Zier„Vorwiirt»" tm Maßlof-Prozest.Hierauf bemerkte Erster Staatsanwalt Settegast: In einerBerliner Zeitung, dem focialdemokratischen„Vorwärts', ist einArtikel erschienen, in dem behauptet wird: der Zeuge H e l l w i gglaube an Spukgeschichten und habe einmal erzählt, er habeden Teufel aus dem Schornstein kommen sehen. sHerterkeit.) DerArtikel ist auch in andre Zeitungen übergegangen und mir anonymzugesandt worden. Wenn auch der.Vorwärts' keine maßgebendeZeitung ist, so halte ich es doch für notwendig, über den Inhalt desArtikels Beweis zu erheben.— Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Vogel:Nackdem wir mehrere Zeugen über den Leumund des Hellwiggehört haben, halte ich eme'weitere Beweisaufnahme über den FallHellwig für überflüsfig.— Erster Staatsanwalt: Der Ar-tikel, der einen Herrn Paul John zum Berfasier hat, stellt Be-hauptungen auf, die man nicht ganz unbeachtet lasten kann. Ichmuß daher beantragen, darüber Beweis zu erheben.— VerteidigerRechtsanwalt Hunrath: Ich muß mein Bedauern aussprechen.daß sich der Herr Vertreter der königlichen Staatsanwaltschaft vondem focialdemokratischen.Vorwärts' Direktiven geben läßt und aufGrund derselben Anträge stellt.— Erster Staatsanwalt Sette-g a st sheftig): Die Bemerkung des Herrn Verteidigers, daßich mir von dem focialdemokratischen.Vorwärts" Direk-tiven geben laste, muß ich mit voller Entschiedenheitzurückweisen.— Verteidiger Rechtsanwalt Hunrath: Ich willmeine Behauptung gern dahin einschränken, daß der Herr Vertreterder königlichen Staatsanwaltschaft von dem focialdemokratischen„Vorwärts" Direktiven empfängt. DaS ist zweifellos derFall, wenn der Herr Erste Staatsanwalt auf Grund eines Artikelsdieses Blatts Beweiserhebung beantragt. Wir sitzen nun fast 14 Tagehier. Wenn wir über jeden Zeitungsartikel, der über diesen Prozeßerscheint. Beweis erheben wollen, dann wäre überhaupt ein Ende desProzesses nicht abzusehen.— Erster Staatsanwalt: Ichbin entfernt, auf Grund jedes Artikels Beweiserhebung zubeantragen. Da aber der Artikel deS.Vorwärts" in eineReihe andrer Zeitungen übergegangen ist und doch sehr wichtigeBehauptungen über den Zeugen Hellwig enthält,so halt« ich im Interesse der Klarstellung der Sache eine Beweis-crhebung für notwendig.— Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Bogel:Zum mindesten dürfte eS genügen, wenn wir noch emmal denZeugen Hellwig vorladen.— Verteidiger Rechtsanwalt Hunrath: Dannt erkläre ich mich einverstanden und beanttage wieder-holt, den Pfarrer und Organisten aus Konarczhn vorzuladen.—Nach kurzer Beratung beschließt der Gerichtshof, dem Antrage desRechtsanwalts Hunrath stattzugeben und auch nochmals den BesitzerJohann Hellwig aus Görsdors als Zeugen zu laden. Hierauf wirddie Verhandlung auf Mittwoch vormittag« S Uhr vertagt.In der Verhandlung vom Mittwoch wurde der BesitzerAnton Hellwigaus Görsdorf nochmals vernommen.Präs.: Herr Hellwig, haben Sie einmal zu jemand ge-sagt: Sie hätte» den Teufel aus dem Schornstein fahren sehen.Sie wüßte», wie der Teufel aussieht. Ihnen sei einmal Viehverhext worden?— Zeuge: Nein.