Vermutung, so wie es eine durch die Tatsachen widerlegte Vermutung war, dass die Rote Armee in Sowjet- Russland ein Instrument Tucha- tschewskis und seines Generalstabes gewesen wäre. Es ist ein inneres Struk­turproblem jeder Despotie, wie weil die Armee der Spitze der Despotie ge­horcht, oder wie weit sie ihr gegen­über einen homogenen politischen Willen darstellt. Der Wille der neuen Armee in Deutschland war nie gegen den Krieg gerichtet schliesslich, ist es der Beruf der Generale, den Krieg vorzubereiten und zu führen! Der Wille zum Revanchekrieg, der seit fünf Jahren die ganze deutsche Poli­tik bestimmt, ist der ausgesprochene Wille des Offizierkorps der neuen Ar­mee. In diesem Willen ist es mit Hitler und den Führern der NSDAP einig. Das Offizierskorps der neuen Armee verdankt der nationalsozialistischen Herrschaft alles: die Zehntausende von neuen Offiziersstellen, den Rang, der Ausbau der Armee, die Konzentrie­rung der ganzen wirtschaftlichen Kraft des Volkes auf die Armee und die Kriegsvorbereitung und dieses Offizierskorps sollte gegen die Spitze des Systems rebellieren, wenn sie sich entschliesst, entschiedener als zuvor den Kurs auf den Revanchekrieg zu nehmen? Das Geheimnis, dass Hitler sechzehn Generale absetzen, Dutzende von ho­hen Offizieren auswechseln kann, liegt darin, dass die Gesamtheit des Offi­zierskorps den Kriegszweck bei ihm in guten Händen glaubt. Wer nur auf den Gegensatz zwischen den traditio­nell konservativen Kräften und der neuen Führerschicht starrt, der über­sieht, dass ganz Deutschland nicht un­ter einem innerpolitischen, sondern unter einem aussenpolitischen Gesetz steht. Der kommende Krieg über­schattet in Deutschland alles Ge­schehen. Der machttrunkene Nationa­lismus herrscht unbeschränkt. Er ist zu so beherrschender Stellung gelangt, weil die Blindheit, das Zaudern und die Unentschlossenheit der demokrati­schen Mächte ihm fünf Jahre lang die technische Vorbereitung des Revan­chekrieges gestattet und damit auch die geistige Beherrschung des Volkes erleichtert hat. Heute ist in Deutsch­ land das Volk nur das Anhängsel der Armee, ist selbst ein Teil der Kriegs­maschine, die immer fester zusam- mengeschweisst wird. Diese Kriegsma­schine ist nicht saturiert durch ihre ei­gene Existenz, sie drängt nach Wirk­samkeit, und sie muss in Wirksamkeit gesetzt werden, weil sie heute schon an die Grenzen ihres maximalen Wachstums stösst. Das ist ein zwin­gendes inneres Gesetz des hitlerdeat- schen Revanchewillens und keine noch so kunstvolle Diplomatie, keine Hoffnung auf innere Spaltung und Parteiung wird den Losbruch ver­hindern. Das ist Angriff, Angriff in der wei­testen politischen und geschichtlichen Bedeutung des Wortes. Wer glaubt. dass das Instrument des Angriffes selbst den Angriff verhindern werde, der begeht einen ungeheuerlichen tra­gischen Irrtum, für den er einst wird teuer bezahlen müssen. Es ist sinnlos, demgegenüber die Taktik der Beruhigung und der Ein­schläferung der Sorgen der Völker weiterspinnen zu wollen. Sind die flammenden Kriegsfeuer in Spanien und China nicht schon Mahnung ge­nug? Sollen die Völker nicht erfahren, dass die Gefahr, die sie selbst, ihr Le­ben, ihre Freiheit und die Zukunft der Demokratie in Europa bedroht, unmit­telbar vor ihnen steht? Wer heute II- llire UmiiaiiKät Die Vcrhrcclicn brauner Flieder In Spanien Die spanischen Rebellen haben sich für ihre Niederlage bei Teruel durch Luftangrife auf offene spanische Städte gerächt. Diese mörderischen An­griffe haben Hundetten von Männern, Frauen und Kindern aus der Zivilbevöl­kerung das Leben gekostet. Die