Nr. 212 BEILAGE

Neuer Norwärts

DACHAU

4. Juli 1937

Wir setzen unsere Veröffentlichun-| Leitung des Oberführers Deubel wurde habe kein Geld. Es wurde ein anderer ge-| Dieser Mann erklärte immer, daß er nie gen über das Lager Dachau aus den den Gefangenen gestattet, Fußball zu holt, der Geld hatte, um sich Wurst zu heimgehen wolle, weil ihn daheim seine Deutschland - Berichten des Sozialdemo- spielen. An Sonntagen bildeten sich Fuß- kaufen und der wurde mit der Katze auf- Frau schlüge. Ihm gefalle es so gut, daß Parteivorstandes fort. ballmannschaften, die unter der begeister- genommen. ten Anteilnahme der Lagerhäftlinge ihre

kratischen

( Siehe Nr. 211 des» N. V.<<)

VI. Das Leben im Lager

er immer dableiben wolle. Man konnte dem Besuche. Türriegel keinen größeren Schreck ein­Spiele austrugen. Da wurde eines Tages Wenn Besuche von höheren Persön- jagen, als wenn man sagte, daß er Dachau verlangt, daß Gefangene sich zur Erwer- lichkeiten von Ausländern in das verlassen müsse. Kam Besuch, so mußte Das Essen ist in Dachau heute bung des Reichssportabzeichens melden Lager kommen, so müssen die Leute an- Türriegel vor und sein Sprüchlein her­schlechter als in der Anfangszeit. Als sollten. Es meldete sich aber niemand. Auf treten, die man vorher dazu ausgesucht unterleiern, damit die Gäste den Beweis Mittagessen gibt es am Montag, Mittwoch Befragung erklärten die Gefangenen, daß hat. In erster Linie sind das häßlich aus- hatten, daß die Gefangenen überhaupt und Samstag Kraut und Kartoffeln. Sonst sie infolge der geringen Ernährung die sehende Juden und Verbrecher, die sich in nicht mehr aus Dachau herauswollen. Tür­gibt es fast immer Rollgerste und Kutteln. Kräfte nicht aufbrächten, die zu solchen Sicherheitsverwahrung befinden und unter riegel wurde gut behandelt, denn man fand Fleisch, ein kleines Fetzchen, gibt es nur sportlichen Leistungen nötig seien. Das denen solche sind, die 50 und 70 Vorstrafen im ganzen Lager keinen zweiten mehr, der am Sonntag. Die Gefangenen haben bei wurde zum Anlaß genommen, auch das haben. Die Antworten, die von diesen Ge- sich mit ehrlicher Ueberzeugung der schweren Arbeit immer Hunger. Am Fußballspielen zu verbieten, denn» wenn fangenen auf die Fragen des Lager- lobend über Dachau aussprach. Abend gibt es Heublumentee, Käse oder die Leute zu schwach sind, sportliche Lei- führers gegeben werden, sind natürlich ein kleines Ringlein Wurst; Dienstags und stungen zu vollbringen, so können sie auch für die Besucher recht abschreckend. Wenn Donnerstags Krautsuppe. Frühmorgens nicht Fußball spielen«. Alle diese Ver- da z. B. ein Mann, der befragt wird, war­gibt es gebrannten Rübenkaffee und alle schärfungen sind seit Frühjahr 1936 ein- um er in Dachau ist, antwortet:» Ich bin Veranlagung drei Tage ein Kommißbrot von kg.

Ein Abend:

Wenn normaler Arbeitsschluß ist, kom­men die Gefangenen um 126 Uhr in die Baracken. Das Abendessenfassen dauert bis 6 Uhr, der Postempfang von 6 bis 7 Uhr. Um 7 Uhr ist Zählappell. Von 28 Uhr bis 8 Uhr ist freie Bewegung, von 8 bis 9 Uhr kann man in den Baracken auf sein. Um 9 Uhr wird das Licht ausge­dreht und es muß Ruhe herrschen. An vielen Tagen jedoch kommen die Gefange­nen erst um 7 oder 8 Uhr von der Arbeit, dann fallen sie todmüde in ihre Lager­stätten.

Bei der Krankmeldung

zeigt sich besonders, wie barbarisch die Schutzhäftlinge behandelt werden. Wer sich vom Sanitäter nicht mehr pflegen lassen kann, weil seine Erkrankung die Beratung eines Arztes erfordert, der hat einen schwierigen Weg vor sich. Will er sich zum Arzt melden, so muß er sich am Abend zum Kompagnieschreiber begeben. Dieser gibt ihm einen Zettel, mit dem er am anderen Tage zum Kompagnieführer zum Rapport gehen kann. Dieser siebt zum ersten Male. Er befragt den Gefangenen, und wenn er ihm nicht krank genug er­scheint, so schickt er ihn einfach wieder zurück. Läẞt er ihn passieren, so kann der Kranke zum Lagerführer ins Büro gehen. Der fragt ihn noch einmal aus und erst, wenn auch er den Mann für krank genug befunden hat, schickt er ihn zum Arzt. Wenn der Befund des Arztes ergibt, daß der Häftling>> übertrieben hat, so wird er zum Strafexerzieren verurteilt.

