fnlkn wird, denn er kann sich jetzt die Sache hinter den schwedischen Gardinen reiflich überlegen. Frau und Kinder hatte der Pastorale Ehemann frommen Gemiiths zurückgelassen, was . sollte er sich mit lästigem Gepäck herumschleppen. Die Fälschungen, aus Grund welcher sich der Gottesmann Geld verschaffte, sind außerordentlich rasfinirt angelegt, der Pastor Müller hatte mit solcher Qualifikation zum Urkundensälschen getrost Bankkassirer werdeil können. Tanebe» geht eine Schiebung von Protokolle», deren großartige Belege die Schwindlergeschichte der letzten Jahr- zehnte kaum auszuweisen hat. Aus diese Weise hat sich der Herr Pastor etwa 150 000 Mark ero-� uert, vielleicht noch etwas mehr, — es kam ihm da nicht so lau daraus au. Die Gemeinde- Mitglieder hatte der edle Seec Hirt derart beschwatzt, daß diese zu ihm andachtsvoll emporblichen, als zu einem echten Werkzeug Gottes, so„lieb, so rein, so hold". Jetzt ist der Gauner erwischt worden, er wird eine Zierde des Zuchthauses bilden. Diese Geschichte erzählen wir, wie gesagt nur, um den Pastorenblättern zu zeige», daß wir auch mit Material aufwarten könne», wenn es gilt, sich über die Korruption in jenen Kreisen zu entrüsten. Wir denken aber nicht daran, wegen dieses Falles das gesammte Pastorenlhum als eine Gesellschaft von Urkunden- fälschern hinzustelle». Diese perside Kampfesweise überlassen wir der Pastorenpresse, welche d mn auch heruntergekommen genug ist, Jie stets dann anzuwenden, wenn es sich um einen angeblichen Sozialdemokraten handelt. Die Veranstaltung von Dellersammluitge» bei öffent- liche» Zusammenkünften war für den Regierungsbezirk Potsdam durch eine Polizeiverordnung vom 7. Januar 1SS1 verboten worden. Nachdeu» das königliche Kammergericht zu Berlin durch Urtheil vom S. Dezember v. Js. in einem Spezialfälle dieser Verordnung die gesetzliche Gilligkeit abgesprochen hat, ist das Verbot der Tellersammlungen durch Verfügung des Regierungs- Präsidenten in Potsdam vom 19. Dezember 1891 ausgehoben worden. Die Landrathsämter und die Magistrate der Städte sind kürzlich hiervon in Kenntniß gesetzt worden. In mehreren bürgerlichen Blättern wurde von einem „sozialdemokratischen Stadtvater" im Südosten erzählt, der seinem Dienstmädchen ein zu geringes Weihnachtsgeschenk angeboten, weshalb das Mädchen auf die Annahme des Geschenkes ver- zichtet habe. An diesen angeblichen Vorgang wurden allerlei „geschmackvolle" Glossen gehängt. Wir haben betreffs der Stadt- verordneten, welche in Betracht kommen könnte», Erkundigungen über die Richtigkeit dir Erzählung eingezogen und können fest- stellen, daß sie einfach wsunden ist. In dem Dorfe Liebenthal, Kreis Nieder-Barnim, giebt es sehr fromme Leute. Trotzdem in dem Kirchlein deS Ortes am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag Gottesdienst stattgefunden hatte, wollten die Liebenthaler auch am ä. Feiertag noch„Kirche " haben. Nun war zwar von der Kanzel herab bekannt gegeben worden, daß an diesem Tage Gottesdienst nicht abgehalten werde, aber das störte die Liebenthaler so wenig, daß sie am dritten Feiertage in gewohnter Weise zur Kirche pilgerten und der Dinge harrten, die da kommen sollten. Etwa zwei Dutzend Erwachsene und ein Dutzend Schulkinder hatten sich eingefunden und warteten vergeblich auf den Geistlichen