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Nr. 250.

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Vorwärts

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Berliner Volksblatt.

17. Jahrg.

Die Insertions- Gebühr beträgt für die sechsgespaltene Rolonel

geile oder deren Raum 40 Pfg., für politische und gewertschaftliche Bereins­und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Kleine Anzeigen" jedes Wort 5 Pfg. ( nur das erste Wort fett). Inferate für abbie nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in derGxpedition abgegeben werden. Die Erpcdition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet­Kernsprecher: Amt I, nr. 1508. Telegramm Adresse: " Socialdemokrat Berlin

Centralorgan der socialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2. Fernsprecher: Amt I, Nr. 1508.

Ein Geständnis.

Die Räubergeschichte ist Wahrheit, der apokryphe Brief ist echt! Die Regierung hat sich entschlossen, noch vor der Eröffnung des Reichstags Rede zu stehen. Eine Extraausgabe der ministeriellen Berliner Korrespondenz" veröffentlichte am Donnerstagmittag das folgende:

" In Nr. 245 der Leipziger Volkszeitung" vom 22. d. Mts. findet sich ein angeblich von dem Generalsekretär des Central­berbands Deutscher Industrieller" herrührendes Schreiben ab­gedruckt, an welches die Leipziger Volkszeitung" heftige Angriffe gegen das Reichsamt des Innern knüpft. Zur Klarstellung der Thatsachen wird folgendes bemerkt:

Gegenüber den zum Teil sehr tendenziösen Entstellungen in der Oeffentlichkeit erschien es weiten Kreisen, insbesondere aus der Industrie, nach der Ende Juni 1899 im Reichstag voll­zogenen ersten Lesung des Gesezentwurfs zum Schutz der Arbeitswilligen unbedingt notwendig, an der Hand des amt lichen parlamentarischen Materials des Reichs­tags die öffentliche Meinung möglichst umfangreich darüber auf­zuklären, welche Thatsachen die Einbringung dieses Gesetz­entwurfs veranlaßt hatten und welche Gründe von den Ver­tretern der Regierungen bei der Verteidigung des Gefeßentwurfs im Reichstag beigebracht worden sind. Zu diesem Zweck wurden Auszüge aus der der Begründung des Gesezentwurfs beigegebenen, das amtliche Material enthaltenden Dent schrift, sowie der stenographische Wortlaut von Neden, die bei der Verhandlung des Gesetz= im entwurfs im Reichstag von Regierungs- Ver­tretern gehalten worden waren, in zahlreichen Exemplaren provinziellen Blättern beigefügt. Auf Anregung und durch Vermittelung des Direktore im Reichsamt des Innern, Dr. v. Wödtke, hat der General­fekretär eine Summe von 12 000 M. zur Verfügung ge­stellt; diese ist zur Deckung der Druckkosten verwendet worden, die durch die Wiedergabe des obenbezeichneten amtlichen Materials entstanden sind. Ueber die Berausgabung der Summe behufs Verbreitung des bezeichneten, in den Drucksachen des Reichstags bereits nieder gelegten amtlichen Materials befitt der ge nannte Beamte urkundliche Beläge."

Die Schuld ist gestanden, wenn auch der Fall nicht völlig aufgeklärt ist. Der Brief Buecks ist vom August 1898 datiert, Herr b. Woebike datiert sein Bettelgesuch ein Jahr später. Der Sekretär des Centralverbands deutscher   Industrieller giebt seinem Untvillen über die Schnorrerei lebhaften Ausdruck, Herr v. Woedtke spricht davon, daß die Industrie die Anregung zu dieser Agitation gegeben habe.

Aber laffen wir einstiveilen diese kritischen Ausstellungen auf sich beruhen, setzen wir die Zuverlässigkeit dieser amtlichen Angaben vor­aus. Welcher Thatbestand ist, unter dieser Annahme, zugegeben?

Freitag, den 26. Oftober 1900.

Expedition: SW. 19, Bently- Straße 3. Fernsprecher: Amt I, Nr. 5121.

und verlogenste Zeug der Denkschrift in feiner Auslese zusammen- b. Woedtke nicht längst aus Gesundheitsrücksichten seine Entlassung stellten, jene Sudeleien, mit denen seit dem Juli 1899 das Reich erbeten und erhalten hat. überschwemmt wurde.

