».266. 17. lalrpj. AMßtProzetz Sternberg.LandgerichtZdirektor Müller eröffnet die heutige Sitzung imkleinen Sitzungszimmer der S. Strafkammer, welches die Zahl dererfchienenen Zeugen kaum zu fassen vermag.Der Staatsanwalt teilt mit, daß nach einer Bekundung einesder vor dem Kriminalgerichtsgebäude postierten Schutzleute gestern.eine Anzahl von Detektivs mit einigen der jugendlichen weiblichenZeugen in einem benachbarten Lokale gezecht und gescherzt habensollen, bis die Mädchen stark animiert gewesen sein sollen.sDer unschuldige Herr Schneider.Der erste der heute vernommenen Zeugen ist der KaufmannSchneider aus Frankfurt a./O. Er bestreitet, öfter als dreimaldie Frieda Wohda gesehen oder gesprochen zu haben. Er habeniemals das Kind unsittlich berührt und stehe auch der vonder Zeugin Klara Fischer ausgegangenen Denunziationvollständig fern. Er habe keine Ähnung davon gehabt,daß seine Person mit dieser Sache verquickt werdensollte und habe erst in der vorigen Verhandlung erfahren, daß derVerdacht auf ihn gelenkt werden sollte. Er weise den letzteren weitvon sich. Auf Befragen des Staatsanwalts äußert der Zeuge dieVernmtung, daß man Anstrengungen machte, um ihn diesmal alsZeuge von der Verhandlung fernzuhalten. Er folgert dies auseinem Brief, den er nach London erhalten habe. Die Behauptung,daß er aus Gründen dieses Prozesses nach London gegangen sei undvon dort aus den Auftrag gegeben habe, Haus und Geschäft zu ver-kaufen, treffe nicht zu. Er sei aus rein privaten Gründen und wegenseiner Beziehungen zu Frl. Klara Fischer nach London gegangen undhabe sich durch ein Schreiben an den Staatsanwalt von dort ausdereit erklärt, als Zeuge zu erscheinen.Auf Befragen des Justizrats Dr. Sello bestätigt der Zeuge,daß er einmal die Frieda Wohda nach Bier ausgeschickt und rhreinen kleinen Ueberschutz des Gelds geschenkt habe. Der Zeugehatte bei der vorigen Verhandlung die Möglichkeit zugegeben, daßdieser Ueberschuß zehn Pfennige betrug, er kann diesmal Bestimmtesdarüber nicht sagen. Frieda Wohda glaubt, daß sie zweimal Biergeholt und szweimal fünf Pfennige erhalten habe. Diese Zehn-pfennig-Frage spielt insofern eine gewisse Rolle, als behauptet wird,der Mann, der Frieda Wohda unsittlich berührt haben soll, habe ihrals Belohnung zehn Pfennig gegeben.Die Bedingungen der„Maffenfe" Fischer.Fräulein Klara Fischer überreicht einige ihr von ihrer Schwesteraus Amerika zugegaiigene Briefe. In dem ersten sprichtMargarete Fischer ihr Entsetzen darüber aus, daß Auta Wendervon ihr fort und nach Deutschland zurückgegangen sei, umgegen sie und für Sternberg zu zeugen. Sie weine Tag undNacht, sei elend und krank und würde am liebsten ihremLeben ein Ende machen. Sie schwöre beim Andenken ihrer Mutter,daß sie niemals ein Mädchen überredet habe. Sie habe an Herrnv. Tresckow einen Brief gerichtet und sich zur Rückkehr nach Berlinbereit erllärt, wenn ihr folgende Bedingungen erfüllt werden:1. mildernde Umstände, 2. freie Fahrt H. Klasse. 3. freier Rücktransport des Hunds«Cäsar", 4. Verpflegung des«Cäsar" aufStaatskosten während ihrer Untersuchungshaft und etwaigen Strafe.Gehen die Behörden aus ihre Bedingungen nicht ein, so müsse siein Amerika sterben zc.