und den Lehrer, welcher Küster- dienste versteht. Keiner der Herren erschien, auch deren Stell- Vertreter ließen sich nicht blicken. Die Liebenthaler aber sind resolute Leute, sie wußte» sich zu helfen. Als sie lauge genug gewartet hatten, beschlossen sie, ohne Geistlichen und ohne Küster den Gottesdienst abzuhalten. Unverrichteter Sache wollten sie aus keinen Fall wieder nach Hause gehen. Es wurde also zuerst gemeinsam ein Gesangbnchlied angestimmt, dann las einer der Kirchenbesucher aus der Bibel vor, dann kam noch ein Schluß- gesang und damit war die„Kirche ans" und die frommen Lieben- lhaler gingen zum Mittagessen in der Ueberzeugung, ihr Seelen- heil wesentlich gefördert zu haben. Od die Sache noch irgend ein erbauliches Nachspiel haben wird, wissen wir nicht, auf jeden Fall ist von der etwas übertriebenen Frömmigkeit dieses Theiles der Liebenthaler Bevölkerung kein Schluß zu ziehen aus die religiöse und politische Haltung der Liebenlhaier überhaupt. Die letzten Reichstagswahlen haben den Beweis erbracht, daß in Liebenthal ein sehr guter Boden ist für die Ideen der Sozial- demokratie. der abgegebenen Stimmen sielen auf den sozia- listischen Kandidaten, sein Gegner mußte sich mit dem letzten Drittel begnügen. Da die Genossen im Torfe eine rege Agitation entwickeln, steht zu erwarten, daß die nächste Wahl der Sozial- demokratie noch günstigere Resultate bringen wird. Die vielgeriihmte„postalische Findigkeit" versagt nicht selten ihre» Dienst. Einer unserer Abonnenten theilt uns fol- gendes Postkuriosum mit. das freilich von der„Findigkeit" nichts aufzuweisen hat. Am 27. Juni v. I. sandte das Königl. Amts- gericht I eine Kostenrechnung au den Tischlergesellen Herrn W. SR., Schönhauser Allee Vir. 48, II. Der Brief trägt den Ver- merk: Adressat ist nach Angabe des Hauswirthes unbekannt ver- zogen. Da die polizeiliche Abmeldung vorschriftsmäßig erfolgt Er schreibt von mir:„Dieser vielseitige Charakter hat, wie wir inzwischen erfabren, selbst im Frühjahr 1891 sich noch einer freisinnigen Provinzialzeitnng zur Abfassung von parlamentarischen Wochenberichten empfohlen. In der Thal soll er auch für die- selbe einige tadellose, freisinnige Wochenberichte solcher Art ge- liefert haben." So wie die Sache dasteht, ist sie baar und blank erlogen. Ter Schatten von Thatsache, der hinter ihr steht und Herrn Richter natürlich nicht„inzwischen", sondern schouMit Jahr und Tag bekannt geworden ist,—„inzwischen"hat er ihn uur sur verleumderische Zwecke zurechtgestutzt— ist folgender. Nicht im Frühjahr 1891, sondern im Oktober 1899 fragte Herr Leopold Freund , Besitzer der„Breslauer Morgenzeitung", der ein persönlicher Freund des Herrn Richter ist, aber mir bis dahin so bekannt war, wie etwa der Mann im Monde, brieflich bei mir a», ob die Zeitungs- Nachricht, daß ich die von mir„vortrefflich geleitete"„Volks- Zeitung" verließe, wahr sei und ob ich, falls sie wahr sei. Lest- arlikel für sein„links von der freisinnigen Presse* stehendes Blatt schreiben möchte. Auf meine vorläufige Zusage kam Herr Freund nach Berlin und machte die Sache mit mir endgiltig ab, indem er mir seinen lebhasten Abscheu über den Boykott der„Volks-Zeitung" und seine ebenso lebhafte Freude kundgab, mir wieder ein Plätzchen in der demokratischen Presse eröffnen zu