suchen, durch falsche Aussage es zu einem fünffachen Justizmord zu verleiten. Da steht derselbe Göring, der sich vor den Himmler, Frick und Rauschning grinsend seines Verbrechens gerühmt hat, schwört und lügt dem Reichsgericht ins Gesicht; „Für mich war es ein politisches Verbrechen, und ebenso war es meine Ueber- zeugung, dass die Täter in der kommu nistischen Partei zu suchen waren." Den Angeklagten Dimitroff brüllt er an: „Für mich sind Sie ein Gauner, der nach Deutschland gekommen ist, um den Reichstag anzuzünden. Sie gehören direkt an den Galgen." Die Brandstifter gehören an den Galgen. Göring hat es selbst gesagt. Das Reichsgericht hat bekanntlich von den fünf verlangten Justizmorden nur einen geliefert und sich, mit einem letzten Aufwallen richterlicher Selbständigkeit, in vier Fällen den Machthabern versagt. Es hat festgestellt, dass Torgler und die drei Bulgaren als Täter nicht in Betracht kamen, dass aber andererseits van der Lübbe die Tat unmöglich allein ausgeführt haben könne. Seitdem ist in Hitlerdeutschland kein Versuch unternommen worden, die wirklichen Verbrecher zu finden. Jedermann weiss warum. Es gibt einen Fall Hitler und einen Fall Göring . Was den ersten betrifft, sei jedem der Ruhm, der ihm gebührt. Hit ler wird als der grösste Lügenmeister aller Zeiten in der Geschichte fortleben. Millionen und Abermillionen haben ihm geglaubt, weil ihnen sein Wort der explosive Ausdruck einer tiefen Ueberzeugung zu sein schien. Selbst seine Gegner hatten, wenn sie ihn hörten, meist den Eindruck, zwar einen rohen und widerwärtigen Gesellen vor sich zu haben, aber doch einen Fanatiker, der den Unsinn, den er redet, für eitel Wahrheit hält. Im Licht des Reichstagsbrandes sieht man Hitler ganz anders. Offenbar hat er selber noch nie auch nur ein einziges Wort von dem geglaubt, was er gesagt hat. Umso mehr muss man staunen über seine diabolische Geschicklichkeit im Lügen und den grandiosen Erfolg, mit dem er das deutsche Volk und jahrelang auch die meisten Staatsmänner Europas betrogen hat. Der andere Fall ist der Fall Göring . Bis zum heutigen Tag wird in Deutschland und auch sonst in der Welt die Auffassung verbreitet, Göring sei„gar nicht so schlimm", er habe sogar manchmal menschliche Regungen und sei auf alle Fälle„besser als Hitler". Es wäre interessant festzustellen, wer diese Legende aufgebracht hat, wahrscheinlich waren es Görings eigene Agenten. In Wirklichkeit ist der„Generalfeldmarschall", wenn das überhaupt möglich, eine noch üblere Erscheinung als der„Führer". Dieser Reichslagspräsident, der den Reichstag anzündet, dieser Polizeiminister, der Meuchelmörder und Plünderer auf unschuldige Menschen loslässt, dieser Zeuge, der falsche Eide schwört, um Männer köpfen zu lassen für eine Tat, die er selber beging, ist um kein Haar besser als sein Herr und Meister. „Die neue grosse Epoche der Geschichte", die nach Hitler mit dem Reichstagsbrand begonnen hat, führt über die Wiederaufrüstung, die Befestigung des Rheinlands, über Oesterreich , die Tschechoslowakei und Polen mit Vertragsbruch und Eidbruch, Lüge und Verrat, Ueberfall und Mord in den Hitlerkrieg, den zweiten Weltkrieg. Mit ihm wird sie enden. Solange Menschen leben, wird man nicht aufhören, sich zu schämen, dass sie möglich gewesen ist. F. St. 1 nslnnig�e iinslmiige Strafen Der Henker an der Arbeit Russisches Missgeschick. Wie die italienische„Stampa " berichtet und die Goebbelspresse verheimlicht, vollzog sich die Besetzung von Baltischport durch die Russen in nicht sehr glorreichen Formen. Die ersten russischen Wasserflugzeuge, die in Baltischport stationiert werden sollten, gerieten auf dem Flug zwischen Lenin grad und dem von Estland abgetretenen Flottenstützpunkt in einen Sturm. Zwei von den neun Flugzeugen stürzten ab und wurden zerstört, die sieben anderen erreichten zwar Baltischport mit Mühe und Not, doch wurden sie von der Wasserströmung in die Riffzone abgetrieben und alle