— In einem andren Briefe regt sie beiihrer Schwester an. daß ihr ein Verteidiger bestellt werdenmöge. In einem dritten Briefe verwahrt sie sich der Schwestergegenüber gegen den Vorwurf. daß sie ihrerseits denVerdacht auf Herrn Schneider gelenkl habe. Sie schwörtwieder bei dem Grabe ihrer Mutter,' daß dies nicht wahr sei. Siewerde von Feinden umlagert, ein Detektiv habe sich bei ihr direktins Haus gesetzt, zwei Rechtsanwälte drängen sich an sie heran, siescheinen etwas Schreckliches zu. planen und sie nach Deutschlandzurückbringen zu wollen. Lieber gehe sie in den Tod. ehe sie zurück-kehre zc. ,c.Nach Verlesung dieser Briefe beantragen Rechtsanwalt Fuchs Iund Justizrat Dr. Sello den Verteigigern zur Beratung untersich und mit dem Angeklagten behufs Formulierung wichtiger An-träge Zesi zu gewähren und zu diesem Behufe die Verhandlung aufeine Stunde zu vertagen.Bei der langen Dauer der gestrigen Sitzung sei dies nicht möglichgewesen, und da die soeben verlesenen Briefe zum erstenmal zurKenntnis gebracht worden seien, ergebe sich die Notwendigkeit einersolchen Beratung.Der Gerichtshof entspricht diesem Antrage und vertagt die Ver-Handlung bis 12 Uhr.Nack Wiederaufnahme der Sitzung wird zunächst der Di-rektor desDetektiv Instituts„JuS"Herr Schulze vernommen. Er hat umfangreiche Recherchen fürden Angeklagten S t e r n b e r g angestellt und, wie er sagt, für seineBemühungen bis zu der ersten Verhandlung 6000 M. Honorar et»halten. Im Fall des Erfolgs seiner Bemühungen sei ihm einExtrahonorar von 30 MM) M.durch Herrn Sternberg zugesichert. Auf Befragen des Vorsitzendenerklärt der Zeuge, daß er vor längerer Zeit wegen Flucht-begünstigung zu sechs Monaten Gefängnis ver-urteilt worden ist. Es handelte sich damals um die Flucht einesBankiers Junglaß, dem er einen Paß verschastt haben soll. Der Zeugebehauptet, daß er zu unrecht verurteilt worden sei und seinen Rechts-anwalt mit der Einleitung des Wiederaufnahmeverfahrens betraut habe.Der Zeuge überreicht ein Schriftstück, wonach er für seine Thätigkeitin einem Fall Brinkmann vom Justizmini st er eine B e-l o b i gu n g erhalten hat. Der Staatsanwalt richtet an den Zeuge»eine ganze Reihe von Fragen, die auf die Thätigkeit des Zeugen ineinem Ehescheidungsprozeß Bezug haben. Der Staatsanwalt be-hauptet, daß der Zeuge m einem Ehescheidungsprozeß von dem Ehe-mann angenommen worden sei, sich an die Ehefrau herangemachtund sich von seinem eignen Detektiv habe beobachten lasten. DieVerteidiger erklären zu diesen Frage», daß sie bisher keine Gelegen-heit hotten, von dem Beweismatcrial, auf das sich der Staats-anwalt zu stützen scheine, Kenntnis zu nehmen.— Auch in einemzweiten Fall habe der Zeuge, wie der Staatsanwalt hervorhebt, ingleicher Weise gehandelt: Er sei von dem betreffenden Ehemannmit Recherchen betraut worden, habe sich dann selbst an die Ehefrauherangemacht und im Ehescheidungsprozeß sein Zeugnis verweigerteAuf Befragen des Staatsanwalts bestätigt der Zeuge, daß er nacheiner von ihm herausgegebenen Reklamebroschüre sein Geschäft unterder Devise„Für Recht und Wahrheit"betreibe und daß er in der ersten Verhandlung gegen Sternbergwegen Verdachts der Begünstigung nnbeeidet geblieben ist. DerZeuge erklärt, daß er niemand begünstigt habe und daß er gesternnicht die Scene in der Restauration mit dem Mädchen, die derStaatsanwalt erwähnt hatte, hervorgerufen habe.