Die ganze Friedenskonferenz an sich, ihre Einberufung und Beschickung, war freilich schon die ärgste Travcstierung einer wirklichen Triedenskonferenz. Verdankte sie ihre Anregung doch dem Zarenmänisest vom 24 August 1898. Die Friedenspalme in der krallen- bewehrten Pranke des russischen Bären— kein übles Bild. Der Despot eines absolutistischen Raubstaates, in dessen Kerkern die Besten der nationalen Jugend schmachten, als Anwalt der„nationalen Kultur", der„Principien des Rechts und der Gerechtigkeit", der„Wohlfahrt der Völker", des „großen Gedankens des Weltfriedens" und wie die tönenden Phrasen des Zarenmanifestes alle lauteten. Und dann die Dele- gierten der Konferenz: glatte Schönredner, schmiegsame Diplo- waten, säbelrasselnde Eisenfresser und Professorale Prediger der rasseveredelnden Mordkultur— man denke nur an den deutschen Delegierten, den Münchener Professor Stengel, der kurz zuvor in einer Broschüre gegen die lächerliche „ F r i e d e n s d u s e l e i" zu Felde gezogen war.(Herr v. B ü l o w freilich nahm den Herrn Professor entrüstet in Schutz, indem er Mr. Stead gegenüber behauptete, daß es sich nur um einen„bloßen Vortrag" handle, der im„intimen Freundeskreis" gehalten und wider seinen Willen meuchlings vom Verleger veröffentlicht worden sei— als ob das. selbst wenn es wahr wäre, an der Gesinnung des Herrn Stengel' auch nur das geringste geändert hätte I) Aber es bedurfte gar nicht der p r o f e s s o r a l e n Ver- herrlichung des Militarismus, da der militärische Vertreter Deutschlands , Ober st Schwarzhoff. mit echt Preußischer Schneidigkcit den Standpunkt der deutschen Regie- rung dem Zarenmanifest und der ganzen Abrüstungsfrage gegenüber präcisierte. Der russische Oberst SchilinSky hatte ganz im Gedankengang des Zarenmanisestes auf die wirtschaftlichen und kulturellen Schädigungen der sich fortgesetzt steigernden Kriegsrüstungen hin- gewiesen, die schließlich zum Ruin der Nationen führen müßten. Dem gegenüber entwickelte Oberst Schwarzhoff den deutschen Standpunkt folgendermaßen: „Das deutsche Volk ist nicht erdrückt unter dem Druck der Lasten und Steuern: es ist nicht auf der schiefen Ebene zum Abgrund; eS eilt nicht der Erschöpfung und dem Ruin entgegen. Ganz im Gegen- teil: der öffentliche und der Privatreichtum ist im Steigen begriffen; der allgemeine Wohlstand, der..Ltauclarä ot life" wird von Jahr zu Jahr ein höherer. „Was die allgemeine Wehrpflicht betrifft, die mit diesen Fragen innig verbunden ist, so betrachtet sie der Deutsche nicht als eine schwere Last, sondern als eine heilige und patriotische Pflicht, deren Erfüllung er seine Existenz, seinen Wohlstand und seine Zukunft ver- dankt." Da Deutschland nach der Ansicht der deutschen Regierungs - kreise seinem forcierten Militarismus seine Existenz, seinen Wohlstand und seine Zukunft verdankt, so wäre es von diesem Standpunkt aus ja geradezu verbrecherisch, den Rüstungen Einhalt zu thun. Diese Auslassungen kennzeichnen ebenso wie die oben citierten Bonmots der beiden englischen Delegierten die Bedeutung der Friedenskonferenz, von der kindliche Friedensfchwärmer sich eingebildet hatten, daß sie den ersten Schritt der A b r ü st u n g bedeuten werde. Die„Friedenskonferenz" sollte ferner schiedsrichterliche Instanzen zur Vermeidung blutiger Völkerkonflikte schaffen. Daß auch auf diesem Gebiete nicht viel geleistet wurde, versteht sich von selbst. An die Möglichkeit der Schlichtung internationaler Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht zu glauben, dazu gehört schon die alle treibenden politischen Faktoren unsrer kapitalistischen