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1885 in Nürnberg   wirkend. hat er sich akS einer der gründlichsten und gefürchtetsten Kritiker der Nürnberger   Stadtverwaltung und ihrer Finanzwirtschast bewährt; so manche vom freisinnigen Magistrat geplaine Mastrcgel unterblieb lediglich aus Furcht vor der Kritik Löwensteins. Sein furchtloses Borgehen hat ihm manche Verfolgung und. als er das 70. Lebensjahr längst übeo schritten hatte, noch Gefängnisstrafe eingetragen. Aus der demokratischen Partei hervorgegangen, Mitglied deS Fürther  Arbeiter-Bildungsvereins Zukunft, hatte er am Nürnberger Wer» bandstag der Arbeiter-Bildungsvereine teilgenommen, dem er an der Seite August Bebels präsidierte. Bon da ab gehörte er mit Leib und Seele unsrer Partei an, stets den entschiedenen Stand- Punkt vertretend. Bekannt ist sein schroffes Austreten gegen S. Memminger, dessen Charakter er stüher durchschaut hatte, als die andren Parteigenossen. Auf dem Gothaer EinigungSkongrest trat Lömenstein mit Wärme für die Einigung ein, bei der Programm beratuug forderte er, daß die Partei den Namensocial-republiianisch' erhalte. Löwenstein kandidierte 1874in Fürth   für den Reichstag  , wo er gleich 2222 Stimmen erhalten hatte, 1877 war die Stimmenzahl ver- doppelt, es gab 4758 Stimmzettel mit seinem Namen, er hielt seine Kandidatur in diesem Wahlkreise so lange anstecht, bis Bebel in diesem Kreise aufgestellt wurde, nachher stellten ihn die Genosien von Hof in Bayern auf. Seitdem in der bayrischen Abgeordneten kammer Bertreter des arbeitenden Volks sitzen, gehört Löwenstein diesem Parlament an. Noch immer ist Löwenstein trotz der Last der Jahre stets auf dem Posten, wo es gilt, die Interessen der Partei zu vertreten. Mögen ihm noch lange Jahre vom Schicksal beschieden sein und mag ihm die Partei, von Erfolg zu Erfolg schreitend, noch viele Freude bereiten. Die glänzenden Siege unsrer Parteigenosse» bei den Landtagswahlen in Gotha   scheinen den Geschlagenen arg in die Glieder gefahren zu sein. Es ist bereits mitgeteilt' worden, dah für das Städtchen Ruhla   eine Wiederholung der Urwahlen angeordnet werden soll, weil einige Wähler ihre Stimmzettel nicht selbst ge­schrieben haben. Jedermann wird meinen, es käme doch nicht darauf an, wer den Zettel schreibt, sondern darauf, wer ihn a b a i e b t. Doch so einfach ist die Geschichte in Gotha   in der That nicht. Es soll nach dem dortigen Wahlgesetz jeder Wähler seinen Zettel, den er erst im Wahllokal vom Wahlvorsteher bekommt, selber schreiben. Die das Gesetz seiner Zeit gemacht haben, wollten damit aber offenbar nur sagen, der Wähler könne nicht beanspruchen, daß ihm von der Behörde Stimmzettel geliefert werden, die schon mit den Namen der vorgeschlagenen Kandidaten versehen sind. Daß der Wähler die Hilfe eines andern zur Herstellung des Stimmzettels in Anspruch nehme, wollten sie sicher nicht verbieten; es steht nichts davon im Gesetz. Auf diesen feinen Ausweg verfiel man erst jetzt. Jetzt wird eine noch bessere Erfindung bekannt. In dem mit Ruhla   zum gleichen Wahlkreise gehörigen' Orte Winterstein sollen gleichfalls neue Wahlen vorgenommen werden, weil zwei Stichivahl- berechtigte im Wahllokale anwesend waren. Und diese zw« Frevler am Allerheiligsten gehören überdies der unterlegenen Ordnungspartei an und waren von