Politik ist dem Amoralismus seinerAussenpolitik ebenbürtig. Jetzt ist dieseIntellektuellenschicht verstummt. Esgibt in dieser Schicht bekannte Namen,keine Parteikomraunisten, die bishernicht ein einziges Wort des Protestesgegen den russischen Verrat gewagt haben. Diese Männer werden jedenfalls inZukunft nicht mehr als Werkzeugeiner fremden Machtpolitik Verwirrungin die Reihen des besseren Deutschlandtragen können. Wenn aus diesem Kriege ein freies Deutschland aufersteht,wird es mit der Ingerenz der russischenPolitik auf die inneren VerhältnisseDeutschland ein für alle mal zu Endesein. Das ist der eine Reinigungspro-zess, der jetzt angebahnt ist.Der andere ist geistiger Natur, erbezieht sich auf die Reinigung der sozialistischen Idee von allen grob mechanischen, machtpolitischen und antihumanitären Elementen. Der Bolschewismus war eine auf die Spitze getriebeneTheorie des sozialen Machtkampfes, diemehr bakunistische als marxistischeElemente enthielt, und in der.allesGeistige reduziert war auf die Motivevon Kampf, Sieg, Macht und Herrschaft.Das sogenannte„Vaterland der Arbeiter" ist nichts anderes als eine despotische Staatswirtschaft, in der alles Sozialistische auf die reine Nützlichkeitsphäre reduziert ist, ohne dass die Nütz-lichkeitswerte als Bedingungen fürhöhere Werte gelten. An die Stelle derhöheren Werte des Sozialismus— Freiheit, Persönlichkeit— sind in diesemSystem die überkommenen Ideen asiatisch-despotischer Herrschaft und desaltrussischen Imperialismus getreten,sie bezeichnen die Zwecke, denen dieWirtschaftsorganisation in Russlandwahrhaft dient. Dort in Russland gibt esweder für die deutsche Arbeiterbewegung, noch für die gesamte deutschefreiheitliche Opposition etwas zu be-grüssen oder zu bejahen, geschweigedenn etwas zusehen, wovon sie lernenkönnte. Die Hemmung der freiheitlichen und humanitären Weiterentwicklung der sozialistischen Idee durch denrussischen Einfluss ist zu Ende, einProzess der Trübung, Ablenkung undVerfälschung der sozialistischen Idee istabgeschlossen. Man wird uns nichtmehrSowjetrussland als Schutzmachtder kommenden deutschen Demokratieempfehlen, oder als Vorbild für die Erhebung gegen Hitler und für den Aufbaueines neuen freiheitlichen Deutschland, man wird nicht mehr diktatorischePlanwirtschaft und Sozialismus verwechseln, und man wird uns nicht mehrein Bündnis mit Sowjetrussland für daskommenden Deutschland empfehlen.Und schliesslich ist ein Gespenst gebannt, mit dessen Hilfe die Hitlerpolitik lange Zeit ihre Geschäfte besorgthat, das Gespenst: Nach Hitler kommtder Bolschewismus. Nach Hitler? Abernein, mit Hitler und durch Hitler kommtder Bolschewismus— das heisst, es istgekommen die Expansion der russischen Machtpolitik nach Westen unddie Ausbreitung des russischen despotischen Systems nach Westen. Hitlerselbst hat diese Expansion nach Westengerufen. Es liegt in der Logik der Dinge, dass jedes Nachfolgeregime inDeutschland, das sich bewusst von derHitlerpolitik abkehrt, sich nicht alsBundesgenosse dieser russichen Expansion nach Westen, sondern als Riegeldieser Expansion fühlen wird. Hitler hatdiese Expansion gerufen, weil ihm fürseinen Revanchekrieg gegen Frankreichund England jedes Mittel recht ist, weiler selbst weiss, wie er dem englischenBotschafter sagte, dass er nichts zu verlieren habe, das heisst, dass er sichohne Krieg ebenso verloren wusstewie mit Krieg. Der Nationalbolschewismus hat in Deutschland nach 1918 immer als letzte Ausflucht nationalistischer Verzweiflung gegolten, und derHitler-Stalin-Pakt ist der Ausfluss derHitlerverzweiflung. Das bedeutet: dieHemmung der russischen Expansionnach Westen und die Verhinderung desUebergreifens des Bolschewismus aufDeutschland erfordert den Sturz Hitlers,die entschlossene Abwendung der deutschen Politik von nationalistischen Expansionsideen und von Revanchegelüsten.Und die Zukunft des Kommunismusin Deutschland? Eine