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St. 26». 17. mnm. 1 Dtllllge Prozeß Sternberg . Nach Eröffnung der Sitzung teilt der Vorsitzende Landgerichts- Direktor Müller mit, dah ein großer Teil der Zeugen bis DienS- tagmittag 12 Uhr beurlaubt werden kann. Am Montag sollen die N i ch t e r, der Staatsanwalt R o m e n, Justizrat Kleinholz usw. vernommen werden. Wie Margarete Fischer reisen will. Staatsanwalt Braut erbittet sich zunächst das Wort zu folgender Erklärung: Die Staatsanwaltschaft hat sich behufs Ladung der Margarete Fischer telegraphisch nach New-Uork gewandt und vom dortigen Generalkonsulat ist eine telegraphische Antwort an das Aus- wärtige Amt eingegangen. Danach hat sich Margarete Fischer bereit erklärt, sofort zu reisen, aber unter folgenden Bedingungen: 1. freies Geleit; 2. Zahlung einer Summe von 5000 M.; 3. freie Fahrt II. Klasse und freie Verpflegung für sich und ihre Begleiterin Helene Fischer. Der Staatsanwalt bemerkt, daß er bereit sei, soweit dies innerhalb der gesetzlichen Grenzen geht, die Hand dazu zu bieten, daß die Fischer hier in Berlin an Gerichtsstelle er- scheint. Es werde sich fragen, ob der preußische Staat, unter dessen Steckbrief die Margarete Fischer stehe, es erfüllen kann. Ganz unerfüll- bar erscheine ihm die Zahlung von 5000 M. Es bestehe keine gesetz- liche Möglichkeit, eine derartige Summe zu zahlen, denn in Frage könne bloß die Anwendung der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige kommen, und wenn auch bei weiten Reisen in dieser Beziehung großes Entgegenkommen gezeigt werden kann, so ist doch die Zahlung einer derartigen festen Summe völlig ausgeschlossen. Dagegen ist es angängig, freie Her- und Rückfahrt II. Kajüte zu ge- währen. WaS die Forderung des freien Geleits betrifft, so ist folgendes zu erwägen: Die öffentliche Klage gegen Margarete Fischer sei seines Wiffens noch nicht erhoben ,' vielmehr ist gegen sie im Vorverfahren vom Amtsgericht I ein Haft- befehl erlassen worden. Nach seiner Meinung würde die Strafkammer befugt sein, der Margarete Fischer freies Geleit zu gewähren. Die Staatsanwaltschaft würde eventuell in der Lage sein, ihrerseits den amtsrichterlichen Hastbefehl aufzuheben, diese Aufhebung würde aber für die Staatsanwaltschaft gleich- bedeutend sein mit der Nichtverfolgung eines Verbrechens und des- halb würde er sich zu einer solchen Aufhebung nur für befugt halten, wenn die Strafkammer beschließt, daß, um das Herkommen der Zeugin zu ermöglichen, ein solcher Schritt unternommen werden soll. Rechtsanwalt Dr. Werthauer: Für Herrn Sternberg würde es keine große Sache sein, die Svvv M. selbst zu geben, er würde es aber jedenfalls nur dann thun, wenn es der Gerichts- hos ausdrücklich für zulässig erklärt, damit nicht wieder der Verdacht einer Beeinflussung entsteht. Rechtsanwalt Fuchs: Die Ver- teidigung, welche selbst die Ladung der Margarete Fischer beantragt hat, hat gegen die Vorschläge des Staatsanwalts nichts einzuwenden. Rechtsanwalt W r o n k e r bittet, die Entscheidung darüber, ob Herr Sternberg die 5000 M. aus eigenen Mitteln hergeben soll, bis morgen zu vertagen, da alsdann der heute nicht anwesende Justiz- rat Sello wieder zur Stelle sein wird. Staatsanwalt Braut: Principiell scheine ihm das auch nicht angängig, daß der Staat in einem solchen Strafverfahren ein derartiges Geschenk annimmt, es würden aus dieser Hergäbe der Summe durch