Am 16. Juli 1899 schrieb der Vorwärts" über diese gelben Sefte" das Folgende:

Aber Herr v. Woedtke hat nicht als Privatmann gehandelt und nicht für Privatzwecke. Also hat er als Beauftragter des Reichsamts des Innern gehandelt. Der Vorwurf der Korruption trifft nicht Ronnte man annehmen, daß die Hersteller der Denkschrift in den Einzelnen, sondern das Ministerium selbst. Die Flugblätter gutem Glauben gehandelt haben und nur aus Ungeschid und und gelben Hefte find in Millionen von Exemplaren verbreitet kritischer Unfähigkeit all die wüsten Geschichten urteilslos zu worden. Das hat der verantwortliche Leiter des Auswärtigen Amts sammenstoppelten, so handeln nachdem die Haltlosigkeit gewußt, er hat auch über die Herkunft der Mittel Bescheid wissen des Materials nachgewiesen- die Verbreiter der gelben müssen. Herr v. Woedtke ist nur ein Untergebener des Grafen Posa­Sefte" wider besseres Wissen. Sie haben es nicht einmal bowsky dieser ist der Schuldige, jener ist nur der Beihilfe für nötig gehalten, die gröbsten Inwahrheiten herauszustreichen.

Es wird sich zeigen, ob Graf Bosadowsky sein Amt so fest.

M

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Von größtem Intereffe aber ist, wer eigentlich diese demorali- anzuflagen. fierende Agitation treibt. Es müssen sehr erhebliche Geldmittel zur Verfügung stehen. Wer bringt sie auf? Der Welfenfonds, umflammert, daß man sich im Reichstag noch bei ihm persönlich die Quelle aller Korruption in Zeitalter Bismards, existiert doch erkundigen kann, welche Summe er von dem Bund der Landwirte angeblich nicht mehr. Die private Wohlthätigkeit" ist für solche gewünscht und erlangt habe, um im Interesse des Volts füc Zwecke nicht zu haben. Wer steckt also dahinter? einen 10 Mart Zoll zu agitieren; daß man ihn fragen darf, Flugblätter und gelbe Hefte" erscheinen im Verlage der wieviel die Agitation für das Fleischsperr Gesetz gekostet habe; daß Schriftenvertriebs- Anstalt, G. m. b. H. SW., 13". Gesellschafter man überhaupt bei jedem fünftigen reaktionären Gesetz an ihn, den dieses Verlags find: großen Agitator für unparteilich gleiches Recht, sich mit der Er­fundigung nach den Werbespesen zu wenden vermag. So ist Graf Posadowsky in der That für uns unentbehrlich als der Erfahrene in den Mysterien der Politit, der allein im stande ist, unsre Wiß­begier vollständig zu befriedigen: was tosten die auf Privat: bestellung gearbeiteten Geseze?-

a) Christlicher Zeitschriften Verein zu Berlin  , Alte Jakobsir. 129,

b) Geheimer Ober- Regierungsrat Dr. Philipp Schwarzkopff, Genthinerstr. 15,

c) Graf Dr. Scholto Douglas, Bendlerstr. 15, d) Prediger Ernst Rudolf Hülle, Eichhornstr. 9, e) Geschäftsführer der Gesellschaft ist: ille. Gesellschafter des zu a) aufgeführten christlichen Zeitschriften

vereins find:

zu 1. Geheimer Regierungsrat Philipp Schwarzkopff 3"

Berlin  ,

2. Professor Adolf Lasson   zu Friedenau  ,

3. Prediger Ernst Rudolf Hülle,

4. Prediger Hans Noune zu Berlin  ,

5. Staufmann Wilhelm Fahrenhorst in Schöneberg  , 6. Rentier Friedrich Vetter in Friedenau.

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Aber die Angelegenheit greift über den Herrn Woedtke, über den Grafen Posadowsty, über das Reichsamt des Innern hinaus. Wer bürgt dafür, daß in den andren Ressorts nicht auch jenes innige Bar- Verhältnis zwischen der Regierung und den Interessenten des

Kapitals bestünde.

