Kleine Rassentragikomodie Spanien von morgen Von AWarez del Vayo, Vertreter der spanischen Regierung beim Völkerbund Die Verbündeten von 1914 kommen wieder einmal zusammen; aber der Chor, der einst »Deutschland über alles« und den»Königs­marsch« sang, wird jetzt von den frischeren Stimmen der»Giovinezza« unterstützt. Die Achse Berlin-Rom schafft sich in Bur- gos die Basis, die sie für die Expansion ihrer Politik an diesem äußersten Ende Europas gebraucht. Von dort aus werden Berlin und Rom die westlichen Demokratien überwachen, über die der Duce sich damals, als er das Gentleman-Agreement unterzeichnete, mit tatsächlich außergewöhnlicher Verachtung ausgesprochen hat. Die faschistischen Staaten haben so die Möglichkeiten Spaniens als eines Paktors er­ster Ordnung in der Zukunft Europas einzu­schätzen gewußt und das ist ihr Verdienst. Sie haben der Tatsache Rechnung getragen, daß die Theorie von der Unteilbarkeit des Friedens in sich selbst etwas sehr viel Posi­tiveres und sehr viel Extrakteres enthält als eine einfache doktrinäre oder sentimentale Haltung. Da sie gleicherweise überzeugt sind wie wir übrigens auch daß Spanien nicht neutral bleiben könnte, wenn der Krieg aus­bräche, so werden sie versuchen, wenn män zehn Jahre der SPD .« Ich habe nichts da­gegen. Woh! habe ich eine Geschichte nicht der sozialdemokratischen Partei, sondern der Republik geschrieben, doch gebe ich gerne zu, daß die Republik ohne die So­zialdemokratie nicht denkbar ist. Die vernünftigste, freieste und mensch­lichste Periode der deutschen Geschichte ist von der Sozialdemokratie vorbereitet und herbeigeführt worden. Ohne die Arbeit der Sozialdemokra­tie hätte sich Deutschland nicht aus dem Abgrund der Niederlage erheben können. Ohne die Sozialdemokratie hätte es in Deutschland nie eine Zeit gegeben, in der die Arbeiter freie Menschen waren. Ohne sie hätte auch die Republik niemals soziale Reformen durchführen können, die jetzt in Frankreich und in Amerika Nach­ahmung finden und dort mit Recht als die neuesten großen Errungenschaften ge­feiert werden. Also warum nicht»Die vierzehn Jahre der SPD «? Die Tatsachen sprechen ihre eigene Sprache, sie entheben mich der Notwendigkeit, dem Beispiel des Herrn Olden zu folgen, und gegen ihn nach dem Zensor zu rufen. Sie sind wichtiger als mein bescheidener Versuch, sie in das rechte Licht zu rücken, wichtiger als die Kritik, die Herr Olden an ihm übt, und wichtiger als alle Literatenfehden, die in der Emigration ausgefochten werden. Und somit genug davon! Friedr. Stampfer. es ihnen erlaubt, Spanien an ihren Kriegs­wagen festzubinden. Unzweifelhaft wird Spanien aus dem Kampfe als eine Militär­macht hervorgehen, was immer auch sein Ausgang sein möge. Es würde ein Militärmacht sein, wenn Franco siegen würde, weil er nur mit Hilfe eines sehr starken militärischen Apparates sich gegen die Feindseligkeit eines ganzen Volkes behaupten könnte. Diese Feindselig­keit ist so stark, daß er heute selbst in den Gebieten, die er beherrscht, und die unter einem brutalen Terrorsystem stehen, täglich seine Zuflucht zu einem halben Dutzend exem­plarischer Exekutionen nehmen muß, um der feindseligen Bewegung der Bevölkerung Herr zu werden. Und außerdem, weil seine faschi­stischen Verbündeten ihn zur Schaffung eines Heeres, einer Luftwaffe und von Flotten­stützpunkten im Dienste ihrer Kriegspolitik zwingen werden, um so viel Nutzen wie mög- lich aus ihrer gegenwärtigen Zusammenarbeit zu ziehen. Auch wenn wir siegen, woran wir nicht einen einzigen Augenblick zweifeln, wird Spanien eine Militärmacht sein, weil wir nicht leicht die Erfahrungen der letzten Monate vergessen werden, in deren Verlauf eine Hand­voll Generale, die Verräter an ihrem eigenen Lande sind, die größte Infamie haben fort­setzen können, die Jemals gegen das spanische Volk begangen worden ist, dank der Unter­stützung der faschistischen Staaten. Das Argument, daß Spanien am Ende des Krieges so erschöpft sein würde, daß es sich nicht den Luxus