ihren Parteifreunden ins Wahllokal' geholt worden. DaS ist doch gewiß der Gipfel der Gewissenhaftigkeit und wenn nach Ausmerzung dieser Mängel der siegreiche Socia'ldemokrat den- noch wieder gewählt sein wird, dann wird er mit Stolz sagen können, daß dank behördlicher Fürsorge kein Ständchen an seinem Mandat haste. Parteipreffe. Die.Volksstimme' in Chemnitz   wird ihr Monats� Abonnement vom 1. Januar an von 50 Pf. auf S0 Pf. erhöhen. Die Maßregel wird mit dem Hinweis auf die wesentlich gestiegenen Papierpreise begründet. Die Prrfffreiheit in Trient  . Der.Popolo", unser Tricnter Bruderorgan, hat eine eigenartige Bilanz veröffentlicht, die Bilanz seiner Konfiskationen und Preßprozesse. Von den 170 bisher erschie neuen Nummern hat der Staatsanwalt nicht weniger als 80 mit Be schlag belegt. Also jeden fünften, sechsien Tag eine Konfiskation! Ucbrigens istderTrientcrStaatsanwaltkcinPcdanüerläßtdenPopolo' oft 14 Tage ungeschoren, dafür konfisciert er ihn dann au einem Tage zweimal, so daß die Stcstislik wieder in Ordnung kommt. Prozesse schemt der Herr Staatsanwalt nicht so zu lieben wie Konfiskationen. Trotzdem derPopolo' schon über sechs Monate besteht, hat ihm sein StaatSanwali kaum 16 Prozesie angehängt. Aber trotz dieser bedenklichen Saumseligkeit wird man dem Herrn zugestehen müssen, daß er da? Ideal eines Staatsanwalts ist. so weit eben ein Mensch ein Ideal sei» kann. Politrilichrs. Gerichtliches usw. In eigentümlicher Weise beteiligte sich kürzlich in Prenzlau  in einer Versammlung der überwachende Beamte an der Diskussion. Der Genosse Dr. Borchardt sprach zu den Stadtverordnetenwahlen. Während B. das Schlußwort sprach, wollte der iibelwacheiide Beamte «Feierabend gebieten'. Darüber geriet man in Differenzen mit ihm und als er schließlich sagte, er«löse die Versammlung auf', erhob Borchardt noch einige Einwendungen dagegen. Darauf sagte der Beamte, wie wir der«Brandenburger Zeilung' enmehmen:«D a sind Sie zu dumm zu, das verstehen Sie nicht, überhaupt, Iva? Sie gesprochen haben, i st Unsinn und Quatsch." Borchardt wird hoffentlich dafür sorgen, daß der Beamte über seine Aufgaben als Ueberwachender genügend aufgekärt wird. Meineidsprozeß Maßlos in Könitz. In der Verhandlung vom Montag bekundete zunächst Seminarist P l a t h, daß Ernst Winter, als er mit ihm im Sommer 1890 am Lewyschen Hause vorübergegangen sei, Moritz Lewy gegrüßt habe. Zuletzt habe er Winter am 11. März, nachmittags 2 Uhr, mit zwei jungen Leuten gesehen. Moritz Lewy bleibt auch dieser AuSjage gegenüber dabei, daß er sich nicht entsinnen könne, Winter gekannt zu haben. Am Vormittag wohnte Reichstags-Abgeordneter Liebermann v. S o n n e n b e r g der Verhandlung als Zuschauer bei. Ein Geschworener führt aus: Ich habe gehört, daß ein Berichterstatter von der Familie des Ermordeten ejn Taschentuch E r n st Winters gefordert und auch erhalten hat. Das Taschen- tuch befindet sich im Verkehr. Da befürchtet wird, daß Unfug mit dem Taschentuch getrieben werden könnte, so beantrage ich: das Taschentuch einzuziehen. Präsident: Wer ist der Bericht- erstatter? Geschworener: Der Berichterstatter Lurch. Erster Staatsanwalt Settegast: Im Asservat sind mehrere Taschentücher des Ermordeten. Berichterstatter Lurch: Ich habe das Taschentuch nicht hier; ich werde es aber sofort holen. Präsident: Die