— Um den un-günstigen Eindruck, der durch diese Fragen des Staatsanwalts hervor-gerufen werden könnte, zu paralysieren, hebt Rechtsanwalt Dr.Werthauer folgendes hervor: Die Thätigkeit des Zeugenin der Sache des pensionierten Steuererhebers Brinkmann,der wegen Meineids verurteilt, dann aber auf Grund der recher-chierenden Thätigkeit des Herrn Schulze im Wiederaufnahme- Ver-fahren freigesprochen worden ist, sei von dem Vertreter des Justiz-Ministers, Herrn v. Nebe-Pflugstädt, bcziv. durch den Obcr-Staats-anwalt Dr. Wachler durchaus anerkannt worden, indem Herrn Brink-mann nicht nur seine Kosten ersetzt und eine Entschädigung fürunschuldig verbüßte Strafe zugebilligt worden ist, sondern man ihmauch die 750 M., die er Herrn Schulze zu zahlen hatte, mit Rücksichtdaraus ersetzt hat, daß de» letzteren Dienste von wesentlicher Be-lies.Fmiick"deutung waren. Auf weiteres Befragen des R.-A. Werthauerbestätigt der Zeuge, daß Justizrat Dr. Sello ihm fünf Tage nachBeendigung der ersten Verhandlung in einemBelobigungsbriefseinen Dank dafür ausgesprochen hat, daß er in ehrenvoller unddurchaus korrekter Weise gearbeitet habe und daß er nur unter derBedingung mit Recherchen betraut worden sei, daß er sich aller un-lauteren Mittel zu enthalten habe. Zeuge Schulze betont, daß erdiese Bedingungen erfüllt habe, in sachgemäßester Weise vorgegangensei und daß sich in der vorigen Verhandlung auch nicht ein Pünktchenseiner Feststellungen als unrichtig erwiesen habe.— RechtsanwaltDr. Werth au'er: Hat der Zeuge, soweit Menschen überhauptetwas ermitteln können, die volle Ueberzeugung, daß der An-geklagte Sternberg im Falle Wohda völlig unschuldig ist?—Zeuge: Ich habe die volle Ueberzeugung.— DerVorsitzende hält solche Fragen nicht für zulässig, ebensoinhibiert er eine Frage des Angeklagten Sternberg:Ob dem Zeugen bekannt sei. daß nenerdings geplantgewesen sei, wieder ein neues Mädchen abzurichten undan Frau Sternberg heranzutreten, um von ihr 300 000 M. heraus-zupressen.— Zeuge Schulze ivird vorläufig entlassen.Hierauf begründet Justizrat Dr. Sello die von der Ver-teidigung beschlossenen Anträge, die auf eineVertagung der ganzen Verhandlunghinauslaufen. Die Verteidiger beantragen zunächst, daß sich derGerichtshof ans Grund des§ 6 der Strafprozeß-Ordnung für un-zuständig erklären möge. Die Verteidigung stehe auf dem Stand-punkte, daß durch die Aussagen der Frieda Wohda/ die fortgesetztgewechselt haben, eine Verurteilung des Angellagten Sternberg un-möglich herbeigeführt werden könne. Die Verteidigung müsse aberdamit rechnen, daß der Gerichtshof in der Beurteilung der Glaub-würdigfeit der Wohda eine andre Ansicht hat. Alsdann würde diewesentliche Unterlage für die Feststellung des Thatbestands die erstegerichtliche Aussage der Frieda Wohda vor dem UntersuchungsrichterLandgerichtsrat H a m e l bilden. Nicht nur bei dieser Vernehmung,sondern auch bei zwei andren Gelegenheiten habe die Frieda Wohdaklipp und klar ausgesagt, daß siemit Gewaltzu den unzüchtigen Handlungen gezwungen worden sei.