbund»-delegation diese Politik in Genf vertreten.Sie hält fest an der unerschütterlichen Liniedes Rechts: die spanische Republik und ihregesetzmäßige Regierung führen einenAbwehrkampf gegen den Angriffvon innen und außen, gegen diefaschistischen Rebellen und Verfassungsbrecher wie gegen ihre internationalen Hintermänner. Auf ihrer Seite ist das Verfassungsrecht wie die internationale Gesetzlichkeit.Diese Linie, die dem Kampf der spanischenVolksfront breiteste internationale Sympathien sichert, wird nach wie vor gegenüberdem Völkerbund wie gegenüber der Nicht-interventipnspolitik festgehalten werden.Diese Linie zu sichern gegen alle anarchistischen Experimente und Quertreibereien,und ihr alle anderen schwierigen innerpolitischen Fragen unterzuordnen im Interessedes Kampfes gegen den Faschismus, sie zuverfolgen bis zum Siege— das Ist offenbarder Sinn dieser Umbildung.auf den»Schadenwert« der deutschen Rüstung fortgesetzt werden könnte, das heißtauf die Furcht vor den ungeheuren Verwüstungen, die die deutsche Kriegsmaschine anrichten kann, selbst wenn sienicht siegt; es würde bedeuten, daß dasbraune System Zeit gewinnt, um die Schäden und Schwächen seiner Rüstung auszubessern, die im spanischen Kriege hervorgetreten sind. Denn die Rüstungspause,auf die das braune System eingehenwürde, denkt es sich nicht als Vorstufezur Abrüstung, sondern als eine willkommene Etappe zur Konsolidierung seinerMilitärmacht, als ein Sprungbrett zu neuerAggressivität.Das gleiche gilt für das, was Schachtunter wirtschaftlicher Verständigung versteht. Hier geht es dem System darum,seine Rüstung auf eine breitere undsichere wirtschaftliche Grundlage zu stellen, um so mehr, da allmählich das Mißverhältnis zwischen der RiesenrüstungDeutschlands und seiner autarken Wirtschaftskraft immer kritischer wird. Verständigung, so wie das braune System sieversteht, heißt also Begünstigung desbraunen Macht- und Expansionsstrebens.Die braunen Expansionsziele werdend�bed keineswegs verhüllt. Nach wie vorist es der Sinn aller Manöver der nationalsozialistischen Politik, freie Handim Osten zu erhalten, Sowjetrußland aus Europa hinauszudrängen. Nachwie vor bildet die Lösung der Beziehungen zwischen Frankreich und Sowjetrußland das Thema, das das deutsche Propagandaministerium systematisch seiner Aktivität zugrundelegt. Nach wie vor suchtes die Engländer zu überreden, daß siediese Lösung von Frankreich verlangensollten, damit die deutsch-englischen Beziehungen sich bessern, nach wie vor redetes auf die Franzosen ein, daß sie über denRussenvertrag hinwegleben müßten, wennFrieden in Europa sein soll.Freie Hand im Osten aber bedeutet:Sowjetrußland aus Europa hinausgedrängt, England und Frankreich an diePeripherie geschoben, Europa gegenübereine isolationistische Haltung einnehmend,Hitler aber der eigentliche Herr Europas.Die Teilung des Friedens aber bedeutetden Krieg, den Hitlerkrieg, den dasDritte Reich vorbereitet.Möge niemand sich durch die Manöverdes braunen Systems täuschen lassen! Eshat nichts von seiner Bösartigkeit, seinengefährlichen Absichten, seiner Aggressivität aufgegeben— diese Aggressivität istvielmehr sein eigentliches Wesen.Zerse�ungsersdieinuiigenDarre gegen die nationalsozialistischeBauernschaft.Der Zusammenbruch der DarröschenAgrarwirtachaft hat zu einem heftigen Konflikt zwischen Darrö und den nationalsozla-listiachen Bauernschaften geführt. Seit längerer Zeit bestehen große Spannungen zwischen Darrö und dem Leiter der nationalsozialistischen Bauernorganisation, dem Staatsrat Wilhelm Meinberg. Zwischen beiden haben schwere persönliche Auseinandersetzungen stattgefunden.Darrö benutzt nun einen K o r r u p-tionaskandal In der westfälischen Bauernschaft, um die unbequeme Bauernopposition zu unterdrücken. Indieser Bauernschaft sind den Gerüchten zufolge unlautere Manipulationen im Umfangvon mehreren Millionen Reichsmark aufgedeckt worden. Alle führenden Funktionäredieser Bauernschaft sind ihrer Aemter enthoben worden. Diese Affäre hat in Westfalengewaltiges Aufsehen erregt, so daß die»Rote