Die Gesamtpolitik des herrschenden Systems dient dem Nutzen der befigenden Klasse. Warum sollten da nicht überall auch sicht­bare Leitungsdrähte von den Bureaus der Industriellen, den Schlössern der Feudalen und den Palästen der Banken in die Ministerien führen!

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Unter den Namen find einzelne wohlbekannte: Da ist Herr Hülle, dessen Erzeugnisse sogar nach dem Zugeständnis des Grafen Posadowsty nicht immer mit der Wahrheit vereinbar sind. Ob Herr Hülle die spanische Wand repräsentiert, Die tonservativ- agrarische Presse, die gestern noch von Mystifi­hinter der die Geldgeber stehen, die nicht fationen, von abenteuerlichen Geschichten, von unreinlichen Publi­vor der Oeffentlichkeit entblößt au werden tationen, auf die man nicht zu antworten brauche, sprach, die also die wünschen, wiffen wir nicht. Graf Scholto Douglas ist im Bued  - Briefe angedeuteten Thatsachen für eine Ungeheuerlichkeit ein schwerreicher Mann. Professor Lasson ist Dozeut an der hielt erklärt jetzt, nachdem das Bergehen amtlich eingestanden, Universität, ein alter Hegelianer, in dessen Vorlesungen viel die Sache sei ja gar nicht so schlimm. Die Stölnische Zeitung" gelacht wird. hatte es für selbstverständlich ausgeschloffen" erklärt, daß die Ne­gierung sich von einer Interessentengruppe für die Vorbereitung irgend eines Gefeßentwurfs bezahlen läßt." Nun wird plöglich das selbst­verständlich Ausgeschlossene" als etwas ganz harmloses hingestellt. Die Kreuz- Zeitung  " findet jest gar nichts babei. Sie er läutert an fiftiven Beispielen, wie unschuldig solch ein Verfahren sei. Warum hätte Herr v. Thielen nicht von den Sammelvereinen Agitationsgelder beziehen sollen. Auch tönne man supponieren, es feien dem Reichs- Marineamt in seinem von so glücklichem Erfolg bes gleiteten Kampf um die Flotte" auch andre als die spärlichen Mittel des Dispositionsfonds zur Verfügung gestellt worden." Nachdem das Blatt so seine übrigens durchaus berechtigten-- Bosheiten fupponiert" hat, schreibt es:

Wir nehmen an, daß der Mehrzahl der Herren der Inhalt der Produkte nicht bekannt ist, für die sie Geld und Namen hergeben. Man hat sie dazu veranlaßt, sich an der Sache zu be­telligent.

Sie haben Geld bazu gegeben, eignes oder frembes, und fümmern sich im übrigen nicht darum, wozit es verwertet wird. Staum einem würde es angenehm sein, die Hülleschen Flugblätter und die gelben Hefte" mit eigner Person zu decken. Um so dringender wird die Frage: Wer steckt dahinter, materiell und geistig?

Es riecht nach Welfenfonds!"-

Wir hatten dann noch in einer späteren Nummer ben Nachweis geführt, daß einer dieser nominellen Geldgeber kein Gelb haben tönne oder dürfe", nämlich der Herr Fahrenhorst, der ein bestrafter Bankrotteur ist, und wir hatten hinzugefügt:

Wenn Wilhelm Fahrenhorst feine Schuld... mumehr als Gesellschafter eines Staatsrettungsgeschäfts in Gemeinschaft mit Predigern, Grafen  , Professoren und Ober- Regierungsräten zu ent fühnen fucht, so haben wir nichts dagegen. Aber Geld fann er nicht für die heilige Sache beitragen. Wenigstens würde er es, wenn er es besäße, wohl zweckmäßiger für Bezahlung seiner Schulden als zum Schuße der Arbeitswilligen verwenden.

Also: woher stammen die Agitationsmittel für die gelben Sefte?"

