Einzelbild herunterladen
 

0t. 253. 17. I-htMK. 2. Keilllgt Kommunsles. In einer Versammlung hiesiger Gemcinde-Waisenrate wurde vom Gemeinde-Waisenrat 30-A. mit Bedauern konstatiert, daß dem Waisenrat jetzt das Interesse für die Halbwaisen schwinde, so daß er von deren Dasein oft nichts mehr erfahre, da die Ueber- Weisung durch das Amtsgericht fehle. Der Waisenrat könne nun diesen Kindern, die oft bei ihren Müttern in kümmerlichen Ver- Hältnissen leben, mit den privaten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, nicht mehr helfen. Der Vorsitzende riet den Waisen- raten, um diesem Uebelstande abzuhelfen, möglichst den bestehenden Wohlfahrtsvereinigungen beizutreten, um auf diese Weise Kenntnis zu erlangen von denjenigen armen Familien, die ihrer Aufsicht nicht unterstellt sind. Ferner wurde darauf hin- gewiesen, daß der Z 167ö des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Waisen- rat kein Recht gebe, im Falle der Beistandschaft wider Willen der Familie in eine Wohnung einzudringen, um die Verhältnisse zu er- forschen, so lange der Vater oder die Mutter im Besitz der elter - lichen Gewalt über die Kinder sind. Bürgermeister Brink- mann ersuchte die Waisenräte, den Besuch einer Familie dennoch nicht zu scheuen, auch wenn dem Vater oder der Mutter das Er- ziehungsrecht noch nicht entzogen sei. Naftslles. Also doch! Eine Ueberfüllung der städtischen Kranken- Häuser besteht nicht, so antlvortete man zu Anfang dieses Jahrs vom Magistratstische aus, als Stadtverordnete derNeuen Linken " und unsre Vertreter imRoten Hause" wegen der beunruhigenden Nachrichten interpellierten, von denen damals alle Zeitungen voll waren.Es sind noch eine ganze Reihe von Betten frei",es ist kein Mangel an Betten vorhanden", so verkündete stolz Herr Stadtrat Bail und er deutete zugleich an, daß die entgegengesetzten Mitteilungen der Presse auf böswillige Ausstreuungen von Interessenten zurückzuführen seien. Was der Herr Stadtrat mit dieser Andeutung sagen wollte. davon hatte zwar kein Mensch eine Ahnung, aber trotzdem genügten die gegebenen Aufklärungen derNeuen Linken " im großen und ganzen" und schließlich hielten nur unsre Vertreter hartnäckig daran fest, daß schon zur Zeit eine Ueberfüllung der städttschen Krankenhäuser bestehen, und daß daher Abhilfe not- wendig sei. Zu den damaligen Aeußerungen des Magisttatsvertreters steht nun einigermaßen im Widerspruch die Begründung einer Vorlage, welche unterm IS. Oktober ISOV derMagistrat hiesiger königlicher Haupt- und Residenzstadt, gez. Kirschner" der Stadtverordneten- Versammlung übersendet. Es wird in dieser Vorlage eine sofortige Erhöhung der Bettenzahl in den städtischen Siechenanstaltcn und zu diesem Zwecke eine Umwandlung von Aufenthaltsräumen in Schlaf- sälen gefordert; zur Begründung heißt es u. a.: Eine weitere erhebliche Zunahnie unsrer Anstaltsbevölkcrung ist bei der Ueberfüllung aller städtischen An- stalten s Krankenhäuser, Obdach, Arbeits-Hospital), aus denen Verlegungen in unsre Anstalten stattfinden, mit Sicher- heit zu erwarten." Die Krankenhäuser werden hier also unter den über- füllten städtischen Anstalten sogar an erster Stelle genannt. Wer hat denn nun eigentlich recht: der Magistratsvertreter, Herr Stadtrat Bail, oder der Magistrat, gez. K i r s