Periode verkennende Naivetät der bürgerlichen Friedensphantasten. Folgender famoser Paragraph der im Haag beschlossenen internationalen Kon- vention sollte das schon beweisen: „In Fällen internationaler Meinungsverschiedenheiten, die weder die Ehre noch die Lebensinteressen der be- teiligten Mächte berühren, erachten die Signatarmächte es für angezeigt, daß die Parteien, die sich auf dem gewöhnlichen diplomatischen Wege nicht einigen konnten, soweit es die U m st ä n d e erlauben, zur Einsetzung von internationalen Untersuchungskommissionen schreiten, welche staatsrechtliche Fragen durch unparteiische und gewissenhafte Prüfung auf- klären sollen." Schiedsgerichte und Untersuchungskommissionen also nur eine Instanz für Bagatellsachen— das sagt genug l Der Genfer Konvention ist die Haager Kon- vention gefolgt. Nichtsdestoweniger befinden wir uns heute, ein Jahr nach dem festlichen Schluß des Haager Kongresses, in der Vorbereitung zu einem Rachefrieg. Trotz der H a a g e r Konvention befinden wir uns möglicherweise am Vor- abend eines blutigen Weltkriegs; trotz der Genfer Konvention zieht die Jugend des Volks der Dichter und Denker in einen Krieg, in dem dem Feind kein Pardon gegeben werden soll. Das sind die Früchte der Friedenskonferenz im Haag! Und trotzdem feiert die gute Bertha von S u t t n e r in ihrem kürzlich erschienenen Buche über die Haager Friedens- konfcrenz, dem wir einzelne Details über die Verhandlungen entnahmen, die Konferenz als einen Sieg der Friedens- i d e e:„Zehn Jahre lang war das Wort und die Sache ver- lacht worden, ihre Teilnehmer, machtlose Privatleute, galten als Utopisten und Schwärmer; jetzt aber versammeln sich, auf den Ruf des mächtigsten Kriegsherrn der Erde, die Ab- gesandten aller Machthaber." Ob die gutgläubige Schwärmerin auch heute, am JährungL- tage der Haager Konvention, diese Tiradcn noch wiederholen würde? Tie Mächtigen Europas stehen der Friedensidee heute feindseliger gegenüber denn je; nur das Volk, das Proletariat, vermag den Weltstiedeu zu verwirklichen. Noch ist seine Zeit nicht gekommen, aber sie rückt mit Riesenschritten heran. Die Hunnen waren ein wilde? astatisches Neiteroolk, vermutlich mongolischen Stammes— wie die Chinesen. Sie brachen im vierten Jahr- hundert unsrer Zeitrechnung in Europa ei», um dort während eines langen Zeitraums die furchtbarsten Greuel zu verüben. Wir finden über ihre Thätigkeit in Schlossers Weltgeschichte die folgenden Schilderungen: Ihre Raubzüge waren furchtbarer als die irgend eines andren Bolls jener Zeit: sie zerstörten ans bloßer Freude am Zerstören, schleppten die Menschen mit sich in die Sklaverei fort und ließen sie Hunger und Mißhandlungen aller Art erleiden. Doppelt furchtbar wurden diese verhcrenden Züge dadurch, daß die Hunnen den Affen, denen sie an Gestalt ähnlich ivaren, auch an Schamlofigkeit glichen, weshalb das weibliche Geschlecht, welches von den meisten germanischen Stämmen selbst auf ihren Raubzügen mit Achtung behandelt wurde, ganz besonders ihren Mißhandlungen ausgesetzt war.,. Alle Hnnnen waren beritten, lebten unter Zelten oder Hütten, zeichneten sich durch Raubgier, Wildheit und rohe Sinnlichkeit aus. Uebrigens versäumt Schlösser nicht, hinzuzufügen, baß sich der Hunnenkönig Etzel(oder A'k MTff, wie er gewöhnlich genannt wird) auch sehr für die Kunst und die Künstler interessierte. Durch die griechischen und römischen Künstler„erhielten die Hunnen alle Arten von Luxus und Bequemlichkeiten gebildeter Völker, und daß Leben dieser Barbaren zeigt' uns daher eine sonderbare Mischung von asiatischer Sitte