geführt worden.

ein Trinker und habe

Das Gesicht des politischen Verbrechers. Zum Schuße der Volksgemeinschaft hat der deutsche Staat Typen dieser Gattung für immer von der Gemeinschaft mit den übrigen Volks= genossen ausgeschlossen.

seit zwei Jahren

gleich

Die Stimmung unter den Gefangenen. Die Stimmung ist natürlich je nach einzelnen Gefangenen

sehr verschieden, doch ist allen gemein­sam ein starkes Gefühl der Bedrückung. Für jeden Häftling ist ein Gedanke beson­ders deprimierend: daß er nicht weiß, wie lange er in Haft behalten wird. Es läßt sich auch keine Norm erkennen, nach der die Entlassungen erfolgen. Es sind heute Menschen in Dachau , die vor Gericht frei­gesprochen wurden, die keinerlei Stellung in irgend einer politischen Partei bekleide­ten, ja die früher nicht einmal Mitglied einer Partei waren und die nun schon seit vier Jahren festgehalten werden. So trägt jeder einzelne immer die Hoffnung mit sich, daß beim Entlassungsappell eines Tages sein Name genannt wird.

Eine Aenderung der bestehenden Zu­stände erwarten 90 Prozent der Gefange­nen nur durch einen Krieg. Aber dabei sind sie sich klar darüber, daß das für sie nicht die Freiheit bedeuten würde. Im Lager ist bekannt und alle rechnen be­stimmt damit, daß sie im Falle eines Krieges noch grausamer behandelt werden.

Die Solidarität unter den Gefangenen, die ja aus sehr verschiedenen Elementen bestehen, läßt sehr zu wünschen übrig. Man muß sich vor Denunzianten hüten, denn es kommen immer wieder Verräte­reien vor. Die meisten Politischen haben sich zu kleinen Gruppen zusammenge­funden, die sich von dem Gros der übri­Es gibt gen Gefangenen unterscheiden. aber auch Politische, an deren fester Ge­sinnung kein Zweifel besteht und die voll­ständig allein bleiben und nie ein Wort In den über politische Dinge sprechen. meine Frau und meine vier Kinder in politischen Zirkeln entwickeln sich Freund­schaften in edelsten Formen. Nachfolgend zwei Fälle, die zeigen größter Not gelassen, ich bin 12mal wegen Das Verhältnis zwischen ehemaligen mögen, wie diese dienstlichen Vorschriften Dezember 1936 wurde ein Bildbericht über Diebstahls vorbestraft«<, so muß der Be­durch die Lagerleitung gehandhabt wer- das Konzentrationslager Dachau gebracht. sucher einen schlechten Eindruck bekom- Sozialdemokraten und Kommunisten hat sich vollständig ausgeglichen. Ein hervor­den. Ein Arbeiter will zum Arzt, weil er Auf Seite 2017 in der rechten oberen Ecke politischen Gefangenen führt am linken Fuß einen Furunkel hat. Er wird das Gesicht eines» politischen Ver- man nie vor, und müssen sie einmal in ragender Kommunist, der früher ein star­ker Hasser der Sozialdemokraten war, hat kommt bis zum Standartenführer. Dort brechers« gezeigt. Der Mann hat eine ein- Reih und Glied antreten, so fragt sie nie­entwickelt sich folgendes Gespräch:» Herr gedrückte Nase. Unter dem Bild mand nach ihrer Meinung und selbst heute folgenden Standpunkt: Fehler haben Lagerführer, ich bitte Sie, mir zu geneh-» Zum Schutze der Volksgemeinschaft hat wenn sie gefragt würden, könnten sie wir alle gemacht. Es ist sinnlos, immer nicht die Wahrheit sagen. bloß darüber zu reden. Wir müssen migen, mich beim Arzt melden zu dürfen.< der deutsche Staat Typen dieser Gattung schauen, daß wir in der Zukunft diese Feh­Der für immer von der Gemeinschaft mit den Lagerführer:>> Was fehlt Ihnen?<< Es ereignete sich einmal folgender ler nicht noch einmal machen. Einige So­Häftling entfernt seinen Strumpf und übrigen Volksgenossen ausgeschlossen«. Vorfall: Im Lager befand sich ein Mann, zialdemokraten, darunter auch bekannte zeigt den Furunkel. Darauf der Lager- Wie wir feststellen konnten, handelt es der angeblich wegen illegaler Arbeit fest- Persönlichkeiten, haben sich höchste Ach­

Lügnerische Berichte über Dachau . Im» Ilustrierten Beobachter<< vom

3.

steht:

Die men.

führer:>> Sie können nicht stehen? Sie sich in diesem Falle um den Schutzhäftling genommen wurde. Er selbst behauptete, tung bei den Gefangenen erworben. Ob haben doch zwei Beine, so stellen Sie sich Bartel Fischer. Dieser Fischer war leiden- daß er nie etwas damit zu tun gehabt ehemaliger Kommunist oder Sozialdemo­eben einmal etwas auf das andere. Gehen schaftlicher Nationalsozialist und alter habe und erklärte das auch noch nach krat, zu diesen Genossen blickt man auf, Sie nur ruhig wieder zu Ihrer Arbeit. So Kämpfer. Seine Eltern sind begeisterte einem Jahre allen Gefangenen und seinen denn man würdigt in ihnen den Wert ihrer empfindlich darf man nicht gleich sein.<< Nationalsozialisten . Sie haben ein großes intimsten Freunden. Diese glaubten es Persönlichkeit.

schon.<<

Die Geselligkeit und der Sport.

es( Siehe Bild.)