- Nach Ansichtder Verteidigung gehe es unmöglich an, diesen entscheidenden Teilder Aussage einfach auszumerzen und kein Gerichtshof der WeltIverde sich dazu verstehen können, aus einer solchen Aussage nurdas herauszunehmen, was zu eiuer Verurteilung des An-geklagten führen kann, ohne die Zuständigkeit des' Gerichts zugefährden. Nach der Ueberzeugung der Verteidigung sei dasSchwurgericht zuständig.Man könne die Aussage des Kinds entweder als Ganzes geltenlassen oder müsse sie als Ganzes v e r w est f e n, es sei unzulässig,Nach Belieben einzelne Details herauszunehmen. Für den Fall, daßder Gerichtshof nicht schon jetzt die Aussage der Wohda für völlig»nglaubwürdig halte»nd zur Freisprechung komme, müsse die Sachevor das Schwurgericht verwiesen werden. Die Verteidigung stelleaber noch zwei Eveulualauträge: 1. Beantrage sie die Vernehmungder Margarete Fischer in Nelv Durk darüber, daß die heuteproduzierten Briefe in der That von ihr herrühren. Fernersoll sie bekunden, daß ihr■ von unzüchtigen Handlungendes Angeklagtep mit der Frieda Wohda weder aus eignerWistenschast noch aus den Mitteilungen andrer das geringstebekannt ist. Aus den Briefen ergebe sich dies zur Evidenz.Margarete Fischer habe selbst zu der Zeit, als sie durchDrohungen Geld von dem Angeklagten herausholen wollte, bei denverschiedensten Gelegenheiten der Wohda nicht mit einer SilbeErwähuung gethan, der einzige Fall, in welchem sie von einemkleinen 12jährigen Mädchen spreche, beziehe sich nicht auf die Wohda,sondern auf die Ehlert.— 2. Ein weiterer Antrag der Verteidigunggehe dahin, den BeisitzerLandgerichtSrat Kacmpfe als Zeugenzu vernehmen. Dieser sei in der ersten Verhandlung Referent undUrteilsfasser gewesen und werde bezeugen, daß die Ehlertdas vorige Mal auf ausdrückliches Befragen ausdrücklichbekundet habe, sie habe mit Sternberg nur einmal bei der Fischerzu thun gehabt, während sie jetzt mit dem völligen Novum hervor-gekommen, daß dies auch bei der Frau Töpfer geschehen sei. Dadie Ehlert jetzt eidesmündig sei, so halte es die Verteidigung füreminent wichtig, festzustellen, ob die Ehlert diese neue Behauptungeinfach aus der Luft gegriffen und sich aus dem Inhalt der vorigenVerhandlung einfach ein Märchen konstruiert hat. Das würde vongroßem psychologischen Wert sein und die Warnung enthalten, beider Würdigung solcher Aussagen weiblicher Zeugen äußerstvorsichtig zu sein.— Rechtsanwalt Dr. Mendel erweitertden Antrag dahin: nicht nur die jetzigen beiden Bei-sitzer LandgerichtSräte Regenberg und Kämpfe, sondern auchden früheren Beisitzer Landgerichtsrat Fritz sche darüber zuvernehmen, daß Frieda Wohda bei der vorigen Verhandlung dieAnwendung von Gewalt behauptet hat.