und Roheit mit griechisch-römischen Genüssen und Einrichtungen." Aus Kolbs Kulturgeschichte der Menschheit citieren wir: Weder Alter noch Geschlecht noch Stand ward geschont. Waß der Wut bei den ersten Einfällen entging, ward in den folgenden vernichtet. Die fruchtbarsten und volkreichsten Provinzen wurden in Wüsten verwandelt; die Ruinen der Städte und Dörfer dienten nur wenigen, elend gewordenen Menschen zum Obdach, welche daß durch Morden stumpf gemachte feindliche Schwert oder der Zufall erhalten hatte. Hunger und Pest, das stete Gefolge eines mit solcher sinnlosen Grausamkeit geführten Krieges, wüteten in allen Teilen Europas und vollendeten dessen Leiden.... Die „Geißel Gottes", der„V e c t i l g e r der N a t i o n e n". waren die siirchtbaren Beinamen, mit denen die zeitgenössischen Ge- schichtsschreiber den belanntesten der Barbarcnhäuptlinge. eben Attila , auszeichneten. Die Zerstörung aber. welche jene wilden Horden über die Welt brachten, verglichen sie mit den Verwüstungen durch Erdbeben, Brand und Wasserflut— dem Schrecklichsten und Verderblichsten, was daö menschliche Fassungsvermögen zu begreifen vermag.— « Deutsches Weich. Kultur-Verbreitung. Einem aus zuverlässiger Quelle stammenden Privatbriefe aus Kamerun entnimmt der„Hamb . Korresp." folgende Mitteilungen: „Vor dem Tode des Herrn v. G.... sind zwei Fälle hinter- einander vorgekommen, wie sie sich seit der Okkupation durch die deutsche Regierung noch unter keinem Richter ereignet haben. 1. M p u n d o A k w a erhielt im Disziplinarwege durch Herr» v. G. LS Hiebe, weil er sich einem Matrosen vom„Habicht" gegenüber„Prinz" gcuaunt hatte. 2. Victor M a n g a, der zweite Sohn Mangas, erhielt ebenso LS Hiebe auf Befehl deS Herrn v. G., weil er den Materialverwalter Herrn O. nicht ordentlich gegrüßt, seinen Hut nicht vom Kopfe abgenommen hat. Bevor die 25 Hiebe an dem Victor vollstreckt waren, ging Mango sofort, nachdem er davon Kenntnis hatte, daß sein Sohn 25 Hiebe kriegen solle, zu Herrn v. G. und bat ihn deshalb um Verzeihung. Seiner Bitte wurde jedoch von Herrn v. G. kein Gehör geschenkt. Diese beiden brutalen Thatcn haben die Ein- Ivohner der Dualla in hohem Grade peinlich berührt. Von den Einwohnern Duallas hatte niemand geträumt, daß Mangas Sohn 25 Hiebe bekommen kann, weil dieser doch der angesehenste von allen Häuptlingen ist. He>? v. G. ist dann plötzlich in der Wildnis am„Sonnenstich" gestorben; das Hamburger Blatt deutet an, daß er einem Racheakt erlegen sein dürfte. Herr v. G. bethätigte seine Prügelsucht an Sprößlingen afrika - nischer Königs geschlechter, denen er auf diese Weise den Ahnenstolz anszutcciben suchte. Diese Prinzen sind zudem harmlose Jungen. Die deutschen Byzantiner suchen eben, wenn sie nach Afrila kommen, sich für den heimischen Zwang zum Monarchenkult schadlos zu halten, indem sie die dortigen Söhne„vornehmeren" Bluts prügeln. So bläut man den Wilden europäische Kultur ein.— Pardongebcn im Völkerrecht. Das Pardongcben gilt als die geheiligte Sitte civilisierter Kriegsführung, den Gegner, der die Waffe streckt und um Pardon bittet, nicht zu töten, sondern ihn gefangen zu nehme», durch welches mildere, menschlichere Mittel ebenfalls der Zweck erreicht wird, die Widerstandskraft der feiiidlichen Armee zu schwächen. Die angesehensten Lehrer des Völkerrechts sind über diese Frage wesentlich einer Auffassung. In B l u n t s ch I i s Werk„Das moderne Völkerrecht der civilisierten Staaten" heißt es unter anderm: „Wird die Ehre eines andern Staats verletzt oder seine Würde mißachtet, so ist der beleidigte oder gekränkte Staat