Wo die Tilgend siegtBemerkungen über nationalsozialistische RhetorikFür den politischen Psychologenkann es nicht leicht ein interessanteres Studienohjekt geben als die letzteReichstagsrede Hitlers. In ihr kam mitvoller Deutlichkeit zum Ausdruck,was die Stärke dieses erfolgreichstenRedners unserer Zeit ausmacht: seinmoralisches Pathos. Hitler argumentiert niemals, er moralisiert immer.Seine Siege sind niemals Siege derStärke über die Schwäche, der Listüber die Arglosigkeit, sondern immerSiege der Tugend über das Laster.Warum ist Hitler in Oesterreicheinmarschiert? Nur, weil er nicht mehransehen konnte, wie die armen Oester-reicher von Schuschnigg unterdrücktwurden! Wer kann gegen sein gutesHerz? Und so kam er und machte dieOesterreicher frei. Er stellte die Ehreund Würde des deutschen Volkeswieder her, die Schuschnigg so grausam gekränkt hatte. Wo die Ehre undWürde des deutschen Volkes auf demSpiele stehen, da lässt er eben nichtmit sich spassen.Nun hat in Oesterreich, auch bevorHitler kam, kein Mensch anders alsdeutsch gesprochen, die Zeitungenwaren deutsch, die Schulen warendeutsch, die Grabsteine waren deutsch.Südtirol aber ist auch von Deutschenbewohnt, und doch sind die Zeitungen, die Schulen und die Grabsteinesogar alle italienisch. Was macht dadas gute Herz, und wie steht es mitEhre und Würde der deutschen Nation? Sofort werden diese Tasten dermoralischen Klaviatur verlassen undLitowsk, von Bukarest, und von Versailles gegeben. Wir erlebten den abes-sinischen, den spanischen und denchinesischen Krieg. Hitler ist auf demMarsche. Oesterreich ist annektiert,die Tschechoslovakei als nächstes Opfer stigmatisiert. Die Schweiz zittert,dass Hitler ihr das Schicksal bereitenkönne, das die alldeutschen Schriftsteller ihr seit 30 Jahren zugedachthaben.Wer möchte sich verbergen, dassdiese Phantasien von damals die Zieleder braunen Gewaltmenschen vonheute sind?andere angeschlagen. Hoch klinge dasLied von Dankbarkeit und Treue.Mussolini hat mit den Händen inden Taschen der VergewaltigungOesterreichs, dessen Unabhängigkeiter garantiert hatte, zugesehen; durchdiese Passivität wurde der Anschlag— anders als im Sommer 1934— erfolgreich. Also hatte er etwas Gutesgetan, und man muss ihm die Treuehalten. Treue und Dankbarkeitsind die schönsten deutschenTugenden. Treue und Dankbarkeit gebieten, dass die Grabsteine inDeutsch-Südtirol italienisch bleiben.Nun wage einer zu kommen und zusagen, die Gesetze der Ehre undWürde müssten nach allen Seitengleichmässig angewendet werden, undwas für die Oesterrcicher recht sei,das sei für die Südtiroler hillig. EinHagel der Entrüstung würde den Unglücklichen erschlagen, eine Sintflutmoralisierender Redensarten würdeihn ertränken. Den Rest würde die Gestapo besorgen.Es geschieht in Deutschland unddurch deutschen Einfluss in der Weltmancherlei und sehr verschiedenes.Aber wer Hitler hört und ihm glaubt,wird finden, dass all dieses verschiedene und oft sehr widerspruchsvolleGeschehen einzig und allein auf sittliche Beweggründe zurückgeht. Hitlerund seine Palladine sind stets wahrheitsliebend, ehrenhaft, edel, gerechtund grossmütig. Ihre Feinde sind stetsgemein, niederträchtig und ehrlos.Werden sie ermordet, so hat man dieWelt vor ihnen gerettet. Denjenigenaber, die noch nicht ermordet sintM Demokratie willhat man das Leben, das sie eigentlichlängst verwirkt hatten, grossmütig geschenkt.Es liegt in der Natur der Sache, dassman von allen