Ein Terrorakt?Ergebnislose Nadiforsdiungen nach Mark ReinIn der Nacht zum 10. April 1937 istMark Rein, ein junger Sozialdemokrat,der sich als Techniker der spanischen Regierung zur Verfügung stellte, aus seinemHotelzimmer in Barcelona verschwunden. Mannigfache und ernste Indizien deuteten darauf hin, daß er eines derOpfer der politischen Wirren, die den Bürgerkrieg begleiten und die in Barcelona besonders zahlreich waren, geworden ist. Seinspurloses Verschwinden erregte besondereAnteilnahme und Aufmerksamkeit, weil seinePersönlichkeit jeden Verdacht politischerZweideutigkeit oder Unzuverlässigkeit fürdie Sache des spanischen Freiheitskampfesvon vornherein ausschließtMark Rein, der Sohn des russischen Sozialdemokraten Abramowitsch, war in derJugendbewegung in Berlin aufgewachsen. Er hat sich politisch immer alsDeutscher betrachtet und war ausschließlichin der deutschen Bewegung tätig. Als deutscher Sozialist emigrierte er nach der Machtergreifung Hitlers nach Paris, wo er Vorsitzender der Deutschen Sozialistischen Arbeiterjugend in Paris wurde.Daß Mark Rein nicht einem Unglücksfalloder einem nächtlichen Ueberfall in Barcelona zum Opfer gefallen ist, beweisen zweiBriefe, die er nach seinem Verschwinden geschrieben hat Diese Briefe bilden ein wichtiges Indiz, da das Datum in ihnen mit andererHandschrift und mit anderer Tinte eingesetztist Sie tragen einen Postatempel»Madrid14. April« und sind auffallenderweise schonam Morgen des 16. April in Barcelona zugestellt worden.In den fünf Monaten, die seit dem verschwinden Mark Reins verflossen sind, wurden einfe Reihe privater Versuche zu seinerAuffindung von seinen Freunden und Verwandten unternommen. Vor allem versuchteder Vater Mark Reins, das unter seinem Parteinamen Abramowitsch weitbekannteMitglied der Exekutive der SozialistischenArbeiter-Internationale, bei einem mehrwöchigen Aufenthalt in Barcelona, Valenciaund Madrid Spuren seines Sohnes aufzufinden. Später, im Juli 1937, versuchten MarkReins persönliche und politische FreundePaul Hertz und Willi Müller das gleiche.Alle diese Bemühungen führten bloß zur Vertiefung der Ucberzeugung, daß eine Verschleppung aus polltischen Motiven, die angesichts der Persönlichkeit Mark Reins als einbesonders krasser Akt bedenkenloser Willkürgewertet werden muß, stattgefunden hat. Eskonnte aber nicht der geringste Anhaltspunkt, wohin Mark Rein, als er sein Hotelverlassen, geraten ist, entdeckt werden.So schwer das tragische Schicksal MarkReins seine Familie und seine Freunde trifft,so ist es über die persönliche Seite weit hinaus einer jener Fälle, an deren Aufklärimgalle Freunde des republikanischen Spanien,das republikanische Spanien selbst und vorallem Jene Sozialisten, die bereit sind, begeistert, mit dem Einsatz ihres eigenenLebens die Sache der spanischen Republikund der arbeitenden Klassen Spaniens zuverteddlgen, ein eminentes Interesse haben.Die Exekutive der Sozialistischen Arbeiterinternationale hatdaher in diesem— wie in einigen anderen,in ihren Voraussetzungen ausreichend bekannten Fällen— die der SAI angeschlossenesozialistische Partei Spaniens und deren Vertreter in der republikanischen RegierungSpaniens ersucht, alles daran zu setzen, umdie Umstände der Verschleppung zu untersuchen, die Täter zu ermitteln und MarkRein, falls er gefangen gehalten wird, zu befreien.Die Vertreter der spanischen sozialistischen Partei haben die Gesichtspunkte derExekutive der SAI in allem Umfang gewürdigt und mannigfache Untersuchungenvorgenommen. Das Ergebnis ist, daß es wohlals feststehend angenommen werden darf,daß keine Verhaftung durch staatliche Behörden weder durch spanischenoch durch katalonische, stattgefunden hat,und daß Mark Rein sich in keinem offiziellenGefängnis befindet. Es stellt sich aber heraus, daß die spanische Regierung nicht vermag, auch nur die geringsten