— Präs.: Haben Sie daSniemals zu jemand gciagt?— Zeuge: Nein.— Erster Staats-antwalt Settegast: Sie sollen daS bei Ihrer Vernehmung inBerlin zu den John schen Eheleuten gesagt haben?— Zeuge:Nein, ich kenne John nicht.— Präs.: Haben Sie in Berlin mitniemand eine ähnliche Unterhaltung gehabt?— Zeuge: Nein.—Er st er Staatsanwalt: Und Die kennen die John schenEheleute nicht?— Zeug«: Rein.— Präs.: DerZahntechniker Metbanerhat sich gemeldet mit dem Bemerken: er habe noch etwa« Wichtige»mitzuteilen. Er soll eintreten, f— Zahntechniker M e i b a u e rteilt noch mit: Der Untersuchungsrichter sagte zur Frau Roß:„Wenn Sie nicht betreffs des Knechtsj Appel hineinfallen, dannwerden Sie betreffs Linden st ran ß doch meineidig." DiesVerhalten des UntersuchungSrichterö macht doch einen eigentümlichenEindruck. Ich habe dann noch einen Punkt zu erwähnen.— Präs.:Sie sind hier als Zeuge und dürfen vur Thatsachen vortragen.Urteile abzugeben steht Ihnen nicht zu. Haben Sie noch That-fachen anzuführen?— Zeuge: Thatsachen nicht.— Nunmehrwird derKriminalinspektor Braun-Verlinvernommen. Derselbe bekundet: Ich habe mit Maßlos mehr-fache Versuche über besten Wahrnehmungen gemacht. Maßlos hatsich vielfach widersprochen. Maßlos sagte bei einen, der Versucheauf meine Frage:„wieviel Personen er' aus dem Keller kommensah?„eine". ES waren aber zwei, nämlich KriminalkonnnissariuSWehl, und Schutzmann Beyer II mit der Lampe. Der Zeug«M erbau er sagte mir von vornherein:„Nacb M a ß l o fSBekundungen besteht kein Zweifel daniber, daß die Mörder Indenwaren. Maßlos schien aber selbst B r u h n nicht glaubhaft. DerVerleger B r u h n kam zu mir und sagte:„Ich habe jetzt zuMaßlos gesagt:„Ihre Angaben sind nicht glaubhaft. Sie habenjedenfalls dort etwas stehlen wollen. Reine Neugier konnte Sienicht veranlassen, so lange Beobachtungen zu mächen. GestehenSie, daß Sie eine» Diebstahl ausführen wollten. Der Plan eine»Diebstahls ist nicht strafbar." Darauf hat Maßlos zugestanden,Fleisch gestohlen zu haben. Ich bemerkte:„ES ist nur auch jetztnicht glaubhaft. Wenn er fünf- bi» sechsmal verschieden aussagt,dann ist er überhaupt nicht glaubhast'. B r u h n sagt»:„Siemüssen die Sachevom poltttschen StandpunktauS betrachten". Ich sagte, daß ich das nicht verstehe. Bruhnsagte:„Wenn Sie nicht einseitig sein wollen, dann müsten Sie dieSache vom politischen Standpunkt behandeln,Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Vogel: Sind Sie noch heuteder Meinung, daß der Thatort in derNähe deö MönchfeeSliege?— Kriminalinspektor Braun: Jawohl. Wenn der Mord aneinem entfernteren Ort stattgefunden hätte, hätte sich der Mördernicht die Mühe gemacht, die Leichenteile nach dem Mönchseezu tragen. Dem Mörder ist augenscheinlich die schnelle Ent«dcckung unangenehm gewesen; deshalb hat er den Arn, auf denevangelischen Kirchhof und den Kopf außerhalb der Stadt getragen.Dem Mörder wird es auch angenehm gewesen sein, daß derVerdacht auf die Juden fiel, da alsdann die Spuren ab-gelenkt wurden.