können. Ich schrieb demnach einige Monate wöchentlich zwei Leitartikel für die„Breslauer Morgen-Zeitung", bis mich nach dem Erscheinen von„Kapital und Presse" Herr Freund genau in derselben Weise boykottete, in welcher mich zu feinem lebhaften Abscheu die„Volks-Ztg." geboykottet hatte. Was liegt nun in diesem Thatbestande für mich Ehrenrühriges? Ich selbst habe ihn beiläufig zuerst in einer vom„Vorwärts" im Juli v. I. abgedruckten Erklärung veröffentlicht. Viertens: Unmittelbar nach den oben angeführten Sätzen fährt Herr Richter fort:„Und eine solche Persönlichkeit erhebt die Prätenston, entweder Alles, was er über sich und Andere geschrieben, als wahr anzunehmen oder mit ihm„vor den ge- richtlichen Schranken einen ehrlichen Gang zu thun". Herr Eugen Richter — der reine Julius Zäsar, wie er von sich spricht!—„hat niemals sich herbeigelassen, einen politischen Gegner wegen Beleidigung ooer Verleumdung gerichtlich zu be- langen." Es widerstrebt mir, die Verdrehungen, welche Herr Richter auch hier mit meiner Erklärung vom aa Dezember v. I. vornimmt, im Einzelnen aufzudecken. Ich beschränke mich aus die Bemerkung, daß ich ihn mit keiner Silbe vor die gerichtlichen Schranken geladen habe. Weiß ich doch schon seit fünfzehn Jahren, daß er in höchstem Grade an der Abneigung aller gewerbsmäßigen Verleumder leidet, mit eigener Person für ihre Lügen zu hasten! Damals tauchte zuerst der verleumderische Klatsch, mit dem Herr Richter noch heute gegen mich haustrt. in einem anonym erschienenen Flugblatte mar, wandte sich die Post an das zuständige Polizeibureau und erhielt hier die Auskunft, daß der Adressal nach der Oderberger- straße 23 verzogen sei. Dies war ein Jrrthum, denn die Woh- nung befand sich Oderbergerstr. 21. Der Briefträger fand in Nr. 23 ganz natürlich den Empfänger nicht und so ging das Schreiben als unbestellbar an das Amtsgericht zurück. Merk- würdiger Weise sind' anderen Zusendungen vom ersten Termin an bis zum Sc des Prozesses nach der Oderberger- straße 21 richtig adressir cden. Auch das Objekt des Prozesses ist vom Polizeipräsidiu. laut Postanweisung richtig bestellt worden. Die am 27. I..ii v. I. abgesandte Kosteurechnung allein hatte das Pech, seazs Monate lang ihren Beruf zu ver- fehlen, denn sie gelangte am 31. Dezember v. I. erst in jdie Hände des Adressaten. Zum Glück sind diesem große Nachtheile aus der Verzögerung nicht erwachsen, aber es hätte sich doch ebenso gut um einen dringlichen Fall handeln können. Es soll nicht untersucht werden, wen die Schuld au der verspäteten Zu- stellung trifft, soviel steht aber fest, daß bei genügender Auf- merksamkeit dieselbe nicht hätte vorkommen können. Jnvalidjtäts- und Altersversicherung. Im Laufe des Jahres 1891 sind bei der V e r s i ch e r u n g s- A n st a l t Berlin 1859 Ansprüche auf Altersrente angemeldet worden. Von diesen sind 1218 anerkannt, 589 abgelehnt, 22 auf andere Weise erledigt und 30 auf den Monat Januar unerledigt über- nommen worden. Auf der Fahrt vo» Berlin nach Potsdam hat sich in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag in einem Eisenbahn- wagen zweiter Klasse der Postsekretär Fritz K. aus Potsdam er- schössen. K. ist der Neffe eines früheren Reichstags-Abgeordneten und Landgerichtsrathes und galt als großer Lebemann. Man wunderte