heim zu kommen." Ein brauchbarer Wink kann für manche vielleicht der Hinweis sein, nach in USA lebenden Verwandten zu forschen, die dem Einwanderer behilflich sein können, überhaupt ins Land hineinzukommen. Den breitesten Raum, 32 von 90 Seiten, nehmen in dem Hefte die Briefe Südamerika ein, und da erwecken besonders die Briefe aus Bolivien und Columbien lebhaftes Interesse. Aber folgen wir der alphabetischen Anordnung. Gewisse Einreiseschwierigkeiten bestehen für Argentinien , aber: „Jedem, der die Einreise ermöglichen kann, würde ich sie anraten, vorausgesetzt, dass er jung und gesund ist und Lust hat zu arbeiten. Arbeitsgelegenheiten bestehen hauptsächlich in der mechanischen Industrie und in der Weberei, für Frauen als Hausgehilfinnen, Köchinnen, Friseusen, vor allem aber in der Textilindustrie." Allerdings dämpft eine andere Briefschreiberin etwa verlockende Vorstellungen sehr durch ihre drastische Schilderung der argentinischen Verhältnisse, während ein Privatlehrer, der in einer deutsch -schweizerischen Kolonie in der argentinischen Provinz Beschäftigung gefunden hat, berichtet: „Bei aller Vorsicht glaube ich sagen zu können: Wer mit etwa 1000 tschechischen Kronen Bargeld zum Unterhalt für die ersten Tage das Land betritt, fürs erste zu jeder Arbeit bereit ist und vor allem aus Buenos Aires heraus in die Provinz gehen will, kann nicht in materielle Schwierigkeiten kommen. Arlfeit, vor allem manuelle, ist in Menge zu haben. Vor allem finden Leute mit einigen landwirtschaftlichen oder handwerklichen Kenntnissen schnell relativ gut bezahlte Arbeit." Wohl die günstigsten Berichte in dieser Briefsammlung kommen ausser aus Schweden aus Bolivien . Aus den acht bolivianischen Briefen klingt immer wieder die Versicherung: Wer arbeiten will und etwas kann, ist überall willkommen und findet bestimmt Arbeit. Aus einigen Briefen spricht das ganze Glücksempfinden darüber, nach jahrelanger erzwungener Untätigkeit wieder arbeiten zu können. Ein Mechaniker schreibt;„Mir gehl es hier sehr gut. Ich habe Arbeit, die mein Herz erfreut und bin ein glücklicher Mensch". Und ebenso froh gestimmt bekennt ein zweiter: „Die seelische Depression, unter der ich litt und die daraus entsprang, dass Deuteeliei* Waid Oder die neue ft».tniiiieil.vrik Die neue Lyrik sieht u. a. so aus: Der kleine Fritz zürnt der Mutter, weil sie Papier in den Müllkasten wirft.„Der Lehrer hat gesagt, wenn man ein Stück Papier erspart, bleibt ein grünes Blättchen im Walde am Leben..." Versonnen blickt Mutter (laut Dresdener Anzeiger vom 15. 12.) bald auf ihr Bübchen, bald in die Weite, sieht •den Wald und Fritzchens Satz„steht plötzlich gross und gewaltig vor der Seele der Mutter..." Nein, denkt sie, „der deutsche Wald darf niemals sterben. Jedes Blättchen dieses deutschen Waldes rauss erhalten bleiben, denn zehn Blättchen Papier in einem einzigen Haushalt an einem einzigen Tage gespart, vervielfacht mit der Anzahl der Haushaltungen eines einzigen Hauses, ergibt das nicht schon bald die Krone eines rauschenden Baumes, die weiter grünen und rauschen darf im deutschen Wald? War das nicht die kleine Arbeit Wert?" Und sie sammelt und wirbt und strei- chelt Fritzchen, den unbekannten Sammelsoldaten des Dritten Reiches : „So trug denn diese deutsche Mutter die Worte vom gesparten Blättchen Pa pier , das einem grünen Blättchen im deutschen Wald das Leben erhielt, weiter von Mund zu Mund, von Tür zu Tür, von Haus zu Haus, auf dass im nächsten Sommer wieder die Buchen und die Eichen, die Kiefern und die Tannen ihr ewiges Lied rauschen können, ihr ewiges Lied zum Preise ihrer wunderschönen deutschen Heimat." Wir vermissen einiges. Vaters Hose, in der der Holzwurm tickt, ist gar nichts? Mit jedem Flicken, den Vater auf seine Hose setzen lässt, wird ein Baum gerettet; ich vier Jahre als Emigrant leben musste, war auf die Dauer unerträglich, Ihr könnt es mir ruhig glauben, dass ich mich jetzt wieder als Mensch fühle, da ich meinen Unterhalt selbst verdienen kann." i Ein anderer, der als Maurer sofort Arbeit gefunden hat, berichtet: ..