den Angeklagten auch neue Bedenken bezüglich der Glaubwürdigkeit der Zeugin sich er- geben. Angekl. Sternberg: An den 5000 Mark würde ihm an sich nichts gelegen sein, aber er habe doch die Vermutung, daß, wenn er die Summe hergebe, wieder der Verdacht entstände, daß die Fischer beeinflußt sein und nicht mehr als unbefangene Zeugin erachtet werden könnte. Giebt aber der Staatsanwalt die 5000 M., so würde sich die Fischer sagen: Das ist ja himmlisch, ich werde wegen eines Verbrechend steckbrieflich verfolgt und so wie ich die Bereitschaft zur Reise erkläre, erhalte ich nicht nur freie Fahrt für mich und eine angebliche Gesellschafterin, und bekomme noch ei» kleines Vennögen von 5000 M. sowie freies Geleit. Sie wird sich sagen, daß sie' einem solchen Staatsanwalt sehr obligiert und dankbar sein muß und daraus ergebe sich wieder die Gefahr. daß sie etwas aussagt, was sie nicht verantworten kann. Wenn ihr in so phäno- menaler Weise entgegengekommen werde, müsse ihre Zeugenaussage bedenklich erscheinen. Staatsanwalt: Der Angekl. Sternberg hat hier soeben ein sehr feines Gefühl für die Einwirkung des Gelds auf Zeugen bekundet, das ist mir sehr intercffant gewesen. WaS ich gegen die Fischer auszusetzen habe, hat der Angekl. Sternberg wieder- holt. Auch ich glaube, daß sie auf alle Fälle eine so wenig intakte Zeugin ist, daß auf ihre Aussage kein großes Gewicht zu legen sein dürfte. Angeklagter S t e r n b e r g: M i r ist kein Fall bekannt. daß auf Zeugen mit Geld eingewirkt worden ist. Nur der Herr Staatsanwalt wittert in jeder Ermittelung, die von unsrer Seite angestellt wird, eine Beeinflussung, und hält schon jeden, der mit einem Detektiv spricht, für verdächtig. Nachdem die Zeugin Clara F i scher auf Befragen angegeben, daß eine Verwandte Helene Fischer in New Aork überhaupt nicht existiert, zieht sich der Gerichts- bof zur Beratung zurück. Der vom Vorsitzenden verkündete Beschluß geht dahin: Der Gerichtshof weist die Zumutung, einer als Zeugin vorgeladenen Person gewisse Bedingungen zu erfüllen. zurück, namentlich auch die Zumutung, ihr einen Betrag von 5000 M. zu zahlen oder mit dem Angeklagten Sternberg in irgend eine Erörterung darüber zu treten, ob und in welcher Form dieser zur Hergabe der 5000 M. bereit sei. Der Gerichtshof erklärt sich ferner für unzuständig, die Gewährung freien Geleits zu beschließen, weil die Strafsache Fischer erst im Vorverfahren sich be- findet und eine Verbindung dieser Sache mit der Affaire Sternberg durch die Strafkammer nicht beschlossen werden kann. Der Ge- richtShof giebt dem Staatsanwalt anHeim, die Aufhebung des Haft- befehls durch das Amtsgericht herbeizuführen, und ist bereit, die- jenigen Gebühren anzuweisen, welche angemessen und gesetzlich sind; dazu sind auch die Gebühren für die Mitreise einer Gesellschafterin zu rechnen. Hierauf wird die gestern unterbrochene Vernehmung der Frau ValeSka Hausmann fortgesetzt. Sie verbessert ihre gestrige Aussage dahin, daß das Mädchen Collis, gegen die die Zeugin offenbar sehr gereizt ist. ihr schon vor deren erster polizeilicher Vernehmung den Namen Sternberg genannt habe. Die Eallis bestreitet diese Behauptung mit großer Entschiedenheit, die Zeugin bleibt ebenso entschieden bei ihrer Angabe und beide Zeuginnen treten sich scharf gegenüber. Die Zeugin HauSmann erklärt ferner auf Befragen, daß der Angeklagte Luppa auf sie nie Beeinflussungsversuche gemacht