erlauben könnte, eine müi- täriche Macht zu werden, fällt in sich zusam­men, wenn man sich erinnert, wie die Sowjet­ union , die fast alle Völker schon als tot an­sahen, als Ich sie zum ersten Male im Jahre 1922 als Delegierter Nansens besuchte, aus dieser Prüfung mit ihrer bewundernswerten Vitalität von heute hervorgegangen ist. In dem einen wie in dem anderen Falle wrird es also ein starkes militärisches Spanien geben. Aber In wessen Dienste? Da gewisse Teile der demokratischen Mei­nung in Europa sieh in dem Irrtum verrennen, da sie glauben, man könne den Krieg verhin­dern, indem man die Augen schließt, und daß eine Politik der Kapitulation die beste Frie­denspolitik sei, da sie glauben, sich von ihrer historischen Verantwortung befreien zu kön­nen, indem sie sagen:»Der spanische Bürger­krieg ist eine Angelegenheit, die nur die Spa­ nier angeht«, so hat der internationale Fa­schismus in seiner brutalen Realistik schon auf die Frage geantwortet, die wir soeben ge­stellt haben. Er sagt:»Das Spanien von mor­gen wird in unserem Dienste stehen«, und da die Faschisten ernste Leute sind, so haben sie schon damit begonnen, die tatsächlige Knecht­schaft Spaniens zu verwirklichen. Sie haben mit gutem Grunde vom ersten Tage ab in den Völkeppecht Wem» einer der Unsem in euerem Land solange zündelt und schwindelt und hetzt, bis endlich ein Aufstand mit Gifthauch und Brand eure Städte zerstört, eure Menschen zer­fetzt wagt nicht, diesen Mann untern Galgen zu fuhren, wagt nicht, diesen Mann auch nur hart zu berühren. Die Verhaftung ist schon eine Provokation, Wenn tausend von uns, teils zu Schiff, teils zu Fuß, im Tank und im Flugzeug, mit Bomben und Gift euer Land überziehn, wenn ihr tödlicher Gruß eure Städte und Dörfer im Lebensnerv trifft so merkt euch: wir wollen euch sittlich erneuem, wagt nicht(wie auf Kriegsgegner) auf uns zu feuern, denn das wäre ja schon eine Provokation. Wir haben in unserem eigenen Reich das Leben der Bürger ja auch nicht geschont. Euch lieben wir gleich und behandeln wir gleich, nur fügt euch! Wir sind keine Notwehr gewohnt, und wagt ihr das Werk unsrer Helden zu hindern, geb acht! Wir vergoitcn's an Frauen und Kindern. Das ist nur der Lohn keine Provokation denn wir als das starke und edle Geschlecht sind immer im Recht. H n. Eine Deutsche erzählt englisch Lilo Linke »Restless FTags« 1914. Ein achtjähriges Mädchen fährt bei Kriegsanbruch mit seinen Eltern aus der ost­preußischen Sommerfrische nach Berlin . 1933. Eine 27jährige nimmt In Berlin Abschied von der Mutter, um nach England zu emigrieren. Was an persönlichen und bewußt erlebten all­gemeinen Schicksalen dazwischen Hegt, ist auf 350 Seiten in englischer Sprache erzählt. Das Buch heißt»Restless Flags«(Ruhelose Fahnen) und ist bei Constablc und Co. Ltd. in London erschienen. Die Eltern sind Kleinbürger in Berlin O. Lilo erlebt das typische Schicksal des groß­städtischen Kriegskindes. 1918 sieht sie rote Fahnen und hört, wie ihre Mutter die Kom­munisten verflucht, doch sie versteht nichts davon. ITjährig wird sie Lehrmädchen in einer Leihbücherei beim Post dam er Platz. Hier stillt sie ihren Bildungshunger und erlebt erste Liebesabenteuer. Aus schwüler Luft rettet sie sich in die Frische der Wandervögel­bewegung. Sie wird Mitglied einer unpoliti­schen aber republiktreuen Gewerkschaft: Jungsozialisten, Nie-wieder-Krieg, Nacktkul­tur, und andere Bewegungen der Zeit treten zum ersten Mal in ihren Gesichtskreis. Es gibt Ausflüge, Reisen, Diskussionen, platonische Freundschaften, doch das Ganze endet mit Krach und Bruch. spanischen Ereignissen eine eminent inter­nationale Angelegenheit gesehen, und sie ha­ben es verstanden, aus jeder Schwäche der anderen Nutzen zu ziehen. Sie wissen, daß wenn die Welt alarmierter wird, es genügt, eine einfache Deklaration abzugeben, die die Achtung der Integrität von Spanisch-Marokko und den Balearen enthält, damit wieder Ruhe eintritt. In Marokko sind es in der Tat noch die re­bellischen Generale, die