Familie Winter kann andre Taschen- tücher des Erniordeten den Berichterstattern geben, und wir können dagegen ebenso wenig etwas machen, wie dagegen, daß Leute, die der Verhandlung als Zuhörer beigewohnt haben, draußen mit den Zeugen sprechen. Der nächste Zeuge, Barbier Döring, sagt aus:' Ich wohne gegenüber dem Lewy- scheu Hause. Am 11. März habe ich nichts Auffälliges bemerkt. Außer dem geschäftlichen war bei Lewy wenig Verkehr. Ich habe aber am 11. März mittags zwei Fremde gesehen, die mit Kohn nach Könitz gekommen waren und von denen einer bestimmt ein Jude war. Präs.: Ist das so ausfallend? Zeuge: Nein.! Aber auffallend ist, daß da? gerade am 11. März war. Präs.:' ES sind doch auch an andren Sonntagen fremde Juden nach Könitz! gekomnien? Zeuge: Allerdings. Zeuge Malermeister Schönberg: Ich habe am 10. oder 11. März eine große Anzahl fremder Juden in der Bahnhosstraße getroffen, so daß ich förmlich erschrak. Die Juden gingen gruppenweise. Ick, habe sie auf 11 bis 13 Per- fönen geschätzt. Ich glaube eher, daß es am Sonnabend vor dem> Morde deS mittag» gewesen ist. Me waren sehr fein gekleidet. Sie sind alle in das Haus zu Leß gegangen. Ich sagte mir: alle diese fremden Juden sehen so eigentümlich aus; sie müssen bei den Juden eine besondere Rolle spielen. Ich glaube, daß bei Leß silberne Hochzeit oder eine sonstige Festlichkeit war. Präsident: Was ist Letz? g e u g e: Rentier, der Sohn ist Spediteur.   Er st er Staatsanwalt: Ich beantrage, die Familie Leß zu laden. Verteidiger Rechtsanwalt Hunrath: Ich beantrage, die Bahnsteigschaffner zu laden. Dieselben sollen be künden, daß am 11. März viel stemde Juden hier ankamen. Erster Staatsanwalt Settegast  : Zeuge, Sie sind hier von A d o l f L e w h verklagt worden, weil Sie ihmMörder' nach gerufen haben?Zeuge: Nein. E r st e r Staatsanwalt: Haben Sie ihm das WortMörder' nachgerufen? Zeuge Schöneberg  : Das ist mir nicht erinnerlich. Adolf Lewy Er hatMörder" nachgerufen. Ich habe keine Zeugen und konnte deshalb nicht verklagen. Zeuge Tischler B a l k o w: Ich habe auch viele Juden zu L e ß gehen sehen. Ich habe nichts Auffälliges darin gefunden. Den Tag, an welchem das war, weiß ich nicht genau Zeugin Arbeiterfrau Molkenthin: Ich habe vor dem 11. März neben dem Juden B e r g e r eines Morgens den Synagogen- diener NZo s s e ck und den Kantor H e y m a n n gesehen. Ich weiß aber nicht genau, ob sie zu B e r g e r gingen. Damals hat man die Leichenteile erst nicht gefunden. Frau B e r g e r sah ich mit mehreren jüdischen Frauen, darunter Frau Kantor H e y m a n n. Ich Iveitz nicht, ob die andren Jüdinnen fremde waren. Ich habe das der Polizei mitgeteilt. Frau B e r g e r ist aber nicht gekommen. Sie ließ sagen, sie sei krank. Aber nicht, woher. Erster Staatsanwalt: Ich bemerke, daß bei Berger eine ergebnis- lose Haussuchung stattgefunden hat. KnminalkommissariuS Wehn- Berlin  : Wir haben alle Räumlichkeiten B e r g e r S vom Keller bis zum Boden aufs genaueste untersucht, ohne etwas Ver- dächtiges zu finden. Es wird hierauf die 73 jährige, taube Witwe Schiller vernommen. Dieselbe bekundet: Am 13. März, des morgens 0 Uhr, hat mir A l e x P r i n z, der der dumme Alex" genannt wird, gesagt:«Der Kantor aus Schlochau  , Kantor Hey- mann aus Könitz und ein dritter Kantor haben den Gymnasiasten Winter