„Me wir erfahren, hat der Reichskanzler und Ministerpräfi- dent Graf w Bülow in der gestern unter seinem Vorsitz ab- gehaltenen Sitzung des StaatsministeriumS nach warmen Worten der Anerkennung für den Fürsten zu Hohenlohe-Schillingsfürst in längerer Ansprache auf die Notwendigkeit einer ein- h ertlichen und geschlossenen Regierung hin- gewiesen als unerläßliche Vorbedingung für diejenige Stetig- keit und Zielbewußtheit in der inneren Politik, welche das Land verlange und brauche." Man könnte meinen, es sei angemessener, solch Selbstvertrauen weniger in längeren Ansprachen und offiziösen Noten zu verkünden, als durch die That zu bewähren. Doch— wir gestehen— Gra Bülow weiß nicht nur zu reden, sondern ist ein Mann der That, der schnellen und bedeutsamen That. Aus derselben Staats- ministerialsitzung, in der sich Graf Bülow als neues Bis- M ä r ck ch e n ankündigte, wird berichtet: „Der auf der Tagesordnung befindliche einzige Gegenstand wurde abgesetzt. Dafür wurde, wie ein offiziöser Berichterstatter erfahren haben will, in eine allgemeine Besprechung der politischen Lage bezw. der Landtagsarbeiten eingetreten und eine ungefähre Disposition in dieser Richtung getroffen. So viel wir wissen, zeigte man wenig Neigung, die am 15. Januar bevor- stehende Tagung mit bedeutungsvollen� Vorlagen auszustatten, namentlich soll vermieden werden, Vorlagen, über welche die öffentliche Meinung noch zu wenig g?- klärt ist und weit auseinandergeht, einzubringen. ES dürften also die Kanalvorlage und das Schul- dotations-Gesetz ausscheiden." Gewiß würde diese Absetzung der Kanalvorlage, wenn sie sich ' bestätigt, einen Sieg Miguels und die schwächliche Unterlverfung * Bülows unter die Ägratier bedeuten. Das würde aber nicht hindern, � daß dieser Miguelsieg dennoch zugleich ein weit größerer Sieg . Bülows ist. Hat Miguel über Bülow gesiegt, so hat Bülow den 'Kaiser gewonnen. Als Wilhelm II. am 11. August 1899 der Dortmund-EmS-Kanal �besichtigt hatte, hielt er am Dortmunder Hafen eine Ansprache, in .der die Worte fielen: „Das Werk, das ich soeben besichtigt habe, ermöglicht hoffent- lich der Stadt Dortmund , wieder ihren Flug über die See zu nehmen, wie sie ihn einstmals genommen hat. Nur möchte ich glauben, daß der Kanal, wie er augenblicklich anzu- sehen i st, nur ein Teilwerk ist. Es ist aufzufassen in Verbindung mit dem großen Mittellandkanal, den zu bauen und zur Durchführung zu bringen meine Regierung und ich fest und unerschütterlich ent- schloffen sind." Wenn es jetzt dem Reichskanzler Grafen Bülow gelungen sein sollte, die festen und unerschütterlichen Entschlüsse des Kaisers zu erschüttern, so ist nicht zu verkennen, daß Graf Bülow die Gewähr eines ansehnlich starken MannS in sich trägt. Daß er seine Stärke zunächst an der Verhinderung des einzigen Kulturwerks, das in Preußen geschaffen werden sollte, erprobt, dürfte allerdings seine liberales Lobeshymnensänger wenig erfreuen.