sieben beschädigt. Kanonen statt Schuhe. Seit Kriegsbeginn wurden in den Batawerken in Zlin 10 000 Arbeiter entlassen. Die Maschinen Hessen die Deutschen abmontieren und zerlegen, um sie teilweise in der Rüstungsindustrie zu verwenden. Wer das Deutschland von 1917 und 18 gekannt hat, weiss ungefähr, was gegenwärtig im Dritten Reiche vor sich geht. Da die zahllosen Rationierungs- und Preisstopgesetze uneinhaltbar sind— ihre Befolgung würde dem Selbsterhaltungstrieb zuwiderlaufen— blühen Hamsterei und Schleichhandel, Schieberei, Erpressung und Wucher. Die nationalsozialistische Regierung handhabt die von ihr geschaffenen Gesetze nicht anders, als die Regierungen aller Zeiten und Länder von jeher undurchführbare Gesetze gehandhabt haben. Wissend, dass jeder Untertan mit einem Fuss im Gefängnis steht, greifen sich die Hüter der sogenannten Ordnung eine möglichst grosse Anzahl ungeschickter Missetäter heraus und überliefern sie dem Kadi. Der verhängt seinerseits unverhältnismässig hohe Strafen, die weniger dem zufällig ergriffenen Sünder gelten, als vielmehr den abertausend anderen Gesetzesbrechern, die zwar niemals alle bestraft werden können— man kann kein ganzes Volk hinter Schloss und Riegel setzen,— denen man aber begreiflich machen will, dass es auch ihnen eines Tages„so ergehen" könne und die man durch diese Art Abschreckung wenigstens zur Mässigung anzuhalten hofft. Die Strafen, die das nationalsozialistische Regime austeilt, sind natürlich ungleich härter als die im niedergehenden deutschen Kaiserreich. Aber die Not ist grösser, und das deutsche Volk ist heute gegen jede Art Terror abgestumpfter als je zuvor. Die deutsche Presse ist denn auch voll von Greuelmeldungen über die exemplarische Bestrafung der ertappten Opfer. Die folgende Blütenlese entnehmen wir allein drei aufeinanderfolgenden Nummern der„Frankfurter Zeitung ". Am 24. November heisst es da: „Der Reichskommissar für die Preisbildung hat wegen zahlreicher fortgesetzer, schwerwiegender Verstösse gegen die Vorschriften der Verordnung über die Preisbildung für inländisches Nadelschnittholz vom 11. Oktober 1938 gegen eine Berliner Firma, die ein Sägewerk und eine Holzhandlung betreibt, eine Ordnungsstrafe in Höhe von 750 000 Reichsmark, gegen eine zweite Firma, ebenfalls Sägewerk und Holzhandlung, eine Ordnungstrafe in Höhe von 500 000 Reichsmark und gegen eine weitere Ber liner Holzhandelsflrma eine Ordnungsstrafe in Höhe von 25 000 Reichsmark verhängt. Für den Fall weiterer Zuwiderhandlungen gegen die Preisvorschriften wurde die Schliessung der Betriebe angedroht." Am 25. November: „Der Reichskommissar für die Preisbildung hat im Anschluss an die vor kurzem bekanntgegebenen Bestrafungen wegen erheblicher Preisteigerungen bei Räucheraalen, geräucherten Sprotten und frischen Fischen nachträglich weitere Ordnungsstrafen verhängt. Die Fischver- werlungsgenossenschaft eGmbH in Sass nitz wurde mit 20 000 Mark, drei Räuchereien in Schleswig-Holstein mit 22 000, eine weitere Räucherei in Nordwest deutschland mit 120 000 und eine Fischgrosshandlung an der Nordseeküste mit 10 000 Mark bestraft., Alle an der Fischverwertung und am Fischabsatz beteiligten Kreise werden erneut angehalten, die ergangenen Preisbestimmungen genau zu beachten. Und am 26. November:, „Das Berliner Sondergericht verurteilte die 39jährige Marga Krause wegen Verbrechens gegen die Verordnung gegen Volkschädlinge, die Kriegswirtschaftsverordnung sowie die einschlägigen Bewirtschaftungs- und Preisgesetze zu zehn Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust. Die Verurteilte hatte zwei Schlächtermeister zu überreden verstanden, ihr sechs Wochen hindurch grössere Mengen Fleisch- und Wurstwaren ohne Bezugskarten zu überlassen. Die erhaltenen Wären verkaufte die Krause dann mit erheblichem Preisaufschlag weiter." Der letzten Meldung sind die Worte angefügt: „Nur dem Umstände, dass sie bisher unbescholten war, verdankte sie die