kommunistischePartei in einem befreiten Deutschlandwäre nur möglich in trauter Bundesge-nos�enschaft mit einer extrem nationalistischen und imperialistischen Partei,Oironlk der WocheDie Bedrohung der neutralen LänderMontag, 18. September 1939Die englische Regierung gibt nach demsowjetrussischen Angriff auf Polen eineErklärung ab, in der sie feststellt, dass dievon Russland angegebenen Gründe denEinmarsch in Polen nicht rechtfertigen,und dass Englands Entschlossenheit zurErfüllung seiner Verpflichtungen gegenüberPolen und zur Fortsetzung des Krieges sichnicht geändert hat.Der Schweizer Regierung wird von England mitgeteilt, dass die britische Regierung alles tun werde, um den ernsthaftenHandel der neutralen Länder zu erleichternund die freundschaftlichen Beziehungenmit ihnen aufrecht zu erhalten. Dagegenwerde sie Deutschlands Bemühungen, durchVermittlung der neutralen Länder Warenund Material zu importieren, zu durchkreuzen suchen.Im Saargebiet ist in den Gruben undHochöfen, die im Bereich der französischenGeschütze liegen, die Arbeit eingestelltworden.Dienstag, 19. September 1939Hitler hält in Danzig eine Rede, in derer Polen als den Angreifer bezeichnet. Essei nicht wahr, dass Deutschland seineHerrschaft bis zum Ural ausdehnen wolle.Russland und Deutschland seien sich inihrem Kriegsziel einig. Der Brandherd inPolen müsse ausgelöscht werden. Weder gegen Frankreich noch gegen England verfolge er Kriegsziele, und das Missverständnis zwischen Deutschland und Italien seibeseitigt. Wenn der Krieg fortgesetzt werde,um das deutsche Volk von ihm zu trennen,so müsse man die Deutschen für dummoder charakterlos halten. Es werde auchnach-drei, vier, sechs, sieben Jahren keineKapitulation der Deutschen geben.Der Bürgermeister von Warschau Stephan Scarzynski erklärt in einer Radioansprache, dass die Bevölkerung Warschausentschlossen ist nicht zu kapitulieren.„Wir glauben, dass unser Opfer nicht vergeblich sein, und dass unser Blut den Siegmit entscheiden wird."Deutschland richtet eine Drohung an dieneutralen Länder, vor allem an die Oslo-Mächte, auf deren Rohstofflieferung es angewiesen ist. Es bezeichnet sich als nichtgeneigt, auch nur die geringste Abweichungvon der Neutralität zu gestatten, auch wennsie gewaltsam erzwungen sein sollte.Die nordischen Staaten beschliessen aufeiner Konferez in Kopenhagen eine strikteNeutralitätspolitik zu treiben und ihren traditionellen Handel mit allen Kriegführenden aufrecht zu erhalten.England führt Verhandlungen mit denRegierungen verschiedener neutraler Länder über die Durchführung der Blockadegegen Deutschland ohne Schädigung desHandels und der Wirtschaft der neutralenStaaten.Die Leitung der französischen Gewerkschaften lehnt die Zusammenarbeit mit allen ab, die den Stalin-Hitler Pakt und denEinfall der Roten Armee in Polen nichtverurteilen wollen oder können.Mehrere französische Abgeordnete derkommunistischen Kammerfraktion sind ausder KPF ausgetreten.Romain Roland bekundet in einemSchreiben an Daladier seine absolute Zugehörigkeil zu dem für die Freiheit kämpfenden Frankreich.Die sozialistische Partei der Schweiz hatden Nationalrat Leon Nicole aus Genf ausgeschlossen.Benesch richtet durch Rundfunk einenAppell an das tschechische Volk, in demer zum Widerstand gegen die Barbarei desHitlersystems auffordert.