ch n e r? Nach sonstigen Erfahrungen wird man doch wohl gut thun, sicki auf die Seite des letzteren, als desRangältesten" zu schlagen. Es bleibt dann aber doch bedauerlich, daß Herr Oberbürgermeister K i r s ch n e r in jener anfangs erwähnten Stadtverordnetensitzung nicht anwesend war. Sonst hätten doch wohl unsre Genossen an ihm einen Rückhalt gefunden. Interessant ist ferner, daß in dieser Vorlage auch dasstädtische Obdach" als überfüllt bezeichnet wird. Vor wenigen Tagen noch ,IaS man" in den magistrats-offiziösen Mitteilungen nochanders". In eigner Regie will die F e u e r w e h r den wegen Raum- mangels notwendig gewordenen Umbau der Feuerwache in der Mauerstraße ausführen. Die städtische Baudeputation hat sich einverstanden damit erklärt, weil, wie es in der bezüglichen Magisttatsvorlage heißt,ein Teil der Arbeiten vom Personal der Feuerwehr erheblich billiger ausgeführt werden kann als von fremden Unternehmern". Der Feuerivehrdirettion stehen in den Mannschaften zahlreiche gelernte Bauarbeiter zur Verfügung. Die Ausführung des geplanten Umbaus durch die Feuerwehr selber hat aber daS eine Ueble, daß die Feuerwehrmannschaften dabei den berufsmäßigen Bauarbeitern, die nur von der Bauarbeit leben müssen, das Brot entziehen. Interessant wäre es, zu wifien, ob die Bauarbeiten von den Mannschaften in den Dienststunden oder in ihrer freien Zeit ausgeführt werden sollen, ob die Mannschaften auch in dem ersteren Falle eine Vergütung dafür erhalten sollen, und wie hoch sich die ihnen zu zahlende Vergütung belaufen soll. Die Ausführung von Bauarbeiten ist unter allen Umständen billiger, wenn sie nicht durch einen Unternehmer, sondern in eigner Regie erfolgt. Wenn aber die Billigkeit des UmbauS der Feuerwache in der Mauerstraße etwa zum Teil auch darauf zurück- zuführen sein sollte, daß die Arbeitskraft der Feuerivehrmannschaften in unzulässiger Weise und ohne ein den ortsüblichen Löhnen voll entsprechendes Entgelt ausgenutzt wird, dann könnten wir uns für diesen Regiebau nicht begeistern. Neues von der Firma Stephans Erben! Uns wird ge- schrieben: Die Berliner Ober- Postdireknon hat kürzlich eine Ver- fügung an sämtliche Postamtsvorsteher erlassen, in welcher sie diesen anbefiehlt, die Dienststundenpläne der Unterbeamten dahingehend zu revidieren, daß jeder Unterbeamte, gleichviel, ob seine Diensrobliegen- heilen schwierigere seien oder nicht, genau 66 Dien st st unden pro Woche machen muß l Bisher war es bei der Aufstellung der Stundenpläne den einzelnen Amtsvorstehern überlassen, bei einigen besonders schwierigen oder verantwortlichen Dienstarten den betreffenden Unterbeamten einige Stunden pro Woche weniger vor- zuschreiben, d. h. bis zum Minimalsatz von 60 Stunden hinabzugehen. Obwohl es bei den meist noch in den Anschauungen Stephan-Fischer aufgewachsenen Vorstehern selten zu dem Minimalsatz kam, diese Herren im Gegenteil meist eine ausgeprägte Vorliebe für den Maximalsatz zeigten, so werden doch immerhin eine größere Anzahl von Unterbeamten von dieser Verfügung betroffen. So u. a. die- jenigen, die in Dienststellen beschäftigt sind, wo man bisher aus- schließlich P o st s e k r e t ä r e und Assistenten verwandte und jetzt aus Sparsamkeit Unterbeamte, die den notwendigen Grad von Intelligenz