Tatsache, dass das Gericht ihr Verbrechen nicht als todeswürdig ansah, weil für ihre Tat auch die Todesstrafe in Frage gekommen wäre. Der Anklagevertreter wies darauf hin, dass auch die übrigen beteiligten Personen noch ein Strafverfahren zu gewärtigen hätten." Der letzte Satz gilt natürlich den Verkäufern und auch den Käufern der verschobenen Ware, soweit sie keine nationalsozialistischen Funktionäre sind. Die deutschen Zeitungsleser werden sich bei der Lektüre solcher Nachrichten nicht mit der Feststellung begnügen, dass so etwas in einem Lande mit einer unsinnigen Zwangsgesetzgebung eben nicht zu umgehen sei. Die deutschen Zeitungsleser sind viel besser informiert, als die nationalsozialistischen Behörden es wahr haben wollen. Ein Geschäftsreisender aus einem neutralen Land, der erst vor wenigen Tagen aus dem Reich zurückgekehrt ist, erzählt uns, er habe keinen Geschäftsfreund und keinen privaten Bekannten getroffen. der nicht regelmässig die ausländischen Funkmeldungen gehört hätte. Die deut schen Leser werden sich also fragen: wo bleibt das unter dem Vorwand der„Ordnungsstrafe" kassierte Geld? Wandert es auf geheimen Wegen über die Grenze, um irgwendo das wertbeständige Vermögen unsrer Führer vergrössern zu helfen? Die deutschen Leser werden weiter überlegen: wenn gewöhnliche Menschen in Deutschland hungrig sind oder hungrige Kinder haben, kaufen sie Schieberware und riskieren dabei ihre Freiheit, vielleicht sogar das Leben. Frau Goering hat das nicht nötig. Sie reist nach der Schweiz in ein Sanatorium, und weder sie noch ihr neugeborenes Baby laufen Gefahr, einer der längst in Deutschland üblichen Hungerkrankheiten zu verfallen. Warum haben die Nationalsozialisten diese Reise so ängstlich dementiert? Attentatsfurcht? Auch. In erster Linie aber schlechtes Gewissen. Neben den Ueberschriften zu den oben zitierten Notizen:„Ordnungsstrafen" „Empfindliche Strafen wegen Preissteigerung" und„Zehn Jahre Zuchthaus für Schleichhandel" hätte sich die Ueber- schrift:„Frau Göring in der Schweiz von einem Mädchen entbunden— Mutter und Kind kerngesund" wohl doch etwas merk- i würdig ausgenommen. Für den Völkerbund Ein Telo�ramin des sozialdeinokratlsohen Partei Vorstands Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat an den Generalsekretär des Völkerbundes in Genf des folgende Telegramm gerichtet: Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands erneuert aus Anlass des Zusammentritts des Rats des Völkerbundes sein Bekenntnis zu dem grossen Gedanken der Völkersolidari- tät. Unter der Führung der Sozialdemokratischen Partei hat die deutsche Republik sogleich nach der Beendigung des Weltkrieges ihre Aufnahme in den Völkerbund beantragt. Ihr späterer Eintritt und ihre Zusammenarbeit mit den grossen Demokratien Grossbritannien und Frankreich schien für Europa ein neues Zeitalter der Sicherheit und des friedlichen Aufbaues zu eröffnen. Deutschlands Sturz in die Sklaverei und sein Austritt aus dem Völkerbund hat eine Aera der V erbrechen und des Unheils für unseren Erdteil eingeleitet, aus der es nur eine Rettung gibt: Rückkehr zum Prinzip der kollektiven Sicherheit, Rückkehr eines von der Despotie befreiten Deutschland in den Völkerbund. Hans Vogel , Vorsitzender. Vom deutschen Gemill In den deutschen Reisebüros im neutralen Ausland, besonders auf dem Balkan , hängen grosse Plakate, auf denen in Riesenlettern die Aufforderung zu lesen ist: „Besucht die Trümmer von Warschau/ " Kommt und seht wie es Euch ergeht, wenn Ihr nicht tut war wir wollen und zahlt für diese Reise in das Land Eures Albdruckes noch mit Euren guten Devisen. Das steht nicht dabei, aber so ist es gemeint. Alle Prager Krankenhäuser sind für Besucher geschlossen worden. Mit dieser Anordnung soll das Personal in zartfühlender Weise von den ewigen Belästigungen durch nachfragende tschechische Eltern befreit werden. Nahezu die gesamte tschechische studierende Jugend ist am 17. November aus