habe, die letzteren vielmehr nur vom.Kapitän Wilson' ausgegangen seien. Letzterer habe sich auf dem GerichtSlorridor an dem Tage, als sie vor dem Untersuchungsrichter vernommen wurde, an sie herangemacht und in einem offenstehenden.Zimmer der Angeklagten ' recht viel Bier getrunken. Kapitän Wilson habe sie und die Collis alsdann in die Weinstube von Peter Becker zum Diner geführt, dort viel von der Mitschuld StenibergS gesprochen und gesagt, die Teichert sei schon durch Hmgabe von 500 M. gewonnen worden. Der freigiebige Kapitän. Sie habe sich mit dem Kapitän Wilson Brüderschaft getrunken und man habe aus daS Wohl des An- g e k l a g t e» S t e r b e r g angestoßen. Di- Zeugin erzählt dann ausfuhrlich die schon bekannten sonstigen Einwtrkungsverfuche des Kapitän Wilson bis zu der Hergäbe der 300 M. durch ihn. Kapitän Wilson habe dabei gesagt, daß das Geld von Herrn Luppa herstamme. Sie will die 300 M. darum zurückgegeben haben, weil sie dem Wilson einen Schuldschein über die ganze Summe gegeben hatte und nun befürchtete, daß sie auf diese ganze Summe verklagt werden könnte, während sie vorgeschriebenermaßeu der Collis 150 M. abgeben sollte. Daß der Kriminalschutzmann Stier st ädter öfter des Jonrätte" in ihrer Wohnung gewesen und auch über den Prozeß Sternberg mancherlei gesprochen hat, giebt die Zeugin zu, verweigert aber ihre Aussage über ihren intimen Verkehr mit Stierstädter. Richtig sei es, daß Stierstädter mit der Zeugin Brauer in unzüchtigem Verkehr gestanden hat. Frau Hausmann bestreitet entschieden, daß der Kapitän Wilson einen Revolver gezeigt und damit gedroht habe, die Zeugin Collis bleibt aber auch bei dieser Behauptung. Ans den weiteren Bekundungen der Zeugin Hausmann ist noch folgendes zu erwähnen: Nachdem die Episode mit der Zurückgabe der 300 M. schon geschehen war, habe sie Kapitän Wilson eines Nachmittags wieder nach dem Architektenhaus bestellt und dort zu ihr gesagt: Ihr habt ja gepfiffen, ich schlage Ihnen die Backzähne entzwe:!' Trotz dieser freundlichen Gesinnung soll der Herr Kapitän doch noch den Kaffee ans seinen Mitteln bezahlt und sich dann entfernt haben. Die Zeugin hatte ferner eines Tags mit Herrn Stierstädter den Plan verabredet, unter dem Vorgeben, eine Reise nach Holland machen zu wollen, den Kapitän Wilson nach dem Bahnhof zu locken, wo ihn dann Stierstädter verhaften ivollte. Sie ist dann zu dem auf einem Bureau des Herrn Sternberg damals thätig gewesenen Rechtsanwalt Dr. M ö h r i n g gegangen und hat ihm die Absicht zu verreisen mitgeteilt. Dr. Möhring habe ihr darauf gesagt, es wäre sehr gUt, wenn sie nach Holland gehe; wenn sie drüben sei, würde er ihr eine Liqueur-Stube schenken; wenn sie wollte, würde er den Kapitän Wilson abends auf den Bahnhof schicken. Als sie abends mit Herrn Stierstädter zum Bahnhof kam, haben sie vergeblich auf Wilson gewartet und seien unverrichteter Sache nach Hause gegangen. Auf den Vor- halt des Staatsanwalts, daß sie doch eigentlich ein seltsames Doppel- spiel gespielt und augenscheinlich die sittliche Vergehung des Herrn Stierstädter der Sternberg- Partei verraten habe, bestreitet die Zeugin das letztere. Die Männer, die fort und fort sie auszuholen sich bemühten, hätten all' die Dinge schon gewußt. Wiederholt seien solche Männer bei ihr gewesen, eine ganze Zeit lang seien sie mit der Bitte an sie herangetreten:Haus- Männchen, wir müssen unbedingt Ihr Bild haben'. Was