Der Weg der Diktator FehllnTestitionen und fortsdireitende Inflation Wieder einmal wird in Deutschland eine Anleihe von 700 Millionen Redchsmark aufgenommen. Es handelt sich um 4pro- zentige Reichsschatzanweisungen mit einer durchschnittlichen Laufzeit von zwölf Jahren. 100 Millionen müssen die Sparkassen und Versicherungsgesellschaften übernehmen, der Rest wird zur öffent- lichen Zeichnimg aufgelegt. Der Zweck ist die sogenannte Konsolidierung der Rüstungswechsel. Formell kurzfristige Staatspapiere, die aber zum großen Teil immer wieder prolongiert werden, werden in formell langfristige verwandelt. Dahinter steht der Notenbankkredit. Wie' die Reichsbank einen Teil der Rüstungswechsel immer wieder diskontieren, das heißt mit ihren Noten aufkaufen muß, so muß sie unter Umständen auch die langfristigen Anleihen lombardieren, sie beleihen. Und wenn auch der Spielraum für diese Beleihung elastischer ist als bei der Diskontierung von Wechseln, so muß sie doch im Bedarfsfalle stets erfolgen, soll nicht der Kurs der Anleihen ins Bodenlose sinken und damit der aufgeblähte Staatskredit in sich zusammenfallen. Die Unterbringimg dieser Anleihen stellt an sich kein Problem dar. Der Staat finanziert die Rüstungskosten mit der Ausgabe immer neuer Wechsel, die ununterbrochen vor sich geht. Diese sammeln sich bei den öffentlichen Kreditanstalten, Banken und Industriellen an. Zugleich verhindert die Diktatur durch ihre Zwangsmaßnahmen, daß der größere Teil so geschaffenen Kreditgeldes in Zirkulation tritt. Emissionssperre und Dividendenbegrenzung verhindern die Anlage in Aktien, die Außenhandels- und Rohstoffkontrolle die Anlage in Metallen oder anderen Sachwerten. Nachdem die Industrie ihre Bankschulden zum großen Teil abgetragen hat, hat sie für die sich bei ihr ansammelnden Wechsel keine andere Verwendungsmöglichkeit, als die in diese Konsolidierungsanleihen zu verwandeln. So geht die Schuldenvermehrung munter voran. Das erste Stadium ist die Ausgabe von neuen Wechseln, in einem zweiten wird ein Teil dieser Wechsel zu»normalen« Reichsanleihen. Seit 1935, da Schacht mit diesen Konsolidierungen begann, ist die deutsche langfristige Verschuldung um nicht weniger als 6690 Millionen RM gestiegen. Aber trotz dieser Summe von fast 7 Milliarden, die in 2y2 Jahren abgeschöpft worden ist, gelingt es nicht, der fortschreitenden kurzfristigen Verschuldung, die in Wirklichkeit rein inflationistische Finanzierung ist, Einhalt zu tun. Offiziell wird zwar die kurzfristige Verschuldung seit Jahren konstant mit 2% Milliarden RM angegeben. Aber; in dieser Summe sindein- ge s t an d e n er m a ß e n die Rüstungswechsel nicht enthalten, von denen man nur weiß, daß sie das Vielfache diesef Summe ausmachen. Schacht und Schwerin-Krosigk haben ganz offen von einer langjährigen Fortsetzung der Konsolidierungspolitik gesprochen. Hätten die kurzfristigen Reichsschulden effektiv nur 2% Milliarden betragen, würden die Rüstungswechsel in Wirklichkeit nicht viel rascher vermehrt werden als ihre Ersetzung durch die neuen langfristigen Anleihen erfolgt, so müßte die Konsolidierung bereits abgeschlossen sein und brauchte nicht noch»jahrelang« fortgesetzt werden. In Wirklichkeit vollzieht sich jetzt in Deutschland derselbe Prozeß wie während des Krieges. In den ersten beiden Kriegsjahren gelang die Abschöpfung des von der Reichsbank zur Kriegsfinanzierung geschaffenen Kreditgeldes durch die Kriegsanleihen noch halbwegs. Dann blieben die Zeichnungen der Anleihen immer stärker hinter dem Umfang der unaufhörlich weiter getriebenen Kreditausweitung zurück. Das Ende war schließlich die offene Inflation. Jetzt vollzieht sich der gleiche Prozeß, bisher durch Zwangsmaßnahmen der Diktatur nur stärker verhüllt und in seinen Wirkungen noch gehemmt. Ein Teil der wirklichen kurzfristigen Verschuldung wird immerhin sichtbar, wenn man den Wechselbestand der Reichsbank und der übrigen Banken betrachtet. Zu Beginn der Hitlerherrschaft betrug der Wechselbestand der Reichsbank durchschnittlich 2.9 