— Staatsanwalt Brautwiderspricht den Anträgen entschieden. Der Einwand der Unzu-ständigkeit sei schon in der vorigen Verhandlung als unbegründetzurückgewiesen. Es fehle jeder Nachweis, daß Gewalt angewendetworden ist, insbesondere fehle auch das subjektive Moment, daß derAngeklagte Sternberg solche Gelvalt angewendet habe. Was dieAnträge bezüglich der Vernehmung der Fischer in New Dork und derLandgerichtsräte Regenberg und Kämpfe betrifft, so bedeute der erstenach seiner Meinung nichts andres, als eineVerschleppungund der andre solle den Gerichtshof sprengen, da» heißt auch aufdiesem Wege die Sache verschleppen.— Nachdem die RechtsanwälteDr. W e r t h a u e r, Dr. Mendel und Justizrat Dr. Sello denAusführringen des Staatsanwalts schärf entgegengetreten, zieht sichder Gerichtshof zur Beratung zurück.•Der Gerichtshof entscheidet sich dahin, daß er nach Schluß derBeweisaufnahme über dieZuständigkeitöfragesich schlüssig machen werde. Was die Margarete Fischerbetrifft, so soll versucht werden, sie zur Gerichtsstelle zu bringen.Der Staatsanwalt soll ersucht werden, sie telcgraphisch zu ladenund ihr die erforderlichen Reisekosten telegraphisch anzuweisen. Be-züalich der Vernehmung der LandgerichtSräte beschließt der Gerichts-hos mit Rücksicht auf die Strafprozetz-Ordnung(Genehmigung durchden Vorgesetzten) den Beschluß auszusetzen.Rechtsanwalt Dr. Werthauer beantragt nunmehr, die HerrenRäte auch ohne Genehmigung des Vorgesetzten zu vernehmen, da eSsich hier nicht um Dinge handle, die die A m t s v e r s ch w i e g e n-heit berühren, sondern' um Dinge, die die Herren gehört haben.—Der Gerichtshof erachtet den neuen Beweisantrag als durch seinenvorherigen Beschluß erledigt.Neuer Umfall einer BelastungSzengin.Es folgt hierauf die Vernehmung der jetzt 16jährigen ZeuginAuguste Collis, die die Belastung'szeugin in einem der beidenneuen Anklagefälle ist. Sie hat sich aus Grund der Annoncen, wo-nach junge Mädchen zum Modellstehen gesucht werden, bei der Fischergemeldet und ist dort mit einem Herrn zusammengetroffen, der aberder Angeklagte Sternberg nicht sei. Sie habe früher in der ihrvorgelegten Photographie des Angeklagten den Mann wieder erkannt,ihre diesbezügliche frühere Aussage sei aber nicht richtig, siekenne Herrn Sternberg nicht, der betreffende Herr seiviel jünger gewesen. Sie bestreitet, von dritter Seite, namentlichnicht von Detektivs, beeinflußt worden zu fein. Auf wiederholtenVorhall des Borsitzenden, wie fie denn zu der angeblich unwahrenMiilmch, 11 Nomliber 1900.ersten Aussage gekommen sei, hat die Zeugin eine abgeschlossene Er-klärung nicht. Sie giebt auf Befragen zu, trotz ihres jugendlichenAlters schon mit recht vielen Riännern im Verkehr ge-standen, behauptet aber, jetzt seit einem Vierteljahr einen andrenLebenswandel begonnen zu haben.— Der Vorsitzende macht auch dieseZeugin auf die Strafen des Meineids aufmerksam und hebt hervor,daß sie bei den drei ersten Vernehmungen ganz das Gegenteilbekundet habe. Die Zeugin bleibt dabei, daß sie heute d r eWahrheit gesagt habe, und behauptet, daß sie daS ersteMal die Unwahrheit gesagt habe, weil Frau Haus mann ihrdas nahegelegt habe. Frau H. sei erst beim Direktor Luppagewesen, um Geld zu erhalten, und da sie solches nichterhielt, habe sie gesagt, die Zeugin solle nur so, wie geschehen, aussagen, das könne gar nicht schaden.