Prag verschwunden und kaum einer der Studenten konnte bisher seinen Eltern ein Lebenszeichen senden. Und da haben diese ungeduldigen Tschechen gewagt von Krankenhaus zu Krankenhaus zu gehen und sich nach ihren Söhnen zu erkundigen, statt ruhig zu warten bis die Urne ins Haus kommt. Mit dieser Disziplinwidrigkeit ist nun aufgeräumt worden. Das Rote Kreuz hat einen schon vor einem Jahr gestellten französischen Antrag aufgenommen, nach dem die kriegführenden Staaten sich verpflichten sollen, bestimmte genau bezeichnete Bezirke, in denen die evakuierten Frauen und Kinder untergebracht werden, nicht zu bombardieren. Ueber das deutsche Rote Kreuz antwortete die Hitlerregierung, dass sie ein solches Abkommen nicht unterzeichnen könne, weil Deutschland nicht seine Absichten erkennen lassen könne und weil es sich heute um einen totalen Krieg handle. V Den Mord an dem emigrierten Ingenieur Formis in Zahori bei Prag gibt der „Völkische Beobachter" jetzt ganz offiziell zu. Die Mordtat wird in der Sprache dieses Blattes gemütvoll als„die von zwei SS -Führern des Sicherheitsdienstes be- fehlsgemäss durchgeführte Zerstörung eines Geheimsenders" bezeichnet. Für die Technik des Polenmordes wurde von den Deutschen bereits ein gewisser Ritus entwickelt. Unter irgenVl einem Verwand oder auch ohne besondere Begründung wird eine Gruppe von Polen auf den Hauptplatz des Dorfes geführt und dann wird die ganze Gruppe erschossen. In Wolyscyn wurde dieses summarische Verfahren durch eine neue Nuance erweitert. Man hat die Füsilierung von sechsundzwanzig Polen am Abend mit Scheinwerferbeleuchtung vorgenommen und die übrigen Bewohner sind gezwungen worden, dem Schauspiel beizuwohnen. Um die Verleihung des Mutterehrenkreuzes zu Weihnachten hat sich Hitler selbst gekümmert. Der„Rheinisch-Westfälischen Zeitung" zufolge soll er angeordnet haben, dass für„alle noch nicht erfassten Mütter das Verleihungsverfahren unverzüglich mit grösster Beschleunigung weitergeführt wird... Ein verbleibender Rest von Anträgen muss unbedingt bis zum nächsten Muttertag aufgearbeitet wer' den." In wen i�en Keilen Die Tausch-Inserate— fette Gans geg®0 Pelzjacke— mehren sich in der deutsche0 Presse. Das„Schwarze Korps" gibt � dass man sich im dritten Reich der Tauschwirtschaft primitiver Zeiten D0' here. Alle Zeitungen des Protektorats musste0 die Mitteilung bringen, dass es Pflicht der tschechischen Bevölkerung sei, die Sy05" hole des Reiches zu grüssen. Es bleibt deD Tschechen freigestellt, ob sie bei der Deutschlandhymne, dem Horst Wesse'' Lied oder beim Anblick deutscher Fahn®11 den Hut abnehmen oder den Hitlergru55 leisten wollen.—„Siehst du den Hut dor' auf der Stange..." • Ausländische Blätter berichten über d®" Ekel, mit dem hohe deutsche Militärs di® russische Expedition gegen Finnland kP' tisieren.„Bodenlose Schweinerei", habe®'n deutscher General gesagt. Aber die hint®1'' listige Ueberrumpelung und Knebelung d®r Tschechoslowaken war für diese Genera'1' tät gerade noch zu ertragen. Im neuesten Knaur, Berlin 1939, begiIlD' der Abschnitt über Bolschewismus: tfö" Zeichnung der kommunistischen weltre_v®' lutionären Massenbewegung der in Sowj®1' russland raithilfe der marxistischen KläS senkampfideologie unter brutalstem Ten-® errichteten Gewaltherrschaft der jüdis�' asiatischen Nomadenrassen..." Die ga0� Auflage muss eingestampft werden. . In der Schweiz erscheint noch ein kf"1 munistisches Organ, das in Basel . Unang®" kränkelt von den Tatsachen verteidigt ef den brutalen russischen Ueberfall"l1-, Finnland , das das arme friedliche Sta'1 nien dauernd bedroht habe. Das kom01". nislische Organ heisst„Die Freiheit". P3' gibt es noch. Eine Viertel Million Protektoren. Böhmen und Mähren garnisonieren g®?� wärtig 250 000 deutsche Soldaten, die f1 � nicht ganz ungefährliche Protektion oe sechs Millionen lassen. Tschechen angedei b®"
Ausgabe
7 (17.12.1939) 339
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