Tugenden, die es gibt,die patriotischen ganz besonders fürsich in Anspruch nimmt. Von Volkund Vaterland redet man stets so, alsoh man sie mehr liebte als alle anderen, und man rechnet sich dieses Plusals Verdienst an. Cordelia in Shakespeares„König Lear" lieht undsehen Kriegsgedicht, dem Werk einesSozialdemokraten, heisst es:Als man uns rief, da zogen wirschweigend fort,Nicht auf den Lippen, aber im Herzen das Wort Deutschland.So der echte Frontsoldat. Der nachgemachte, für den patriotischen Massenkonsum hergerichtete, kann nichtden Mund auftun, ohne dass ihm mitdem Speichel das Wort Deutschlandvon den Lippen fliesst. Auf alle Fälleund unter jeglichen Umständen ist erpatriotisch, heldenhaft und so edel,wie nur irgendein geschundener Raubritter in einem Zehnpfennigroman,über den Köchinnen Tränen der Rührung vergiessen.In Ländern demokratischer Kulturversteht sich das Moralische vonselbst. Und das Patriotische auch. Biszum Beweis des Gegenteils nimmt manvon seinem politischen Gegner an, dasser genau ebenso anständig ist, wie manes selbst zu sein glaubt und dass ergenau ebenso für das eigene Landund Volk das Beste will. Der gestürzteMinister reicht dem siegreichen Gegner die Hand. Der geschlagene Kandidat in englischen Wahlkämpfen gratuliert dem Sieger und erklärt, derWahlkreis könne auf einen so hervorragenden Vertreter stolz sein. Der politische Kampf wird nicht auf der moralischen Ebene geführt, sondern aufder sachlichen.„Mein Gegner", soheisst es dort,„will das beste, aber erirrt." ,Seht diesen Schurken!" heisstes hier.Woher dieser Unterschied? In derman wohl einenGegner von der Macht fernhalten, aberman will ihn nicht vernichten. Mananerkennt sein Recht auf Existenz,seine notwendige Funktion in der Opposition. Im Wesen der Diktatur liegtes aber, dass sie ihre Gegner um jedenPreis und mit allen Mitteln zu vernichten bestrebt sein muss. Wenn mandarauf ausgeht, seine politischen Gegner durch Mord zu erledigen oder aufdem Schaffot zu töten oder sie inKonzentrationslagern und Zuchthäu-schweigt. Und in dem schönsten deut-|sern sterben zu lassen, dann kann manunmöglich zugeben, dass diese Gegneranständige, rechtschaffene, um dasWohl des Landes ehrlich besorgteMenschen sind, sondern man muss sieals einen Abschaum der Menschheitschildern, dessen Vertilgung mit allenMitteln erlaubt und geboten ist.Die Nazi kennen sehr gut die Machtder sittlichen Gefühle des Volkes, undsie verstehen es meisterhaft, dieseMacht zu ihren Gunsten auszunutzen.In demselben Masse, in dem sie ihreFeinde als Verbrecher, Vaterlandsverräter und Untermenschen hinzustellenlieben, rühmen sie sich selber als Söhne des Lichts und Träger aller männlichen Tugenden. Sie machen äusSchwarz Weiss, aus der Schande, diesie über Deutschland gebracht haben,eine wiederhergestellte Ehre, aus dermilitärischen Vergewaltigung einesLandes eine Befreiung, aber sie machen das mit einer Virtuosität, dassdem unkritischen Zuhörer dabei Hören und Sehen vergeht. Hitler selbstist in dieser Kunst der unübertreffliche, unbestrittene Meister.Man muss also die erstaunliche Tatsache verzeichnen, dass eine Politikdes Bösen, wie sie die Weltgeschichtebisher sonst nicht kannte, ihre Kraftschöpft aus ständig wiederholten Appellen an den gesunden Sinn des Volkes für das Gute. Die demagogischeRhetorik wirkt als Transformator, derdie sittlichen Kräfte der Nation füreine Politik der grauenhaftesten Un-sittlichkeit umformt und nutzbarmacht. Der