Die Regierung hat in Wirklichkeit von einer privaten Inter effentenvereinigung Geld genommen, um für einen Gesetzentwurf zu agitieren, dessen Unparteilichkeit gleiche Verteilung von Licht und Schatten die Regierungsvertreter feierlich im Reichstag beteuerten. Dem Reichstag fuchten die Bosadowsky und Woedtte im Juni 1899 einzureden, daß die Zuchthausvorlage die Interessen ber Unternehmer und Arbeiter gleichermaßen wahrnehme. ATB aber dann der Reichstag   auseinander ging, nachdem er in feiner großen Mehrheit ein vernichtenbes Urteil über die Dred geburt der Scharfmacherei gefprochen, da gaben die Herren die Heuchelei der Objektivität auf und sie wandten sich mit ihrem Geldanliegen an diejenigen Kreise, für die sie das Gesetz gemacht hatten. Diese Bettelei bei Bueck ist der unumstößliche Beweis, daß die verantwortlichen Urheber des Gesetzes, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen, für sich selbst völlig davon überzeugt waren, daß sie nur als Handlanger der Großindustrie wirkten. Sie waren nicht nur die Commis des Unternehmertums, fie fühlten sich auch als Commis, und darum stellte das Reichsamt des Jumern" das etwas eigentümliche Verlangen" gerade an Herrn Bueck. Wenn die Ver­treter der Regierung im Reichstag anders gesprochen haben, wenn fie überströmten von Wohlwollen für die Arbeiter, so haben sie So agitiert man im frommen, ehrlichen Deutschen Reich, und wiber befferes wissen diese Stomödie gespielt. Innerlich so bezahlt man die Agitation! Der Geruch ist atemberaubend. wußten fie ganz genau, daß sie nur die rohen Geschäftsinteressen Die Rätsel des Bued  - Briefes find nicht bis zur durchsichtigen des wildesten kapitalistischen   Klüngels vertreten. So endete das glor- Klarheit gelöst. Wir aber können uns vorläufig begnügen, die reiche Zeitalter ber tonservativen Socialreform damit, daß die Negie- Folgerungen aus dem zu ziehen, was bis jest eingestanden ist. rung bei den schlimmsten Feinden der Arbeiterschaft hausterte, um Wir kennen die Schuld, es handelt sich nun noch um die Schul­12 000 M. aur Agitation für ein Arbeitervernichtungsgesetz zu erbigen.

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Heute hat die Regierung die Frage selbst beantwortet. Der Welfenfondsgeruch, den wir witterten, war teine Täuschung. Die Mittel stammten aus dem Reichsamt des Innern, das feinerseits seine Autorität und seinen Einfluß dazu benugt hat, um den Centralverband der Scharfmacher zur Hergabe etlicher tausend Mart zu pressen.

betteln. Die Regierung der Socialreform, die Hand öffnend für Sätte sich, wie wir zu Gunsten des Reichsamts des Innern die wiberivillig gezahlten Trinkgelder einer fanatischen Relique von anzunehmen geneigt waren, wirklich irgend ein Beamter des Reichs Despoten des Kapitals das ist die Schlußapotheose der amts durch die 12 000 m. bestechen lassen, um auf Hintertreppen grandiosen Aera der socialen Fürsorge. Und dieses Gruppen- persönliche Einflüsse geltend zu machen, so wäre das zwar ein Bei­bild des jämmerlich lächerlichen Zusammenbruchs ist in trag zur Geschichte unsrer Regierungsmethoden, aber die leitenden einer photographischen Aufnahme festgehalten, gegen deren Treue Männer des Reichsamts wären in dem Augenblic entlastet gewesen, tein Ausreden und kein kein Ableugnen hilft. Als selbst der wo sie den Schuldigen preisgaben. Nach dem amtlichen Geständnis Reichstag sich zu einer Kriegserklärung gegen die Scharfmacherei aber liegt der Fall für die maßgebenden Personen verzweifelt. Der aufraffte, da flüchtete die Regierung der chriftlich- monarchischen Direktor des Reichs- Versicherungsamts, also derjenigen Behörde, die Arbeiterfürsorge zu dem edlen Herrn Bued   und vergewaltigte den in erster Linie berufen ist, bie Interessen der Arbeiter zu wahren- Widerstrebenden um 12 000 bare Mark damit diese Summe der Herr v. Woedtke selbst tritt auf den Plan und erklärt, er sei es ge Vorlage des Zuchthauses trop Bolt und Neeichstag zum Siege wesen, der von der Industrie Gelder erbettelt habe, um gegen die verhülfe. Arbeiterbestrebungen eine Agitation au entfesseln. Herr b. Woebtte Und welche Art Agitation hat die Negierung für diefe von den hat damit seine Fähigkeit bewiesen, im Centralverband der Industriellen Interessenten ergatterten nach dem eignen Geständnis der An- als Soldschreiber angestellt zu werden. Als Beamter ist er nur noch ein Mann, den man nach den geklagten vollflhrt? Bezahlt find nach Herrn v. Woedtle mit den Trinkgeldern der Industrie jene Flugblätter mit den Buchthaus- Quittungen für die 12 000 Mart fragt. Es ist merkwürdig, daß in reden der Regierungsvertreter und jene gelben Hefte", die das düimmste einem so reinlichen Staatswesen, wie es das deutsche sein soll, Herr

