Nr. 224 SONNTAG, 26. Sept. t937
lt>od>cnbIaW Verlag; Karlsbad , Haus„Graphia"— Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite
Aus dem Inhalt; Piraten! Göring verschenkt 90 Millionen Parade der Reichsbankwechsel Volksfrontdebatten
Krlesschauplatz Innenteutschland
Wie
Geheimvortras des Chefs der Gestapo Die Vorbereitungen des braunen Systems für den Kriegsschaupla� Innerdeutschland im Kriegsfall
Der Chef der deutschen Geheimen Staatspolizei, Heinrich Himmler , hat vor den Führern der Wehrmacht einen Geheim vor trag gehalten. Die Gestapo hat nicht verhindern können, daß dieser Vortrag seinen Weg zu uns gefunden hat. Er liegt uns vor. Wir veröffentlichen seinen Wortlaut in der Beilage der vorliegenden Nummer. Dieser geheime Vortrag gipfelt in einer Ungeheuerlichkeit in dem Begriff Kriegssdiaupla�K Innerdeufsdiland Der Krieg, den sie vorbereiten, und den sie als den Krieg des deutschen Volkes hinstellen wollen, soll zugleich gegen das Volk geführt werden. Der Chef der SS und der Gestapo hat seine Organisation den Führern der Wehrmacht als Bürgerkriegstruppe gegen das deut sche Volk vorgestellt und empfohlen. Er hat ihre Stärke, ihre innere Gliederung, ihre Bewaffnung ebenso dargelegt wie die Methoden, mit denen sie zum Kadavergehorsam erzogen wird. Wir empfehlen diese Geheimrede der genauesten Aufmerksamkeit der ganzen Welt. Alles, was wir zur Kritik des Terrors in Deutschland gesagt haben, findet hier schamlose amtliche Bestätigung— im geheimen. Alles, was das System öffentlich heuchlerisch bestreitet, ist vom Chef der Gestapo selbst eingestanden worden. Es gibt keine Konzentrationslager mehr? Himmler zählt sie auf. Es sind ihm zu wenig:»W i r m ü s s e n noch mehr haben!« Keine politischen Gefangenen im Konzentrationslager mehr? Himmler erklärt:»Es sind 8000, es sind zu wenig, wir müssen mehr haben, der Führer hat mich zu Verhaftungen ermächtigt!« Aber alles das tritt zurück hinter der systematischen Vorbereitung des Krieges gegen das eigene Volk! Das Wort vom »Kriegsschauplatz Innerdeutschland« ist die Bankrotterklärung des Systems. Eine demokratische Regierung, die von vornherein für den Kriegsfall die Mobilmachung gegen das eigene Volk plant, ist undenkbar. Undenkbar, daß sich 1914 die kaiserliche Heeresleitung mit solchen Plänen getragen hätte. Die Führer des Dritten Reiches aber erklären diese Mobilmachung für eine zwingende Notwendigkeit. Sie wollen Innerdeutschland im Kriegsfall besetzen und terrorisieren wie feindliches erobertes Land, von dem eine Befreiungsbewegung gegen fremde Eroberer zu befürchten ist. Himmler verkündet: »Wir werden in einem künftigen Krieg nicht nur die Front der Armee auf dem Lande, die Front der Marine zu Wasser, die Front der Luftwaffe in der Luftglocke über Deutschland haben,
sondern wir werden einen vierten Kriegsschauplatz haben: Innerdeutsdiland!« Für diesen»inneren Kriegsschauplatz« bereitet er folgende Maßnahmen vor: Massenverhaftungen bei Kriegsbeginn; Vermehrung der Zahl der Konzentrationslager; Besetzung Deutschlands durch 30 Totenkopfsturmbanne. Die sogenannten Totenkopfforma- tionen sind heute die Wächter der Konzentrationslager. Sie sind die Henkersknechte des Systems, die bestia- I lischste Truppe, die es besitzt. Sie soll i im Kriegsfalle u m 2 5.0 0 0 Mann zu , einer ausgesprochenen Bürgerkriegstruppe vermehrt werden. Diese Verbände mit dem Totenkopf sollen in jeden Regierungsbezirk