— Verteidiger Rechtsanwalt Zielrwski:Haben Sie schon einmal die Untersuchung in einer Mord-fache geführt, wo der Verdacht gegen die Juden vorlag, einenRitualmord begangen zu haben?— Kriminalinspektor Braun:Nein.— Verteidiger Rechtsanwalt Z i e l e w s k i: Kannten Sie dieLitteratur über das jüdische Blutritual, als Sie nach Könitzkamen?— Kriminalinspektor B r a u n: Jawohl.— Ver-teidiger Rechtsanwalt Z i e l e w s t i: Sind Sie dadurch nichtauf den Gedanken gekommen, es könnte ein Ritualmord sein?—Kriminalinspektor Braun: Nein. Ich bin u n t e r I u d e n a u f-gewachsen, habe selbst Juden im Orient kennen gelernt, habeaber niemals davon gehört.— Ein Geschworener: Weshalbhatten Sie aufLewy keinen Verdacht?Kriminalinspektor B r a u n i Weil die Motive fehlten.— Verteidiger Rechtsanwalt H« y e r: Sie sind überhaupt nicht derMeinung, daß eS ein Mord war?— Kriminalinspektor Braun:Nein. Ich halte eS nur fürTotschlag.Ich bin der Ansicht, daß nicht«in Tropfen Blutgeflossen i st.— Verteidiger Rechtsanwalt H e y e r: Trotz desSachverständigen- Gutachtens?— kriminalinspektor Braun: Ja«wohl.— Zeug« Verleger der„StaatSbürger-Zeitung" WilhelmBruhn: Kriminalinspektor Braun hat mich vielfach mißverstanden.Ich habe nicht gesagt, er müsse vom polittschen Standpunkt ausgehen,sondern nur: da»«s ein p o l i t i f ch e r Mord sei, sei dieser Punktnicht ganz außer acht zu lassen.— ZeugeSaSanstaltS'Zirektor«fchke:Maßlof ist am IS. März bei mir in Arbeit getreten.3—4 Tage später hat Maßlof mir seine Wahrnehmungen vonder Nacht vom 12. zum 13. März erzählt. Ich fragte dann meineandren Arbeiter nach M a ß l o f S Charakter. Sie hatten alle nichtsNachteilige» über ihn gehört.— Präs.: Haben Sie der Polizei davonMitteilung gemacht?— Zeuge: Nein.— Präs.: Weshalb denn nicht.Das war doch sehr wichtig l— Z e u g e: Ich glaubte, Maßlofwürde selbst zur Polizei gehen.— Präsident: Er ist auch am24. März zur Polizei gegangen. Hat Ihnen aber Maßlos er-zählt, daß er Fleisch stehlen wollte?— Zeuge: Nein. Ich habeihm gesagt: er habe vielleicht etwa» stehlen wollen. Er solle eS nursagen. Er werde nicht aus der Arbeit kommen. Maßlofverneinte aber.— Präsident: Maßlos, weshalb habenSie dem Herrn Direktor nicht gesagt, daß Sie Fleisckj stehlenwollten? Sie hatten doch keine Ursache, das zu verschwngen?—Angekl. Maßlof: Ich befürchtete Strafe.— Präs.: E3 ist Ihnendoch gesagt worden, daß Sie nicht bestrast und auch nicht aus derArbeit entlassen würden?— Maßlof: Ich wollte es aber nichtsagen.— Präs.: Bei der Polizei und dem Untersuchungsrichterhaben Sie auch niemals gesagt, daß Sie Fleisch stehlen wollten?—Maßlos: Nein, aus Furcht vor Strafe.— PolizeikommissarKriescht: Maßlof hat sich bei mir am 24. März gemeldet.Mir kam die Erzählung sehr unglaubwürdig vor.— Präs.:Maßlos, der Herr Kriminalkommissar hat auch Ihre Erzählung fürsehr unglaubwürdig gehalten. Weshalb haben Sie Ihre wichtigenWahrnehmungen nicht sofort nach derAuffindung der Leichenteileder Polizei angezeigt?— Maßlof: Ich hatte meine Wahr-nehmungen der Frau Lewy mitgeteilt. Frau Lewy hatte michgebeten, nichts zu sagen. Sie werde mir etwa» schenken.—Präs.: DaS ist ja ganz neu. Weshalb haben Siedenn bisher nichts davon gesagt?