— Der Zollkampf. Der Entwurf des Zolltarifs ist auf Grund der Be- ratungen des Wirtschaftlichen Ausschusses zur noch- maligen Durcharbeitung an die zuständige Stelle zurückgegangen. Die Vorlegung des Entwurfs im Bundes- rat erfährt damit eine Verzögerung. Der Inhalt des Entwurfs wird nach wie vor durchaus geheim gehalten. Die Arbeit, die Graf v. Posadowsky für die Agrarier verrichtet, verträgt ebenso wenig das Licht des Tags wie jene Geldgeschäfte des„Reichs- amts des Innern" im Dienst der zuchthausbeflissenen Großindustrie. Dennoch sickert einiges durch. Es ist bekannt, daß an Stelle des bisherigen Einheitstarifs, der den Abschluß von Handelsverträgen ermöglichte, der agrarisch geaichte Doppel- t a r i f treten soll, nur wenig gemildert- durch die Befugnis der Regierung, in besonderen Fällen mit Zustimmung des Reichstags auch unter den Minimaltarif herabzugehen. Jetzt macht die„Deutsche Volkswirtschaftliche Korrespondenz" einige Mitteilungen über die Zollsätze selbst, die ihr aus den Beratungen des Wirtschaftlichen Ausschusses zu- geflossen sind: „Für den R o h e i s e n- Z o l l ist im M i n i m a l t a r i f der bisherige Satz von 10 M. vorgesehen, im Maximal- tarif jedoch ein Satz von 15 Mark, um eventuell als Kampfzoll gegen die Vereinigten Staaten zu dienen. Werkzeugstahl soll mit 8 Mark im Tarif stehen. Harte Kammgarne haben eine mäßige Zollcrhühung erfahren. Der Unterschied in der Verzollung von Kammgarn und Streich- gar» ist aber nicht fallen gelassen worden. Was die Getreide- zölle anlangt, so ist berichtet worden, daß sie mit 6 M. im Miuimaltarif nnd mit 7'� M. im Maximaltarif erscheinen. Von einer Unterscheidung zwischen Weizen und Roggen soll ab- gesehen worden sein." Die„Deutsche Tageszeitung" bemerkt zur Ankündigung dieser von der Regierung geplanten Hungerzölle: „Wie wir wiederholt auseinandersetzten, sind wir nicht in der Lage, diese aus vertraulichen Verhandlungen durchgesickerten Mit- teiiungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Nur so viel wissen wir, daß die Angaben über die Höhe des Getreidezolls nicht richtig sind. Sie würden auch weit hiuter den be- rechtigten Forderungen der deutschen Landwirtschaft zurück- bleiben." Die„Deutsche Tageszeitung" will also erfahren haben, daß der Zolltarif der Regierung einen Zoll, der G M.«och übersteigt, als M i n d e st s a tz enthalte. Mag nun die Mitteilung der„Deutschen Volksw. Korr." oder die Annahme der„Deutschen Tagesztg." richtig sein— die ungeheuerste Gefährdung der gesamten deutschen Arbeiterklasse ist durchaus nahe gerückt. Der jetzige Zoll von 3�/2 Mark soll nach der„Deutschen Volksw. Korr." auf mindestens K Mark, nach der„Deutschen Tages- Zeitung" auf einen noch höheren Satz empor- getrieben werden. So will es die Regierung des Grafen Posadowsky. Die Agrarier aber schreien und Hetzen, daß das noch immer nicht das richttge Maß der Welt- aushungerung sei, daß der Hungerzoll noch weiter erhöht werden soll. Vielleicht finden sich in der Nähe des Reichs- amts des Innern einige Bedürftige, die um 12000 M. auch diese Wünsche der Agrarier zu erfüllen versprechen. Die Agrarier betreiben— das ist anzuerkennen— die Agitation für maßlose Erhöhung des Kornzolls mit regstem Geschrei. Die Herren vom Bund der Landwirte haben bereits an den neuen Reichskanzler eine Eingabe gerichtet, in der sie gegen den neuen Doppeltarif-Entwurf lärmend protestieren, weil er ihn u noch nicht genügend jede Möglichkeit ausschließt, die Brotverteuerung zu irgend einer Zeit und irgendwie zu mildern. Uebermütiger denn je erhebt sich die agrarische Agitation, die zu Gunsten einer Handvoll preußischer Junker und winziger Gruppen des Großbauerntums die gesamte Be- völkerung maßlos auszuplündern begehrt. Die schwer be- drohte Arbeiterklasse muß den