berechtigt, entsprechende Gemigthunng zu fordern. „Wird die Verletzung ohne Ermächtigung oder Auftrag der Staatsgewalt von Beamten oder Privatpersonen verübt, so' kann der verletzte Staat nur fordern, daß der Staat, dem diese Personen angehören, sie dafür zur Rechenschaft ziehe und für Abstellung des Unrechts, beziv. Bästrnfung des Schuldigen sorge. „Wenn für Ehrenkränkungen und Verletzungen der Staatswürde Genugthuung gefordert wird, so darf doch dem dafür vcrantwort- lichen Staat keine mit der Fortdauer und Würde eines selbständigen Staats unerträgliche Demütigung zugemutet werden." Kann auf dem Wege der Unterhandlungen keine Genugthuung erlangt werden, so bleibt dein verletzten Staat das Recht. Repressalien zu üben, oder den Krieg zu erkläre». Z» den Völker- rechtlich zulässigen Repressalien ohne Krieg gelten jedoch imr verschiedene Arten von Beschlagnahmen, Zurückbehaltuug von Personen als Geiseln, Ausweisungen und dergleichen. Will der verletzte Staat iveiter gehen, so' hat er den Krieg zu erklären. Ein kriegerisches Eindringen in das Gebiet der fremden Staaten ohne Kriegserlläruiig giebt es völlerrechtlich nicht. Jedenfalls sind auch nach der thatsüchlichen Eröffnung des Krieges gewisse Hnmanitätsregeln dem Feinde gegenüber zu beachten. B l u n t's ch l i schreibt: „Der antike Satz, daß der Feind rechtlos sei. wird vor, dem heutigen Völlerrecht als unmenschlich verivorfen. Ebenso wird der Satz,' daß lvider den Feind alles erlaubt sei, was dem Krieg füh- renden Staat nützlich scheint, von dem civilisierten Völkerrecht als barbarisch mißbilligt. „Die Träger der nnlitnrischen Äntorlkät sind nicht entbunden von den Gesetzen der Meiischiichkeit. der Gerechtigkeit, der Ehre'und des civilisierten Kriegsgebrauchs. „Wenn der Feind die Schranken der guten Kriegssitte mißachtet, oder völkerrechtswidrige Kricgsmittel anwendet, so sind Repressalien gestattet. Indessen dürfen bei der Anwendung nicht die Grund- geböte der Menschlichkeit verletzt werde». Die Barbarei des Feindes rechtfertigt nicht die eigene Barbarei. Die Ausbildung eines humanen Völkerrechts fordert die Beschränkung des Notrechts auf das wirklich notivcndige. Würdiger ist es, von' demselben möglichst wenig Gc- brauch zu machen. „Der militärische Befehl, dem Feinde keinen Pardon zu geben, darf nur aus Gründen der Wicdervergcltnng oder in äußersten Notfällen insbesondere dann gegeben werden, wenn es der eignen Sicher- heit wegen unmöglich ist, sich mit Kriegsgefangenen zu belasten. niemals aber aus Haß und Rache. Kein Trupp-nkörper ist berechtigt, zu erklären, daß er überhaupt Pardon weder gebe noch annehme. „Feindliche Truppen, welche ihrerseits keinen Pardon geben, haben auch den Anspruch verivirkt, daß ihnen Pardon gewährt werde. „Auch wenn der Pardon mit Recht perweigert wird, so dürfe» doch Feinde, welche unfähig geworden sind, Widerstand zu leisten, oder sich bereits in der Kriegsgefangenschaft befinden, nicht getötet werden.. „Die eigne noch so lebhafte Ueberzeugling, daß der Fernd für eine offenbar ungerechte Sache kämpfe, begründet niemals das Recht, den feindlichen Truppen den Pardon nichb zu geben. „Feindliche Personen, welche die Waffen streiken und sich dem Sieger ergeben, sind zu schonen und dürfen weder verwundet noch getötet, wohl aber zu Kriegsgefangenen gemacht werden." Soweit Blnntschli. Wir lassen über den letzteren Gegenstand noch einen andren Autor zu Worte kommen. In dem Deutschen Slaats-Wörterbuch von Bluntschli und Brater lesen wir im ö. Bmid In einem Aufsatz von Berner: „Allerdings ist zuzugeben, daß die Beobachtung zahlreicher