Anhaltspunktezu entdecken, um dem an Mark Rein verübten Verbrechen auf die Spur zu kommenund sein Schicksal zu klären. Offensichtlichist sie In ihrem eigenen Apparat durch Widerstand und Sabotage gehemmt. Die spanischeanarchistische, syndikalistische und POUM-Presse sind vom Mitteilungen über willkürliche Gewaltakte überfüllt, die die K o m m u-niaten in Spanien und vor allem in Katalonien an ihren politischen Gegnern verübthaben sollen und als deren Hauptorganisatordiese Presse den Sowjetkonsul in Barcelona,Antonow- Owaejenko, bezeichnet.Viele dieser Fälle, die in allen Einzelheiten,mit Orts- und Namensnennung, beschriebenwerden, sind völlig unwiderlegt geblieben.Sie sind nicht einmal untersucht worden.Wir wissen, daß für Kommunisten undihre Stalins chen Auftraggeber auch MarkRein, obgleich Sozialdemokrat, als»Trotzklst«galt. Wir wissen, daß für sie gegen»Trotzkisten« alle Mittel erlaubt sind. Wir wissen,daß, wenn auch Mark Rein nur in der deutschen Bewegung tätig war, er für sie doch,als Sohn eines Führers der russischenSozialdemokratie, russischer Sozialistverblieb. Wir wissen, daß zur Zeit die Kommunisten die einzige Partei in Spanien sind,die noch ihre»Tscheka« wie ihre eigenen Gefängnisse hat. Wir wissen, daß die Kommunisten noch jetzt alle Andersdenkenden, u. zw.sogar an der Front selbst, in eine Lage zuversetzen versuchen, die nicht nur den weiteren Zustrom der Freiwilligen hemmt, sondern bei vielen Sozialisten, oppositionellenKommunisten und Anarchisten, die seinerzeitin hellen Scharen nach Spanien strömten, ummit dem Einsatz ihres Lebens der Sache derspanischen Freiheit und Unabhängigkeit zudienen, den Gedanken aufkommen läßt, ob esfür sie nicht ratsam wäre, den Rückweg anzutreten.Dies alles berechtigt uns und mit uns dieganze sozialistische Internationale, von denKommunisten zu fordern, daß sie entwederMark Rein in Freiheit setzen, falls sie eswaren, die ihn verschleppt haben, oder aberalle die groeßn Mittel und Möglichkeiten,über die sie verfügen, dazu verwenden, umihn aufzusuchen und zu befreien oder wenigstens das an Ihm verübte Verbrechen restlosaufzuklären, falls er von anderen verschlepptworden ist. Gerade in dieser Richtung habensie aber bis jetzt noch keinen Finger gerührt.Im GegenteU bleibt das Verhalten der Kommunisten In Barcelona und der gesamtenkommunistischen Presse in diesem Falleäußerst zweideutig und geeignet, denschlimmsten Verdacht aufkommen zu lassen.ht iclert hatte, so lange das leicht undgefahrlos war, und ganz falsch wäre es,die Dinge zu bagatellisieren und zu meinen, es gäbe eine Patentmedizin— Oeff-nung der Pyrenäengrenze, Aufhebungdes Waffenembargos für Valencia—,die man nur anzuwenden brauchte undalles käme wieder ins Lot. Denn es handelt sich nicht um Valencia und Sala-manca, sondern um die Vorbereitung der großen Machtentscheidung, die Mussolini und Hitlerim Sinne haben, um die Bedrohung derSeeverbindung des englischen Empireszwischen Gibraltar und dem IndischenOzean, der Verbindung Frankreichs mitAlgerien und Tunis, und darüber hinausum die Störungsmöglichkeit auch deratlantischen Seewege. Gelingt es England und Frankreich dieser DrohungHerr zu werden, so wirkt das unmittelbar auf die Stellung im Femen und Nahen Osten und in Nordafrika zurück,dann können sie hoffen, ihre Positionenund damit ihre Stellung als Großmächte, als Schützer des Friedens, zu bewahren. Der Schlüssel dazu liegtin Spanien, und deshalb der angstvolle Emst, mit dem Eden von den Gefahren der Lage gesprochen hat.Wie ist diese Lage nach den langenMonaten der Nicht-Interventionspolitik?Vor kurzem veröffentlichte das»Echode Paris« die Ermittlungen der»zuständigen Stelle«, das ist der französische Generalstab, über die Vorbereit u n g e n d e r D e u t s c h en imwestlichen Mittelmeer undim Atlantischen Ozean. Danach haben die Deutschen in M e 1 i 1 