junkerlichen Brotwncher durch machtvolle Gegenagitation zurückwerfen. Militärjustiz. Mit dem 1. Oktober d. I. ist das neue Kriegsgerichts- Verfahren in Kraft getreten, und damit ist die O e f f e n t- l i ch k e i t des Verfahrens gegen Angehörige des Soldaten- stands auch fiir Preußen eingeführt. Allerdings ist durch die bekannte kaiserliche Kabinettsordre die Oeffentlichkeit für alle wichtigen Fälle so gut wie aufgehoben. In dem nachstehenden Fall, den wir der„Frankfurter Zeitung " ent- nehmen, wurde vom Vertreter der Anklage ebenfalls der Versuch gemacht, die Oeffentlichkeit auszuschließen; der Antrag wurde indes abgelehnt. Der Fall spielt in Frankfurt a. M., und es ist die erste Sitzung, welche das neugeschaffene Kriegsgericht abhält. Auf der Anklagebank sitzt ein Musketier des 81. Infanterie- regimentS, Namens Burma nn, dem eine Reihe militärischer Vergehen zur Last gelegt werden. Vor ein bürgerliches Gericht wäre er wegen der Dinge, die er verübt hat, gar nicht gekommen. Sein Verteidiger ist Rechtsanwalt Dr. T h e b e s i u s, während Justizrat H a s e m a n n die Anklage vertritt. Dieser stellt gleich zu Beginn den Antrag aufAusschluß der'Oeffentlichkeit, weil durch die Verhandlung eine Gefährdung der dienstlichen Jntercffen eintreten könne; aber der Gerichtshof lehnt den Antrag ab. So erfahren wir denn, was der Musketier begangen hat. Er steht bei der 2. Kom- pagnie(Hauptmann Pohl) und hat sich bei einer Felddienst- Übung am 2. Juli das obere Glied des kleinen Fingers der rechten Hand abgeschossen. Die Anklage nimmt an, daß er das absichtlich gethan hat, um vom Militär frei zu kommen, und auf einer solchen„Selbstverstümmelung" steht mindestens ein Jahr Gefängnis. Burmann ist allerdings nichts weniger als ein guter Soldat, er hat schwache Augen, schießt schlecht und soll von seinen Kameraden deshalb„geschluckt", d. h. gehänselt worden sein. Aber das Gericht kommt nicht zu der Ueberzeugung, daß er sich absichtlich verstümmeln wollte, sondern glaubt dem Angeklagten, daß ein Unglücksfall vorliegt. Ueberdies ist er durch das Fehlen des Fingerglieds nicht behindert,„Griffe zu kloppen" und zu schießen. Aber er hat auch noch andres ans dem Kerbholz. Am 1. September saß er in der Kantine und hatte sich einen gehörigen Rausch angetrunken. Der Unteroffizier Schmidt ließ ihm sagen, er solle auf seine Stube kommen, und der Musketier erwiderte, der Unteroffizier möge selber kommen und ihm das sagen. Das ist nach dem Militär-Strafgesetzbuch eine„Gehorsamsverweigerung"(Mindeststrafe 14 Tage strengen Arrest) oder doch eine„Achtungsverletzung". Als dann der Soldat in seiner Stube war, wo thm der Feldwebel gütlich zuredete, sich ins Bett zu legen, schlug er dem Unteroffizier die Thür vor der Nase zu und führte allerlei wirre Reden, die u. a. eine schwere Beleidigung des Hauptmanns Pohl enthielten. Der Unteroffizier holte schließlich einen Lieutenant, und als er mit diesem die Treppe heraufkam, rannte der Trunkene, der wieder in die Kantin: wollte, auf den Unteroffizier zu nnd faßte ihn an der Hand, Ivurde aber sofort von Soldaten gefaßt und in Arrest abgeführt. Dort sagte er zu dem Unteroffizier, er solle die Zelle verlassen. Der Ver- leidiger macht sinnlose Trunkenheit geltend. Der Gerichts- hos aber nimmt an, daß er noch wissen mußte, was er that, spricht den Musketier der Achtnngsverlctzung