Kriegsregeln nur auf der Voraussetzung der Gegenseitigkeit ruht, und daß derjenige, der diese Regeln verleugnet, keinen Anspruch mehr hat, durch dieselben geschützt zu werden. Allerdings ist ferner zuznaebc», daß in außerordentlichen Gefahren und im Interesse der Selbsterhaltung manches sonst verbotene erlaubt ist... Aber die Grenzen der Menschlichkeit, die das Gebot über alle Gebote ist, dürfen dennoch nicht überschritten werden. Was sich schlechthin als eine Forderung der Menschlichkeit darstellt, gilb unbedingt und gilt daher auch unabhängig von der Boraussetzung der Gegenseitigkeit." In H o l tz e n d o r f f s„Handbuch des Völkerrechts" heißt es: „Verboten ist namentlich das„über die Klinge springen lassen" der in feindliche Gewalt gefallenen Soldaten, solvie das Nickit-Pardon- geben, falls es nicht als Repressalie nötig wird. Es muß vielmehr den sich Ergebenden Pardon gegeben und das mildere Mittel der Gefangennahme angewandt werden, Ivo es hinreicht, d. h. Wider- stand und Widerstandsmöglichkeit aufhebt, also den Zweck erfüllt." Endlich lesen wir im„Völkerrecht" des Prof. Ullmann in München : „Gegenüber der Anschauung, daß im Kriege jedes Mittel zur Erreichung der Kriegszwecke erlaubt fei. verbietet die in der Kriegs- manier zum Ausdruck kommende civilificrte Völkersitte die gegen- fettige Anwendung von Gewaltmaßregeln und kriegerischen Mitteln, die eine unnötige Grausamkeit oder Lcideuszufügung bedeuten.... Ilm deswillen kennt die G e g e n>v a r t k e l n R e ch t über Leben und Tod der Kombatianten; die Tötung von Kriegs- gefangenen, die Verweigerung dcö Pardons, die Verübung von Grausamkeiten an den Verteidigern eines festen Platzes usw. sind niit den heutigen Anschauungen unvereinbar."—■ Da» Kirchengebet. Der Evangelische Ober-Kirche»rat hat die Konsistorlen seineS Amtsbereichs angewiesen, schleunigst Fürsorge zu treffen, daß nach- stehende Fürbitte in das Allgemeine Kirchengebet eingeschaltet werde: „In der schweren Prüfung, die durch ruchlosen Friedensbruch über uns gekommen ist, bitten wir Dich: Bllbarniherziger Gott und Vater, tröste die Betrübten, deren Angehörige um des Vaterlandes willen im fernen Lande den Tod erlitten haben. Breite Deine Hand.über die, welche um ihres christlichen Glaubens willen ver- folgt und gequält werden, und über die Verklludiger Deines Evan- geliums unter den Heiden. Laß das Geleit Deiner Stärke mit den Söhnen unsres Volks sein, die ausgesandt ffnd, Recht und Gerechtigkeit aufzurichten unter den Frevlern; mache ihre Hand sieghaft, und führe sie uns heim mit einem ehrenhaften Frieden." Der Flottensegen. Die Marineprofessoren haben jetzt ihren Lohn erhalten. Von den während der Flottenagitation zu Gunsten der Flotteuverstärkuiig hervorgetretenen Unibersttätsprofessoren haben die Berliner Professoren Sering, v. Drygalski, v. H a l l e, R a t h g e n- Marburg, S t o e r k- Greifswatd, Privat- dozcut v. W e n ck st ern- Berlin den Roten Adler-Ordcn vierter Klasse erhalten; die Nationalökonomen Wagner und Schmoller erhielten den Kronenorden zweiter Klasse und Professor Delbrück - Charlottcnburg den Krouenorde» driller Klasse. Und Sombnrt?