„Elektriker, Schlosser, Mechaniker, Tischler, Zimmerleute finden im schlechtesten Falle binnen 14 Tagen bestimmt Arbeit." Mit gewissen Einschränkungen bestätigt das ein Klempner, der in Co- chabamba sich selbständig gemacht hat: „Reichtümer sind hier nicht zu holen. Ein tüchtiger Kerl, gleich aus welchem Handwerk, kann als selbständiger Meister sofort arbeiten. Die Deutschen werden als Qualitätsarbeiter und ob ihrer Pünktlichkeit gern beschäftigt. Handwerker finden in allen grossen Städten des Landes Arbeit. Doch wer herkommt, muss seine Ansprüche etwas zurückschrauben. Zuckerlecken gibt es nicht. Und auf die meisten Annehmlichkeiten des Lebens muss man verzichten." � i Brasilien bietet Möglichkeiten für Bauhandwerker, Metallarbeiter, Lederarbeiter, Schneider. Frauen finden Arbeit als Kinderwärterinnen, im Haushalt, im Büro.„Stenotypistinnen werden von deutschen Firmen dauernd gesucht." Allerdings stammen diese Angaben schon aus dem Jahre 1935; neuere Briefe liegen nicht vor und es war nicht festzustellen, inwieweit sich die Verhältnisse inzwischen etwa geändert haben. Chilfi setzt der Einwanderung ziemliche Schwierigkeiten entgegen, wird aber verhältnismässig günstig bezeichnet für eine Reihe von Berufen, wenn der Einwanderer über gewisse, allerdings ziemlich hoch bezifferte Mittel verfügt, die es ihm ermöglichen, sich eine selbständige Existenz zu schaffen. „Gute Handwerker werden nach etwa zwei Jahren ein auskömmliches Dasein führen können; die ersten zwei Jahre werden allerdings bitter sein. Unqualifizierte Arbeiter können hier nicht durchkommen. Qualifizierte Industriearbeiter für die Textil-, Auto- und Elektroindustrie sind mitunter sehr gesucht, müssen aber wirklich etwas können." Besonderes Interesse erweckt Columbien wegen des dort unternommenen Versuchs, deutsche Flüchtlinge im Hochlande zwischen den Zentral- und West-Kordilleren als Kolonisten an- je glänziger Vaters Sonntagsrock, je abgetragener, schäbiger, desto besser ergeht es dem deutschen Wald. Dafür kann dann der Staat Millionen für Stoffdekorationen und Staffage hinauswerfen, zum Beispiel beim Nürnberger Parteitag oder bei Duce-Besu- chen. Und der deutsche Wald muss rauschend einsehen, dass man für cäsarische Schaugespränge sinnlos verpulvern und auch sonst blödsinnige Rohstoffpolitik treiben darf, sofern die ganze Nation dafür darbt und zum Lumpensammler wird. Es ist die Kunst neudeutscher Volkserziehung, die dümmsten Sünden der Regierenden zu adeln, in deutsche Feld-, Wald- und Wiesenlyrik zu verwandeln und selbst den Einlopf zum längst ersehnten Symbol echten deutschen Wesens zu erheben. Marxistische Hetzer waren es, die dem deutschen Arbeiter das Huhn im Topf wünschten, wahre Liebe zum Volke jedoch bedeutet es, wenn die„Chemnitzer Allgemeine Zeitung" singt: Einlopf im Schnee! Mag er als Volkserzieher zur Anspruchslosigkeit dem gc- samlen deutschen Volke das gelehrt haben, was Schiller einmal dem Freund Körner schrieb:„Einfachheit ist das Ergebnis der Reife!" Das Einfachste ist Dörrgemüse und eine Handvoll Reis. Zu dieser Reife strebt die Politik des Systems ja auch hin, und so hat es Schiller zweifellos gemeint. Wenn man für den Einlopf kühn in die Sterne greift, kann man die schlimmste Dummheit als Weisheit beleuchten. Schiller und Goethe lassen sich für jede Ausplünderung des Volkes missbrauchen, man muss das Geschäft nur verstehen. Dem Leser aber wird übel und er bedauert den deutschen Wald, der sein Holz für solche Blätter opfern muss. zusiedeln. Es ist in jeder Hinsicht „Neuland". Grosstädter, Industriearbeiter, Handwerker