Nr. 206 BEILAGE
Neuer Vorwärts
23. Mai 1937
Punch sagt es mit Humor
Zur Geschichte und zur Form der Hitler- Karikatur in England
das ten ihm Interviews geben...
lichkeit übergeführt! Wie anders käme Amerikas Sinn für alles Konkrete und Praktische begreifbarer an uns unverbesserliche Romantiker auf der anderen Seite des großen Reiches heran, als gerade durch seinen Kobolz Mark Twain ?!
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Daß die Wahrheit in ihren Händen lieber| war mit den amerikanischen Dreadnoughts|» Mein lieber Willi! Dies ist über alle Berge. | wirkliche» angelsächsische Kultur< den Verdie Pritsche als das Zepter führt, ist eine vor Havanna und nahm dem letzten Neger- Was bedeutet eigentlich Deine Depesche an zicht in der Politik gegenüber den da mißalte Erkenntnis. Die Ahnenreihen von Herr- sklavenhalter mit einem breiten Lachen die den alten Krüger, der für Dich does'nt care ratenen» Vettern<< aussprechen? schern und Herren sagen noch gar nichts Nilpferdpeitsche aus der Hand. Der» Punch< twopence?! Solch eine confoundet imperaus über eine Nation und den Geist, der in fletschte die Zähne gegen die Gummi- Schin- tinence habe ich noch nicht gesehen. The wenigstens erkannt: Wieder spielt das engihr und mit ihr die Geschichte macht; aber der am Kongo ; König Leopolds und König fact of matter is that Du ein furchtbarer lische Volksbewußtsein( wie es schon einihre großen Humoristen sind die echten Manuels schönhüftige Bettgenossinnen muß- Schwaggerer bist. Warum kannst Du nie mal in der lockeren Sprache und in den Spiegel der Volksseele. Wer verstände ruhig bleiben, why can't you hold your bles- drastischen Bildern des» Punch<< sich auch gesättigte Rom ohne seinen Juvenal ?! Wie Die ganze Tragik europäischer Neuzeit- sed row? Wir glauben: nie ist eindring- jetzt gerade wieder äußert), eine beträchthat der Don Quijote die Nation der ewigen geschichte liegt in den» Punch<-Bänden un- licher Würde vor Arroganz, geistige Ueber- liche Rolle in der endgültigen Gestaltung spanischen Individualisten in die Unsterb- mittelbar vor Weltkriegsausbruch zutage, da legenheit vor dilettantischer Wichtigtuerei, des europäischen, und damit auch des deutEngland um die Seele der Parvenüs von die wirkliche Macht vor improvisierendem schen, Schicksals durch die größte moraliBerlin warb. Wie mit den ungebärdigen Krampf verteidigt worden, als in die- sche und strategische Macht der Welt. So Deutschen in irgendeiner Form zu einem sem humor- apokryphen Königin- Brief des sehen sie denn drüben unter dem Hakenfairen» arrangement« kommen, das war die» Punch«. Aber sind das nicht genau die- kreuz mit einigem Frösteln, daß der>> Prusgroße englische Frage! Es ist nicht von un- selben Probleme auch gerade psychologischer sian Bully« als Verkörperung der Kriegsgefähr, wie der» Punch< mehr als jedem Natur, mit denen sich Old Albion auch heute lust wieder in» Punch«-Bilder- Versen in das Große Nationen haben auch einen großen anderen Sujet sich dem deutschen Gegen- wieder in Richtung Kaiser- Wilhelm- Kanal evolutionäre Bedürfnis des DurchschnittsHumor. Es ist das Ewigkeitszeugnis für die stand in dieser Zeit widmet, den manchmal und Yade- Busen herumzuplacken hat? briten sich eindrängt und Schrecken und innerlichste Tapferkeit und den zähesten komischen und gespenstisch bekleideten, imEs ist die Berliner >> Neuphilologische Mo- was für den Engländer noch weit schlimmer Lebenswillen eines Volkes, das mit schier mer aber anspruchsvollen, larmoyanten, natsschrift<<, die sich auch eine Zeitschrift ist als Schrecken Unsicherheit und moraunabdingbarem Leid durch seine vier Jahr- rücksichtslosen Figuren des Wilhelminisfür das Studium der angelsächsischen und lischen Anarchismus in die Welt aussendet. tausende marschiert ist, einsam, verlassen mus; wie er im volksethymologischen Rät- romanischen Kultur« nennt, wobei sie offen Hitler hat für England tatsächlich eine Art und verachtet unter den anderen: daß im- sel» Germany< zu lesen versucht, nicht haẞ- läßt zumal nach diesem gleichgeschalte- neuer» Punch<<- Renaissance hervorgerufen! mer noch die besten jüdischen Witze von den voll, eher nachsichtig- experimentierend, die ten Beitrag! so schreibt die geob jedes>> Studium<< auch» Alle Befürchtungen<< Juden selbst stammen. Was wäre England Böcke von den Schafen scheidend, das> an- schon an sich ein Resultat bedeutet: die den nannte Hitlerzeitschrift im Hinblick auf die ohne seine großen Karikaturisten und Witz- dere« Deutschland unter der Oberfläche des ganzen> Punch<-Komplex jetzt unmittelbare geistige Wirkung auf England, Blickfeld absoluter und hundert- welche die Hitlerei auslösen mußte» beprozentiger Hitlerei abhandelt. Wie stätigten sich in dem Augenblick, in dem Gefahr« des gesagt, ihr» Studium der angelsächsischen Hitler angesichts der>> Roten Hand des Kultur scheint unter diesem Auspizium völ- brennenden Reichstages aus der lig negativ verlaufen zu sein! Denn sonst alten Konsuls Hindenburg die Vollmacht des müßte sie den>> Punch<< anders begreifen. Diktators erhält. Die Geschichte des Natioals die Voraussetzung zum Zum Beispiel fällt ihr auf, daß das englische nalsozialismus Witzblatt zwar>> das italienische RisorgiVerständnis der Revolution kann» Punch< Oh, warum mento mit Wohlwollen immer verfolgt und als Ausländer nicht kennen!<< Garibaldi, wie auch den Ungarn Franz sollte er sie nicht kennen?! Wurde doch beiKossuth, stets romantisch gefeiert<< hätte, spielsweise direkt unter seinen Augen jener dagegen sei vom» Punch< und von England Prozeß in London abgehandelt, der für imselbst der Kampf um die deutsche Nation mer erwies, was es mit der» roten Gefahre als Motiv immer nur dynastische und mili- und mit dem» brennenden Reichstag «, um nur dies aus der» Geschichte des National sozialismus « zu erwähnen, auf sich hatte! Und so sehen die braunen Pessimisten denn, von der kommender unaller- in instinktivem Erahnen
( Großer Gott!
bolde, mit Jonathan Swift angefangen?! In klirrend- offiziellen suchend. Und hier darf Deutschland war der» Kladderadatsch< nur es schon gesagt werden: Was der> Punch< genau so lange eine nationale Fanfare, als als repräsentative Erscheinung echt britider Pulverschwaden Achtundvierzig schen Volksbewußtseins, das von immer noch sich noch nicht ganz verzogen hatte; und für die wirklichen Lebensentscheidungen des Was Empires der ausschlaggebende Faktor bleibt, sein> Simplizissimus< haben sie jetzt aus ihm gemacht!) hing nur heute über» The Hitlerisme< an bildlicher gerade so lange am Busen des Göttlichen, oder literarischer Kraft zu verausgaben hat, als die deutsche Intelligenz mit ihren Horn- das ist eigentlich alles vorweggenommen brillen und spitzen Nasen solche und von ihm in seiner witzvoll- wehmütigen Resolche Ruinen des Feudalismus stieß: Ge- signation gegenüber>> The Kaiser«. Fast radezu alimentiert von Wilhelms des Zwei- sind es sogar die feinsten und subtilsten ten Schnurrbart fand er das erste Mal den satirischen Einzelheiten, die sich heute Tod der Unehre und moralischen Gasver- wie gestern als> made in Germany< da
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ab!< Ja dasselbe,
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> angelsächsischen Kultur« nicht die
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» Punch<-Komplex weiter:
Für ihn, den» Punch«, identifiziert sich nun wieder Kriegsgott und furor teutonicus. Die jüdische und die österreichische Frage berühren seine englische Mentalität als Bedrohung der Schwachen. Alles wird zum Sinnbild deutscher Kriegslist. Die Friedensangebote des Führers verhallen... Auch er, der» Punch«<, ist ein Teil der satirischen Weltpresse, die den Krieg des Mißverstehens gegen Deutsch land führt. Und in diesem Krieg ist er nur ein Glied in der Kette anderer Mächte, der Politik, der Wirtschaft und des Geistes. In diesem Zusammenhang gehört» Punchs< Stock noch zu den am wenigsten verletzenden Waffen; er läßt die Hoffnung, daß es einmal anders wird, noch am ehesten bestehen. Die meisten seiner Darstellungen bewegen sich, wenn auch oft an der Grenze, des Humors. <<