gelegt weiden. Und dennoch zittert das System, daß selbst diese Truppe gegen das Volk zweifelhaft werden könnte! Darum erklärte Himmler den Offizieren: »Erstens kommt kein Verband in seine Heimat, es wird also niemals ein pommerscher Sturm in Pommern Dienst machen. Zweitens: Jeder Verband wechselt nach drei Wochen über. Drittens: Der Verband wird niemals im einzelnen im Straßendienst eingesetzt. Es wird niemals ein einzelner Mann mit dem Totenkopfzeichen im Straßendienst als Polizist verwendet, das gibt es nicht- Viertens: Wenn diese Verwendung eintritt, wird rücksichtslos durchgegriffen. Etwas anderes kommt nicht in Frage.« Das ist restlos enthüllend! Hier handelt es sich nicht um eine Einsatztruppe gegen Spione, feindliche Plänk- ler, einzelne Saboteure, sondern um eine Terrortruppe gegen das Volk selbst. Eis entrollt sich das Bild des kommenden Krieges an der innerdeutschen Front, wie es sich den Führern des Dritten Reichs darstellt: das Volk, den Krieg verfluchend und die, die ihn angezettelt haben; von Mangel und Hunger zur Verzweiflung getrieben. Ist es so weit, so werden pommersche Söhne mit ihren Eltern fühlen, sie werden nicht gegen die Hungerrevolte ihrer Eltern schießen. Darum sollen Pommern in München schießen und Bayern in Stettin . Darum muß diese Truppe von Ort zu Ort gejagt werden, damit sie nicht teilnimmt an der Not und der berechtigten Empörung des Volkes, darum darf kein einzelner auf die Straße, daß er nicht vor den Vorwürfen der Frauen weich werde, darum wird der Truppe blutigstes Gemetzel befohlen, auf daß der Haß des Volkes sie auf immer vom Volke trenne.
So stellt sich der Chef der Gestapo Deutschland im Kriege, so stellt er sich den»Kriegsschauplatz Innerdeutschland« vor. So plant er den Krieg gegen das eigene Volk, so bereitet er ihn vor. Inmitten der stärksten Armee des Kontinents, inmitten ihrer eigenen»Verfügungstruppen« fürchten sich die Spitzen des Systems so sehr vor der Empörung des Volkes über die Folgen ihrer Politik, daß sie ihm eine feindliche Terrortruppe gegenüberstellen wollen. Auch im Kriege werden größere E'ormationen der Wehrmacht im Innern Deutschlands stehen— Ausbildungsformationen und Reserven, die zahlenmäßig die Bürgerkriegstruppe von 25.000 Mann, die aus den Toten- i kopfformationen gebildet werden soll, bei weitem übertreffen werden. Aber die Formationen der Wehrmacht werden Teile des Volkes sein, ihre Berührung mit dem Volke wird sich nicht verhindern lassen; denn derwahre Wille des Volkes wirkt auf jedes Massenheer ein— selbst auf seine Offiziere! Aus diesen Plänen des Chefs der Gestapo spricht das tiefste Mißtrauen der Despotie in das Massenheer des deutschen Volkes, das im Kriegsfalle aufgestellt werden müßte. Die Despotie fühlt, daß ihr gegenüber selbst ein Massenheer des Dritten Reiches noch ein Element ursprünglicher Demokratie sein würde. Die Offiziere der Wehrmacht hätten fühlen müssen, daß die Aufstelllung dieser Terrortruppe im Kriegsfall eine Kluft zwischen Heer und Offizierskorps aufreißen muß, wenn das Offi zierskorps sich an die Seite des Chefs der Gestapo stellt. Alle verlogenen und gefälschten Abstimmungen, die das System jemals vorgenommen hat, alles Gerede über die Bekehrung des Volkes zum Nationalsozialismus werden durch diesen Plan Himmlers Lügen gestraft. Das schlechte Gewissen, das auf das eigene Volk schießen lassen will, ist der Kronzeuge gegen das System.