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Uns fam es nur darauf an, darauf hinzuweisen, daß der Vorgang im Reichsamt des Junern, wie er sich nunmehr darstellt, wirklich nicht zu einem folchen Sturme sittlicher Entrüstung Anlaß giebt, noch weniger aber zu dem Rufe: Fort mit dem Grafen Posadowsty! Das ist, Ma che"; echt liberale Mache", weiter nichts und, so dünkt uns, nicht einmal fluge Mache. Wir sind überzeugt: der blinde Eifer wird auch diesmal sein Biel nicht erreichen, sondern sich selbst nur schaden!"

Mit der Beurteilung der liberalen Mache hat ja das fonfer vative Blatt freilich so unrecht nicht. Damit wird aber die Sache nicht entschuldigt, daß man an die Heuchelei liberaler Entrüstung er­immert. Für die ganze tonservative und agrarische Bresse   wird aber die ganze Angelegenheit ausschließlich zu einer Rettungsaktion für den bedrängten Grafen Posadowsty.

Die ,, Poft" meint in diesem Sinn, der Brief fei jetzt ver­öffentlicht worden, um den Grafen Posadowsky zu stürzen:

"

Es ist ja tein Geheimnis, daß gewisse Streife der von dem Grafen Posadowsky   verfolgten Handelspolitik äußerst⚫ feindlich gegenüberstehen und daß sich in diesen Kreisen wohl die irrtümliche Meinung festgesezt hat, man werde die ganze Schutzzollpolitik vereiteln, wenn man ihren Leiter zum Rücktritt nötige. Wir glauben jedoch, daß diefe Meinung sich als eine durchaus irrtümliche erweisen wird; denn Graf v. Bülow dürfte grade jezt, wo er selbst die schwere Birde des Reichskanzler tums übernommen hat, ant wenigsten geneigt sein, auf die weitere Thätigkeit einer so bewährten Kraft, wie die des Grafen Posadowsky, zu verzichten."

Die Deutsche Tageszeitung" muß gar im Jnteresse des Bunds der Landwirte die Entdeckung machen, schuldig sei eigentlich mur Herr Bued  ; denn ihn vermutet das Blatt als den Urheber der Jutrigue":

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Die Frage, ob Herr Dr. v. Woedtke flug und pflichtmäßig gehandelt habe, wollen wir nicht erörtern. Wir können sein Ver­fahren grundfäßlich nicht billigen. Wer aber den Herrn kennt, der wird uns zustimmen, wenn wir sagen, daß er gewiß ber Ueberzeugung gewesen ist, pflichtgemäß gehandelt zu haben. Das Vorgehen des Herrn Bued erscheint uns jedoch keinesfalls einwandfrei. Wenn er die Ansprüche, die durch Herrn v. Woedtke thm nahe gebracht wurdent, für eigentümlich und bedenklich hielt, dann mußte er sie zurückweisen. Sielt er sie aber für unbedent lich und fachlich gerechtfertigt, bain war es notwendig, bolle Diskretion zu üben. Daß der Sturz des Staatssekretärs der Zweck der Veröffentlichung war, haben wir gestern als unsre feste Ueberzeugung bereits ausgesprochen.. Nicht wir haben ein Interesse, den Staatssekretär zu halten, sondern dieses Interesse hat jeder, der die Handelsvertragsfrage bald und glücklich lösen will, bor allen Dingen der Reichskanzler selbst. Wenn wir die Angelegenheit eingehender behandelt haben, so geschah es, weil es von allgemeinem Intereffe ist, in die Schlupfivintet der Intrigue zu