Milliarden RM; im laufenden Jahr erreicht der Monatsdurchschnitt des Wechselbestandes etwa 5.4 Milliarden RM, also fast das Doppelte. Aber vor Hitler handelte es sich um echte, solide, private Handelswechsel, heute fast nur noch um Reichswechsel, um die Rüstungs- und Autarkiefinanzierungswechsel. Der Wechselbestand der fünf Berliner Großbahken betrug 1933 im Monatsdurchschnitt IV2 Milliarden RM und stieg bis 1937 ebenfalls auf das Doppelte, auf 2.9 Milliarden RM. Auch hier handelt es sich jetzt nicht mehr um Handelswechsel, sondern zum großen Teil um Rüstungswechsel. Zusammen ergibt sich eine Summe von 8.3 Milliarden RM. Aber daneben schwimmen Milliarden Rüstungswechsel auf dem offenen Geldmarkt, sind bei Sparkassen und Versicherungsgesellschaften untergebracht und häufen sich in den Portefeuilles der Großindustrie. Die»Konsolidierung« kann also mit der Wechsel Vermehrung nicht Schritt halten; die Inflation schreitet trotz steigender Steuereinnahmen, trotz unaufhör- ücher Anleiheaufnahmen unaufhaltsam fort. Kein Wunder, daß es selbst den Gleichgeschalteten unheimlich wird und die Warnungen vor dieser Art Finanzierung zunehmen. So hat der Regierungsrat Rentrop,, der Abteilungsleiter beim Reichskommissar für die Preisbildung ist, in der»Zeitschrift der Akademie für Deut sches Recht « eine Abhandlung veröffentlicht, in der er darauf hinweist, eine weitere Kreditausdehnung müßte als Inflation bezeichnet werden, da der Geldumlauf dann in einem Mißverhältnis zur vorhandenen Warenmenge stehen würde. Man weiß, daß diese Ansicht von allen Wirtschaftskreisen ebenso geteilt wird wie von der Reichsbank selbst. Nur daß diese Einsicht nicht den geringsten Einfluß auf den weiteren Verlauf haben wird. Denn die Diktatur kann heute weniger als je daran denken, die wirkliche Ursache der deutschen Wirtschaftsnot und damit auch der neuen deut schen Inflation zu beseitigen: das wahnsinnige Tempo der Aufrüstung. Der Zusammenhang ist einfach der; der Staat hat einen immer größeren Teil der deutschen Produktivkräfte für die Rüstungsproduktion beschlagnahmt und bezahlt diese Produktionskräfte— Arbeiter und Material— mit neu geschaffenem Staatspapiergeld— durch Inflation, die stets eine versteckte Form der Konfiskation darstellt. Da die Gelder in unproduktiven Werten angelegt werden, ergibt sich daraus keine entsprechende Zunahme an konsumierbaren Gütern, die in Zirkulation treten können, so daß sich das Mißverhältnis zwischen Geldumlauf und Gütermenge ständig steigern muß. Da die Kriegsdrohung, die die Diktatur geschaffen hat, ihr eine Verlangsamung der Rüstungen verbietet, ist eine Umkehr unmöglich, und alle Warnungen der Wirtschaftskreise bleiben in den Wind gesprochen. Dabei zeigen die mittelbaren und immittelbaren Preiserhöhungen, die trotz schärfster Ueberwachung ununterbrochen vorangehen, daß Symptome auch der offenen Inflation bereits sichtbar werden. Daran ändern auch die Konsolidierungsversuche nichts wesentliches. Ihre wirkliche Tendenz hat vor kurzem die»Neue Züricher Zeitung« ganz richtig charakterisiert: »Die den Effektenmärkten zur Verfügung stehenden Papiere werden sukzessive eingeschränkt und der Anlagebedarf immer mehr auf die Reichsanleihen abgedrängt. Die konsequente Fortführung(fieser Politik müßte schließlich dazu führen, daß nur noch ganz geringe Mengen privater Papiere vorhanden wären und praktisch für Anlagen nur noch Staatspapiere zur Verfügung ständen. Die Portefeuilles der Banken, der Industrie, der Sparkassen, der Versicherungen und anderer Institutionen enthalten heute schon umfangreiche Bestände von Reichsanleihen; das Binde der vorerwähnten Entwicklung müßte sein, daß diese Portefeuilles überwiegend Reichsanleihen enthalten. Eine Krise in der Finanzpolitik müßte alsdann zu nicht übersehbaren Konsequenzen führen, und es läßt sich leicht vorstellen, welchen Wert abgeschlossene Versicherungsverträge, Rentenverträge und Vermögensanlagen überhaupt dann noch hätten. Wenn sich auch in einem diktatorisch regierten Staat der Lauf der Dinge nicht annähernd überblicken oder voraussagen läßt, verdient doch festgehalten zu werden, daß man auch in Kreisen, die zum Regime positiv eingestellt sind, Ueberlegun- gen der skizzierten Art anstellt.