— Maßlof: DaS hatte ich ver-gcssen.— Präs.: Sie sind doch eingehendst vernommen wordenund haben bi» zu diesem Augenblick kein Wort davon gesagt?—Maßlos: Ich hatte das vergessen.— Präs.: Hat Ihnen FrauLewy denn ettva» geschenkt?— Maßlof: Frau Lewy ist beiun» gewesen und'meiner Frau gesagt: ich solle hinkommen.Ich ging hin. Sie gab mir eine Wurst, packte dieselbeein und sagte:„Nach Ostern werbe ich Ihnen die Sachenvon meinem Sohne Moritz schenken. Als ich nach Hause kam,wickelte ich da» Wurstpaket auf und da war eme schimmeligeWurst drin. Ich ging wieder zu Lewy zurück und sagt«:„WennSie mir keine andre Wurst schenken wollen, dann lieber gar keine."?rau Lewy gab mir nun eine gute Wurst. Nach den Feiertagenolte ich mir den Korb von Lewy. bekam aber keine Sachen.Winters Taschentuch.Amtsrichter P a n k a u bemerkt auf Befragen noch: Maßlofsagte:„Ich habe.„gebabbert" und..Gebrüssel"" gehört."— Zenge§olizeikommissar Block: Am 18. April hat Frau Roß mir dieeschichte von dem Knecht mitgeteilt und gesagt, der Knecht werdewohl wiederkommen. Am 26. April kam die Roß wieder zu mir undsagte, sie habe L e M y S Wäsche gewaschen und darunter ein„15. W."gezeichnetes Taschentuch gefunden. Sie könne allerdings nicht lesen;aber ihre Tochter habe ihr daS Taschentuch gezeigt. Ich habe ihrdann m lateinischer Schrift ein„E. W." aufgemalt. Sie sagte:„So war eS". Winters Taschentuch sei aber„verschlungen" ge-zeichnet gewesen. Ich habe bei Lewy sofort Nachforschungen ge-halten. Zunächst hatten 4 oder S Taschentücher gefehlt. Frau Lewyhat aber sofort die fehlenden Tücher gebracht. AlSdann stimmten dieTaschentücher mit dem Waschzettel. Frau Roß sagte: CSfehlt noch da» Taschentuch mit: ,E. w.''. Frau Lewy brachtedann noch mehrere ganz neue ungezeichnete Taschentücher.— An-geklagte Roß: Von dem waS der Kommissar hier sagt, ist nichtein Wort wahr. sHeiterkeit.) Präs.: Weshalb nicht?— Angeklagte Roß: Frau Lewy wollte die fehlenden Taschentücher nichtvorbringen. Sie brachte zunächst nur Taschentücher, wie sie vomtuden' kommen. Ich hatte großen Streit mit Frau Lew y..iese schmiß alsdann noch 4 oder 5 Taschentücher auf den Tisch.Ich sagte:„Aber das Taschentuch mit„E. W," ist nicht dabei." Eswar auch feiner, als die andren.— Präs.: Hat Ihnen die Roßam 26. April noch ettvaS von dem Knechte erzählt?— Polizei-kommistar Block: Nein.Die Angeklagte Frau Roß giebt zu, daß Sie am 28. April dieWahrnehmungen M a tz l o f S kannte.Bei Wiederaufnahme der Verhandlung nach der Mittagspausewird auf Veranlassung der Verteidiger festgestellt, daß RechtsanwaltHahn aus Charlottenburg und der Zeuge Oberlehrer Hof-richter bei dem Pfarrer zu KonarSzhn waren.Als erster Zenge bekundet sodann derPolizeisergcant Wasilowsky:Maßlof erzählte mir, er habe bi» 11»/» Uhr bei Berg Kartengespielt. AlSdann habe er am Lewy schen Hause„Gebabbre" ge-hört. Er sei deshalb neugierig geworden. Da er wenig hörenkonnte, sei er nach der Manerstrabe gegangen. Dort habe er langeauf der Lauer gelegen. Da habe er einen Mann mit schwarzemAnzüge und schwarzem