in drei Fällen, der Beleidigung eines Vorgesetzten in zlvei Fällen und des thät- lichen Angriffs auf einen Vorgesetzten schuldig und erkennt auf eine Gesamtstrafe von fünf Vierteljahren Gefängnis. Dem Verurteilten wird ein Monat Untersuchungshaft angerechnet, weil sich durch die neue Gerichtsordnung seine Verurteilung ohne sein Ver- schulden verzögert hat. Zweierlei fällt bei dem Prozeß auf. Fünfzehn Monate muß der Soldat ins Gefängnis, weilersichimZustaudderTrunkcn- heit einige„Achtungsverletzungen" und„Gehorsams- v e r w e i g e r u n g e n" hat zu Schulden kommen lassen. Für diese Vergehen wären, selbst wenn man der„ in i l i t ä- risch en Disciplin" im weitgehendsten Maße Rechnung tragen will, etwa einige Wochen Arrest angemessen gewesen. Bleibt der thätliche Angriff auf den Vorgesetzten, der in der Trunkenheit begangen ist von einem Mann, der allem An- 'chein nach nur mit großer Unlust seinen militärischen Pflichten obliegt. Fünfzehn Monate Kerker für ein Ver- gehen, durch das kein Mensch verletzt worden ist— so urteilt ein Kriegsgericht. Aber nicht immer werden von den Kriegsgerichten so harte Urteile gefällt; es haben in den letzten Jahren eine ganze Anzahl Offiziere wegen„Brüsewitzereien" vor Kriegsgerichten gestanden und die Oeffentlichkeit ist da in fast allen Fällen in Erstaunen gesetzt worden ob der merk- würdig milden Urteile, die selbst in solchen Fällen er- gingen, wo die betreffenden Offiziere Menschenleben vernichtet hatten. Charakteristisch für den Geist, der in den Militärgerichten herrscht, ist ferner der Umstand, daß selbst bei derarttgen geringfügigen Vergehen schon der Versuch gemacht wird, die Oeffentlichkeit auszuschließen. Es gab hier keine militänschen Geheimnisse zu verraten; warum sollte hinter verschlossenen Thüren verhandelt werden? Soll die Oeffentlichkeit nicht wissen, wie schwer die Söhne des Volks in den Kasernen bestraft werden für Vergehen, die im bürgerlichen Leben solche gar nicht darstellen?_ Kirche und Schule. Die von uns wiedergegebene Nachricht der„Frankfurter Zeitung " über den bevorstehenden Erlaß eines Schuldotattons- Gesetzes für Preußen bedeutet einen schweren Schlag gegen die Volksschule. Das Gesetz soll sich ganz im Rahmen eines Finanzgesetzes halten, aber nebenbei soll von dem konfessionellen Charakter der Volksschule die Rede sein wie von einer unzweifelhaften Thatsache. Man will also, wie die„Freisinnige Zeitung" mit Recht ausführt, auf diese Weise ohne allen programmattschen Aufwand die gesetzliche Grundlage schaffen, auf die man sich später berufen kann. Mit andren Worten: Das famose Gesetz des Grafen Zedlitz seligen Angedenkens soll auf Umwegen eingeschmuggelt werden. Ein besonderes Gesetz über die Regelung des Unterrichts- Wesens ist bereits in der preußischen Verfassungsurkunde vor- gesehen; wiederholte Versuche, ein solches Gesetz zu stände zu bringen, sind gescheitert, dagegen sind einzelne Abschnitte des Volksschulwesens durch Specialgesetze geregelt worden, so das Relittenwesen, das Diensteinkommen der Volksschullehrer, das Pensionswesen und die Zuwendungen der Staatskasse an die Schulverbände. Der Zedlitzsche Entwurf vom Jahre 1891 sah eine Verschärfung der konfessionellen Absonderung der Kinder und der konfessionellen Organisation der Volksschule vor. er wollte besondere konfessionelle Schulvorstände aufrecht erhalten