besitzen, beschäftigt. Diese, in letzter Zeit zahlreich geschaffene Klaffe von Unterbeamten, welche zum Teil in sehr verantwortlichen Stellen verwendet werden, sind natürlich von dieser von oben be- fohlenenallgemeinen Gleichheit" wenig erbaut. Dieser Kategorie von Postuntcrbeamten gegenüber, durch deren Schaffung die Post- Verwaltung doch so schon Riesensummen erspart, nimmt sich die Er- höhuna der Minimalzahl der Dienststunden besonders nobel aus, so nobel,' daß diese Maßregel den Neid der Großen Berliner Straßen- bahn erwecken muß. KsDmiills" Unsre altehrwürdigen Droschken zweiter Klaffe werden wohl in nicht zu ferner Zukunft gänzlich von der Bildfläche ver- schwinden. Auch im dritten Quartal dieses Jahres ist wiederum ein rapider Rückgang zu verzeichnen. Während in dem gedachten Zeit- räum nur eine Droschke zweiter Klasse zur Neueinstellung gelangte, sind deren 66 für immer außer Betrieb gesetzt worden. Der gesamte Bestand betrug Ende September allerdings immer noch 1338, doch steht dieser sehr erheblich zurück gegen die 6617 Droschken erster Klasse von denen wiederum S828 Droschken mit Fahrpreisanzeiger waren. Auch das Verhältnis des Zu- und Abgangs ist bei den Droschken erster Klasse ein weitaus günstigeres, als bei den Droschken zweiter Klasse. Während S2 Droschken 1. Klaffe neu ein­gestellt wurden, sind nur 31 dem öffentlichen Betriebe für immer entzogen worden. Der Zugang der Droschken 1. Klasse beträgt demnach 61, während der Abgang der Droschken 2. Klasse 6S be­trägt, den ersteren somit noch um 4 übersteigt. Die Zahl der Gepäck- droschken hat keine Vermehrung erfahren. Die Gesamtzahl der im Betrieb befindlichen Droschken betrug am Schlüsse des dritten Quartals 8107. Die Gesamtzahl der Omnibusse ist im dritten Quartal von 646 auf 6S8 gestiegen, die Zahl der Thorwagen ist von 210 auf 204 zurückgegangen, während die Gesamtzahl der Straßenbahnwagen wiederum von 2637 auf 2737 gestiegen ist. Die Gesamtzahl der öffentlichen Fuhrwerke ist von 11 636 auf 11 706 angewachsen. In der Verlegenheit darüber, daß sie in der blamablen 12 000 Mark-Affaire nicht Rede und Antwort stehen können, kommen die Offiziösen mit allerhand nebensächlichem Geschwätz. So hackt S ch w e in bu rg auf eine am Sonntag von uns gebrachte Lokal- notiz herum, in der konstatiert wird, daß viele Arbeiter in der An- nähme, daß sie ein 300 M. übersteigendes Einkommen haben, von der Behörde jetzt scharf zur Steuer herangezogen werden. Der Schweinburg konstruiert die Fiktion der Steuer- behörde zur uiiumstößlichen Wahrheit und tischt daraus mit einem Blinzeln nach den Scharfmachern und deren Kommis hin die neueThatsache" auf, daß sich der Arbeitsverdienst gehoben und die Arbeiter erfreulicham Aufschwünge des Erwerbs- lebens teilgenommen haben" gerade als ob die Arbeiter das bißchen Mehrverdienst, das sie hier und da im heißen Kampfe mit dem Unternehmertum errungen haben mögen, nicht doppelt und dreifach durch den Wohnungs- und Lebens- mittel- Wucher wieder eingebüßt hätten! Hieran hat der Schweinburg aber noch nicht genug. Auf die bisher aus den Fingern gesogenen Thatsachen wird die weitere gestützt, daß wir für die zum Steuerzahlen verpflichteten Arbeiter das Privileg des Nichtzahlens forderten. Diese dumme Unterschiebung ist wohl nur ein Produkt der Rache