man mit diesem Bilde eigentlich wollte, wisse sie nicht; eines Tags sei sie sehr überrascht gewesen, als sie auf der Straße plötzlich von einem Angestellten des Direktors Schulze photographiert werden sollte. Als Gesamtsumme, welche die Zeugin bei verschiedenen Ge- legenheiten von einzelnen Vertretern derPartei Sternberg' erhalten, giebt sie etwa 83 M. an. Dies sollte nur für die Hergabe der Photographie bestimmt sein. Bestimmte Angaben darüber, ob der Angeklagte Luppa mit dem Kapitän Wilson' bekannt gewefen, kann die' Zeugin nicht machen. Auf Wunsch des Staatsanwalts giebt die Zeugin eine ungefähre Personalbeschreibung des angebliche» Kapitän Wilson, ivonach derselbe ein mittelgroßer Mann mit blondem vollen Spitzbart gewesen sei. Auf weiteres Befragen des Staatsanwalts konimt die Zeugin nochmals auf den Besuch zurück, den der Angeklagte Luppa in Ge- sellschaft zweier andrer Herren ihr bezw. der Callis an dem Tage nach der polizeilichen Vernehmung gemacht hat. Wie schon gester» erwähnt, hatte sich der Angeklagte Luppa mit der Zeugin Hansmann in ein Zimmer zurückgezogen, während die beiden Herren mit der Callis besonders sprachen. Letztere soll dann der Hausmann erzählt haben, daß der eine große Herr sehr informiert gewesen sei; sie glaube fast, daß es derselbe Mann sei, der bei ihrer Vernehmung bei Herrn v. Tresckow in demselben Zimmer gesessen habe. Staats­anwalt Braut: Und wer soll dieser Mann gewesen sein? Zeugin: Der Kommissar Thiel. Die Zeugin will dann noch geiagt haben, daß es ihr höchst un- angenehm sei, wenn man ihr»un etwa auch noch die Polizei ins Haus bringe. Zeugin Callis giebt zu, daß sie gesagt habe, der Herr, der so informiert scheine, sehr dem Mann ähnlich sähe, der in dem Zimmer des Herrn v. TreSckow bei der Vernehmung mit zugegen war und sich auf einem Blatt Papier Notizen gemacht habe. Sie habe denn mich gleich Herrn v. Tresckow erzählt, daß ein Mann, der Herrn Thiel ähnlich gesehen, bei ihr gewesen sei. Herr v. Tresckow kann sich darauf nicht besinnen. Richtig sei es, daß Kommissar Thiel am Tage der Vernehmung der Callis in dem Zimmer, in welchem ja immer sehr viele Leute aus- und eingingen, a n w e i e n d war. Angekl. Luppa erklärt, daß er den Kam- missar Thiel erst hier auf dem Gericht zum erstenmal gesehen habe. Die Persönlichkeit des betreffenden Herrn will er nicht kennen und erklärt auf wiederholtes eindringliches Befragen, daß nach seiner Anficht der betreffende Mann" ein Detektiv, ein Zeitungs- reporter oder dergleichen war. Der andre Herr sei ein Maler Münch- hausen gewesen. Der Staatsanwalt beantragt und der Gerichtshof beschließt die Ladung des Malers Hermann Münchhausen. Der Vorsitzende macht den Angekl. Luppa darauf aufmerksam, daß seine Angaben über den zweiten Herrn wenig Wahrscheinlichkeit für sich haben. Die Zeugin Callis erklärt auf Befragen noch: Der Herr sei so informiert gewesen, daß sie ihm gesagt habe:Sie scheinen ja alles zu wissen, das kommt mir sehr seltsam vor; Sie haben wohl bei der Vernehmung an der Thür gehorcht." Darauf habe der fremde Mann gesagt, er sei verheiratet und habe Kinder, sie solle ihn nicht etwa verraten. Frau Hausniann dagegen hat. wie sie bekundet, bei jener Gelegenheit im Vorbeigehen ein Wort des betreffenden Herrn vernommen, der der Callis sagte: wenn sie nicht die Wahrheit sagte, würde sie ins Arbeitsbaus kommen.' Ueber die Behauptung der Zeugin Callis, daß Frau