Ein Arbeiter hat Panaritium am linken Lebensmittelgeschäft und beliefern eine auch, da er ein vollständig unpolitischer Interessant war zu beobachten, wie der Mittelfinger. Er ließ sich vom Sanitäter SS- Kaserne. Sein Bruder bekleidet eine Mensch war. Fragte ihn jemand:» Warum Ausbruch des spanischen Kampfes auf die verbinden und wollte zum Arzt, weil er es Funktionärstelle bei der NSDAP . Er selbst bist Du in Dachau ?«<, so gab er zur Ant- politischen Gefangenen wirkte. Als die vor Schmerzen nicht mehr aushalten vermeidet jedes Gespräch darüber, warum wort:» Ich weiß es nicht<<. Als anläßlich deutschen Zeitungen über die Kämpfe be­konnte. Der Lagerführer erklärte ihm: er in Dachau ist. Er war früher bei vielen der antibolschewistischen Ausstellung in richteten, waren alle Politischen, aber auch >> Der Mensch hat ja 10 Finger, wenn Sie Aktionen gegen die Marxisten beteiligt. München ein Besuch italienischer Faschi- viele Unpolitische in großer Aufregung. mit neun richtig arbeiten, genügt sten im Lager stattfand, fragte der Lager- Spanien wurde auf einmal zum Mittel­Als diese Bilder in Dachau für den führer zufällig auch diesen Mann, warum punkt aller Gespräche. Als die Kämpfe » Völkischen Beobachter< aufgenommen er in Dachau sei. Der antwortete prompt: länger andauerten, verflog zwar das In­Im Jahre 1935 und noch in den ersten wurden, suchte man lange unter den Ge-» Ich weiß es nicht«<, Nach dem Besuch teresse bei den Unpolitischen, in den poli­Monaten 1936 wurden verschiedentlich fangenen herum, bis man die richtigen wurde er zu zweistündigem Strafexerzieren tischen Zirkeln aber wurden die Diskus­bunte Abende unter ausschließlicher Mit- Köpfe fand. Dabei wurden Berufsverbre- verurteilt. Dann wurde er wieder gefragt sionen heftig fortgesetzt. Als Madrid , wirkung der Gefangenen für die Gefange- cher mit 30 Vorstrafen als politische Ver- und gab wieder die Antwort:» Ich weiß es obgleich die deutschen Zeitungen den bal­nen veranstaltet. Von diesen bescheidenen brecher ausgegeben. nicht«. Darauf hat man ihn zu 6 Wochen digen Einmarsch Francos angekündigt hat­Stunden der Geselligkeit ging eine große Wie man die Bilder stellte, dafür nur Bunker und 100 Peitschenhieben verur- ten, sich heldenhaft behaupteten, waren Freude aus. Man fing an, eigene Ideen zu ein Beispiel: Ein Häftling saß auf einer teilt. Als er den Bunker verließ, fragte sich alle darüber klar, daß der Faschis­entwickeln, jeder suchte suchte nach Möglich- Bank in der Sonne. Die Kantinenkatze ihn der Lagerleiter noch einmal:» Wissen mus einen hartnäckigen Gegner gefunden keiten, wie er zur besseren Ausgestaltung war in der Nähe. Die Photographen, die Sie jetzt endlich, warum Sie in Dachau habe. des Abends beitragen könnte. Da trat der des Weges kamen, forderten den Mann sind?<< Der Mann antwortete nichts mehr. mehr. Spanien interessierte mehr als Lagerführer Weißenborn sein Amt an und auf, die Katze auf den Schoß zu nehmen Eine besondere Attraktion bei Be- Deutschland. Die meisten hatten wenig alles wurde eingestellt, denn seiner An- und mit ihr zu spielen. Die Katze wollte suchen war der Häftling Türriegel, ein von Spanien gewußt, nun war Spanien zum sicht nach ist Dachau » keine Theaterge- jedoch nicht bleiben. Nun erhielt der Ge- Maurer, der einmal vom Gerüst gefallen Inbegriff ihrer Sehnsucht geworden. Von sellschaft<<. Seither gibt es keine bunten fangene Befehl, sich in der Kantine ein war und dadurch an seinem Verstande ge- den Internationalen Brigaden lasen sie in Abende mehr und keine Lieder werden Stück Wurst zu kaufen, damit die litten hat. Er war das Vergnügungsobjekt den deutschen Zeitungen mit Staunen. mehr zur Harmonika gesungen. Unter der Katze zu locken. Der Häftling sagte, er der Wache, die mit ihm ihre Witze machte. Nach Spanien ! Wenn man nach Spanien

um

Nun erlosch das Interesse nicht