dafür, daß wir vor kurzem uns die offiziell bekannt gegebenen Steuer« Hinterziehungen schiverreicher Industrieller ein wenig bei Licht angesehen haben: das ganze schwindelhafte Jonglieren mit Fiktionen und Konstruktionen läßt sich aber wohl kaum anders als aus der Verlegenheit über das von der Socialdemokratie aufgedeckte Panama erklären. Unter normalen Umständen wäre es selbst bei Offiziösen unentschuldbar. In den IS Schulkreisen Berlins werden, nach der am 1. Oktober dieses Jahrs in Kraft getretenen Neu-Einteilung. künftig die folgenden Herren als Stadt- Schulinspektoren thätig sein: Kreis I Dr. Fischer, II Dr. Lorenz. III Haase, IV Stier, V Dr. Pohle, VI Dr. Kante, VII Gäding, VIII Stubbe, IX Dr. v. Gizycki, X Dr. Zwick. XI Dr. Wulf, XII Dr. Jonas. Neu gewählt sind die Herren Gaeding und Dr. Wulf. In 10 Schulkreise war Berlin am 1. Oktober 1832 eingeteilt worden, in 8 Schulkreisc am 1. Oktober 1881, in 6 Schulkreise am 1. Oktober 1377. Vor 1877 gab es in Berlin keine Stadt-Schulinspektorcn und keine Einteilung des Stadt- gebiets in Schulkreise. Die deutsche Gesellschaft für VolkSbäder hielt Sonnabend- abend im Saale des kaiserlichen Gesundheitsamts ihre erste Haupt- Versammlung ab. Die Gesellschaft hat u. a. eine Enquete über den jetzigen Stand des Volksbadewesens in Deutschland veranstaltet. Es wurden im ganzen 2318 Warmbade-Austalten ermittelt, das ist eine auf 18 000 Einwohner. Von diesen Bade-Anstalteii waren 473 in Kommunalbesitz, 426 wurden von gemeinnützigen Vereinen u. dgl. betrieben, 2013 waren in Privatbesitz . In 261 Anstalten befanden sich Schwimmbassins, die Zähl der vorhandenen Badewannen betrug 13 268, die der vorhandenen Brausezellen 7343. Die Anstalten ver- teilten sich auf 1660 Orte. 721 deutsche Orte mit mehr als 3000 Einwohnern besitzen zur Zeit noch keine Warmbade-Anstalt. DaS Gerücht von einem Morde knüpfte sich an die That- fache, daß am Sonntag früh die Leiche eines vierzigjährigen MannS in den Laubenkolonien an der Ecke der See- und Hennigsdorfer st raße, da wo die sogen. Rehberge beginnen, in nächster Nähe des Kaiser Friedrich- Krankenhauses rn der Reinickendorferstraße, von Bewohnern der Henuigsdorferstraße ge- funden wurde. Die Kleider waren in Unordnung und an der Stirn zeigte sich eine Beule. In der Annahme, daß ein Ver- brechen nicht ausgeschlossen sei, wurde die Kriminalpolizei be- nachrichttgt. Von einem Arzt wurde dann begutachtet, daß vielleicht ein Mord vorliegen, daß der Mann aber auch an einem Schlaganfall gestorben sein könnte. Mit Sicherheit würde die Todesursache durch die gerichtsärztliche Oeffnung der Leiche, die heute nach- mittag stattfinden soll, festgestellt werden können. Von Arbeitern wurde die Leiche als die des Steinsetzers G u st a v H o f f m a n n aus Reinickendorf , Gesellschaftsstraße 3, erkannt. Auch die Ehefrau, Schwiegermutter und sonstigen Verwandten des Hoffmann wollten ihn in dem Toten wiedererkennen. Die Kriminalpolizei erließ deshalb schon am Sonntag eine Bekanntmachung an den Anschlagsäulen, worin 1000 M. Belohnung ausgesetzt wurden für den Fall, daß Hoffmann das Opfer eines Verbrechens geworden sei, und diese Belohnung dem zugesichert wird, durch dessen Ver- Mittelung der Thäter wird ermittelt werden. Die Nachforschungen der Kriminalpolizei