sich deshalb um so mehr, als K. vor zwei Jahren, nachdem er fast vierzig Jahre alt geworden, eine Ehe mit der Schwägerin eines Restaurateurs aus Klein-Glienicke schloß. Am Sonnabend war K., welcher aus der Bahnpost in Potsdam thätig war, nach Berlin gefahren und wurde bereits am Nachmittag von seiner Gattin, welche ihrer Entbindung entgegensieht, auf dem Bahnhof gesucht. Als K. um 11 Uhr Abends in Berlin am Bahnhof Friedrichstraße abfuhr, bat er den Schaffner, ihn in Potsdam zu wecken, da er wahrscheinlich schlafen würde. Im Konpee hat K. dann eine Flasche Wein aus- getrunken und sich dann mit einem Revolver in die Schläfen geschossen. Als der Schaffner die Thür öffnete, fand er eine Leiche. K. hatte seine Legitimationspapiere in die Brusttasche derart gesteckt, daß Jeder gleich sehen konnte, wer er sei. Der Wagen, in dem er sich erschossen, wurde ausgesetzt und nach dem Güterbahnhofe gefahren. Die Frau des Selbstmörders erschien am Sonntag Vormittag wieder auf der Bahnpost, um sich nach ihrem Manne zu erkundigen. Als die Aermste dort seinen Tod erfuhr, siel sie in Ohnmacht. Die von K. verwaltete Postsache befand sich in bester Ordnung nnd nimmt man als Grund zu dem Selbstmord Verpflichtungen an, die K. einem Mädchen in Berlin gegenüber hatte.— In Potsdam erschoß sich ferner am Sonnabend Abend der zwanzigjährige Schleifergeselle Hensel und zwar vor dem Hause seiner Geliebten, einer Wittwe, welche von ihm nichts mehr wissen wollte. Die Frau sah vom Fenster aus gleichgiltig der Verzweiflungsthat ihres ehemaligen Lieb- Habers zu. Ein der Auftlärnug»och harrender Fall nimmt seit gestern Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in Anspruch. I» dem dritten Stockwerk des Hauses Waisenstr. 2 wohnt die Frau Minna Fischer geb. Hintze, welche seit etwa 9 Monaten von ihrem Ehemanne getrennt lebt. Bei ihr befand sich ihre einzige acht- jährige Tochter Bertha. Diese letztere nun erkrankte plötzlich am 29. v. M. und starb am folgenden Tage, Nachmittags um 7 Uhr. Die Beerdigung sollte nun am Sonntag Nachmittag um 1 Uhr stattfinden, wurde aber polizeilich nicht zugelassen, die Leiche des Kindes vielmehr um 11 Uhr Vormittags dem Schauhause über- wiesen. Es war nämlich bei der Polizei die Anzeige einge- laufen, und zwar von dem Manne der Frau Fischer, daß diese ihre Tochter mittelst eines Knüttels aus den Kops geschlagen habe, und daß der Tod des Kindes infolge dieser Mißhandlung ein- getreten sei. Obgleich nun die Mutter zugeben muß, ihr Kind am zweiten Weihnachtsfeiertage wegen einer geringsügigen Ur- fache gezüchtigt zu haben, so behauptet sie doch, daß zwischen dieser'körperlichen Züchtigung und der tödtlichen Krankheit— Gehirnentzündung— kein Zusammenhang bestehe, das Kind sei früher auf den Kopf gefallen und seitdem stets krank gewesen. Polizeilicherseits sind die eingehendsten Erhebungen im Gange, um Klarheit in die Sache zu bringen. Auch ist die gerichts- ärztliche Obduktion seitens der Staatsanwaltschaft angeordnet worden. Die Mutter befindet sich auf freiem Fuße. Eines be- sonders guten Leumunds erfreut sich dieselbe nicht. Ein betrübender Borfall hat sich gestern Nachmittag in Lichtenberg zugetragen. Der Malermeister W. war damit beschäftigt, eine» Revolver zu laden, den er während seiner Ab- auf. Ich ersuchte den