giftung im Weltkrieg, die Republik , Hitlers in seinen Spalten begegnen. Zum Beispiel tärische Selbstsucht untergeschoben<< oppositionelle Stirnlocke und der Micki- der für das englische Individualbewußtsein den... Wer das schreibt, hat vielleicht von Maus- Agitator Göbbels erweckten ihn dann geradezu unverständliche, nie begreifbare der englischen Grammatik, aber zu wahrhaft neuem Leben, zuletzt erwürgte Komplex des heutigen» deutschen Sozialisihn der Minister Göbbels und der befrackte mus« Leyscher Schwadroniererei: wie treff- geringste Ahnung oder besser: er will sie heimlicher Folgen, ganz scharf eigentlich im Hitler endgültig... Das, was im braunen lich läßt der» Punch< schon um 1891 herum Deutschland am allerfrühesten und am den deutschen sozialdemokratischen Arbeikenntnis zu einer Idee beeinhaltet, die schon allerersten» illegal< wurde, wurden die guten ter, der von Wilhelm dem Zweiten mit dem im Kaiserreich vom Schutzmann verfolgt » Ich oder auch die schlechten Hitler -, Röhm- und falschen Pathos angeekelt wird: bin wurde und die im Dritten Reich in den VerGöringwitze. Oh, es ist immer die ganz einer von Euch!« antworten: » Ganz recht, ließen der SS gefoltert wird: die Idee von große Tragödie, die mit dem» Lache, Ba- Genosse, aber dann nimm bitte die Krone der Freiheit des Individuums! Hätte Deutschjazzo!< anrollt... Kaiserworte waren damals ge- land einen Kossuth, einen Garibaldi, einen Es liegt in Englands Wesen und an der nau was heute Hitler - Speechs Gambetta je erzeugt, warum hätte er nicht Rolle, die ihm die moderne Zivilisation zu- sind! Nach der für die deutsche Arbeiter- die Sympathie der Briten , denen der wirkgedacht hat, daß sein Humor und nie- schaft so siegreichen Wahlentscheidung von liche Liberalismus bei Tories, Wrights und mand hat so viel stillen und zähen Humor, 1912 vier Jahre nach den schauerlichon bei Labour nicht Sache nur eines Knopfals der Durchschnittsengländer, bei dem er Hottentottenwahlen lochabzeichens war und ist, finden sollen? aus der Gesundheit einer kampfliebenden, in Sozialdemokrat im> Punch< zum» Deutschen Aber das ist ja eben die deutsche Tragödie, allen Meeren und Wettern gestählten Le- Kaiser, König von Preußen, Markgraf von daß ihr bestes nationales Streben statt bei bensauffassung hervorquillt in die Weite Brandenburg , Burggraf usw. usw.< hinauf: einem Garibaldi schließlich bei einem Mangeht, wie sein Empire. Daß er die Scholle> Auch ich will meinen Platz der teuffel oder von Roon endet, daß des grünen Country zwar liebt, aber die Sonne!<... in der Gegenwart in ganzer dramatischer Welt umarmen und einspinnen möchte. Eng- Für so wichtig hielt man den Tragik sich wiederholen zu lassen lands Minister sehen den Erdball von» Punch< in Berlin schließlich war ja auch einem Ebert und Stresemann weit weg und Stock« sie züchtigt! Daß er nicht für den Schanghai bis Quebec vor sich, wenn sie damals die deutsche Politik noch nicht ge- zu einem Hitler ganz hinleitet. Auch wenn Geprügelten zur Todessense werde, ist die Politik zu machen haben; auch seine Kari- rade von einem so profunden Englandkenner die Engländer aus manchen Gefühlsgründen letzte Hoffnung der Zivilisation. Aber nicht katuristen dürfen sich nicht an den schot- beraten, wie es heute Herr Ribbentrop ohne den Deutschen gewogener sind, als es oft am» Stock« liegt es dann, wenn es doch so Geiz oder die irische Whiskykehle Zweifel ist daß man ihn sogar schon genug eine reine Vorteilspolitik ihnen einzu- weit kommt, sondern an denen, die ihn wieallein verlieren und hissen ihre Segel nach einmal geben hätte, wovon in letzter Stunde Lans - der gegen sich selbst durch das schlimmste burys Berliner >> Mission< wieder einmal deutsche Laster, die Knechtseligkeit und die
tischen
allen Gestaden.