1 a,Alhucemas, Ceuta, Laroche,auf den Kanarischen Inseln,I f n i und Rio del Oro Flotten- undFlugstützpunkte errichtet. Jeder dieserStützpunkte umfaßt einen U-Boot-Hafen, einen Lufthafen, ein Petroleumdepot, eine Rundfunkstation und eine Elektrizitätszentrale.Ueber die italienischen Positionen hat Winston Churchill folgende zusammenfassende Angaben gemacht: Von Algeciras undCeuta aus, auf beiden Seiten derMeerenge, bedrohen die dort aufgestellten Batterien die Durchfahrt und denHafen von Gibraltar. Von den B a 1 e a-ren ist die größte Insel, Mallorca, initalienischer Hand. Nur das kleine Minoren mit dem allerdings vorzüglichenHafen Port Mahou ist noch im Besitzder spanischen Regierung. Das englische Malta ist dadurch, daß es den italienischen Luftstreitkräften so naheliegt, als Flottenstützpunkt von fragwürdigem Wert geworden. Italiens Befestigungsanlage auf der steilen Felseninsel Pantelleria, zwischen Maltaund den Ausläufern des afrikanischenGebirges, richtet sich gegen England.Die schweren Festungsanlagen mit Batterien und Luftstützpunkten auf Rhodos und Leros, die beide kürzlichverstärkt worden sind, bedrohen England im östlichen Mittelmeer. Im RotenMeer ist in Messanah ein weitererschwerbefestigter Stützpunkt geschaffen worden. Ehrgeizige Blicke richtensich auf die Ostküste des Roten Meeres.Dazu kommen die starken italienischenStreitkräfte in Libyen, die»für denTouristenverkehr bestimmte« Küstenstraße bis zur ägyptischen Grenze unddie imaufhörliche italienische Rundfunkpropaganda im ganzen mittlerenOsten...Die Erwerbung der deutschen unditalienischen Stützpunkte im westlichenMittelmeer war aber nur dem Einverständnis des Generals Franco zu danken, und sein Sieg würde sie dauernd indie Hand der Diktaturmächte geben.Da er bei der Feindschaft eines großenTeils des spanischen Volkes dauerndvon der Unterstützung der Interventionsmächte abhängig bliebe, so würdesein Sieg Spanien in das Herrschaftebereich Italiens und Deutschlands einbeziehen, noch mehr und unentrinnbarer als Portugal, des so merkwürdigsich benehmenden Bundesgenossen Englands. Damit wäre Frankreich nicht nurin seinen Verbindungen mit den Kolonien und in seiner Mobilisierung bedroht, sondern auch zu Lande, von derPyrenäengrenze her umfaßt.Es konnte also Italien nicht schwerfallen, in der Antwortnote, in der esdirekte Verhandlungen mit Frankreichund England ablehnte, zugleich die Versicherung zu geben, daß es die territoriale Unversehrtheit Spaniens achtenund keine Gebietsabtretungen verlangen werde. Denn mit dem Sieg Francoswürde es ja über ganz Spanien mitall seinen Hilfsquellen und entscheidenden strategischen Positionen verfügen.Umgekehrt ist es für Frankreich undEngland zur Lebensfrage geworden,Italien aus Spanien zurückzudrängenund das heißt unter den jetzigen Umständen einen vollständigen Sieg Francos mit italienischer HUfe zu verhindern. Das Problem steht also genau da,wo es Ende Juli stand, als Englandim Nicht-Interventionsausschuß die Zurückziehung der»Freiwilligen« forderte. Der Versuch Chamberlains, direkteVerhandlungen mit Mussolini zu führen, hat sich als Fehlschlag und schädliche Zeitvergeudung erwiesen; dennunterdessen haben Italiener und Deutsche ihre Positionen verstärkt.Frankreich und England haben sichdem»Nein« Italiens zunächst gefügtund neue Verhandlungen imLondoner Ausschuß begonnen.Diese Nachgiebigkeit ist zwar ein gewisser Erfolg Mussolinis, aber an sichvon sekundärer Bedeutung. Denn eskommt wirklich jetzt auf die Sache undnicht auf die Prozedur an und wennMussolini zum Rückzug zu bringen ist— und das ist zur remen Machtfragegeworden— so ist das im größerenKreis schließlich nicht viel schwierigerzu erreichen als im kleineren. WasEngland durchsetzen will, ist die Rück-berufung der italienischenDivisionen. Alles andere ist Beiwerk. Andere Mittel versprechen wenigErfolg. Die Oeffnung der Pyrenäen-grenze allein reicht kaum aus.Die ungehemmte Lieferung derWaffen würde zwar gewiß der spanischen Regierung eine wirksame Erleichterung bringen und hätte vielleicht vorMonaten das Schicksal Spaniens unddes europäischen Friedens entschieden.Heute ist es fraglich, ob die Waffenhilfe allein rasch und umfangreich genug wäre, um entscheidend ins Gewichtzu fallen.