Cylinderhute aus dem Keller kommensehe» und auch Lichtschimmer gesehen. Er habe dann noch einehalbe Sttinde auf der Lauer gelegen und se, alSdann nach Hausegegangen, da es ihm zu lange gedauert habe. Ichfragte ihn: weshalb er nicht länger beobachtet habe,dann hätte er doch etwa? gesehen, so sei da» doch garnichts. Maßlof sagte darauf: er wollte nicht länger beobachten,da er sonst einen Bierteltag versäumt hätte, der ihm abgezogenwürde. Ich sagte:„Sie hätten dann aber doch eine großartigeBelohnung bekommen."— Maßlof sagte:„Ich wollte denBierteltag nicht versäumen."— Präs.: Erzählte Maßlof. daß eraus dem Thorwege Männer mit einer Last habe treten sehen?—Zeuge: Rein.— Präs.: Nun, Maßlof. Iva» sagenSie dazu?— Maßlof: Ich weiß mich nicht daraufzu erinnern.— Präs.: Sie geben aber doch zu,vom Zeugen vernommen worden zu sein?— Maßlof:Jawohl.— Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Bogel: Weshalbhaben Sie da» nicht früher angezeigt?— Zenge: Ichhatte der Erzählung bisher keine Bedeutung beigelegt.Letzter« ist mir jetzt erst klar geworden.— Erster Staat»-anwalt Settegast: Wie ich soeben gehört habe, ist da»Johnsche Ehepaarau» Berlin eingetroffen. Ich beantrage die sofortige Vernehmungder Eheleute John.— Der Gerichtshof beschließt, dem Antragestattzugeben.Es wird nun zunächst der Redacteur de».Vorwärts" PaulJohn auS Berlin in den Gerichtssaal gerufen. Derselbe bekundet:AuS eigner Wiffenschaft weiß ich nichts. Meine Frau ist aber inGörSdorf geboren. AI» die Aussagen HellwigS durch die Zeitungenbekannt wurden, hat mir meine Frau gesagt, Hellwig sei nicht glaub-würdig. Er sei abergläubisch. Er glaube ebenso wie seine ganzeFamilie an Hexen. Er habe einmal erzählt: Er habe den Teufelbeladen auS dem Schornstein fahren sehen. In Görsdorf sei über-Haupt der Hexenglaube zu Hause. Hellwig» Vater habe seinePferde, ehe er fortgefahren sei, mit dem Besen ge-segnet.— Präs.: Herr Zeuge, wie kommen Sie hier-her?— Zeuge John: Ich habe gestern abend von RechtsanwaltSommerfeld eine Depesche bekommen.— Verteidiger RechtsanwaltHunrath: Wer hat Ihnen die Reisekosten bezahlt?— RedacteurI o h n: Rechtsanwalt Sommerfeld depeschierte:„Reisekostenersetzen."— Verteidiger Rechtsanwalt Hunrath: Kennen Sie denRechisanwalt Sommerfeld?— Redacteur John: Ich habeihn soeben im Hotel P r i e b e gesprochen.— Verteidiger Rechts«anwalt Hunrath: Wtffen Sie, welches Interesse RechtsanwaltSommerfeld an ihrer Vernehmung hatte?— Redacteur John:Rein.— Es folgt alSdann die Vernehmung derFr«m Joh«.Diese bemerkt: Ich bin 186» in GörSdorf geboren und bis 1888in GörSdorf gewesen. Ich bin mit Hellwig, der drei Jahrejünger ist, wie ich, zusammen in die Schule gegangen und habeauch mit ihm gespielt. Hellwig, der als Knabe die Kühe hütete,hat oftmal» von Hexen erzählt; er habe einmal den Teufel, starkbeladen, aus dem Schornstein kommen sehen.(Heiterkeit.)—Präs.: Wie alt war Hellwig damals?— Zeugin:Etwa 11 Jahre.— Zeuge Besitzer Anton Hellwig ausGörsdorf: Ich kenne die Zeugin nicht. Ich erinnere mich auch nicht,solche Erzählung gemacht zu haben. Ich glaube auch nicht, daß ichmit der Zeugin in die Schule gegangen bin.