und in den Städten allgemein einrichten, verlieh den kirchlichen Behörden einen vermehrten Einfluß auf die Lehrer und den Religionsunterricht, beschränkte die Selbstverwaltung der Städte und legte den Dissidentenkindern die Verpflichtung zur Teilnahme am Religionsunterricht in der Schule auf. Bis dahin waren vom Jahre 1872 ab die Dissidentenkinder in Preußen von jedem Religionsunterricht in der Volksschule dispensiert, sobald die Eltern erklärten, selbst für den Religions- unterttcht der Kinder anderweit sorgen zu wollen. Der Zedlitzsche Entwurf wurde bekanntlich infolge des Sturms, der sich im Volke dagegen erhob, nachdem der Minister Graf Zedlitz seine Entlassung eingereicht und Graf Caprivi von dem Posten als preußischer Ministerpr'asident entbunden war, llon dem Nachfolger des Grafen Caprivi. dem Grafen zu Eulenburg, zurückgezogen. Es verlautete damals, daß der König in der Kronratssitzung vom 18. März sich dahin ausgesprochen habe, daß man die Kundgebungen im Lande nicht unberücksichtigt lassen dürfe. Bei allen Specialgesetzen, die seitdem erlassen wurden, hat die konservativ- klerikale Mehrheit des Landtags stets in Resolutionen dem Verlangen nach einem Volksschulgesetz auf konfessioneller Grundlage Ausdruck gegeben. Erst in aller- letzter Zeit, als die ungerechte Verteilung der Schullasten zwischen den Gutsbezirken und den Gemeinden, namentlich in Ostelbien allzukraß hervortrat, haben die Konservativen und das Centrum mit Rücksicht auf ihre Wähler erklärt, daß sie nicht mehr ein allgemeines Volksschulgesetz verlangen, sondern sich auf ein Specialgesetz über die Verteilung der Volksschullasten einlassen würden, falls in demselben zu- gleich der konfessionelle Charakter der Volksschulen, die Rechte der Eltern und Gemeinden, aufrecht erhalten und gesichert würden. Mit dieser Forderung" erklärte sich in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 29. März d. I. auch der Führer der Freikonservativen, Frhr. v. Zedlitz, und der neue Kultusminister Studt im wesentlichen einverstanden. Das bedeutet aber nichts andres, als daß thatsächlich in Form eines Finanzgesetzes alle diejenigen Materien geregelt werden sollen, deren Regelung der Zedlitzsche Entwurf vorsah. Das konfessionelle Princip soll gesichert, die Schule völlig der Kirche ausgeliefert werden. So wichtig auch eine endliche Regelung der Schulunterhaltungspflicht ist, so würde die konser- vativ-klerikale Mehrheit doch eher darauf, als aus die Verkirchlichung der Schule verzichten. Lieber kann ja die Volksschule in Preußen völlig verkümmern, als daß die frommen Herren von ihrer Forderung abweichen. Wie schwer der geplante Schlag auch die städtischen Schulen treffen würde, crgiebt sich daraus, daß der Zedlitzsche Entwurf u. a. auch, abgesehen von den konfessionellen Schulvorständen, für die Städte noch besondere Schul- deputattonen für die äußeren und für die inneren An- gelegenheiten verlangte. Von welchem Geiste besonders diese Deputationen für die inneren Angelegenheiten beseelt sein werden, läßt sich unschwer vermuten. Dies neue Attentat auf die Volksschule zeigt wieder einmal den Zusammenhang zwischen der Polittk im Reich und der in den Einzelstaaten. Das Centrum hat sich so bewilligungslusttg gezeigt, daß ihm eine Belohnung in Form der Erfüllung eines seiner ältesten Wünsche zu teil werden soll. Im Reich wird das Volk mit Hilfe des Centrums durch neue Steuern für kulturfeindliche Zwecke ausgepowert, in Preußen soll es verdummt werden. um sich für jede Politik ausbeuten zu lassen. Hoffen wir. daß es gelingt. den neuesten Streich der Reaktton abzuwehren und die Volks- schule vor der Auslieferung an die Geschorenen und Ge- scheitelten zu retten!