— Angekl. Stern bergglaubt, daß eine ganze Reihe von Momenten vorliege, welche zeigen,daß die ersten Aussagen der Zeugin unwahr sein müssen.— DieZeugin wird von dem Vorsitzenden immer aufs neue befragt,wie sie es erklären wolle, daß sie in den ersten— angeblichenunwahren— Aussagen auch alle Einzelheiten der unsittlichenHandlung mitteilen konnte. Sie bleibt dabei, daß sie dieUuwahrheit früher gesagt habeund deutet auf Aeußeruugen hin, die ihr die HauSmann gemachthabe und durch sie vielleicht unbewußt beeinflußt wordenfei. AuS den zur Verlesung gebrachten Protokollen über die erstenVernehniungen der Zeugin geht hervor, daß sie früher Mit Lampen-schirmen und Blumen hausieren ging und auf diele Weise mit derFischer in Berührung gekommen ist. Sie ist dann ständiger Gast daselbstgewesen. Sie bleibt dabei, daß Sternberg der Mann nicht sei, mit demsie dort verkehrte, der Vorsitzende hebt immer wieder hervor, daßdie Vernehmung der Zeugin sehr ausgedehnt gewesen sei und sichauf alle niöglichen Einzelheiten erstreckt habe, die- der Zeugin un-möglich alle entfallen sein können. Auf Befragen des Vorsitzendenerklärt die Angekl. Wender, daß nicht Sternberg. sondern einGraf, dessen Namen sie nicht nennen wolle, der betreffende Manngewesen sei.Die Vernehmung der Zeugin Collis wird hierauf unterbrochenund die Sitzung auf D o n n e r's t a g gl/s Uhr vertagt. Die Mitt-wochSsitzung fällt aus, um Zeit zu der Suche nach den Briefen derPfeffer in den Geschäftsräumen des Angekl. Stemberg zu gewinnen.Voksles.Die Rrbeiter-BildungSschnle veranstaltet zum Sonntag, den18. November, im großen Saale des Gewerkschaftshauses, Engel-Ufer 15, zu Ehren der bekannten italienischen Volksdichteri» AdaN e g r i einen Konzert-Abend, wozu nur erste Kräfte alsMitwirkeilde herangezogen sind. Die Kammermusck wird ausgeführtvon den Herren David Visansky(Violine), Hermann Spöndly(Viola),Max Schulz. Fürstenbcrg(Cello), Paul Friedrichs(Klavier). Gesang:Erl. Camille Weiß. Festvortrag: Frl. Dr. Wygodzinski. Recitation:err Max Laurence. Der Eintrittspreis beträgt, inklusive Garderobe,Programin und Liedertexte, nur SO Pf. Diese Veranstaltung wirdsich' den früheren würdig anschließen, und darf man wohl einenzahlreichen Besuch erwarten._Ehrenbürger Bertram. Die Meldung, daß ein Teil derStadtverordneten mit der Absicht umgehe, den, Stadtschulrnt Bertrambei seinem Ausscheiden aus der Kommnnalverwaltung die Ernennungzum Ehrenbürger von Berlin zu verschaffen, war also dochkein Scherzi Mehr als 80 Stadtverordnete haben jetzt,wie wir schon kurz mitteilten, den Antrag eingebracht, dem am1. Januar in den Ruhestand tretenden alten Herrn wegen seinerVerdienste um das Berliner Schulwesen das Ehrenbürgerrecht zuverleihen. Als die Nachricht, daß etwas derartiges geplant werde,vor etwa 14 Tagen zum erstenmal auftauchte, da erschien uns dieSache nickt glaubhaft. Wir bekennen, daß wir auch jetzt, wo derAntrag selber vorliegt, noch immer nicht recht verstehen, was damiteigentlich bezweckt wird. Dieser Antrag scheint in der That, wie die.Volks-Zcitung" meint, den Schluß zu rechtfertigen, daß jene Stadt-verordneten nicht Herrn Bertram für daS, was unter ihm gegendie Berliner Volksschule gesündigt worden ist, v eran tw ortlichgemacht wissen wollen. Das würde ja auch nur dem Sachverhaltentsprechen. Wir haben stets hervorgehoben und oft nachgewiesen,daß viel weniger Herrn Bertram, als jenebekannte, sich«freisinnig" newnende Mebrheitder Stadtverordne ten-Versammlung, von der sichHerr Bertram als Werkzeug gebrauchen lassen mutzte, die Schuldan den zahlreichen Mängeln des Berliner Volksschulwesens trifft. Soll man aber(mit der„V.