— Zukimststantlichc Flottcnpolitik. Einige Blätter machen sich das Vergnügen, ans der Broschüre des Atlanticns über den Zuknnfts- staat kolonialpolitische Ausführungen gegen die Socialdemokratie zu citieren. Sie verschweigen aber dabei, daß AtlanticnS— kein Socinl- demokrat ist. Karl Kautsky hat in der Borrede zu der Schrift ausdrücklich erklärt, daß die Schrift nicht vom socialdemokratischen Standpunkt geschrieben sei. und daß der Verfasser Anton Menger näher stehe als Karl Marx . Insbesondere hatte Kautsky in Ausführungen, die wir den Atlanticus-Freunden der reaktionären Presse— sein znkunftsstaatlicher Socialismus trübt diese Freundschaft nicht— dringend zur Klärung ihres Deukens zu beachten empfehlen, scharf gegen die kolonialpolitische Schwärmerei des Verfassers polemisiert. Wie unwissend die Presse ist, die Atlanticus für einen Social- dcmokrntcn hält, geht aus dem einen Umstand hervor, daß er ftir das socialistische Gemeinwesen Europas tropische Kolonien forderte, deren Bewohner in Zwangsarbeit für feine Bedürfnisse sorgen müßten.—. Militiirboykott. Aus Halle wird mi» geschriebene Auch das K r i e g s in i n i st e r i u m hat sich der Petition der ver« einigten Saalbesitzer von Halle behufs milderer Handhabung des MilitärboykottS gegenüber ablehnend verhalten. Alles Bitten und Betteln der Saalbesitzcr und auch die matt-liberale Drohung im Stndtverordneteu-Sitzuugssaal hat nichts genutzt. Herr General« lieutcnant Renthe Finl boykottiert ruhig und ungestört weiter.— Socialistische Ahinafahrer. Aus Elsaß-Lothringen schreibt man uns: Mit Begierde haben die ob der teilweise recht fragwürdigen Erfolge des Chinn-Freiwilligen-Aufrufs von patriotischen Beklemmungen heimgesuchten Preßorgane der Weltmackstsschwärmerei eine ursprünglich von der„Metzer Zeitung" in die Welt gefetzte Nachricht aufgegriffen, derzufolge in der lothringischen Garnison Mörch ingen„zwei als überwiesene- sl) Socinldemokraten bc- kannte Leute" sich freiwillig zur Aufnahme in das ostasiatische Expeditionscorps gemeldet hätten. Mörchingen ist eines jener unsagbar trostlosen Garnisons- dörfer des Lothringer Landes, denen' die Rolle von Straf- verbaNnnngSorten für disciplinarisch gemaßregelte Offiziere zukommt, und die von letzteren dieserhalb. kurzweg als„Deutsch- Sibirien" bezeichnet Iv erden. Es erscheint uns aus diesem Grunde unter allen Umständen begreiflich, wenn ein zu mehrjährigem Militärdienst dorthin verschickter Kulturmensch jede, auch die denkbar ungünstigste Gelegenheit wahrnimmt, um sich einem solchen Dasein zu entziehen— selbst auf die Gefahr hin, dabei zum Rachezug gegen unsrcn neuesten Erbfeind gelber Couleur herangezogen zu werden. Ganz abgesehen davon dürfte aber dem genannten Metzer Blatt der Nachweis der thatsüchlichen Richtigkeit seiner Meldung kaum gelingen, es müßte denn sein, daß auch bei den Truppenteilen des XVI.' Armeccorps über die politische Gesinming der Mannschaften genau Buch geführt wird. Wie gering das Maß der Zuverlässigkeit solcher Gesinnungseinschätzungen bei der Aufstellung der bckannien militärischen„schwarzen Listen" ist, das dürste durch zahlreiche Bei- spiele aus den letzten Jahren in hinreichender Weise dargethan worden sein. Aber selbst dann, wenn jene beiden Mörchinger Chinafahrer 'ich thatsächlich einmal zur Socialdemokratie bekannt haben sollten, beweisen sie durch ihr jetziges Verhalten— immer vorausgesagt, daß dasselbe lediglich die Folge ihres unbeeinflußten freien Willens ist!— höchstens das eine, daß ihnen die kulturellen und hnmani- tären Lehren des Socialismus noch nicht in Fleisch und Blut über- gegangen sind, lleberlassen wir also die beiden Renonimier-China- Sociaiisten ruhig den Weltmachtsschwärmern l Der verschwindende Ausnalnnefall bestätigt nur die Regel. daß das aufgeklärte, zum Bewußtsein seiner Klasieninteressen erwachte wcrkthätige Volk von dem Stachezug nach Ostasten im allgemeinen nichts tvissen will und die„Ehre" der Durchführung desselben neidlos andren überläßt.
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