♦ ♦*Mittwoch, 20. September 1939Chamberlain proklamiert im englischenUnterhaus als Kriegsziel der Alliierten dieBefreiung Europas von der ständigenFurcht vor einem deutschen Angriff unddie Wahrung der Unabhänigkeit und Freiheit der Völker Europas. Die Hitlerrede inDanzig habe an der Notwendigkeit diesesKampfes nichts geändert.Die polnische Regierung hat sich nachBukarest begeben.Tschiangkaischek erklärt in einer Redevor dem chinesischen Nationalen Volksratin Tschungking, dass China, dessen militärische Kraft sich in den letzten Monatenverdoppelt habe, während die Japans sehrgeschwächt sei, den Widerstand gegen Japan fortsetzen werde. Die Einsetzung einerneuen chinesischen Strohmännerregierungdurch Japan werde Kraft und Willen desnationalchinesischen Widerstandes nichtbeeinflussen.VDonnerstag, 21. September 1939Der rumänische Ministerpräsident Coli-nesco wird auf einer Bukarester Brücke vonmehreren Mitgliedern der Eisernen Gardeüberfallen und durch elf Schüsse getötet.Einige Augenblicke danach dringen Mitglieder der Eisernen Garde in die BukaresterSendestation und verkünden im Radio dieErmordung des Ministerpräsidenten durchdie Eiserne Garde. Einer der Mörder wirdunmittelbar nach der Tat verhaftet. Zweihaben Selbstmord begangen. Sieben weitereMitglieder der Eisernen Garde haben ihreMittäterschaft gestanden. Sie wurden nachtsum halb elf Uhr an den Ort ihres Verbrechens geführt und dort hingerichtet. Nebenihre Leichen wurde ein Schild aufgestellt:„Ein solches Ende nehmen Verräter undFeinde des Vaterlandes."In Rumänien wird eine neue Regierunggebildet, an deren Spitze General Argeseanusteht.Goebbels erklärt gelegentlich eines Empfangs der Vertreter der Auslandspresse,dass Deutschland keipe Angriffe gegen diebelgische, holländische oder luxemburghsehe Neutralität plant.Die Zahl der letzten Verhaftungen mBöhmen und Mähren wird von Goebbels auf„nur" 5 000 geschätzt, davon 800 allein inPrag.Daladier antwortet in einer Rundfunkansprache auf Hitlers Danziger Rede undweist das Angebot, Frankreichs Grenzenzu respektieren, zurück, weil.jeder Franzose weiss, dass Hitler, sobald er könnte,Frankreich vernichten würde, so wie«rOesterreich, die Tschechoslowakei undPolen vernichtet hat. Erst wenn Frankreich sich wieder sicher fühlt, wird fSFrieden schliessen. Das Land will siebnicht weiter durch unaufhörliche Drohungen alarmieren lassen.Roosevelt fordert in einer Eröffnung5'anspräche den amerikanischen Kongre55zur Abänderung des kürzlich beschlossenen Neutralitätsgcsetzes auf.Freitag, 22. September 1939Nach dem Attentat auf den rumänisch�Ministerpräsidenten werden nicht nur dieMörder in Bukarest hingerichtet. Auch inmehreren Provinzstädten Hess die rumänische Regierung Mitglieder der EisernenGarde erschiessen.General von Frilsch, der frühere Oberbefehlshaber der deutschen Armee, denHitler im Februar 1938 zusammen mi'Blomberg abgesetzt hat, ist, wie das den'"sche Hauptquartier meldet, vor Warsch3*1gefallen.VSonnabend, 23. September 1939Der Oberste Sowjet ordnet weiterebilisierungen in Russland an.Die DeiiiialfrontAus Deutschland wird berichtet, beträchtliche Teile der Bevölkerung seien aufgebracht über die reiche Zahl der Nazibonzen und Funktionäre, die sich daheim infesten Posten verschanzt haben. In denOhren des Volkes klingen noch die Tira-■ den von der Schönheit des gefährlichenj Lebens, von der hohen Moral des Soldatischen und der Grösse des Mannes, der das, Kriegerschicksal liebt.Als Nietzsche seine Philosophie von» Gefährlichleben entwickelte, da meinte erjvor allem:„mit sich gefährlich leben.."Mit sich zu ringen um Wahrheit und Erkenntnis und sei sie noch so tödlich fürdie innere Bequemlichkeit und Sattheit. Erkonnte kaum ahnen, dass einmal eine SorteMenschen, die sein Wort am pathetischstenokkupierten, das„mit sich gefährlich leben" als verkappte Opposition verfolgenund die grosse sittliche Forderung zumplatten militaristischen Idol verdrehenwürden, so, als sei der Tod zwischen Gasbomben die höchste Gunst des Schicksals.Nun zählen die Frauen daheim die Männerund siehe: den stärksten Prozentsatz derHeimkrieger stellen die braunen Todesprediger. Sie dienen dem Vaterland wie einstFrick in Pirmasens.Während die anderen im Osten undWesten in den Tod geschickt werden, ziehtdie Bonzerie es vor, an der Heimatfront zukämpfen. Dort muss das Volk überwachtwerden, weil es der meckerischen Ansichtist, all die Prediger des Soldatischen müs-sten sich eigentlich zum Heldentod begeistert drängen. Wir geben zu, dass zu diesem Verharren an der Gestapofront einMut seltener und arteigener Art gehört.Jahrelang den Frontsoldatengeist in allenj Tönen gepriesen und gefeiert, jahrelang das„Sterben fürs Vaterland" als der Güterhöchstes besungen zu haben und dann hingen zu bleiben, um die zu überwachen undzu füsilieren, die immer noch nicht dranglauben wollen— dazu gehört der Mutvon Gaunern, die Stirn von Menschen, dielängst keine mehr sind.