lassen sich als Siedler am Rande des Urwaldes nieder, und es wird wohl eine bittere Lehrzeit sein, die ihnen bevorsteht. Ueber Erfolge lässt sich vorläufig noch nicht berichten. Das Unternehmen steht noch ganz in den Anfängen, die ersten Schwierigkeiten sind noch nicht überwunden, andere werden sich erst noch einstellen. Nach den letzten Nachrichten ist der Ankauf des Landes(17 ha für jeden Siedler) abgeschlossen. Die Anpflanzungen für das erste Jahr sind durchgeführt, mit dem Roden des Urwaldes ist begonnen worden und das erste Haus ist in gemeinschaftlicher Arbeit gebaut. Aber eine der mitausgewanderten Frauen schreibt: „Man ist glücklich, hier zu sein und bedauert nur, dass man nicht schon früher gekommen ist. Ich glaube, das wir uns niemals von hier fortsehnen werden." Es ist ein vielgestaltiges, vielfarbiges Bild, das diese Emigrantenbriefe aus 23 Ländern zeichnen, manchmal vielleicht zu rosig in der ersten Freude, manchmal vielleicht auch zu grau in der Stimmung mutloser Stunden. Diese Briefe erzählen von Schicksalen von Männern, Frauen und ganzen Familien. Aber es sind doch nur vereinzelte Stimmen aus der grossen deutschen Flüchtlingsgemeinde, die in aller Welt verstreut lebt. Eine Gemeinde— es ist wirklich eine. Und dass es eine bleibt, dass sie ideell verbunden bleibt, untereinander und mit der Idee, für die jeder Einzelne sein Emigrantenlos auf sich genommen hat und in die Fremde gegangen ist, das lenkt auf eine Aufgabe hin, die aus diesen Briefen so klar und eindrücklich wie noch, nie bisher hervortritt und der die Briefsammlung selbst schon dient. Es ist gewissermassen ein anderes„Auslandsdeutschtum", das hier entstanden ist und das es ideell zu betreuen gilt. Bewegt liest man in diesen Emigrantenbriefen immer wieder von dem festen Willen dieser Flüchtlinge, ihrer sozialistischen Ueberzeugung treu zu bleiben. Der moralische Wert dieses Willens ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Und darum dürfen diese Auswanderer auf keinen Fall vergessen werden. Man lese nur, wie dankbar sie alles aufneh- IMe verrollelen Skandinavier Dort, wo die Langschädler am lang- schändligsten, die Nordlinge am nördlichsten sind,— von dort her erlebt das Dritte Reich nichts als Kummer und Elend. Die skandinavischen Staaten haben sich gegenüber der faschistisch-nationalsozialistischen Infektion am widerstandskräftigsten cmviesen und werden, im offenen Widerspruch zur rassentheoretischen Wellanschauung, sozialdemokratisch regiert. Woher kommt dieser„Widerspruch"? Wie erklärt sich diese materialistisch- marxistische Verseuchung in einer Erdgegend, wo man Wotans Thron nach alt- germnnischcr Uebcrlieferung am nächsten ist? Junge Gelehrte des Dritten Reiches bemühen sich, diese Probleme zu lösen. Aber da nun einmal die Tatsache besteht, dass die skandinavischen Menschen sich heute im europäischen Völkergemisch zu den relativ zufriedenen rechnen, so müssen die Autoren des Dritten Reiches viel Gehirnakrobatik anwenden, um zu beweisen, dass die Schweden , Norweger und Dänen gar kein Anrecht auf eine solche Zufriedenheit besitzen. Ein Dr. H. G. Wagner wirft den Schwe den in einem Aufsatz, den ein grosser Teil der nationalsozialistischen Presse abdruckt, mit erbittertem Ernst vor, dass sie in der heutigen metaphysisch-irrationalen Zeil noch wagten, zu den sogenannten„exakten Afenschen" zu gehören. Was ist das? Dr. Wagner klärt auf: „Dieser exakte Mensch lebt and stirbt so gründlich wie möglich und so sorgenlos und beauem wie möglich. Das Leben hat für den Durchschnitt'-schwoden scheinbar alles Mühevolle undKämpferi- i�en, was ihnen die ideelle Verhindung mit ihren Gesinnungsgenossen erhalten hilft. Jeder Brief, jede Zeitung, die ihnen zugesandt wird, jedes Buch ist für sie von bedeutsamer Wichtigkeit. Von einer dänischen Insel, die doch wahrhaftig nicht ausserhalb des Kulturbereiches liegt, schreibt ein Genosse, der dort noch keinerlei materielle Not erleiden musste: ..