berühmte Satz Hegels:Jeder Gegensatz ist in seinem Gegensatz aufgehoben und aufgehoben"»findet in diesem Ineinanderwirkenvon Moral und Verbrechertum eineplastisch wirkende Illustration.Wo ist die Faust, die kräftig genugist, den Hebel herumzureissen, demMissbrauch der besten Eigenschaftendes Volkes ein Ende zu bereiten, diesittlichen Kräfte der Nation wiederin die richtige Richtung zu bringen,sodass sie das politische Verbrechertum, das Deutschland heute beherrscht, nicht mehr tragen, sondernhinwegschwemmen? Wer wagt es,über dieses moralheuchelnde Misse-tätertum die Wahrheit zu sagen, dieganze Wahrheit? Wo bleibt der sittliche Befreier, der grosse Bussprediger dieser Zeil? F. St.Cieiiieuelieltralibans Angrst vorm WortDie neudeiilsehe Presse ist voll von Versicherungen, dass sich das Dritte Reichnach allgemeinen Pressefrieden sehne.Aber leider gäbe es im Ausland noch zahlreiche Blätter, die von der Druckerschwärze einen vergiftenden Gebrauchmachten. Der Pressedietrich hat sogar eineBroschüre gegen„das internationale Presse.piratentum" losgelassen.Nachdem er darin die Pressefreiheit hinreichend madig gemacht hatte, lud er am8. März die ausländische Diplomatie undPressevertreter zu einem Empfangsabendein, um in einer Bede zum„Kampfe gegendie Lüge in der Berichterstattung" aufzurufen. Er pries die Presscknebelung inDeutschland und Italien als„ersten Schritt"zu einer vernünftigen zwischen-staatlichenPressepolilik und als Weg zur„Entgiftungder internationalen Atmosphäre". Dannging es weiter:„Es ist nun an den anderen, uns zufolgen, wenn es ihnen ernst ist mit denEricdenswünschen. Der Abbau der Helz-und Verleumdungsschranken zwischenden Völkern, der den Interessen aller Nationen und dem Wohle aller Völkerdient, wird um so schneller kommen, jeeher die verantwortlichen Staatsmännerin allen Ländern den Willen ihrer Völkerin dieser Frage begriffen haben und denMut aufbringen, diesem Wollen Geltungzu verschaffen."Es gibt keine Presse, die so masslos undgewissenlos gegen andere Völker gehetzthat, wie die Hitlersche. Man denke an dieKampagne gegen Litauen, gegen Oesterreich, gegen die Tschechoslovakei. DieMänner der sowjetrussischen Regierungebenso wie die Vertreter des demokratischen Spaniens sind im Jargon der Goebbelspresse nichts als„rote Strolche", Lumpen, Gesindel und Bluthunde. Eine Steigerung dieser verleumderischen Schimpforgie ist kaum denkbar. Und das beschuldigtdie Anderen der Verleumdung und lügenhaften Berichterstattung! Wer über die Abwürgung Oesterreichs wahrheitsgetreu berichtet, wer Hitlers Ultimatum an Schuschnigg auch nur ein Ultimatum nennt, vergiftet die internationale Atmosphäre. Werüber die Jagd deutscher und italienischerFlieger auf spanische Frauen und Kinderberichtet, ist ein Pressepirat. Mit dieserStirn hat sich der Ober-Terrorist in seinerReichstagsrede über den„SchuschniggschenTerror" entrüstet; mit dieser Verlogenheithat man einen Teil der Welt verwirrt undsucht sie noch mehr zu verwirrenAber warum bleibt Dietrich nur bei derPresse, warum geht er so scheu um dieLiteratur herum? Im Dritten Reiche sindzahlreiche Bücher erschienen, die in derschamlosesten, lügenhaftesten Weise gegenandere Nationen hetzen. Nicht nur gegenSowjctrussland oder das demokratischeSpanien, sondern ebenso gegen Polen,Tschechoslovakei, Frankreich, England.Wir haben mehrfach Proben aus dieservergiftenden Belletristik gebracht. Einerdieser neueren Hetzromane, der des