HauSmann auf sie zu Ungunsten Sternbergs eingewirkt habe, kommt es zwischen dieser und Frau Hausmann zu lebhaften Aus- einandersetzungen. Nach einem alsdann erstatteten Gutachten des Schreib-Sach« verständigen Rcchnungsrat Junge rühren die beiden anonymen Briefe, welche die ganze Straffache in Fluß gebracht haben, nicht von der Hand des Herrn Stier st ädter her. Die Schrift- form und Schriftlage des letzteren sei eine wesentlich andre. Aller- dingS sei in den anonymen Briefen die Schrift verstellt, Herr Stier- städter besitze aber selbst die technische Fähigkeit nicht, solche Schnörkel zc. zu machen. Einwendungen gejjfcn das Gutachten werden nicht erhoben. Eine neue BelastungSzeugi«. Die nächste Zeugin ist die 16jährige Martha Schnör- wange, die auf Anregung der Zeugin Callis auch bei der Fischer verkehrte. Sie bezeichnet den Angeklagten Sternberg bestimmt als den Mann, den sie dort getroffen und mit dem sie unsittliche Hand- lunqen vorgenommen habe und behauptet, daß auch die Callis wissen müsse, daß Herr Sternberg der Maler ans Frank- furt a. O. gewesen. Auch dieser Behauptung widerspricht die Callis nachdrücklichst und es kommt zu einem heftigen Wortgefecht zwischen den beiden. Auch die Teichert soll der Schnörwange allerlei über ihre Erlebnisse mit dem Maler erzählt haben. Den behaupteten Inhalt dieser Erzählung bestreitet die Teichert energisch; ihre Er- regung gegen die Zeugin steigert sich so, daß sie ihr zuruft: Das ist nicht wahr, lüge hier nicht so frechl' Auf eine Rüge des Präsidenten erklärt die Teichert, daß sie sich so etwas nicht gefallen lasse. Präsident: Angeklagter Sternberg, was sagen Sie zu der Aussage der Schnörwange? Angeklagter Sternberg: Es wiederholt sich hier dasselae, wie mit der Ehlert. Alles was die Zeugin gesagt hat, ist von A bis Z erfunden und unwahr; es ist genau so unwahr, wie viele andre genaue Einzelheiten, die das Mädchen früher zu Protokoll gegeben hat und die sie heute selbst als unwahr zugiebt. Zeugin Schnörwange giebt zu. diese Unwahrheiten trüher zu Protokoll gegeben zu haben, behauptet aber, daß die E h l e r t ihr diese weiteren Unwahrheiten an die Hand gegeben habe. Nun tritt die Ehlert wieder vor, um die Zeugin der Unwahrheit zu zeihen, und eS kommt auch zwischen dieien beiden Zeuginnen zu gereizten Auseinandersetzungen. Die Schnörwange bleibt trotz eindringlicher Zumlitill!, 17Jovtnliti 1900. Verwarnung vor dem Meineide bei ihren Behauptungen. Eingewirkt sei auf sie insofern, als eine Frau Stabs mit Herrn Wolf bei ihr gelvesen sei; letzterer habe ihr gesagt: sie solle nur die Wahrheit sagen und wenn alles gut gehe, würde sie ihr Gutes haben. Während der jetzigen Gerichtsverhandlung habe Frau Stabs, die mit Fenstermoos handle, mehrere Male in der Konditorei für sie und eine Anzahl andrer Mädchen die Zeche in Höhe von 3 M. bezahlt. Auch Frau Wolf habe den Zeuginnen Teichert und Callis in der Konditorei etwas spendiert. Auf Befragen des Rechtsanwalts Heinemann behauptet die Schnörwange, daß ihr die Ehlert sehr zugeredet habe, die Unwahrheit zu sagen und Herrn Sternberg gehörig hinein- zulegen, denn es sei ja niemand dabei gewesen und es könnte ihr ja nichts passieren, wenn sie einen Meineid l e i st e. Zeugin Ehlert erklärt dies fürLügen". Die Schnörwange bleibt dabei und setzt hinzu: die Ehlert habe noch gesagt,wenn sie für einen kleinen Diebstahl 9 Monate Gefängnis bekommen habe, so könne