geschlachtet. Es war ein Schnitt." Ich sagte:«Alex, das find doch Männerl Wie ist das möglich? Wo ist das denn geschehen?" Er antwortete mir:«Im Lewy schen Keller." Ich sagte:Er hat doch kein Geld gehabt?" Darauf sagte Alex: Aber viel Blut. DaS Blut ist sehr teuer; es kostet viele hundert- tausend Thaler. Es wird verschickt." Ich sagte:«Dann sind dort aber doch Blntspuren?' Er erwiderte:«Alles ist wieder gut Gunter gemacht worden." Am 15. oder 16. April sagte Alex zu mir: Jsraelski ist verhaftet worden. weil er den Kopf Winters fortgetragen hat. Er wird aber nichts ein- gestehen, und wenn er 10 Jahre Gefängnis bekommt. Die Zeugin Witwe Schiller bekundet weiter: Im Juni hat Alex nur einen Zettel gebracht und gesagt:.36 Gebrüder". Ich habe alsdann die Sache angezeigt. Präsident Landgerichtsdirektor Schwedo witz: Wie haben Sie angezeigt? Zeugin: Bei Fleischer Hoff mann war ein Herr, der mich vernahm. Präs.: Weshalb haben Sie das denn nicht der Polizei ober der Staatsanwaltschaft angezeigt? Zeugin: Ich glaubte, das würde schon genügen. Ich wurde auch von Herrn B ruh n ver- uommen. Mir war es, als wenn erst die alte und dann die junge Frau P e ß g e am 13. März zugegen waren. Präsident: Wie alt ist Frau Peßge? Zeugin: 87 Jahre. Diese erzählte: Alex sei in der Synagoge von den Jude» durch- geprügelt und fast totgeschlagen worden. Oberstaatsanwalt Dr. L a u tz: Wa» haben Sie sich unter den«86 Gebrüdern" ge- dacht? Zeugin: Nichts. Präs.: Hat denn Alex 36 Brüder? Zeugin: DaS weiß ich nicht. Präs.: Haben Sie sich den Zettel angesehen, ob 36 Namen darauf standen? Z e n g i n: Nein. Wenn es dunkel ist, kann ich nichts sehen. Präs.: Alex ist schwachsinnig? Zeugin: Jawohl. Er ist aber nicht so dumm, wie er aussieht. Er handelt, schreibt und rechnet. O b e r st a a t s a n w a l t: Sieht er denn sehr dumm aus? Zeugin: Ja, ist aber nicht so dunim, wie er aussieht. Erster Staatsanwalt Settegast  : Alex hat Ihnen früher Wasser geholt; weshalb holt er das Wasser jetzt nicht mehr? Zeugin: Alex' Mutter hat eS nicht mehr erlaubt, weil er mir vom Morde erzählt hat. r ä f.: Wann haben Sie das bei Hoffmann angezeigt? Zeugin: Im Juni.   Präs.: Warum nicht früher? Zeugin: Weil ich glaubte, es seien schon genug Zeugen.   Präs.: Seit wann holt Ihnen Alex kein Wasser mehr? Zeugin: Seit Juni.   Zeugin Frau W e t t i n aus Tuchel: Ich sah am 11. März Kantor H a l l e r nach Könitz fahren. Ich weiß aber nicht genau, ob es nickt ein andrer Sonntag war. Alsdann wird A l e x a» d e r P r i n z. genannt derdumme Alex" vernommen. Es ist dies ein 23jähriger, idiotenhaft aus- sehender junger Mann. Der Oberstaatsanwalt D r. L a u tz be- antragt auf Grund des§ 56 der Strafprozeßordnung den Zeugen »»eidlich z» vernehmen. Nach längerem Befragen sagt Alex Prinz hierauf aus: Ich habe Frau Schiller am 12. März abepds erzählt: Kantor H e h m a n n und Lewy haben Winter ermordet. P r ä s i- dent: Wie kanien Sie dazu, dies zu sagen? Zeuge: Ich ivar im Joleniewsky schen Lokale. Da haben mir junge Leute v i e l S ch n a p s zutrinken gegeben. Als ich angetrunken war, haben sie nur gesagt: ich soll sagen, daß Heymann und Lewy den Mord begangen haben. Präsident: Haben Sie Prügel bekommen, tveil Sie dies gesagt haben? Alex r i u z: Stein. Frau Schiller hält hiernach Prinz gegen- über ihre Bekundungen mit