(Dasselbe gilt noch mehr vonder Unterstützung durch Freiwillige.)Jedenfalls müßten sich die englischeund die französische Regierung selbstentschließen, die Lieferungen aus ihrenstaatlich kontrollierten Fabriken zufördern. Aber das hätte auf der anderen Seite, da ja die Nicht-Interventions-politik zu Ende wäre, die Lieferungnicht nur von Waffen, sondern auchvon Divisionen an Franco durchDeutschland und Italien— durch dieStaaten mit allen ihren Macht- undHilfsmitteln und nicht durch privateHändler und einzelne wirklich Freiwillige zur Folge und müßte schließlich zurgleichen Intervention Englands undFrankreichs, also zum Kriege führen.Das gleiche könnte eintreten, wenn dieWestmächte zu anderen Mitteln, etwazur Besetzimg Minorcas, griffen.Deshalb der Versuch Englands undFrankreichs, noch einmal die friedlicheLösung durch Zurückziehung der italienischen Truppen zu erreichen.In der ersten Sitzung des Nicht-Interventionsausschusses hat der Vertreter Italiens, wie schon einmal imJuli, die prinzipielle Zustimmung zurAbberufung der Freiwilligen gegeben,nachdem England und Frankreich erklärt hatten, ihre volle Handlungsfreiheit zurückzunehmen, wenn nicht dieVerhandlungen in kurzer Zeit zu einembefriedigenden Resultat führten. Damitist die Frage der Beendigung der Nicht-Interventionspolitik nicht nur vonFrankreich, sondern auch von Englandin aller Klarheit gestellt.Beendigung der Nicht-Intervention bedeutet aber angesichts der Lebensfragen, um die es sichdabei für die Westraächte handelt, denZwang zur Intervention, unddas heißt Vergrößerung der Kriegsgefahr. Andererseits bedeutet die Zurückziehung der»Freiwilligen« zwareine immittelbare Entspannung, abernoch nicht die Lösung des Konflikte,der dann im starken Maß von den weiteren Kämpfen in Spanien selbst undvon der Möglichkeit, sie zu beenden,abhängen wird. Welchen Lauf die Ereignisse nehmen werden, werden erstdie weiteren Verhandlungen und diewirkliche Durchführung der Beschlüsseergeben. Augenblicklich schwebt dieWelt aber zwischen Krieg und Frieden.Dr. Richard Kern.Märiypep desdeutschen VolkesHochverratsprozesse gegen ehemaligeGewerkschaftsführerVor dem»Volksgericht« in Berlin standen in der letzten Woche der Genosse Alwin Brandes, der Vorsitzende, undsieben Bezirksleiter und Geschäftsführerdes Deutschen Metallarbeitcrverbanikte, angeklagt des Hochverrats. Der Prozeßendite mit der Freisprechung von Alwin Brandes, Otte- Magdeburg,Grimm- Merseburg und L e b b i n-Bitterfeld, obwohl der Oberstaatsanwaltschwere Zuchthausstrafen beantragte, s.B. gegen den Genossen Brandes 5 Jahre.Der Genosse Richard Telch-g r& b e r-Dresden wurde zu 2 JahrenZnchthans verurteilt mit noch dreianderen Genossen, die 2 Jahre6 Monate, 2 Jahre 9 Monate nnd8 Jahre 5 Monate Znchthanserhielten.Gleichzeitig mit diesen Nachrichten erreicht uns die Meldung, daß der Volksgerichtshof das Hochverratsverfahrengegen den Genossen Max Urich,den Bevollmächtigten des Deutschen Me-tallarbeiterverbandes vqp Berlin und Stadtverordneter, eingestellt hat. Aber er wurdenicht freigelassen, sondern in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg(siehe dieHimmJerrede im»N. V.« Nr. 224) gebracht. Der Genosse Urich wurde a m 2 4.Mai 1935 verhaftet, im tapfer geführtenProzesse freigesprochen, sofort wieder verhaftet, dann in das Konzen-trationslager Sachsenburgüberführt, vor einigen Monaten nachChemnitz in das Polizei gefängnis und jetztwieder in ein Konzentrationslager geschleppt