Sternberg auch ordentlich hineinfallen. Präs.: Haben Sie denn wegen Diebstahls 9 Monate Gefängnis abgebüßt? Zeugin Schnörwange: Jawohl! Zeugin Ehlert(weinend): Um die Schnörwange habe ich 6 Monate wegen Hehlerei bekommen, sie hat mich bloß unglücklich gemacht! Die tcligi» Ehlert behauptet nochmals, daß sie nicht nur bei der ischer, sondern auch bei der Töpfer mit Herrn Sternberg zusammen- gekommen sei. Sie erinnert die Schnörwange daran, daß sie sogar von dem betreffenden Herrn eine silberne Streichholzbüchse erhalten habe, die mit den Buchstaben A. St. gezeichnet gewesen sei. Die Schnörwange behauptet dagegen, daß diese silberne Büchse nur eine Art Studentenwappen gehabt habe; diese silberne Büchse sei ihr von einem alten Herrn mit weißem Haar, aber nicht von Herrn Sternberg geschenkt worden. Sie sehe denselben Herrn noch täglich in der Passage. Sie selbst habe diese Büchse in der' Bergmannstraße verkauft. Die Zeuginnen Ehlert und Schnörwange treten sich fortgesetzt entschieden gegenüber, letztere bleibt auf Befragen des Rechtsanwalts F u ch s I dabei, daß alle Unwahrheiten, die sie im ersten Termin bekundet, auf die Einflüsterungen der Ehlert zurückzuführen seien. Es sei auch unwahr, daß sie vor dem ersten Termin von 8000 M. ge- sprachen habe, die bei der Sache Sternberg zu verdienen seien, wenn alles gut gehe. Die Ehlert behauptet dagegen, daß die Schnör« wange überhaupt gar nicht gewußt habe, wie es bei der Fischer in der Wohnung aussah, sie habe sich diese vielmehr erst von ihr beschreiben lassen. Auf Befragen des Rechtsanwalt Dr. Werthauer wirft die Schnörwange der Ehlert alles mögliche Schlechte vor und erzählt, daß diese im Gefängnis häßliche Lieder gesungen und allerlei Zeug erzählt habe. Die Ehlert ant- wortet:Das müßte ja ein fideles Gefängnis sein! Ich habe nur ein einziges Mal gesungen und habe gleich vier Wochen in den Keller gemußt!" Einen Antrag des Dr. Werthauer auf Protokollier'nng eines bestimmten Passus in der Aussage der Ehlert lehnt der Gerichtshof ab,weil es bis ins Unendliche führen würde, wenn man all die zahlreichen Widersprüche, die sich hier bei den Zeugenaussagen ergeben, protokollieren ivollte". Die Widersprüche zwischen den' beiden Zeuginnen, die sich heftig bekämpfen, können nicht ausgeglichen werden. Rechtsanwalt Dr. Werthauer behält sich iveitere Anträge bezüglich der silbernen Büchse vor. Angekl. Sternberg beantragt die Ladung des Unter- suchungsrichters, der seiner Zeit die beiden Mädchen in Kottbus vernommen, bezw. die Verlesung des Protokolls, in welchem der Untersuchungsrichter eine persönliche Bemerkung über die Mädchen gemacht hat. Die Ladung des betreffenden Richters als Zeugen wird von dem Gericht beschlossen. Hierauf wird Frau Augnste Teichert, die Mutter der T. darüber vernommen, ob ihr oder ihrer Tochter von irgend welcher Seite Geldversprechungen gemacht worden sind. Sie bestreitet dies, wiederholt aber die gestern von ihrer Tochter gegebene Erzählung, daß Herr'Stierstädter eines TagS bei ihr gewesen sei und ihrer Tochter einen Konfirmations- anzug, ihr selbst Leinenzeug zc. in Aussicht gestellt habe. Dabei habe er von Sternberg gesprochen und ihre Tochter ermahnt, die Wahrheit zu sagen. Richtig sei es, daß Herr Stierstädter dabei auch geäußert habe,' sie solle sich auf nichts einlassen, wenn sich irgend' jemand an sie herandrängen und sie aushorchen wolle. Stierstädter habe ihr das