„Man sollte es nicht glauben", schriebdas„Schwarze Korps" vor Monaten erst,„aber es ist so: es gibt in DeutschlandMenschen, die Angst vorm Tode haben..."Wie geht es den Herren? Sind sie nochalle da? Dias deutsche Volk wird gut zählen. Die heroischen Worte der Bonzeriej waren zu gross, ihre heldischen Forderungen an die anderen zu laut. Der Prozentsatzihrer Toten müsste jetzt eigentlich schonAneldereif sein. Doch das Gros dieser Bonzerie bleibt bei seiner Gewohnheit, demi Vaterland an jener Front zu dienen, woder Gegner keine Waffen hat, und täglichhunderte Gefangener gemeldet werdenkönnten, wenn sie gemeldet würden. Undidie ganz oben erwarten den Tod heroischin gut ausgebauten Heldenkellerp.Vielleicht ahnte das SS-Organ diesesPhänomen im voraus, als es über die Angstvorm Tode klagte.FestspieleWie aus dem englischen Weissbuch her-|Vor geht, wurde dem englischen Botschafter in der letzten Unterredung von Hitlerversichert: er sei in erster Linie Künstlerund werde nach Liquidierung der deutsch-polnischen Affaire sich mehr seinen künstlerischen als politischen Aufgaben widmen. Wir halten uns nicht bei dieser pathologischen Arroganz und Selbstbeweihräucherung auf. Bemerkenswerter �ocbist die dabei an den Tag gelegte dun"11dreiste Bauernschlauheit, mit der difsfkriminelle Psychopath die Welt noch 1111mer glaubt übers.Ohr hauen zu könn�jDa er seinerzeit in München versic151!hatte, nach Angliederung der sudetend�sehen Gebiete gäbe es für ihn in Eur0)jfkeine territorialen Ansprüche mehr, ni"5�eine neue Variante her. Aber sie ist r'1tnicht neu, auch sie ist schon verbrauc"�Es war im Mai dieses Jahres, als Göbvf.auf einer Kulturtagung losprotzte,deutsche Friedenswille sei schon aus,kulturellen Sommerprogramm zu ersel",Festpiele in Salzburg, in Wien, in-, r,chen, in Heidelberg, in Köln. Festsp1überall und überall grosse Kulturba".. eDie deutsche Presse musste das friedljj;.Thema in Artikeln behandeln. Zur s �e(iZeit schacherte Ribbentrop bereits mit.Russen über das Fell Polens. Und inBulletin der Obersten Heeresleitung,„rkürzlich veröffentlicht wurde, stehtund deutlich, dass diese Heeresleitu".-.�Hitlers Auftrag bereits im FrühjahrAngriffsplan gegen Polen ausarbeitetr-�j,des Göbbels seinen Festpielrummelwickelte. Dahinter vollzog sich der•marsch gegen die„befreundete NahDie Dummdreistigkeit des Regimes ist 3|äLaufe der Zeit noch grösser gewordendie kitschige Selbstgefälligkeit des fn"den Dilettanten,.neto*Berichtigung. In unserem FeU1 7ci|t'„Deutsche Bilder"(N. 327) ist eine �weggefallen, zwischen den letzten zWeInlic')sätzen fragt der Novize:„Und wenn �in Dachau die Kommunisten frageneiner Partei der direkten Nachfolgervon Hitler, Göring, Ribbentrop und Genossen. Heute sind die deutschen Kommunisten dank Stalin die direkten Bundesgenossen von Hitler und Ribbentrop.Wer glaubt, dass es nach diesem Kriegein einem befreiten Deutschland eine sol-Iche Partei geben darf, geben kann, geben wird? So wenig, wie heute in Frankreich eine kommunistische Partei möglich ist, so wenig wird sie in einem befreiten Deutschland möglich sein.Wir wissen, dass wir unsere Blickeweit vorausschicken in die Zukunft,wenn wir diese Wirkungen des Einmarsches der russischen Truppen in Poleni"1»idiskutieren. Manche Voraussagemanchem voreilig erscheinen. Aber �wollen klarmachen, was wir wollen.was wir nicht wollen: wir wollen Je e0,falls in einem neuen, anderen, bess j,,. � j rtiss1'freierenreden!Deutschland nichtC.G-