— Frau John: Icherinnere mich aber ganz genau, mit Dir in die Schule ge-gangen zu fein.— Hellwig: Ich erinnere mich nicht.—Präsident: Herr John, haben Sie vielleicht jemand dieNummer des„Vorwärts" nach hier geschickt?— Redacteur John: Nein.ZeugeBürgermeister Deditiu»(Könitz):Die Frau Roß kam eines Tags zu mir und erzählte: sie habe inder Lewy schen Wäsche ein Taschentuch deS Ermordeten gefunden.Auf meine Frage: wo denn das Taschentuch fei. sägte sie:sie habe dasselbe mit der Wäsche an Lewy» abliefernmüssen. Ich sagte:„Das erscheint mir wenig glaub-,hast. Wenn man so etwaS Wichtiges hat, dann behält'man das doch und reicht eS der Polizei ein. ES werden'doch viele Gegenstände eingereicht. Auf meine Frage: wie daSTaschentuch gezeichnet gewesen sei. sagte sie: mit„P". Ich wurdeärgerlich und sagte:„Sie scheinen mich narren zu wollen."—:Präs.: Frau R o h, was sagen Sie dazu?— Angeklagte Roh:Der Bürgermeister hat mich sofort grob angefahren und gesagt:„Was wollen Sie? Ich habe mit dieser Sache nicht» zu thun.Gehen Sie nach dem Gericht."— Bürgermeister Deditiu»: Icherkenne die Angeklagte nicht wieder. Es ist aber unwahr, daß ichsie angefahren habe.'Der Präsident läßt darauf da» Protokoll der Vernehmungender Angeklagten vom Juni verlesen. ES werden verschiedene Wider»spräche in den Aussagen der einzelnen Angeklagten und der An-geklagten unter einander festgestellt.Die Verhandlung wird auf Donnerstag S Uhr vertagt.Die Wohnungsnot und die Kohlen-tenerung.Die in letzter Zeit besonders in der Arbeiterbevölkerung so schwerempfundene Steigerung der Preise für unsre notwendigsten Ge«brauchsarttkel führt uns die heutige Ordnung der kapitalistischenWelt wieder einmal lebhaft vor Augen. Besonder» ist«S derWucherzinS, der von unsren Wohnungen eingefordert wird und'diePreistreibereien der Kohlenmagnaten, die heute die Arbeiterfamilieschwer bedrücken, und nicht nur daS, bei der eingetretenenWohnungsnot sind auch zahlreiche arme Familien um ihr Ob-dach gebracht worden. Damit ist die Frage um sobrennender geworden und eS gilt innerhalb der kapttalistischenGesellschaft Mittel und Wege zu finden, um die Bevölkerung vordem WohnnngSwncher, den Syndikatstreibereien und der zügellosen.Ausbeutung der Großhändler zu schützen. Diese Auswüchse de»kapitalistischen Regimes ganz zu bescittgen, hegen wir keine Hoffnung.sie sind in der kapitalistischen Produktionsweise begründet; aber e»heißt hier da» freie Au»beutung»gtbiet einzuschränken. Dazu hatder Staat, die Gemeinde ihre Machtmittel einzusetzen. Di« ammeisten Bedrängten haben ein Recht fich an diese Fattoren umSchutz zu wenden, wir werden gleichzeitig dabei prüfen können,wie weit man gewillt ist, hier der Lrbeiterllaffe Schutz an gedeihen zulassen.Diesem Zweck dienen die 10 Versammlungen, die heute abendvon der focialdemokratischen Partei einberufen sind, sie sollen diepolitischen Machthaber an ihre Pflicht erinnern und laut Protest er-heben gegen die gewiffenlose wucherische AuSnützung der Notlageder ärmeren Bevölkerung durch