Drucker in einem höflichen Schreiben um Auskunsl darüber, wer die preßgesetzliche Verantwortlichkeit trage, ausführend, daß ich den Weg der Klage zu beschreilen beabsichtige, aber ungern auf diesem Wege den mittelbaren Au- laß zur Verfolgung des preßgesetzliche, l Verstoßes geben würde, der in der mangelnde» Angabe eines verantwortlichen Heraus- gebers oder Redakteurs enthalten sei. Der Drucker sandte meinen Brief an den Verfasser und'erhielt von ihm folgende, mir im Originale vorliegende Antwort: Ich würde es sehr bedauern, wenn ich in diesem Augenblicke persönlich in diese Affäre gezogen würde. Das Material gegen Franz Mehring habe ich zur Hand. Ich würde den Brief völlig unbeantwortet lassen, keinesfalls vor der morgen Abend sialtfindenden Konferenz eine Antwort geben. Die Sache hat nicht die mindeste Eile. Die Drohung ist albern, insofern es sich höchstens um eine Ordnungsstrafe von einigen Thalern wegen nnterlassener Bezeichnung eines Herausgebers handeln kann. Es grüßt Sie E. Richter. In der„morgen Abend stattfindenden Konferenz" drückte sich der tapfere Eugen natürlich auch. Ich mußte gegen den Drucker klagbar werden und da Herr Richter, als es zum Klappen kam,„das Material gegen Franz Mehring ' natürlich nicht„zur tand hatte", so wurde der Drucker wegen Verbreitung unwahrer eleidigungen über mich verurtheilt und bestraft. Er hat mir später'seine völlige Schuldlosigkeit dargcthan, und ich habe ihm mein lebhaftes Bedauern darüber ausgesprochen daß die Feigheit des Herrn Richter mich gezwungen hatte, an einem moralisch llnscyuldigen mir mein Recht zu nehmen. Seitdem hat die Hand- schrift des Herrn Richter in meinem Geheimschranke für kapita- listische Raritäten geruht, aber wenn so ein Heckenreiter, der immer nur aus sicheren Hinterhalte verleumdet und dem die Ehre seiner Mitmenschen um eine„Ordnungsstrafe von einigen Thalern" feil ist, gar noch in einer bei ihm dreimal albernen Hochnäsigkeit von„solchen Persönlichkeiten" reden will, sosoll ihm doch auch einmal öffentlich der Staar darüber gestochen werden, welche Persönlichkeit er denn eigentlich ist. Doch genug! Die Leser des„Vorwärts" werden mir nach den vorstehenden Proben zugeben, daß ich die Kampfweise des Herrn Richter unmöglich höflicher kennzeichnen kann, als durch die zarte Andeutung in der Ueberschrift dieser Zeilen. Mit dem Kapitalismus aber meine ich es gut, wenn ich ihm rathe, die RevaktionSwände der„Freisinnigen Zeitung"tschleunigst polstern zu lassen. Er könnte sonst unversehens um seinen kostbarsten Klopffechter kommen. Berlin , den 5. Januar 1892. F. Mehring. Wesenheit seiner Frau zum Schutze zurücklassen wollte. Neben ihm stand sein 13jähriger Sohn und sah seinem Vater bei dem Laden der Waffe zu. Der Revolver entlud sich plötzlich auf bisher nicht aufzuklären gewesene Weise, das Geschoß drang dem Knaben in den Kopf und führte den sofortigen Tod desselben herbei. Zum Raubmorde in Köpenick . Eine Konfrontation zwischen dem als Mörder verhafteten Rüttle und dessen Braut hat nicht stattgehabt, weil es außer Zweifel steht, daß die Schütt unschuldig ist, und Rüttle ein umfassendes Geständniß in nahe Aussicht gestellt hat. Er behauptet nämlich, daß er von der Blutthat wisse, sie aber nicht selbst vollführt habe. Die Behörde glaubt natürlich nicht hieran. Die Schütt hat auch gestern(Dienstag) ein neues Belastungsmoment angeführt. Rüttle soll um Wi Uhr Nachts zu ihr in die Wohnung gekommen sein und Enden von Würsten mitgebracht haben.. Der Glienickerstr. 