Standartenführers Paust, ist sogar prämiertworden. Und die neudeutsche Presse preistall diese verlogenen Hetzschwarten mit vollen Backen an. Die Auslandspresse jedochsoll nicht einmal über Guernica berichten.Dschingiskan hatte es gut; er fand in denvon ihm bedrohten Ländern keine Pressevor. Und wenn, dann hätte es ihm nichtviel ausgemacht. Raubzüge und bestialischeUnterjochungsabsichlen brauchten damalsnoch nicht geleugnet zu werden. Die Bestiewar ehrlich. Offiziös galten noch keinechristlichen Gebote. Hätte den blutigenKan jemand gefragt, ob seine Ueberfällenicht doch gemeine Raubzüge seien, sohätte er fragen können, in welcher Weltder Frager eigentlich lebe. Wenn heute jedoch Juden, Marxisten, Liberale usw. enmasse geplündert werden und ihr Eigentum mit fünfundzwanzig Prozent des Wertes hergeben müssen, so ist das WeTterneue-rung und moralische Reinigung. Und wennirgendwo die Presse darüber berichtet oderErpressung eben Erpressung nennt, so vergiftet sie die internationale Atmosphäre.Wenn aus Wien in einer Nacht über sechzig Selbstmorde gemeldet werden, so zetertdie Nazipresse wider die unerhörten Ueber-treibungen, und offiziös wird dann derUnited Press berichtigend mitgeteilt, esseien in Wien vorläufig nur 53 Selbstmordegezählt worden. Nur dreiundfünfzig. Höchstens Schwachnervige oder Uebelwollendekönnen sich über eine solch kleine SerieToter aufregen. Ihr seht doch, wie raschsich die Welt daran gewöhnt. Kein Staatsmann, der an weithin sichtbarer Stelle seine Stimme erhebt. Nur da und dort einigeBlätter, die wegen ein paar Dutzend Totenvon Greuel und Schande reden. Diese unwahre Berichterstattung, diese gehässigenUebertreibungen müssen aufhören, dennsie vergiften die internationale Atmosphäreund lassen die Völker nicht zur Ruhe kommen...Es ist klar, um was es den faschistischenDespoten mit dem„Pressefrieden" geht.Wo die Staatsmänner schweigen, redennoch immer Auslandsblätter, einige sogarrecht deutlich. Das freie Wort muss gedrosselt werden. Das freie Wort ist eine Weltmacht und beschränkte es sich nur auf difWiedergabe der Tatsachen, der grauenha'"ten Wirklichkeit. Nach dem 5. März hat Gö*ring einem Naziprominenten erklärt:„Unsere gefährlichsten Gegner sind jet*'die Schreiber, die im Ausland sitzen..■ 1In den eigenen Ländern hat der Fascbi5'mus die Wahrheit unter Verschluss gesetztnun soll sie auch im Ausland gemeuche"werden. Man braucht einen europäische11Vormärz, um Europa und die umliegende11Kontinente zu verschlucken. Man furcht�für den Kriegsfall die Wut der gut infor'mierten Völker. Darum soll nur gegen de«Bolschewismus gehetzt werden, gegen de"„Bolschewismus" in Spanien, Frankreid1,England, im Vatikan, in der Kirche, �Hause Habsburg, in Amerika, in RooseveU5Familie und überall dort, wo sich Menschlichkeit und Demokratie gegen den Barb*'rismus regen.Darum geht es den Diktatoren des ,.Prcs'sefriedens". Denn der neue Caliban fürchtet sich vorm Lesen und Schreiben.B. Br.SieDer Bockal« KiersfilrfnerWie„das Volk bei der Arbeit", so mu5'man die nationalsozialistische Partei hflden von ihr veranstalteten Tagungensuchen. Erst dann wird man sie in ihre111innersten Wesen ganz begreifen.In Köln tagten z. B. die rheinische'1Gärtner. Nein. Nicht die rheinischen Gä1"'ner, sondern: ,,die Landesfachgrupp1'1Blumen und Zierpflanzen sowie Gartena"5fiihrung und Friedhof sgärtnerei der Land*'bauernschaft Rheinland und der Landogruppe Rheinland im Reichsverband d1'"a'an