— « Deutsches Zteich. Das Schachergeschäft. Wie das„Bureau Herold" erfahren haben will, find seitens der Reichsregicrung bereits Schritte geschehen, um wegen Gewährung der Indemnität mit dem Centrum Fühlung zu nehmen. Von feiten der Regierung wird dem Centrum die Aufhebnug des JesuitengesctzeS versprochen, wozu bereits Fürst Hohenlohe als Reichskanzler die Zustimmung der einzelnen Bundesfürsten ein- geholt habe.—_ Gegen die Junker. In einer am Mittwoch in Berlin ab- gehaltenen Versammlung, welche in sich die Vertreter der Berliner Industrie und des Berliner Handels vereinigte, ist beschlossen, zur Einleitung einer energischen Agitation für die Aufrechterhaltung der Handelsverträge und Wahrung der Handels- und industrielle» Interessen eine Versammlung von Ver- tretern der Industrie und des Handels aus ganz Deutsch- l a n d für die nächste Zeit zu berufen.— Gegen den„Kontraktbruch" ländlicher Arbetter wird seitens der Agrarier seit Jahren die Gesetzgebung angerufen. Im Reichstag können sie auf die Durchführung ihrer reaktionären Pläne nicht rechnen, sie verlegen sich deshalb mit ihrer Agitation auf die Landtage. Hier bringt man ihren Wünschen mehr Ver- ständnis entgegen; bis gesetzgeberische Maßnahmen noch nicht getroffen sind, geschieht auf dem Wege der Verwaltung das Möglichste, der„Leutenot", aber nicht der Not der Leute auf dem Lande abzuhelfen. Eine Verordnung des sächsischen Ministeriums. die kürzlich der Leipziger Amtshauptmannschaft zur Beratung vor- gelegen hat. beweist, daß in Sachse» Pläne vorhanden sind, strenge gesetzliche Maßnahmen gegen die„kontraktbrüchigen" Arbeiter zu erlassen. In dem erwähnten Ministerialerlaß wird zunächst auf den Bericht einer Amtshauptmannschaft hingewiesen, der das Vorhandensein großen Arbeitermangels auf dem Lande festgestellt habe. Einheimische Arbeits- kräfte seien fast gar nicht zu haben, Kontraktbruch des Gesindes daher an der Tagesordnung. Die einzige Hilfe für größere Güter seien infolgedessen die zahlreich aus Russisch-Polen, Rußland und Galizien einge'fiihrten ausländischen Saisonarbeiter, deren Betragen und Leistungen, wie die Amtshauptmannschaft kürzlich bei andrer Gelegenheit zu berichten hatte, im allgemeinen recht be- friedigen. Doch komme auch bei diesen Konttaktbruch nicht selten vor und sei für den Landwitt um so schmerz- sicher, als die Einführung mit ziemlichen Kosten ver- bnnden sei. Die Einführung der ausländischen Saison-Arbeiter habe auch ftir genehmigungspflichtig erklätt werden müssen, weil diese häufig die Träger von Krankheiten(Typhus, Blattern ec.) gewesen sind. Bei Etteisimg der Genehmigung, die bisher noch nicht versagt zu werden brauchte, wird, so heißt es dann wörtlich weiter, den Arbeitgebern gleichzeitig die Beschaffung ausreichender deutscher Legitimationspapiere, die Veranlassung sofortiger ärztlicher Untersuchung eventuell Impfung der Arbeiter, sowie deren rechtzeitige Heim- beförderung im Herbst aufgegeben. Was die deutschen
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