38 wohnhafte Schlächtermeister Brockt hat sich nun bei der Polizei mit der Er- klärung eingesunden, daß der Ermordete am Abend vor der That solche Würste bei ihm gekauft habe. Hiernach erscheint es zweifellos, daß Rüttle entweder schon bei dem Wurslessen zugegen war oder von der Wurst nach der That genommen hat. Nach- dem er die Schütt verlassen hatte, hat er sich vollständig betrunken und ist während der ganzen Sylvesternacht nicht in seine Woh- nung heimgekehrt, hat sich vielmehr im Hirschkrug aufgehalten. — Die geraubte Uhr ist übrigens nicht bei der Schütt vorgefunden ivorden; denn dieselbe befindet sich in Waren bei den Eltern der Genannten. Die Kette scheint durch Ruttke vergraben worden zu sein. Das Beil, mittelst dessen der Mord verübt wurde, hat sich, wie jetzt feststeht, au der Maschine in der Küche der Schütt befunden und scheint einige Tage vor dem blutigen Gebrauch heimlich durch Ruttke mitgenommen worden zu sein. Die Leiche des Erschlagenen ist gestern Nachmittag um drei Uhr beerdigt worden. Des Weiteren erfahren wir, daß nunmehr auch die Zeit, zu welcher die Blutthat vollführt worden ist, feststeht. Es muß am 39. v. M. gegen 10 Uhr Abends gewesen sein. Bei der Polizei in Köpenick hat sich nämlich ein in der Grünauerstraße gegenüber dem Bieste'schen Geschäfte wobnhafter Mann, Namens Schulz ge- meldet, welcher angiebt, daß um IG/« Uhr die Rolljalouste des Schaufensters mit einem ungewöhnlichen Krach herabgestürzt sei. Dies sei ihm aufgefallen, da Bieste selbst in der Trunkenheit sehr behutsam das Schaufenster geschlossen habe, und er habe so- fort die Ansicht gehabt, daß eine ungeübte Hand die Arbeit vor- genommen habe. Daß die Mörder die Jalousie nach der That selbst herabgelassen haben, unterliegt keinem Zweifel, da der Gurt au derselben über und über mit Blut besudelt ist. Daß Ruttke den Raubmord lange vorher geplant hat, erscheint gleich- falls begründet, und zwar aus dem Umstände, daß er mit drei jungen Mädchen, welche in dem Mordhaus« wohnen, zu gleicher Zeit Liebesverhältnisse anknüpfte, sich stundenlang bei ihnen auf- hielt und während dieser Zeit stets die Bieste'sche Wohnung beobachtete. Am Tage nach der That muß Ruttke seine„Ver- Hältnisse" mit Leckereien bedacht haben, denn die bei der Schütt vorgefundenen Tüten, welche mit Chokolade und Bonbons ae- füll: waren, sind fast leer gewesen, und Ruttke mit der Schutt haben unmöglich die Menge bewältigen können. Berliner Rsylvmin für Obdachlose. Im verflossenen Monat Dezember 1891 nächtigten im Männer-Asyl 9257 Per- sonen, davon badeten 2966 Personen; im Frauen-Asyl 1962 Per- fönen, davon badeten 156 Personen. Polizeibericht. Am 4. d. M. Vormittags sollte der aus Berlin ausgewiesene und eines Einbruchs verdächtige Schuh- macher Degen in der Wohnung feiner Frau, Reinickendorfer- straße 23b, verhaftet werden. Als die Beamten zu seiner Ver- Haftung dort eintraten, fanden sie ihn erhängt vor.— Auf dein Bahnhofe Stralau-Rummelsbnrg warf sich zu derselben Zeit ein Kaufmann vor die Räder eines einfahrenden Ringbahnzuges, wurde überfahren und auf der Stelle getödtet.