wie man von außen beurteüen kann, das Kommando zu führen scheinen; die wachsende Germanisierung des Protektoratsgebiets ist noch nicht dazu ge­langt, das Hakenkreuz auf den weißen Bur­nus des Kalifen zu sticken. Auf den Balearen hat sich die zu deutlich sichtbar gewordene Silhouette des Grafen Rossi diskret zurück­gezogen; aber alle seine Mitarbeiter sind ge­blieben. Auf den canarischen Inseln, die viel zu sehr vergessen werden, arbeiten die Ma­rinetechniker sehr aktiv, ohne Geräusch zu machen. Wenn man Garantien gibt die übrigens von jenen gegeben werden, die die Verletzung der Verträge zur Praxis ihrer internationa­len Politik gemacht haben und wenn man sie mit einem Seufzer der Erleichterung hin­nimmt, so vergißt man, daß für die prakti­schen Zwecke und unter dem Gesichtspunkt der Drohung gegen die Demokratie des We­stens eine Einflußzone dieselbe Bedeutung hat wie ein annektiertes Gebiet. Es genügt den römischen und den Berliner Kanzleien zu wis­sen, daß die Balearen und die canarischen In­seln, ohne daß ein Flaggenwechsel erfolgt, morgen ausgezeichnete Flotten- und Luftstütz­punkte unter Franco sein werden, die zur rest­losen Verfügung Ihrer tatsächlichen Besitzer stehen würden, und daß Im marokkanischen Protektorat ohne jede Notwendigkeit der Aen- derung der Verträge Hunderte von deutschen Agenten sich niederlassen könnten mit dem Auftrag, im benachbarten Gebiet Unruhe zu stiften, und daß die von dem Generalissimus eingeladenen Techniker dafür sorgen würden, daß die während der Periode der Rebellion begonnene Arbeit gekrönt werde. In wessen Dienst wird das Spanien von morgen stehen? Im Dienste des internationa­len Faschismus, der seine Pranke gegen die Existenz der westlichen Demokratien erhebt, oder im Dienste der kollektiven Sicherheit und des Friedens, im Dienste einer wohldefi­nierten Politik, die in erster Linie mit den Interessen Frankreichs und Englands zusam­mentritt? Das ist für mich der grundlegende Ge­sichtspunkt. Indem ich die wesentlichsten Ele­mente zur Beurteilung dieser Frage offen lege-, wünsche ich, daß die Stimme des republika­nischen Spanien gehört werde, das sich schlägt und sein Blut vergißt nicht allein für sich seibat, sondern für alle Demokratien gegen den Faschismus. 1926 geht Lilo nach Hamburg und nimmt dort eine Stellung an. Ein junger Mann bringt sie in den Kreis der Jungdemokraten, an dem sie mit lebhaftem Interesse teilnimmt. Sie bewlhbt sich um eine Anstellung bei der Par­tei, deren Größen sie auf einer Konferenz In Heldelberg kennen lernt, und wird schließlich rechte Hand des Generalsekretärs der Jung­demokraten in Berlin . Jetzt beginnen auch be­kannte Figuren aufzutauchen: Koch , Külz, Georg Bernhard und Lemmer (für den sie ein sehr durchsichtiges Pseudonym erfindet). Sie ist nun überzeugte Demokratin, erkennt aber, daß sich im kapitalistischen System die soziale Gerechtigkeit nie verwirklichen läßt. So müßte sie Sozialdemokratin werden, fände sie nicht, daß die Sozialdemokratie. eigentlich noch rechts von den Jungdemokraten stän­de...! Nach dem Zusammenbruch der demo­kratischen Partei kann sie sich doch nicht zum radikaldemokratischen Experiment ent- schliessen einer hoffnungslosen Parteigrün­dung, die einige ihrer Freunde unternehmen sondern tritt in die Sozialdemokratische Partei ein. Inzwischen ist es schon kurz vor zwölf. Sie erlebt eine Hitlerversammlung, deren bar­barischer Fanatismus sie abstößt. Sie steht nun, politisch geschult, in den Reihen der So­zialdemokratie. Mit Bitterkeit im Herzen, aber in klarer Erkenntnis, daß es anders nicht geht, stimmt sie 1932 für Hindenburg . Am Morgen nach dem preußischen Staatastreich kommt sie in eine parteigenössische Familie und fin­det ihren Freund Karl übernächtig in Reichs­banneruniform er hat die ganze Nacht ge­wartet. ob ihn die Führer nicht rufen wür­den... Dann kommen die Wahlsiege Hitlers , der steigende Terror, die Verzweiflung, die Rechter Hand, linker Hand, beides ver­tauscht... Stände sie nicht mit