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ruft derselbe deutsche
an
damals
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um es
von
Sie empfinden also schon selbst, wie» der
Das ist der Lebensinhalt und die war, als der» Punch< einige lose Bemerkun- drastisch- grotesk genug zeugte, wer kann von jedem wahrhaften Ideal weit distanzierte
Aktivlegitimation vom
zu einer rituellen Haupt- und Staatsaktion an der Spree gemacht hat. Das » Punch<<, der nun gen zur großen Caprivischen Militärvorlage schon mindestens die dritte oder vierte eng- von 1892 gemacht hatte, die gleichzeitig die lische Generation mehr durch alle Niederun- große Wendung in der deutschen Politik ge- Selbst verleugnen sollen? Daß sie für ihre mal da ist, herbeizitierten! gen als alle Höhen des menschlichen Daseins genüber der Bismarckschen Konzeption geleitet: daß dies klassische englische Witz- nunmehr gestellt auf> atlantische< Großblatt fast auf jeder Seite ein Stück euro- tuerei in praktische Form goß. Damals päischer, ein Stück Geschichte der weißen wurde das Lesen des» Punch< durch eine Zeit eigene Allerhöchste Kabinettsordre für den
von ihnen verlangen, daß sie dieserhalb auch» Tüchtigkeit«<, in einer mächtigen und geGeschichte fälschen! Daß sie ihr eigenes sunden Welt, für die der» Punch< nun einF. E. Roth.
Rasse in der sogenannten modernen
gerade von ihm am
reinsten
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Eine mitleidige Seele
die
ist! Wenn England selbst auf dem Geist des gesamten Berliner Hof verboten. Unbe- Möchten doch endlich die Klagelaute verstummen...< entwickelten rechenbarkeit Hitlers Unberechenbarkeit philosophischen Positivismus heraus bewaff- Wilhelms-? Wie drückt sich das so köst->> Die Semiten waren Jahrtausende hin-| Reiseschilderung aus Palästina, nete Trägerin des Fortschrittsgedankens in lich in dem schönen Brief aus, den der durch die Vermittler zwischen Orient und eine begeisterte Reiseschilderung. Manche der weißen Welt, des gesunden Evolutiona-» Punch< die Queen Victoria an ihren kai- Okzident; sie wurden die religiösen Stellen sind mit Bleistift angestrichen: rismus geworden und gewesen ist: der serlichen Neffen nach Berlin schreiben läßt, Führer der Menschheit, haben die >> Die meisten der Vorüberwandelnden sind >> Punch< hat diese funktionelle Bestimmung als dieser in irgendeiner Laune dem Ohm größten Propheten der Welt hervor- Juden, ansässige und eingewanderte aus seiner Nation auf all ihren Wegen quer Krüger seine Avancen gemacht hatte, die gebracht, und unter ihnen entstanden aller Herren Ländern... Wie arm und abgezehrt sie aussehen! Die Hand durch die Welt getreulich begleitet. In alten er dann ebenso launisch wieder fallen ließ, drei monotheistischen Religio des Krieges lastet schwer auch auf ihnen.<< Jahrgängen des>> Punch< erlebt man wieder indem er dem alten Mann in Köln befahl, ne n.<< Das hat ein mitleidiger Mann geschrieben, etwas vom Freiheitskampf der Griechen ge- von seinem Besuch in Berlin Abstand zu Wir finden diese Worte in einem abge- ein Mann, dem das Schicksal des verjagten, gen türkische Padischahs und Roẞschweife nehmen, obschon er ihn doch förmlich pro- griffenen, offenbar viel gelesenen Buch.>> Hat geängstigten jüdischen Volkes zu Herzen in jenem Inselmeer, in dem Byron mit der voziert hatte. Die Queen, schlechthin fuchs- ein jüdischer Emigrant bei mir verkauft«, ging, des Volkes, das>> die größten Propheten Flinte und der Harfe der abendländischen teufelswild durch ihres Neffen Dummen - sagt der Antiquar, ist im Jahre 1917 geKulturidee sich opferte. Da klingen Baden- jungenwitze gemacht, überschlägt in der druckt, Kriegspapier. Außerdem fehlt die ser und schwäbische Freiheitslieder gegen Hitze des Schreibens ihr eigenes Deutsch, Einbanddecke. Bei der Abreise aus Deutschdie> Preußen« aus dem roten Jahr in pelplatzmauer. eng- indem sie voller Aufregung ins Englische land ging es bißchen eilig zu, da hat es Fetlischen Versen fast nicht schlechter als die verfällt: man muß es gelesen haben, um von zen und Scherben gegeben. Macht nichts. dieses Sie können ruhig in dem Buch blättern.<< erhaschen: darin. Und wir blättern Es ist eine
Geist
etwas zu
im deutschen Original, die die Guillotine dem wirklich demokratischen schmierten mit Tyrannenfett. Der» Punch« englischen Humors
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der Welt hervorbrachte«.
> So kommt man zur Klagemauer der Juden, der Außenseite eines Teiles der TemDort bietet sich ein ergreifender Anblick. Stirn und Hände gegen die riesigen Blöcke der rauhen Mauer gestützt, stehen die Juden und Jüdinnen und klagen über die vergangene