Kind zweimal ohne ihr Wissen zur Polizei- lichen Vernehmung mitgenommen. Das erste Mal habe man ihr auf der Polizei Schinkenstullen gegeben und Herr Stierstädter habe, als er sie zurückbrachte, gesagt: Das Mädchen sei noch nicht verdorben, es müsse in guter Obhut behalten werden. Das zweite Mal habe man dem Mädchen keine Schinkenstullen gegeben, sondern eS alsfreches Frauenzimmer" und dergleichen bezeichnet. Was ihre Tochter bei der Fischer gemacht, habe diese ihr nicht ge- sagt, sie habe aber später bestritten, daß Herr Sternberg der be- treffende Mann sei. Herr Stierstädter sei auf alle Fälle schon bei ihr gewesen, ehe ihre Tochter polizeilich vernommen wurde, und habe schon bei dieser Gelegenheit vonHerrn Sternberg" gesprochen. Die R.-A. Fuchs und Dr. Mendel halten es für sehr wichtig. festzustellen, daß Herr Stierstädter am Tage vorher, als die Teichert das erste und einzige Mal auf der Polizei Herrn Sternberg rokog- »osciert hat, hei den TeichertS gewesen ist und den Namen Sternberg genannt hat. Die Zeugm Teichert erzählt noch auf Beftagen, daß jetzt im Oktober mal ein älterer Mann bei ihr gewesen sei. der verschiedenes von ihr hören wollte. Sie habe die Vermutung ausgesprochen, daß dies ein Abgesandter von Herrn S t i e r st ä d t e r sei und stchauf nichts eingelassen. Staatsanwalt Braut macht zum Schluß noch folgende Mit- teilung: Soeben sei ihm ein Fahnenabzug derPost" zugegangen mit einem längeren Artikel best, den Fall Sternberg. Den Inhalt des Artikels über die neuen Bestechungsversuche geben wir im lokalen Teile wieder. An diese Mitteilungen knüpfte der Artikel derPost' eine Reihe von Betrachtungen mit Ausdrücken der Empörung darüber, wie zu Gunsten Sternbergs gearbeitet werde. Im Anschluß hieran fragt der Staatsanwalt den Angekl. Sternberg: ob er den Kapitän Wilson nennen wolle? Der Angeklagte erklärt, daß nach seiner Ueberzeugung Wilson ein Pseudonym sei, hinter welchem sich möglicherweise irgend einer seiner Freunde verstecke, der in wohlgemeinter, aber ungeschickter Weise das Ilster- esse für ihn. den er für unschuldig halte, wahrzunehmen trachte. Jedenfalls stehe er selbst diesen Bestrebungen vollständig fem. Hier handle es sich um Artikel, die eine auffallend tiefe Kenntnis aller Vorgänge verrieten und so gehässig gegen ihn gehalten seien, daß man in Besprechungen über diese Thatsache wohl der Vermutung Ausdruck gegeben habe, daß Leute in amtlicher Stellung vielleicht ein Interesse daran haben, die Presse in ungünstigem Sinn zu bearbeiten. Daraus mag der Wunsch entsprungen sein, nach dem Verfasser dieser Artikel zu forschen. Der Vorsitzende versucht vergeblich eine Auskunst darüber zu er- langen, mit wem solche Besprechungen stattgefunden haben und wie etwas darüber nach außen hin gedrungen sein sollte. Die Ver- teidiger Rechtsanwälte Mendel und Fuchs I betonen, daß ihnen die betreffenden Artikel bisher gänzlich unbekannt waren und s i e auch nicht das geringste Interesse daran hätten, den Ver- fasser zu erforschen. Rechtsanwalt Dr. W e r t h a u e r beantragt, außer dem schon bezüglich einiger Artikel m der .Morgenpost' geladenen Redacteur Bettauer auch den Chef- redacteur derPost". Herrn K r o n s b e i n, als Zeugen darüber z u vernehmen, von wem die überaus ungünstigen Artikel verfaßt sind. Der Gerichtshof behält sich die Beschlußfassung über den Anstag vor. Hierauf wird die Sitzung auf Sonnabend 9�» Uhr vertagt.