ergaben, daß in der Nacht zum Sonntag in der Müllerstraße an der Dankeskirche und an der Ecke der Lindowerstraße Schlägereien stattgefunden haben und an der Dankeskirche ein Arbeiter um seine Barschaft beraubt worden ist. Es wurde mit der Möglichkeit gerechnet, daß Hoffmann in diese Schlägerei verwickelt worden sein könnte. Nachdem auch noch fest« gestellt ivorden war, daß Hoffmann, ein verwahrloster und arbeits- scheuer Mensch, sich von seiner Frau, die schon einmal in Dalldorf geweilt hat, ernähren ließ, so konnte ein Raubmord aber um so mehr als möglich angenommen werden, als weder bares Geld noch Wertsachen bei der Leiche vorgefunden wurden. Die letzten Er- mittlungen haben dann ergeben, daß die Schlägereien und die Fledderei an der Dankeskirche mit dem Leichenfund nicht in Ver- dindung gebracht werden können und daß der Tote nicht der Stein- scher Hoffmann ist. Dieser wurde vielmehr im Gefängnis er- mittclt und ist dort inzwischen von seiner Frau und Verwandten besucht worden. Alle hatten sich bei der Feststellung der aufgefundenen Leiche geirrt, und die Persönlichkeit ist daher bis jetzt noch nicht erkannt worden. Alle Versuche zur Feststellung der Person des Toten waren auch bis gestern ohne Erfolg. Die Leiche ist mittlerweile photographiert worden, und es sollen! vorausgesetzt, daß die gerichtsärztliche Oeffnung den Verdacht, daß ein gewaltsamer Tod vorliegt, bestärkt, die Photographien veröffentlicht werden. Auch wird die erste Bekanntmachung der Polizei in diesem Fall noch durch eine andre ersetzt werden. Um emer Verdunkelung des That« bestandS vorzubeugen, ist die Stelle, wo die Leiche gefunden wurde. polizeilich abgesperrt, und find mehrere Personen, die sich verdächttg gemacht haben, in Gewahrsam behalten worden. Werker wird berichtet: Der Leichenfund in der Laubenkolonie ist durch die Obduttion, die die Gerichtsärzte Dr. Putzke und Dr. Störmer gestern nachmittag ausführten, dahin aufgeNärt Dienstag» 30. Oktober 1900. worden, daß kein Verbrechen, weder Mord noch Totschlag, sondern ein natürlicher Tod vorliegt. Der Mann ist an einer Lungen- entzündung gestorben. Die Verletzung an der Stirn und einige andre wenige bedeutende Wunden muß er sich im Fallen zugezogen haben. Als Todesursache kommen sie weder unmittelbar noch mittel- bar in Betracht. Die Masern im Obbach . Mit erneuter Gewalt sind die Masern unter den Kleinen der im Städtischen Obdach untergebrachten Familien ausgebrochen. Nachdem es bereits den Anschein gehabt, als wäre die Gefahr vorüber und die Epidemie im Verlöschen be- griffen, hat sie gestern acht neue Opfer gefordert; zwei Kinder war man genötigt, in das Krankenhaus zu bringen. Zur Wohnungsnot. Als ein Beweis dafür, wie schwer es zur Zeit hält, kleinere Wohnungen zu erhalten, kann der Umstand gelten, daß es einem Schutzmann bei bestem Willen nicht gelungen ist, für sich und seine Frau und Kinder eine Wohnung zu finden. Nachdem er seine alte Wohnung hat räumen müssen, blieb ihm nichts andres übrig, als seine Wirt- schaft in das städtische Obdach zu' bringen; daß nicht auch die einzelnen Familien- Mitglieder dort Unterkommen suchen mußten, ist nur dem Umstände zuzuschreiben, daß Verwandte sie bei sich aufgenommen haben. Wenn man bedenkt, daß der Wohnungsgeldzuschuß, den die