privattapitalistische Spekulationen.Der Kundgebung liegen folgendeR e so luti o n en zu Grunde:I. Die kapitalistische Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft schafftauf dem Gebiete de» Wohnungswesen» Zustände, die für die breitenVolksmassen die schwersten Schädigungen in gesundheitlicher, fittlicherund materieller Hinsicht herbeiführen.Um eine durchgreifende Aenderung dieser Verhältniffe zu be»wirken, bedarf es der LoSlösung deS Grund und Boden» von kapi»talistifchen Jntereffen, da diese einzig auf AuSwucherung de» Grundund BodenS und möglichste Steigerung der Grundrente hinzielen.Erst auf dem in Gemeinbesitz befindlichen, nicht dem Kapitali»mu»dienstbaren Grund und Boden können Einrichtungen geschaffenwerden, ivelche gesunde und zweckmäßige Wohnräume für die All»gemeinheit sichern.Die zur Zeit in Berlin herrschenden WohnungSverhältniff« er«heischen nicht nur soforttge Bereitstellung angemeffener städtischerRäume für obdachlose Familien, sondern auch die Schafstingkommunaler Einrichtungen, welche geeignet find, die auf dem Ge-biet« de» Wohnungswesen» herrschenden vollSschädlichen Zuständezu bekämpfen.Al« solch« Maßnahmen fordern wir:1. Erwerbung von möglichst umfangreichem Grundbesitz durchdie Gemeinde;8. Ausschließung de» gemeindlichen Grundbesitze» durch Straßen-und BerkehrSanlagen;S. Verwendung von Gemeindeterrains zur Errichtung vonHäusern, die allen Forderungen der Vollswohlfahrt ent«sprechende Wohnungen enthalten, welch« der Bevölkerung—insbesondre der Arbeiterklasse— zu Miet«preisen zur Ver-fügnng zu stellen sind, bei denen nur die Verzinsung undAmortisation de« aufgewendeten Kapital» sowie die aus derInstandhaltung der Gebäude entstehenden Kosten in Ansatzgebracht werden;4. Einrichtung von städtischen Wohnungsämtern und Anstellungvon WohmmgSinspektoren.II. In Erwägung, daß der für bi« groß« Maffe der Bevölkerungunerschwingliche Preis für ein» der notwendigsten Lebensbedürfnisse,der Kohle, verursacht wird, einesteils durch die schamlose Preistreibereifetten» der Kohleniverkbesitzer mit Hilfe ihrer Syndikate, andrerseitsdurch einen von diesen Syndikaten begünstigten räuberische» Zwischen-Handel, verlangt die Versammlung:1. Schleunige Expropriation der im Privatbesitz befindlichenKohlenwerke und Uebergang derselben in da» Eigentum desReich»;2. Vermittelung der Kohlenlieferung durch die Gemeinden zumSelbstkostenpret« für den Hausbedarf;S. Aufhebung der AuSnahmetarife für die Ausftlhr von Kohlen;4. Herabsetzung der Eisenbahnfrachten für Kohle.O»»lieber den Verlauf der Versammlungen gehen nn» folgendeBerichte zu:In der Versammlung des ersten Kreises bei Cohn, Beuth-strahe, hatte Stadtverordneter Genosse Bruns das Referat über-nommen. Au der Hand eines reichhaltigen Thatsachenmaterialsschilderte der Redner die derzeitigen' schlechten Wobnnng»-Verhältnisse, er erörterte die Ursache» der tvUcherischen Kohlen-teuernng und die Folgen dieser Zustände, unter denen namentlichdie unbemittelte arbeitende Bevöllerung sehr schwer zu leiden habe.Der Referent kritisiert in treffender Weise da» Verhalten der Regierung.