„Das einzige, allerdings sehr fühlbare Minus ist die zwar nicht persönliche aber dach geistige Vereinsamung, die drückender wird, je länger sie wirkt. Dieser Zustand kann so zermürbend sein, dass inan eine sonst ungünstigere Situation in der Nähe von Freunden vorziehen würde".. Diese Sätze sprechen aus, was viele empfinden. Und in einem Briefe aus Haifa , der erst nach dem Erscheinen der Briefsammlung eingetroffen ist, schreibt ein Genosse: ..„Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie sehr ich mich über Euren Brief gefreut habe, wie sehr ich mich freue über jede Zeile, die ich von Euch erhalte. Es ist immer ein Stück Heimat. Man hat das Gefühl der Zusammengehörigkeit, und über manche trübe Stunde hilft es mir hinweg. Wenn ich auch nie darüber gesprochen habe, so war es mir doch das liebste, wenn ich unter Euch war. Und wenn es mir dort' bei Euch wirtschaftlich auch nicht annähernd so gut gehen würde wie hier, so wäre ich doch wenigstens unter Gleichgesinnten. Ich bin noch nie im Leben nur vom Essen und Trinken satt geworden." Iis liest sich fast, als wäre da in Hai fa eine Bibelzeile noch einmal geschrieben worden:„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein." Geistige Vereinsamung— das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Diese Worte aus Emigrantenbriefen sind Mahnungen, die nicht zu vergessen, die das Schicksal weit über die Erde hin verschlagen hat, die aber alle lieber heute wie morgen freudigen Herzens zu ihrer grossen Mutter zurückkehren würden; zur deutschen Arbeiterbewegung. Auf das geistige Bedürfnis, dieser grossen deutschen Emigrantenfamilie, die verstreut zwischen Indien und Chile , zwischen Süd afrika und Nordschweden lebt und die doch eine ideelle und geistige Gemeinschaft bleiben will und bleiben muss, hingewiesen zu haben, das ist eine Wirkung, die dieser Sammlung von Emigranlenbriefen aus fünf Erdteilen noch ihre besondere Bedeutung gibt. sehe verloren, es ist kein grosses Abenteuer mehr, sondern eine bestimmte Reihe von ausgeklügelten Geschehnissen, die sich genau nach Berechnung abspielen." Mit anderen Worten: diese ebenso banalen wie würdelosen Schweden haben Schweden haben nicht die Absicht", gefährlich zu leben.„Sie sind der Auffassung," dass ihre Demokratie- unter sozialdemokratischer Führung angenehmer ist als das ..Abenteuer", und dass man in ihrem Lande mit politischen Gegnern besser diskutiert, als sie ins Konzentrationslager zu stecken. Diese üblen Schweden haben dazu die Angewohnheit, was Dr. Wagner besonders streng anmerkt, die verschiedenen Weltanschauungen frei umher schweifen zu lassen, statt sich unter die strenge Faust einer einzigen zu begeben. Das aber ist noch nicht das vollständige Sündenregister der nordischen Länder. Hier haben— immer nach Dr. Wagner— der Sozialismus und der Kapitalis mus „den Geldbegriff in einer entente cor- diale subblimiert". In der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft in Deutschland ist bekanntlich im Gegensatz zu Skandina vien der Sozialismus bereits realisiert. So seien denn die Schweden ein schlappes und kullurarmes Volk geworden, mit vielen dunklen Schalten: ..Der Norweger lieht es. durch Prahlerei seine Minderwertigkeitskomplexe z« verdecken. Der Däne zieht die Selbstironie vor und weicht damit vielem Unangenehmem aus. In der Geschichte der Schweden finden wir Hang zur Träumerei und viel Trotz, bei den Finnen die Rechtbarbarei..." Bei so vielen rassischen Krankheitserregern kann das schlimme Ende nicht ausbleiben. Das ist der Pazifismus. Statt sich
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6 (30.1.1938) 241
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