Schutzleute seit Jahrzehnten be- kommen, nur 240 M. beträgt, und sie bei den jetzigen Wohnungs- preisen das Doppelte aufwenden müssen, um einigermaße» gut unterzukommen, dann wird man verstehen, wie schwer auch die Unterbeamten-Klasse unter der herrschenden Krisis zu leiden hat. Der Beamte hat seinem Vorgesetzten von dem Vorkommnis pflichtschuldig Meldung gemacht und das Polizeipräsidium beschäftigt sich jetzt mit der Sache. DieGroße". Eine Panik auf der Straßenbahn entstand gestern abend um 8 Uhr durch Herabfallen eines Drahts der Ober- leitung vor dem Hause Weinmeifterstraße 2. Bevor der Turmwagen kam und den Schaden wieder ausbesserte, befestigte man den Draht provisorisch an dem genannten Hause. Als nun der Wagen Nr. 1478 vom Alexauderplatz her kam, fiel der Draht auf ihn. Sofort war der Wagen äußerlich und innerlich in Flammen eingehüllt. Die In- fassen stürzten laut schreiend hinaus und es ist fast ein Wunder, daß niemand dabei zu Schaden kam. Die Verkehrsstörung dauerte eine halbe Stunde. Die Wagenburg, die sich ansammelte, reichte bis zum Alexanderplatz . Harmloses. Der ehemalige Lieutenant v. Kröcher, der zweite Hauptangeklagte imHarmlosen-Prozeß", hat seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Schwindt, aus dem Auslande die schriftliche Mit- teilung zugehen lassen, daß er sich zu der ani 13. November d. I. beginnenden Hauptverhandlung in der zweiten Auflage stellen wird. Mit 500 M. durchgebrannt ist am Sonnabend der 24 Jahre alte Schreiber Oskar Müller, der hier in Berlin in einem großen Steinmetzgeschäft angestellt war. Müller, der einen lockeren Lebcnslvandel fiihrte, ist. ohne daß sein Arbeitgeber davon lvutzte, bereits vorbestraft worden. Er wußte, daß der Geschäftsbote mit zwei Gcldbriefen zur Post geschickt wurde, um sie einschreiben zu lassen. Der eine Brief enthielt 14 000 M. und sollte nach Breslau gehen, der andre, der 2600 M. barg, war an einen Geschäftsmann in Jauer gerichtet. Müller hatte sich nun zwei andre Briefe zurecht gemacht und mit denselben Adressen versehen, die mit dem Siegel und dem Stempel des Steinmetzgeschäfts bedruckten Umschläge aber lediglich mit Geschästsreklamen gefüllt. Mit diesen Briefen in der Hand nun faßte er den Boten ab, bevor er noch das Postamt erreicht hatte. setzte ihm auseinander, daß ein Irrtum vorgekommen sei, nahm ihm die beiden Geldbriefe wieder ab und überreichte ihm dafür die andren, die die richtigen seien. Ohne Mißtrauen ließ ihn der Bote den Wechsel vornehmen und die wertlosen Briefe einschreiben, während Müller mit den Geldbriefen davonging. Abends erschien Müller noch einmal im Geschäft, um sich zu vergewissern, daß die Briefe auch wirklich abgesandt waren. Seitdem, 7 Uhr abends, sah man ihn nicht wieder. Der Schwindel kam aber einen Tag früher ans Licht, als er berechnet hatte. Der Brcslauer Geschäftsmann holt nämlich auch seine eingeschriebenen Briefe selbst von der Post ab und so bekam er den Berliner Brief schon vorgestern und fragte unverzüglich durch den Draht an, was es mit dem wertlosen Briefe auf sich habe. So wurde der Schwindel rasch aufgedeckt; es ist aber bis jetzt noch nicht gelungen, des Flüchtigen habhaft zu werden. Müller ist am 28. September 1876 zu Halle a. S. geboren, etwa 1,60 Meter groß, schlank und schmächtig. Er