wilde Barbarei dieser Verbrechen hat Abscheu selbst bei denen geweckt, die im allgemeinen Franco und seinen Spiessgesellen freundlich gegenüber- dehen. In der öffentlichen Meinung Snglands ist eine Wendung gegen Fran­ko eingetreten. Der französische Ministerpräsident Ohautemps hat eine Aktion eingeleitet, lie zur Einstellung des Luftkrieges ge- �en offene Städte führen soll. Die eng­ische Regierung hat sich dieser Aktion ingeschlossen. Sie hat in Salamanca eine �Jote überreichen lassen, die die Einstel- ung aller Bombardements offener Städte und der Zivilbevölkerung von Franco fordert. Die spanische Regierung lagegen hat sofort, ohne einen diploma- ischen Schritt abzuwarten, alle Vorbe- eitungen zu Bombardierungsflügen ein­gestellt, sie verzichtet ausdrücklich auf Repressalien gegen die Verbrechen der Rebellen. Gegenüber diesen Versuchen, der Bar- jarei eine Grenze zu setzen, spielt die leutsche Regierung ein doppeltes Spiel. Auf diplomatischem Gebiet gebärdet sie üch, als ob sie diese Versuche billige md unterstützte. In Wahrheit sind es leutsche Flugzeuge und deutsche Flie- jer, die an diesen brutalen Verbrechen beteiligt sind. Um dieser Verbrechen .villen sind sie nach Spanien geschickt worden! Auf propagandistischem Ge­riete aber verbindet sie wie immer Lüge mit Frechheit. Wir lesen imVölki­schen Beobachter" vom 5. Februar: Wir haben aber bereits gestern darauf hingewiesen, dass der Anlass zu diesen englisch -französischen Humanitätswün- schen uns etwas überraschend vorkommt. Sie knüpfen nämlich bezeichnenderweise nicht an jene wiederholten bolschewisti­schen Luftangriffe auf ottene Städte an, wie die auf Salamanca , Sevilla usw., sondern tauchten erst im Verlauf von Ereignissen auf, die die Ueberlegenheit der nationalsp.' nischen Luftwaffe immer klarer herausge­stellt haben." So denken die deutschen Machthaber in Wahrheit, und die Lügen ihrer Diplo­maten sind nur dazu da, ihre wahre Ge­sinnung zu verdecken! In Wahrheit hat es keinewiederholten bolschewistischen Luftangrife auf offene Städte, wie die auf Salamanca , Sevilla usw." gegeben, sondern Vergeltungsflüge gegen diese beiden Städte, und keinundsoweiter"! Erst nachdem systematisch von Franco die Abschlachtung der Zivilbevölkerung durch Luftangriffe gegen die offenen Städte auf Regierungsgebiet betrieben wurde, hat die spanische Regierung sich zu diesen Repressalien entschlossen. Plötzliche Humanitätswünsche? Hat sich nicht schon die Stimme der empör­ten Menschlichkeit gegen Hitlerdeutsch­land erhoben, als seine Flieger das grauenhafte Verbrechen von Guernica begangen haben? Ueberlegenheit der nationalsozialisti­schen Luftwaffe? DerVölkische Beo­bachter" wollte wohl sagen: der deut­ schen Luftwaffe? Es gibt in der Tat eine solche Ueberlegenheit, nicht im Kampfe, lusionen nährt, schwächt die Verteidi­gung! Die Krlegi�foriii de« Reich«kai>liiet(« In jedem totalitären System über­schattet schliesslich der Kriegszweck alles. Wir haben seit 1933 auf den Sinn des totalitären Hitlerstaates hin­gewiesen, wir haben in jeder Phase seiner Entwicklung gezeigt, wie die wachsende Gewaltorganisation immer stärker die inneren politischen und so­zialen Gegensätze niederhält und die Gesamtheit des Volkslebens dem Kriegszweck dienstbar macht. Ein Blick auf die deutsche Wirtschaft ge­nügt, um zu erkennen, wie weit dieser Prozess gediehen ist. Der Wille zur Totalität, das heisst nicht in der Kampfkraft, nicht im stra­tegischen Sinne wohl aber in der Mördergesinnung, im Willen zur zyni­schen Abschlachtung von Frauen und Kindern. Diese Ueberlegenheit haben deutsche