allen Detail in West­deutschlands größtem Blatte, dem»West­deutschen Beobachter«, man könnte glauben, daß der nachstehende Bericht über eine Ge­richtsverhandlung in Köln eigens erfunden sei. um die deutsche Rassengesetzgebung zu verhöhnen. Fritz Kirchheimer heißt er, 23 Jahre alt, Reisender, so strohblond sein Haar, so blau sein Auge, so hell sein Teint, daß er »nach seinem gesamten Aeußeren keineswegs den Eindruck machte, ein Judenstämmling zu sein«. Er war es aber mit der ganzen Quantität seines Blutes, das ungeachtet der arischen Fassade in orientalischer Sinnen­lust gärte. Eines Tages lernte er in einem Restaurant ein junges Mädchen kennen, in deren Herz er sich mit dem Raffinement sei­ner Rasse einzuschmeicheln verstand, zumal sie keine Ahnung davon hatte, daß es sich bei ihrem Geliebten und Wohngenossen"m einen Juden handelte. Soweit ist die Geschichte mitsamt ihrer Szenerie vor Gericht ziemlich banal. Hier aber entwickelte sich die folgende Tragi­komödie. »W i e der A»n geklagte nicht den Eindruck eines Juden machte, so sehr war die Zeugin von geradezu auffallend jüdi­schem Typus. Auf den ersten Blick hätte jeder Unbefangene sie zweifellos für eine Vollblutjüdin angesehen. Wenn der Angeklagte mit diesem Einwand ge­kommen wäre, so würde er damit be­stimmt keinen Zweifel erweckt haben. Die Zeugin erklärte aber, sie sei arischer Abstammung und katholischer Religion. Allerdings wußte sie von ihrer Mutter nur, daß sie ein angenommenes Kind gewesen war. Von ihren Groß­eltern mütterlicherseits wußte sie überhaupt nichts, hatte diese auch nie gekannt. Nach ihrer eidlichen Be­kundung hat sie zuerst nicht gewußt, daß der Angeklagte ein Jude war.« Es lag also ein Kurzschluß vor, der die klare Linie der Rassen- und Sippenforschung auf peinliche Welse unterbrach! Der hoch­blonde Fritz, die tiefschwarze Grete: zwei lebendige Zeugen gegen die Güntherseben Rassentafeln, die zum Glaubensbekenntnis und zum Wissenaschatz des Natl onalsozialls- mus gehören. Der Staatsanwalt der Kölner Strafkammer wollte die Problematik dieses aufregenden Tatbestandes, der an sich schon heimtückisch und staatsfeindlich war, am liebsten übergehen. Er donnerte wider die »Dreistigkeit« des Angeklagten und forderte gegen den noch gänzlich unbestraften Fritz eine Zuchthausstrafe von zwei Jahren drei Monaten nebst drei Jahren Ehrverlust. Mehrere Stunden hindurch dauerte die Beratung der Kammer. Aus der Gerichts- bibllothek wurde ein Buch nach dem andern beordert, um sich über die Möglichkeit rassi- Verwirrung. Lilo nimmt von ihrer Mutter, einer gläubigen Hitlerverehrerin, Abschied und fährt nach England. Das Buch würde verdienen, auch in deut­scher Sprache zu erscheinen. Es ist in Form einer Selbstbiographie ein wesentlicher Bei­trag zur Geschichte der jüngsten Vergangen­heit, und für die Politik ist manches daraus zu lernen. Man begreift, daß die junge Gene­ration von 1925 ganz anders als etwa die von 1890 die Sozialdemokratie erleben mußte das war nicht mehr die kleine geächtete Min­derheit, zu der man sich In schweren Inneren Kämpfen durchrang, sondern eine regierungs­fähig gewordene Massenpartei, die an den po­litischen Verstand appellierte, nicht mehr an die Phantasie und an die Leidenschaft. In Lilo Linkes Darstellung, die den Eindruck großer Aufrichtigkeit macht, würde das Ge­fühl überhaupt kaum noch eine Rolle spielen, wenn es nicht als Abwehrreaktion gegen die braune Barbarei lebendig würde. War am En­de diese Wiedererweckung eine geschichtliche Notwendigkeit?' F. St. Aufsa�fthemen zeitgemäß Deutsche und Polen mitten im Göring-Beek- Arrangement... »Der Auslandsdeutsche« vom April die­ses Jahres in Stuttgart , der vom»Deutschen Auslandsinstitut« in dieser»Stadt der Aus­landsdeutschen« mit mannigfachen fetten Spesenrechnungen, die man an Herrn Göb- bels weiterzuleiten hat, herausgegeben wird, schreibt über das auch noch außerhalb einer gewissen Kabinettspolitik ganz interessante Thema des Verhältnisses der Deutschen und Polen :