großer Entschiedenheit aufrecht. Alex Prinz lacht dazu idiotenhaft und schüttelt mit dem Kopfe. Geschworner Oberlehrer Meyer: Wurden Sie vom Rabbiner, vom Kantor oder vom Syuagogendiener zur Hilfeleistung in der ynagoge herangezogen? Prinz lacht idiotenhaft und schüttelt mit dem Kopfe. Der Zeuge Knpferschmiedemeister B l e y e r sagt hierauf aus: Prinz erzählte mir: er sei bei Joleniewsky besoffen gemacht worden, damit er aus- 'agen solle: H e y m a n n und Lewy hätten Winter geschlachtet. Sachverständiger Kreisphysikns Sanitätsrat Dr. M ü l l e r- Könitz: Prinz war einmal wegen Diebstahls an- teklagt. Er ist aber freigesprochen worden, da ich ihn für schwach- innig erklärt habe. Bis heute hat sich sein Geisteszustand wesentlich gebessert. Alex Prinz, nochmals vor- gerufen, erklärt: Frau Schiller hat mir Karten gelegt und gesagt: In den Karlen steht, daß ich viele tausend' Mark Belohnung bekommen werde. Ich müsse aber sagen, auch wenn ich nichts weiß. Nach längerer Beratung beschließt der Gerichtshof: den Zeugen Prinz nicht zu vereidigen, da derselbe wegen mangelnder Ver- tandesreife die Bedeutung des Eids nicht kennt. Geschworner Oberlehrer Meyer: Die Geschwornen beantragen: Die Frauen e t t k e und Sänger, die bei der Unterredung der Frau chiller mit Alex Prinz zugegen waren, zu laden. Der GenchtShof beschließt demgemäß. Der Zeuge Gerichts- Sekretär Ri ch ard i, der von der Ver- eid'gung vorgeschlagen worden war. um über die Reise des lanlors H a l l e r von Tuchel nach Könitz auszusagen, vermag bei einer heufigen Vernehmung nichts zu bekunden. E r st e r Staatsanwalt: Ich habe soeben folgenden Brief aus Königs- berg erhalten:Ich habe Winter ermordet. Kaufmann Fleischer kann's bezeugen. Isidor Lachmann." Ober-Staats- a n w a l t: Dann haben wir ja den Mörder.(Heiterkeit.) Hierauf tritt bis 3V, Uhr die Mittagspause ein. Nach Eröffnung der NachmittagS-Sitzung durch den Vorsitzenden Landgerichts-Direktor Schwedowitz wird die 87 jährige Witwe Fettte als Zeugin aufgerufen. Dieselbe bekundet: Als ich am 13. März, vormittngS zwischen S und 10 Uhr zur Frau Schiller kam. war AJIexander Prinz schon in der Stube. Er erzählte von dem Morde sund daß der Kopf des Ermordeten schon gefunden worden sei. Präsident: Der Kopf ist erst später ge- funden worden. Zeugin: Er hat aber erzählt, daß der Kopf mit einem Schnitt abgeschnitten worden sei. Präs.: Sie wußten damals schon, daß Winter tot war? Zeugin: Ja, das wußte ich schon. P r ä s.:'.LI I e x hat da? wohl öfter erzählt? Zeugin: Ja, sehr oft. Zeugin Frau Schiller: Nein, als Alex erzählte, daß der Schlochauer Jude Winter den Hals abgeschnitten habe, wußte ich noch nicht, daß Winter tot war. Präs.: Frau Fettke, Sie sagten, daß Sie wußten, daß Winter schon tot war? Zeugin Fettke: Genau weiß ich das nicht mebr. Mein Gedächtnis ist nicht mehr gut. Es kann auch sein, daß ich das nicht wußte. Präsident: Jedenfalls hat Alex das oft erzählt? Frau Fettke: Sehr oft. Zeugin Frau Sänger: Am 13. März, vormittags zwischen 0 und 10 Uhr, hat Alexander Prinz erzählt in meiner Gegenwart:«Der Kautor aus Schlochau, der Kantor aus Könitz und der Kantor aus Elbing   haben Winter im Lewyschen Keller den Hals abgeschnitten." Ich habe der Sache damals keine Be- deutung beigelegt. Präsident: Wissen Sie genau, daß der Mord damals noch nicht