Hitlerflieger schon bei Guer­ nica demonstriert und derVölkische Beobachter" enthüllt nur, wie die allge­mein verbrecherische Gesinnung des braunen Systems mit dieser speziellen Mördergesinnung sympathisiert. Taktik de« Schweigen« Das Volk darr niolKs erfahren Am Sonnabend, dem 5. Februar, erschien derVölkische Beobachter" mit einer gros­sen Schlagzeile an der Spitze des Blattes: Trennt sich Südchina von Tschiangkai- schek?" In allen ausscrdeulschen Ländern besprachen zur gleichen Zeil alle Zeitungen den Schlag Hitlers gegen die konservativen Kräfte in der Wehrmacht . Für den inner­deutschen Gebrauch sind die Meldungen darüber so lange zurückgehalten worden, dass sie erst am Sonnabend gegen Mittag bekannt wurden. Immerhin hafte auf diese Weise das Volk wieder eine echte Hitlersche Sonnabend- Ueberraschung. Und Hitler selbst hat sich eine gewisse Sicherung dagegen geschaffen, dass ihmsein Volk" eine unangenehme Ueberraschung bereitet. Eine sofortige, offene und ehrliche Be­kanntgabe der Tatsache, dass der seitherige Oberbefehlshaber des Heeres, General F ritsch, in seiner Wohnung von hitler­treuen Offizieren bewacht und festgehalten wurde, hätte möglicherweise einige hun­dert Deutsche zu einem spontanen Neugier­spaziergang vor Fritschs Wohnung oder gar in die Wilhelmstrasse verführt. Bei den Staatskrisen des braunen Systems hat sich die Taktik herausgebildet, die Distanz zum deutschen Volk zu vergrössern, indem es erst möglichst spät erfährt, was sich ereignet hat, und was seine Führer für Pläne auf seinem Rücken schmieden. Furelit vor der TTalirholf In Paris ist, unterstützt von Organisatio­nen der französischen Volksfront, eine Aus­stellungFünf Jahre Hitler-Regime" veran­staltet worden. Das braune System lobt da­gegen an. Es fühlt sich durch jede Enhül- lung seiner Verbrechen beleidigt. Diploma­tisch verkriecht es sich dabei hinterBelei­digung des deutschen Staatsoberhauptes". Der deutsche Botschafter in Paris ist in Bewegung gesetzt worden. Er muss sich be­schweren und protestieren. Immerhin ist Frankreich nicht so leicht einzuschüchtern wie andere, kleinere Länder, denen man mit der gepanzerten Faust drohen kann. Die Ausstellung bleibt also. Es bleibt aber auch die Tatsache, dass das braune System die Methode seines Terrors gegen die Wahrheit auch in Frankreich einzuführen sucht. Wann werden die grossen demokratischen Regierungen erkennen, dass es gegen die­sen Terror eine ausgezeichnete Waffe gibt: die einfache, wahrheitsgemässe, forllau­fende Enthüllung der sozialen, politischen und moralischen Tatbestände in Hiller- deutschland ? Der Wartesaal Völkerbund zwischen den Krisen Die letzte Tagung des Völkerbundes hat wieder einmal jenen Ausspruch Lit- winows gerechtfertigt, dass der Völker­ bund ein Wartesaal sei. Dies Wort ist übrigens von Litwinow durch ein ande- dieser Staatskrise über die innere Par­teiung im System selbst gesiegt. Mili­tärisch-technisch. ist die Neuordnung der Befehlsgewalt und die Umgestal­tung der Reichsregierung ein Schritt weiter zur einheitlichen Kriegsfüh­rung. Daneben geht der Sieg über die Gegner des Vierjahresplanes. Das Reichswirtschaftsministerium ist nach den Bedürfnissen der Kriegswirtschaft endgültig umgestaltet worden, es hat die Verfassung erhalten, die es im Kriege haben müsste. Die entscheiden­den Abteilungen Rohstoffe und Bergbau, Schwerindustrie, Aussen- handel und Devisenbewirtschaftung sind unter die Leitung von Militärs gestellt worden. Der neue Reichswirt­schaftsminister ist nur eine Schatten- zum absoluten Kriegszweck, hat in res ersetzt worden. Nehmt dem Völker­ bund den Sanktionsartikel so sagte er und er wird sein: Ein universaler Nicht inte rvention.s- ausschuss, der jedem Angreifer unter allen Umständen volle Freiheit gewährt." Der Versuch, den Völkerbund durch die Streichung dieses Artikels auch for­mell zu entmannen, ist jedoch nicht ge­lungen. Die Frage derPaktreform" ist einfach vertagt worden. Das Recht des Völkerbundes ruht zwar praktisch, aber es kann eines Tages wieder wirksam ge­macht werden. Wenn die Angreifer'slaa- ten diese Möglichkeit nicht fürchten würden, hätten sie nicht so viel diploma­tische Aktivität auf die formelle Zerstö-; rung des Völkerbundes verwandt. Unmittelbar vor dieser Tagung stand die französische Regierungskrise, unmit­telbar nach dieser Tagung hat sich die internationale Spannung gesteigert. Das Piratentum im Mittelmeer hat aufs neue begonnen, alle Anzeichen deuten auf neue faschistische Intervention in Spa­ nien , und in Deutschland hat die Kriegs­partei die volle Macht an sich genom­men: Die eigentlichen Entscheidungen fal­len nicht im Völkerbund. AVenn die gros­sen demokratischen Mächte festen Widerstandswillen zeigen, wird auch der Völkerbund stark sein. Das Recht ist immer nur dann stark, wenn es einen Willen zu seiner Verteidigung gibt. Deiil«elie WalTen in Pari« In Pariser A7ororten sind abermals Waf­fen der französischen Rechtspulschistcn aufgefunden worden. Es waren dabei wie­der zehn deutsche Maschinenpistolen. Das sind die Geschenke, die das braune Deutschland zum Zeichen seines Verstän­digungswillens nach Frankreich schickt! Nach dem Machtwechsel vom 4. Februar hat die braune Propaganda den französi­ schen Zeitungskorrespondenten einzureden versucht, Ribbentrop und Göring seien die wärmsten Freunde einer aufrichtigen Ver­ständigung mit Frankreich . Wer glaubt, dass die Fülle der aus Deutschland stammenden Waffen, die bei französischen Rechts­pulschistcn beschlagnahmt worden sind, ohne Kenntnis Görings hätten nach Frank­ reich gesandt werden können? Kein Gel«! für Hitler Herbert Horrlsovm Warnruf In einer Rede in Pontypool sprach Herbert Morrison über die Absichten englischer Grossbankiers, Hitler eine Anleihe zur Verfügung zu stellen.Die­se Kapitalisten", sagte er,mögen sie Juden oder Christen sein, sind A'errätef an ihrem eigenen\rolk. Ich warne sie; wenn eines Tages die unvermeidliche Revolution kommt, wird es ihnen gehen wie jenen, die dem Zaren von Russland Geld liehen. Ich bin überzeugt, im Na­men der ganzen Arbeiterpartei zu spre­chen, wenn ich sage, dass Leute, die ihr Geld an Tyrannen verleihen, bei dem \ ersuch, es zurückzubekommen, keiner­lei Hilfe von unserer Seite zu erwarten haben". Marionetten. Wir lesen imVölkischen Beobachter" einen Aufsatz über das Sowjel- parlament mit der Ueberschrift;Marionet­tentheater Sowjetparlament". Ob sie da­bei an den Diätenklub gedacht haben, der sichDeutscher Reichstag" nennt? figur. Die Neugestaltung der Rcichs- regierung besteht darin, dass der re­gierende Ausschuss oder Kronrat un­mittelbar alle entscheidenden Funk­tionen beherrscht und' dirigiert. Alles in einer Hand so beschreibt die Hitlerpresse das Ergebnis der Um- geslaltung. Es ist richtig alles in der Hand der Kriegspartei. Sie macht klar zum Gefecht. Die Reichsregierung hat ihre Kriegsform erhalten. Das ist kei­ne Sensatioji für neugierige� aber un­beteiligte Zuschauer! Es gibt dabei keine Unbeteiligten. Es ist drohender Ernst. Man muss es laut sagen, dem deutschen Volke, allen Arölkern. Jetzt ist keine Zeit für staatsmänniscb6 Säuseleien. Denn sie wollen den Krieg, sie wob ,en den Krieg, sie wollch den Krieg!