-Z.") an-nehmen, daß diese Mehrheit nun sich selber vor derOeffentlichkeit für das Berliner Schuleleud verantwortlichmachen will? Wenn daS der Fall wäre, ja dann hättenwir unsre«freisinnigen" Stadtväter wirklich nicht gekannt IVielleicht ist die Sache so zu erklären, daß diese kommunalen Zierdendes Berliner„Freisinns" sich selber nicht kennen, willsagen: daß sie bei aller Knanscrigkeit, die sie dem Volksschulwesengegenüber so lange bewiesen haben, sich noch für besonders freigebigund die Arbeit, die sie durch Herrn Bertram ausführen ließen, fürgut und ausreichend halten— für ausreichend in Anbetrachtdes UmstandS, daß es sich dabei eben nur um die Volksschulehandelte. Dann wollen sie am Ende auch weniger ihr WerkzeugHerrn Bertram als in ihm sich selber und den Berliner„Freisinn"ehren?„Keine erfreuliche Episode unsreS GemeindelebcnS." Indem erst jetzt veröffentlichten Hanpt-Vermaltungsbericht des Magistratsfür das Jahr 1898/09 wird eine ausführliche Darstellung des H i l f s-arbeiterkriegS gegeben, aus dem der Magistrat bekanntlich alsBesiegter hervorgegangen ist. Der ganze Groll über die erlitteneNiederlage kommt in diesem Epilog noch einmal zum Ausdruck.Auch die böse Presse bekommt dabei noch eins ausgewischt.„Die durchdie Beteiligten geschürte Aufregung." lesen wir in dem Bericht,„wuchsimmer mehr, zumal die öffeiitliche Preffe alle Entscheidungen,die zu unsre« Nachteile ergingen, verzeichnete, während von den nichtwenigen zu unsren Gunsten ergangenen kaum etwas in dieOeffentlichkeit drang, und äußerte sich in immer heftigeren und zumTeil schmähenden Ausfällen gegen den Magistrat und insbesonderegegen den Oberbürgermeister in Zeitungsartikeln und Petitionen."Der betreffende Abschnitt des Berichts schließt mit der Be-merkung, daß die Angelegenheit«in mancherlei Beziehungkeine erfreuliche Episode imsres Gemeindelebens bildet."Für diesen Satz darf der Magistrat auf die Zustimmungweitester Kreise der Bevölkerung rechnen. In der That. derStreit des Berliner Magistrats mit seinen Bureau-Hilfs«arbeitern ivar keine erfreuliche, sondern eine tief beschämendeEpisode unsres G em e i n d e l e b e n s.Die städtischen Hilfsbeamten hielten am Montagabend eineVersammlung ab, in welcher sie über die notwendigen Schritte zurErhöhung, ihrer Gehälter anläßlich der Teuerung der Lebensmittelberieten.Mit den Mittel» deS Schusterle haben nach der Kreuz-Zeitung" liberale Leute bei den Kirchen wählen am Sonntagagitiert. Wir hatten bekanntlich, als in einem Ausruf von einemkirchlich-liberalen„Arbeiterkomitee" die Rede ivar, bei Er-wähnung des Aufrufs betont,. daß Socialdemokraten alsHilfstruppen t-ei den Kirchenwahlen nicht zu haben wären. Ru«berichtet die«Kreuz-Zeitung":