« Diese» Ueber legungen« laufen darauf hinaus, daß die glänzenden Gewinnergebnisse der deutschen Unternehmer schließlich in Fehlinvestitionen einerseits und in sich entwertender Papiermark andererseits bestehen werden. Aber solange die Kreise, die sie anstellen, zum»Regime positiv eingestellt« bleiben, werden diese Ueber- legungen nichts nützen. Die Diktatur muß den Weg, den sie angetreten, bis zum Ende gehen oder sie muß gestürzt werden. Kanonen statt Butter, Kasernen statt Wohnungen, bedeutet andererseits auch nutzlose Papiermark statt der Goldgewinne, die sich diejenigen versprochen haben, die zu diesem Regime des Krieges und Elends»positiv eingestellt« waren. Dr. Richard Kern. Prachtbauten trotz Rohstoffmangel Sfaatskon|unktur als»Subvention« Der»Nationalsozialistische Wirtschaftsdienst«(3. August-Heft) schreibt: »Die verfügbare Menge Elisen wird knapp, wenn Eisen nicht nur für rein wirtschaftliche Zwecke, sondern in ausgesprochenem Maße zur Lebenssicherung der Na� tion, d. h. für Rüstungszwecke, verwandt wird. Oder; Das Holz wird knapp, wenn man es nicht allein für Bauten, Möbel usw., sondern zusätzlich für Zellwolle, Holzgasmotoren usw. gebraucht. Daraus ergibt sich schon, daß einer zusätzlichen Verwendung solcher Güter eine Mehrerzeugung und— wo das nicht so schnell möglich ist— eine entsprechende VorratsbUdung vorangehen muß!« In dieser nicht sehr originellen Erkenntnis liegt eine theoretisch verkleidete Meckerei. Die parteiamtliche Wirtschaftsabteilung rügt, daß man Erzeugungsschlachten liefere, aber versäumt habe, dafür zu sorgen, daß der notwendige Vorrat an Munition nicht fehle. »Noch vor einigen Jahren«, schreibt der»Nationalsozialistische Wirtschaftsdienst«,»hatten wir hinreichend landwirtschaftliche und industrielle Warenreserven. Was heute die Bilanzen industrieller Unternehmen an Warenvorräten ausweisen, ist erstens weniger und zweitens sind es nicht solche Güter, unter deren Knappheit wir gerade leiden.« Die Wirtschaft zehrt also von ihren in früheren Zeiten angesammelten Rohstoffreserven. Wie ist das Mißverhältnis zwischen Görings gigantischen Autarkieplänen und der mangelhaften Vorsorge für die Grundvoraussetzung ihrer Ausführung zu erklären? »Als Argument für die Mangelerscheinungen wird ins Feld geführt, daß wir nicht mehr die Ergänzungsfreiheit hinsichtlich der Auslandsgüter in Anspruch nehmen könnten. Nun, das konnten wir auch vor einigen Jahren nicht. Selbst altbekannte Begründungen, die sich auf die verstärkte Warennachfrage im Wirtschaftsaufschwung oder gar die Aufrüstung beziehen, vermögen den gegenwärtigen Zustand nicht zu entschuldigen. Schließlich war der zweite Vierjahresplan auch nur die Bestätigung dafür, daß die Erzeugungskapazitäten sowie die Vorräte nicht ausreichten.« Wir erfahren also, daß die Begründung, die Göring für den Schwund der Rohstoffreserven und für seine Autarkiepläne gibt, Schwindel sind, daß sie nicht auf die Liefersperre des Auslands zurückzuführen sind und nicht einmal mit den Erfordernissen der »Wehrfreiheit« ausreichend begründet werden können. Welchem hehrem Zweck werden also die Rohstoffreserven geopfert, deren Schwinden die Fortsetzung des Produktionsanstiegs nunmehr hemmt. Sicherlich trägt die Schuld nicht ein Uebermaß lebensnotwendigen Verbrauchs, denn der wird ja zurückgedrängt, um Rohstoffe für andere Zwecke zu ersparen, die das Hitlerregime für die Erhaltung seines Lebens als notwendig ansieht. Der»Nationalsozialistische Wirtschaftsdienst« gibt sogar zu, daß die Konsumgütererzeugung gedrosselt wird, und verrät uns auch, um welchen Zweckes willen. Bis müsse darauf bedacht genommen werden, schreibt er warnend,»daß die Gesamtstruktur der Wirtschaftstätigkeit nicht nur durch die staatliche Steuerung, d. h. durch die Art der Aufträge, zu einseitig wird«, und begründet diese