bekannt war? Zeugin: Jawohl. Geschworner Oberlehrer Meyer: Ich ersuche, dem Zeugen Prinz wiederholt die Frage vorzulegen: ob er vom Rabbiner beim Gang zur Synagoge zu Hilfeleistungen herangezogen wurde? Erster Staatsanwalt Settegast  : Wenn darauf Gewicht gelegt wird, kann man den Rabbiner ja. laden. Geschworner Oberlehrer Meyer: Wir wollen wissen, ob der Rabbiner Prinz für so geistesschwach hält, daß er denselben nicht zu Hilfe- leistungen heranzieht. Eventuell kann Herr Böttcher Auskunft geben. Präs.: Nun, Alex, haben Sie dem Rabbiner einmal etwas in die Synagoge getragen? Alex Prinz: Ich habe dem früheren Rabbiner Palmbaum etwas in die Synagoge getragen. Ein Geschworner: Ich beantrage, den Zeugen zu fragen, ob es wahr ist. daß er in der Synagoge geprügelt wurde. Präs.: Nun, Alex, haben Sie in der Synagoge Prügel bekommm? Alex Prinz: Ja. Präs.: Von wem denn? Alex Prinz: Von Glaser StudzinSky. Präs.: Weshalb? Zeuge: Weil ich vom Mord erzählt habe. Präs.: Weil Sie gesagt haben, W i n t e r sei im L e w y schen Keller von drei jüdischen Kantoren geschlachtet worden? Alex Prinz(lächelnd): Ja. Präs.: Sie sagen, Sie waren betrunken? Alex Prinz: Ja. Präs.: Wer war dabei, als Sie die Geschichte vom Morde der Frau Schiller erzählten? Alex Prinz: Meine Mutter.   Präs.: Waren die Frauen Fettke, Menner und Sänger auch dabei? Alex: Weiß ich nicht. P r ä s.: Hat Ihre Mutter Sie auch geschlagen, weil Sie vom Morde erzählten? Alex P r i n z: Ja. Die hierauf vernommene Witwe Prinz, die Mutter des AI   ex rinz bekundet: Als die Leichenteile am 13. März gefunden wurden, bin ich krank gewesen und habe erst 14 Tage später vom Morde erfahren, Ich weiß aber genau, daß A l e x am 13. März erst abends fortgegangen ist. Präsident: Haben Sie Alex ein- mal geschlagen? Zeugin: Ja. als ich hörte, daß Frau Schiller Alex'Karten gelegt und ihm gesagt hatte: es stehe in den Karten, er solle sagen, wer der Mörder sei, auch wenn er es nicht wisse, dann werde er Geld bekommen. Da habe ich meinem Sohne eine Ohrfeige gegeben und gesagt:Du weißt doch nichts; was hast Du zu sagen." r ä s i d e u t: Frau Schiller, legen Sie Karten? Frau Schiller: Frau Prinz bat mich, ich solle ihr Karten legen. Ich sagte:«Das ist Unsinn." Frau Prinz bemerkte:«Es ist doch was dran. Ich möchte wissen, ob ich von meinem Sohn einen Brief bekomme." Ich legte und deutete, daß sie Geld und Brief bekommen würde. Sie hat auch beides bekommen. Ich hatte das aber bloß aus Ulk gesagt. Die nächsten Zeugen, Rentier Leß und Kaufmann Leß bekunden übereinstimmend, daß sie im März keinen größeren Besuch bekommen hätten. 3. Februar oder 6. März. Zeuge Kürschner Lewe»(Schwetzj: Ich bin am 6. Februar in mit mehreren andern gewesen, aber am 5. März nicht. Oberstaalsanwalt Dr. Lautz: Ist Ihnen die officielle Verlobungs  - anzeige zugegangen, daß am 13. Februar die Verlobung sei? Zeug e: Jawohl. Am 5. Februar haben wir das Verlöbnis be- sprachen. Zeuge Fleischer S tu dins ky(Czersk): Ich weiß genan, daß ich am 5. Februar in Könitz war. Ich bin mit mehreren andern im Hotelomnibus von Prides Hotel in die Stadt gefahren und zu N o s s e ck gegangen. Am 6. März kann ich nicht hier gewesen sein, da am 6. März Jahrmarkt in Czersk war. Zeuge Telegraphist r e n n e k a m p: Ich habe die Juden am 6. März gesehen. Lewin kenne ich