hat dunkelblondes Haar, einen Auflug eines kleinen blonde» Schnurrbarts und sogenannte O-Beine. Be- sondre Kennzeichen sind eine kahle Stelle am Hinterkopf, ein Glas- auge rechts und sehr große Kurzsichtigkeit. Die geschädigte Firma setzt auf die Ermittelung des Flüchtigen und die Wiederbeschaffung des veruntreuten Geldes eine Belohnung vop 600 M. aus. Zigeimer-Romantik. Die Heiratsangelegenheit des Zigeuner, Kaisers" Watosch macht den Behörden viel zu schaffen. Um der gegen ihn schwebenden Anklage wegen Entführung einer Minder- jährigen den Boden zu entziehen, oder doch im schlimmsten Falle eine milde Verurteilung zu erreichen, will Watosch bekanntlich als Ehemann der von ihm Entführten vor die Richter treten. Es ist seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Ulrich, ttotz aller Bemühungen nicht gelungen, diejenigen Papiere zu beschaffen, die zur Eheschließung in Deutschland unerläßlich sind. Damm ist Watosch jetzt mit seiner Braut nach London gereist. Nach englischein Gesetz soll dort ein Paar die Ehe eingehen können, das 21 Tage lang seinen Aufenthalt in einem und demselben Ort gehabt und der Polizei die Anzeige gewacht hat. daß es nach Ablauf dieser Frist die Ehe eingehen will. Wenn Herr Watosch sein Ziel erreicht, wird er als Ehemann nach Berlin zurückkehren. Mit der Organisation der Klamottenkutscher steht eS er­freulicherweise auch in Berlin besser, als aus dem kürzlich von uns veröffentlichten Artikel hervorging. Wie uns vom Verband der Handels- und Trausportarbeiter mitgeteilt wird. gehören von den etwa 1600 Kutschen, dieser Branche, welche Berlin zählt, mehr als 300 diesem Verbände als Mitglieder an. Im März d. I. fand eine Lohnbewegung der Leute statt, bei der in fast allen in Betracht kommenden Fuhrgeschäften die Forderungen der Kutscher durchgesetzt wurden. Der Lohn der Klamottenkutscher beträgt nach dieser Bewegung für etwa 20 Prozent derselben 26 Mark, für 60 Prozent 27 M. und für weitere 20 Prozent 30 M. pro Woche. Nur für nicht ganz 10 Prozent aller Beschäftigten ist der Wochenlohn niedriger als 26 M. Leider kommt es auch heute noch bei einzelnen Fuhrherren vor, daß Kutscher im Stalle oder auf dem Heuboden kampieren; sobald dies aber der Organisation bekannt wird, ergreift diese sofort die nötigen Maßregeln zur Beseitigung dieses ZuständS. Die Organisation ist jedem dankbar, der ihr greifbare Thatsachen über solche Zustände in Fuhrgeschäften mitteilt. �Zur Simon Bladschcn Erbschaft wird derFrkf. Ztg." aus -il'-r?0"1 27- Oktober geschrieben: Ein Teil des Bladschen Ver- machtmsses wurde gestem in der Höhe von 166 636 M. von Berlin ort bw Stadt Mainz ausgezahlt. Der Rest, den die Stadt noch zu erhalten hat, bcläuft sich auf ungefähr 100 000 M. Der perschwundene Prof. Karl Obertimpfler wurde am Sonn- abend von Bekannten auf der Straße getroffen und hat einem seiner Freunde einen Besuch gen, acht. Er weigerte sich indessen, über seinen Anfenthalt nähere Angaben zu machen. Die Thatsache. daß er sich vor 14 Tagen� aus seiner Wohnung in der Gr. Eräsidcntciistr. 10 entfernt hat. durfte mit finanziellen Bedrängnissen zusammenhängen mit denen der alte Herr zu kämpfen hat. In einem Krampfanfall aus dem Fenster gesprungen ist an, Sonntagmittag die 27 Jahre alle Hausreinigerin Margarete Müller