Warnung wie folgt; »Man kann nicht dauernd mit der Möglichkeit eines Wiederkonsums rechnen, und kann deshalb den Ausbau der Konsumgütenproduktion zugunsten von Bauten und Investitionen repräsentativer, die Aufträge vergebenden Behörden zu hohe Preise zahlen oder der Investitionsumfang so maßlos überhöht wird, daß ein Run nach Baumaterial, Maschinen, Werkzeugen, Halbfabrikaten, Elisen, Arbeitern usw. entsteht? Wie sehr die Gewinnlage der Industrie verbessert ist, zeigt die neueste Veröffentlichung des Statistischen Reichsamtes über die Erträge von fast der Hälfte der deutschen Aktiengesellschaften Im 4. Vierteljahr 1936. Der Gewinnsaldo stieg von 488 auf 600 Millionen Mark. Das bedeutet für das ganze Jahr 1936 und nur für die Aktiengesellschaften eine Gewinnsteigerung von rund 1 Milliarde Mark! Ehe Rückstellungen erhöhten sich um ein Drittel, die Abschreibungen waren höher als die höhere Beanspruchung der Anlagen, so daß die stillen Reserven ganz beträchtlich größer wurden. Bis dürfte also nötig sein, die gute Gewinnlage der Wirtschaft nicht nur zur verkehrstechnU i Begebung von Anleihen, d. h. Forderungen der scher und anderer Art zurückstellen, son-! dern es muß ein Gleichgewicht gewahrt werden, weil auch die Auffüllung geleerter Lager keineswegs von heute auf morgen geht und, zulange ausgedehnt, einseitige Auftrags- und Investitionsstrukturen deshalb auch zu folgenschweren Vorratsminderungen führen.« Mit anderen Worten: es sind die monumentalen Prachtbauten, die Autostraßen, die das In- und Ausland staunen machen soll, es ist die P r a ch t e n t f a 1 1 u n g des Regimes und seine Machtentfaltung nach innen und nach außen, um derentwillen die Produktionsreserven der Nation verschwendet und die große Masse des Volkes zu Entbehrungen gezwungen wird. Das Maß der Entbehrungen ist aber sehr einseitig verteilt. Die öffentliche Verschwendung führt zu privater Bereicherung einiger weniger. Daß die Verantwortimg dafür nicht bei diesen Privili- gierten selbst liegt, stellt die parteiamtliche Wirtschaftszeitung ausdrücklich fest. Sie legt des Preiskommisar nahe,»sich vor allem um die Menge, den Umfang, die Höhe sowie die Preise der öffentlichen Investitionen tn Deutschland zu kümmern«. Ihre Ueberhöhung sei»mit der Hauptanlaß zu Preisauftriebstendenzen bei uns«. Deshalb müsse der Preiskommissar auch den öffentlichen Auftraggeber auf die Fänger gucken.»Was nützt es«, heißt es dann weiter,»mit der einen Hand von den Finanzämtern höhere Steuern einziehen zu lassen, wenn mit der anderen Hand, Wirtschaft an den Staat zu benutzen, sondern einerseits die überhöhten Preise zu drücken, andererseits mehr Steuern einzufordern.« Da Göring zur gleichen Zeit mit dem Zwang zur Verwendung teureren Eisenerze« die Produktionskosten erhöht, dürfte das ein frommer Wunsch bleiben. Zur Herabsetzung der Preise und Erhöhung der Rohstoffvorräte wird deshalb vor allem die»Mäßigung der Auftragserteilung, d. h. letzten Bhidea der Nachfrage nach Investitionsgütern für Re- präsentations-, Verkehrs- und Fabrikbauten und andere staatliche und öffentliche Bestellungen« empfohlen. Auch hier werden wieder die Repräsentationsbauten vorangestellt und damit unterstrichen, daß diese vor allem anderen im Dritten Reich den Vorrang genießen. Wie kein anderer Urt aber der folgende Satz kennzeichnend für das Hltlerregime und das Wesen seiner»Staatskonjunktur«: »Und um den Staat und die öffentliche Hand nicht zu solchen Aufträgen zu verleiten, muß die Gewinnlage der Wirtschaft durch Preisdruck gesteuert werden.« Man hatte bisher angenommen, daß das Regime Staatsaufträge vergibt, um seine Staatszwecke erfüllen zu können. Nun hören wir, daß die Verbesserung der»Gewinnlage« nicht die Folge der Staatsaufträge ist, sondern ihre Ursache, der Anreiz, dem die Staat». bürokraüe folgt, wenn sie Staatsaufträge vergibt. Die Erhöhung der Profite ist also nicht so sehr die Wirkung der Staatskonjunktur wie ihr Zweck. G. A. F.
Ausgabe
5 (12.9.1937) 222
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