nicht. Studinsky glaube ich. gesehen zu haben. Kutscher e g l a u, der den Omnibus des P r i e b e schen Hotels gefahren Ich behaupte auch, daß das am 6. März war. die Juden kurz vor dem Winterschen Morde Lewin kenne ich nickt. Studinsky aber Studinsky: Ich bin in diesem Jahre in dieser Sache in Könitz gewesen und jedes einzelnen Tags zu erinnern. Der hat, bekundet: Jedenfalls sind hier gewesen. ehr genau. vielfach als Zeuge weiß mich ganz genau Ortsvorsteher in Mockrau und ein Schuhmachermeister in Czersk können genau bekunden, daß ick am 6. März in Czersk gewesen bin. Oberstaatsanwalt: Für mich ist die Sache geklärt. Wenn aber Gewicht darauf gelegt wird, so bin ich in der Lage, Beweise zu erheben darüber. Verteidiger Rechtsanwalt H u n r a t h: Die Ver- teidigung geht von der Ansicht aus, daß am 6. Februar und 6. März zwei ganz verschiedene Vorkommnisse geweien sind. Oberstaatsanwalt Dr. Lautz: Ich wiederhole, daß ich nicht das ge- ringste Gewicht darauf lege, ob das am 5. Februar oder 6. März war. Wenn ivir beweisen, daß es nicht am 6. März war, dann könnte» Zeugen kommen und sagen:Aber am 3. März sind Juden hier augekommen". Dann müßte man wieder hierüber Beweis er- heben. Da aber die Verteidigung Gewicht darauf legt, so will ich den Anträgen auf Zeugenladung über diesen Punkt nicht wider- sprechen. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Vogel: Die Verteidigung be- hauptet, daß am 6. März eine Anzahl Juden nach Könitz gekommen und vom Tempeldieucr N o s s e k empfangen worden sind. Ich be- antrage außerdem den Fahrplan vorzulegen, aus dem hervorgeht, daß nach beendetem Jahrmarkt die Juden nach Könitz fahren konnten. Der Gerichtshof beschließt dementsprechend. Zeuge Handlungsgehilfe Emil P u p p e l: Ich bin am 11. März, nachss llVa Uhr, aus Tuchel gekommen. Gegen 12 Uhr bin ich mit einem Kollegen durch die Mauerstraße gegangen; die Straße war hell erleuchtet. Ich bin, wie gesagt, mit einem Kollegen gegangen. Wir haben aber keinen Menschen ge- sehen. Präsident: Wenn ein Mensch da gelegen oder gestanden hätte, hätten Sie ihn sehen müssen? Zeuge: Ganz bestimmt. Präsident: Haben Sie im L e v y schen Keller Lichtschimmer oder etwas Verdächtiges bemerkt? Zeuge: Nein. Präsident: Nun. Maßlos, was sagen Sie dazu? An- geklagter Maßlos: Ich habe den jungen Mann nicht gesehen. Präs.: Aber der Zeuge sagt, er hätte Sie in der engen Straße sehen müssen? Maßlos: Dazu kann ich nichts sagen. Präs.: Behaupten Sie. daß der Zeuge die Unwahrheit gesagt hat? Maßlos: Ja. Alsdann wird der Berichterstatter Max Wienecke-Berlin  vernommen. Er führt aus: Ich bin hier längere Zeit Berichterstatter für Berliner   Blätter gewesen. Bruhn hat mich beim Verhör Maßlofs in Kuhns Hotel hiuzr'igezogen. Direktor Aschke war auch dabei. Das Zimnier war zugeschlossen. Es machte auf niich den Eindruck, daß Maßlos die Unwahrheit sagte. Als Bruhn Maßlos fragte:«In tvelcher Sprache tvurde im Keller gesprochen?" da antwortete Maßlos:Hebräisch." Auch andre Umstände brachten mich zu der Ueberzeugnng, daß Maßlos die Unwahrheit sagte. Auch Bruhn sagte, daß Maßlos unglaubwürdig sei. Später haben wir mit Maßlos in der Mauersiraße Versuche angestellt. Da erschien es erst recht unwahrscheinlich. Zeuge Verleger derStaatsbürger-Zeiwng" Wilhelm Bruhn  : Ich muß bemerken, daß W i e n e ck e zu