Dies Geständnis Himmlers zerschlägt zugleich alle Lügen und Vorwände über die»kommunistische Gefahr«, mit denen er sein System des Schreckens vor den Offizieren begründete. Was das System»kommunistische Gefahr« nennt, hat mit den Kommunisten und Bolschewisten nichts zu tun. Es ist der Freiheitswille und die Verzweiflung des Volkes, die sie fürchten. Das bolschewistische Gespenst soll ablenken von dem, was wirklich im Volke vorgeht— so wie es außenpolitisch ablenken soll von den wahren Zielen des Systems. Himmler hat von dem Gespenst eines asiatischen Kreuzzuges gegen»die Weißen« unter bolschewistischer Führung gesprochen— aber er hat zugleich den Kreuzzug der Alldeut
schen gegen die demokratische Welt gepredigt: »Wir sind das Herz der Menschheit! Wir sind wertvoller als die anderen! Wir sind wertvoUer, weil unser Blut uns dazu bewegt, mehr zu erfinden als die anderen, well e« uns befähigt zu besseren Soldaten, zu besseren Staatsmännern, zu höherer Kultur, zu besseren Charakteren.« Diesen größenwahnsinnigen Anspruch, diese Ueberheblichkeit, die d e n Geist des Angriffs in sich trägt, gründet Himmler auf eine Lehre von Blut, dessen edle Qualität mit dem Zentimetermaß aus der Körpergröße, aus dem Verhältnis von Beinlänge zu Kör- perlänge und aus der' Fähigkeit zum Marschieren erschlossen werden könne. Diese Lehre, die man überall mit starrem Entsetzen lesen sollte, ist ein Schritt aus der europäischen Kultur heraus zur Primitivität zurück, eine Rückkehr aus menschlicher Kultur zur Bestialität. Auf diese Lehre aber gründen sie ihre düsteren Pläne zur Weltherrschaft, die weltgeschichtlich ein Verbrechen darstellen. Alle freien Völker der Erde— Untermenschen gegenüber den Produkten des braunen Menschengestüts und darum Objekte der Unterwerfung! Das ist der Geist der Männer, die den Gang der deutschen Politik bestimmen. So reden sie im Geheimen zu ihren O f f i z i e- ren, zu den Führern des Heeres, das den Kreuzzug der auserwählten Blutsanbeter gegen die freien Völker führen soll.
Wir, die wir die deutsche Opposition gegen dieses System im Namen der Freiheit führen, wir erweisen dem deut schen Volke einen Dienst, wenn wir die geheimen Pläne des Chefs der Gestapo ans Tageslicht ziehen. Diese Pläne zeigen der ganzen Welt, wie und von wem Deutschland regiert wird und was die Welt von diesem System zu erwarten hat Sie sind eine Enthüllung über das Wesen des Dritten Reichs, wie sie niederschmetternder kaum gedacht werden kann. Sie zeigen aber auch, daß das System dem Volke selbst feindselig gegenübersteht— jederzeit bereit, es mit den grausamsten Mitteln zu unterdrücken, wenn es seine FYeiheit und sein Recht verlangen sollte. Die Totenkopfforma- tionen des Systems, die im Kriegsfalle bereitstehen werden, um auf das Volk zu schießen, sind eine Bestätigung der Worte des amerikanischen Präsidenten Roosevelts, daß die zweifelhafte Ordnung in den Diktaturländem nur durch ein System des Schreckens aufrechterhalten werde, dem jegliche Freiheit und jeghehes Recht der Menschen geopfert worden sei. Der Sinn eines solchen Systems aber ist der Krieg, der Krieg, der aller Völker FYeiheit verschlingen soll.