— Gegenüber dem Grundstück Mariannen-Hser 9 wurde Abends ein Arbeiter von einem Schlächterwagen ühersahren und erlitt dabei so bedeutende Verletzungen am Fuße und im Rücken, daß seine Uebersührung nach dem Krankenhause Bethanien erforderlich wurde.— Zu derselben Zeit brachte sich eine Frauensperson in einer Woh- nung in der Andreasstraße zwei Revolverschüsse in der Brust bei und mußte nach dem Krankenhause am Friedrichshain gebracht werden.— Im Laufe des Tages fanden drei kleine Brände statt. Thvrrkev. Im Thomas- Theater ist seit gestern wieder der Schön- than'sche Schwank„Ter Raub der Sabinerinnen" ins Repertoire aufgenommen. Er bewährte auch gestern wieder seine lustige Zugkraft. Von weiterer Bedeutung des Schwanks, als daß er durchgängig eine heitere, das Zwerchfell erschütternde Wirkung übt, ist nicht zu reden. Herr Thomas gab den Theaterdirektor Striese mit seinem unverwüstlichen Humor und treffender Charakteristik, seiner Darstellung wurde der schallendste Beifall und sich oft wiederholende Hervorrufe zu Theil. Neoeu Herrn Thomas sind Herr Kurz als Professor und Dichter des„Raubes der Sabinerinnen", sowie Frl. Gallus als Dienstmädchen befonders lobend hervorzuheben. Die Darstellung war durchweg eine flotte und gelungene. Gerickks-Ieikuttg. Wegen eines Vergehens gegen das Alters- nnd In- validitätS- VersichernngS- Gesetz hatte sich der Mauerpolier Hesse vor der VI. Strafkammer hiesigen Landgerichts I zu ver- antworten.§ 151 bedroht denjenigen, der in Quittungskarteu Vermerke oder Eintragungen macht, welche nach§ 108 unzulässig sind, mit Geldstrafe bis zu 2000 M. oder mit Gefängniß bis zu 6 Monaten. Ter Gesetzgeber wollte auf diese Weise verhindern, daß sich die Arbeitgeber etwa über die Führung der Arbeiter durch geheime Zeichen versländigeii. Der Angeklagte hatte nun in der ihm unterstellten Arbeitergruppe einem Maurer die Versicherungsmarke in die Karte geklebt und in das leere Feld der Versicherungskarte seinen Namen geschrieben und die Ver- sicherungsmarke darauf geklebt. Aeußerlich war an der Karte nichts zu bemerken und man entdeckte den Namen nur, wenn man die Karte gegen das Licht hielt. Der betreffende Maurer hatte aber diesen Verstoß gegen das Gesetz heraus- gefunden und sorgte dafür, daß derselbe auch der Anklage- behörde bekannt wurde. Das Schöffengericht sprach den Au- geklagten frei, da es aber für solche Fälle unzuständig ist, legte der Staatsanwalt Berusimg ein und beantragte, den Angeklagten zu 6 Mark Geldstrafe zu verurtheilen. Der An- geklagte versicherte seinerseits wiederholt, daß es ihm gänzlich ferngelegen, den Arbeitnehmer durch die Eintragung seines Namens späteren Arbeitgebern gegenüber zu kenuzeichneii, vielmehr sei es ihm lediglich darauf angekommen, event. beweisen zu können, daß er seine Pflicht nicht verabsäumt habe. Selbstredend!— Die Strafkammer war zunächst nicht im Zweifel darüber, daß auch durch solche Eintragungen unterhalb der Marke objektiv das Gesetz verletzt werde. Subjektiv schloß sich der Gerichtshof aber der An- ficht des Rechtsauwalts Böger dahin an, daß in diesem Fallt ein strafbarer Dolus nicht vorliege und erkannte deshalb auf Frei« sprechung.— Aber wenn es nun einmal umgekehrt so gemacht würde?! �■•'■.•'
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